Meine Damen und Herren, ich bin also ganz nah bei dem, was Kollege Lux gesagt hat. Es gibt gesetzliche Regelungen in der Gemeindeordnung. Es gibt kommunalaufsichtliche Vorschriften. Ich habe aber eine Frage, die ich gerne an den Innenminister gerichtet hätte: Warum ist in Ansehung der kommunalaufsichtsrechtlichen Pflichten, der Vorschriften der Gemeindeordnung an einigen Punkten nicht wesentlich sorgfältiger hingeschaut worden? Den Vorwurf wird man mit Fug und Recht erheben können.
Die Frage, die mit dem Antrag und der endgültigen Haltung meiner Fraktion zu diesem Antrag verbunden ist, ist zweigeteilt: Ich glaube, es ist der Mühe und des Schweißes wert, sich einen umfassenden Bericht darüber geben zu lassen, in welchen Bereichen unseres Landes das tatsächlich mit welchen Folgen und welchen aufsichtsrechtlichen Begleitmaßnahmen stattgefunden hat. Das muss man wissen, um an einer solchen Stelle handeln zu können.
Die meisten dieser Finanzprodukte sind – das als kleiner Beitrag zum Thema „Privat vor Staat“ – den Kämmerern nicht selber eingefallen, sondern ihnen von angeblichen Fachleuten aus dem Bereich der privaten Banken anempfohlen worden. Die hatten alles andere im Kopf, nur nicht das Wohlergehen der kommunalen Strukturen, meine Damen und Herren. Das muss an der Stelle auch einmal gesagt werden.
Die Frage, die sich uns bezogen auf den zweiten Punkt stellt, lautet, ob wir nicht ein Vollzugsdefizit im Hinblick auf kommunalaufsichtsrechtliche Vorschriften haben, ob wir an der Stelle nicht genauer hingucken müssen, ehe wir gegebenenfalls eine gesetzliche Vorschrift in Kraft setzen, die sehr schwierig wäre.
Denn wer definiert, welche Finanzprodukte riskant sind. Wer überprüft? Und wie stellt man sich gegebenenfalls – wenn man den Numerus clausus hergestellt hat – von riskanten Finanzgeschäften auf Neuerungen in dem Bereich ein?
Insofern bin ich gespannt – und gestatte auch die Zwischenfrage des Kollegen Becker –, wie wir mit dem Thema im Ausschuss weiter umgehen.
Letzter Satz! – Nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen – damit bin ich ganz nahe beim Kollegen Becker – werden Sie den Menschen vor Ort nicht vermitteln können: dass man nämlich bei Elternbeiträgen für Kindertagesstätten hinguckt, aber Geschäfte mit Risiken und zum Teil eben auch mit Hinterlassenschaften in Millionenhöhe einfach zulässt. Meine Damen und Herren, an der Stelle sehen auch wir Handlungsbedarf. – Danke.
Ich rege an, dass die Länge Ihres Redebeitrages der Handhabung durch das Präsidium entspricht. – Vielen Dank.
Herr Kollege Becker, zu diesem Zeitpunkt war die Redezeit bereits abgelaufen. Der Kollege Körfges hätte die Gelegenheit gehabt, Sie sofort fragen zu lassen, nachdem er zu erkennen gegeben hat, dass er Ihre Zwischenfrage zulassen will. Er hat aber noch weitere Sätze ausgeführt. Deswegen bin ich dem Kollegen Körfges dankbar, dass er meinem Hinweis auf das Ende seiner Redezeit entsprochen hat. Es steht dem Redner selbstverständlich frei, das zu handhaben. So ist es geschehen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf eine Kommune eigenständig Schulden- bzw. Zinsmanagement in Form risikoreicher Geldgeschäfte betreiben? – Das ist die Frage, über die wir heute debattieren.
Die Landesverfassung garantiert unseren Städten und Gemeinden die kommunale Selbstverwaltungshoheit. Damit sind die Kommunen eigenständig für das Geschehen in ihrer Kommune verantwortlich. Bei kommunaleigenen Geldgeschäften gilt das Subsidiaritätsprinzip.
Gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs in die Finanzwelt und dort zu Derivaten oder derivaten Finanzierungsinstrumenten, damit klar ist, worüber wir sprechen. Nach meiner Einschätzung ist dies nämlich der Grund, warum das nicht so richtig funktioniert.
Der Begriff stammt aus dem Lateinischen. Das lateinische Wort derivare bedeutet ableiten. Derivate sind gegenseitige Verträge, deren Preisbildung im Allgemeinen auf einer marktabhängigen Bezugsgröße, dem Basiswert, basiert. Solche Basiswerte können marktbezogene Referenzgrößen wie Zinssätze sein. Swaps zählen zu den derivaten Finanzierungsinstrumenten und sind bilaterale Vereinbarungen über den Austausch von Zahlungsströmen. Seit Mitte der 80er-Jahre – das ist hier auch richtig angeklungen – nimmt der Handel mit Finanzderivaten rapide zu.
Das Geschäft mit Derivaten ist für Kommunen einzig und allein im Rahmen von abgeschlossenen Kreditgeschäften zulässig. Diese Einschränkung ist auch richtig; denn rein spekulative Geschäfte mit Gewinnabsicht zählen nicht zu den Aufgaben der Kommunen.
Die Finanzmärkte befinden sich zurzeit in schwerem Fahrwasser. Internationale und nationale Banken sind von der Finanzkrise in den USA gezeichnet. Das Geldgeschäft mit Derivaten bei Geschäftsbanken wie zum Beispiel der Deutschen Bank ist natürlich nicht risikofrei. Viele Kommunen haben sich mit Swaps in das internationale Finanzkarussell verstrickt.
Gerade mit Zinswetten haben einige Kommunen schon die eine oder andere teure Bruchlandung oder Bauchlandung hinter sich. Womöglich lag das auch daran, dass bei dem Zinsswapgeschäft auf einen Zinsdeckelungskorridor verzichtet wurde, sodass tatsächlich keine absolute Haushaltssicherheit bestanden hat. An dieser Stelle sind stets die Gremien gefordert. Herr Körfges, ich stimme Ihnen zu: Hier ist Transparenz angesagt. Zum Beispiel hat die Stadt Dortmund bei einem Zinssicherungsgeschäft über Nacht einen Verlust
in Höhe von 6,2 Millionen € eingefahren, da die Differenz zwischen langfristigen Zinsen für einen 20-Millionen-€-Kredit und kurzfristigen Zinsen in einem Zinstauschgeschäft sich anders entwickelte als erwartet.
Ich frage mich, ob diese risikoreichen Finanzgeschäfte den kommunalen Mandatsträgern überhaupt bekannt sind.
Die Gemeindeordnung enthält klare Regelungen zu risikoreichen Geldgeschäften. Neben der neuen Verpflichtung zur Beachtung der Generationsgerechtigkeit müssen die Kommunen ihr Vermögen und ihre Einkünfte so gestalten, dass die Gemeindefinanzen gesund bleiben. Die Haushaltswirtschaft ist wirtschaftlich, sparsam und effizient zu gestalten. Deutlich wird in der Gemeindeordnung hervorgehoben, dass bei Geldgeschäften auf ausreichende Sicherheit und einen angemessenen Ertrag geachtet werden muss.
Geldgeschäfte mit derivaten Finanzierungsinstrumenten sind eine Gratwanderung, die Bürgermeister und Landräte mit ihren Kämmerern nicht eigenständig durchführen sollten. Im Vorfeld solcher Aktionen muss der Rat oder der Kreistag wirklich von seiner Verantwortung Gebrauch machen und das Risiko solcher Geschäfte genau abwägen.
In dem Erlass des Innenministers aus dem Jahre 2006 erfolgt der Verweis auf die Haushaltsgrundsätze, die die Kommunen dazu verpflichten, bei der Gestaltung der Kreditkonditionen vorrangig auf die Sicherheit und damit auf ein möglichst niedriges Risiko zu achten.
Die Praxis – wie zum Beispiel in Hagen; dort hat man wohl einen Verlust von 50 Millionen € zu beklagen – hat gezeigt, dass dies nicht immer der Fall war. Deshalb stehe ich persönlich dem Kreditgeschäft mit Derivaten äußerst skeptisch gegenüber.
Erstens stellt sich doch die Frage, weshalb die Grünen nicht bereits zu ihrer Regierungszeit aktiv geworden sind; denn schon damals gab es die Möglichkeit des Einsatzes von Derivaten, Herr Becker. Das damit verbundene mögliche Risiko war seinerzeit auch bekannt.
Zweitens. Was wollen die Grünen eigentlich? Heute soll ein Antrag beraten werden, der konträr zu dem in der vorletzten Plenarwoche am 21. Februar 2008 behandelten Antrag der Grünen „Landesregierung benachteiligt arme Kommunen
Ich darf darauf hinweisen, dass auch Sie keine Redezeit mehr zur Verfügung haben und deswegen – etwas spaßhaft ausgedrückt – entweder jetzt oder nie die Chance haben, diese Zwischenfrage zu beantworten.
Jetzt wird mit diesem Antrag genau das Gegenteil gefordert, nämlich mehr Kontrolle über die Kommunen durch Einführung einer Anzeige- und Genehmigungspflicht für Geldgeschäfte. Das ist für mich nichts anderes als ein grüner kommunal- und finanzpolitischer Schlingerkurs.
Regierung und FDP-Landtagsfraktion sind dagegen klar aufgestellt. Es gilt die kommunale Selbstverwaltung, aber auch der Satz: Chance und Risiko. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als Nächster hat für die Landesregierung Herr Minister Laschet in Vertretung für Herrn Dr. Wolf das Wort.
Den Kollegen Becker bzw. die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darf ich darauf hinweisen, dass sie noch einen geringen Teil Redezeit haben. – Herr Minister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, befindet sich der Innenminister bei der Innenministerkonferenz, die in diesen Tagen wichtige Dinge zu entscheiden hat, unter anderem über die Frage irakischer Flüchtlinge. Insofern ist er für diese Plenarsitzung auch entschuldigt, denke ich.
Es ist verständlich, dass unter dem Eindruck der globalen Finanzkrise der Blick auf mögliche Risiken schärfer wird. Ein schärferer Blick darf aber
nicht dazu führen, jetzt Gespenster zu sehen. Und das tut der vorliegende Antrag; denn er verkennt, dass bezüglich der Derivatgeschäfte – Herr Kollege Engel hat sie gerade sehr präzise angesprochen und für diejenigen, die das nicht wissen, erläutert, worum es sich dabei handelt – für die Kommunen bereits seit Jahren im Sinne der Risikominimierung klare Regeln gelten.
Der Antrag geht einer sehr selektiven Berichterstattung in den Medien auf den Leim und greift dann zu einer sehr groben Keule, die in die kommunale Selbstverwaltung eingreift. Ein Innenminister hat allerdings immer die Verantwortung, zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Aufsicht und kommunaler Selbstverwaltung zu kommen.
Ich habe den Eindruck, dass die Präzisionsinstrumente, die längst erarbeitet sind, um Risiken zu vermeiden, in diesen Fällen ebenfalls greifen. Wie in vielen anderen Ländern schließen auch die Kommunen in Nordrhein-Westfalen schon seit Jahren Geschäfte mit Zinsderivaten im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung eigenverantwortlich ab.
Für den Einsatz dieser Derivate gelten kommunalrechtliche Beschränkungen, die den Kommunen bekannt sind, beispielsweise § 90 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen und Erlasse des Innenministers vom 9. Oktober 2006 und vom 25. Oktober 2005. Dieser Rahmen ist völlig ausreichend. Daraus ergibt sich: Es kann keine Derivatgeschäfte ohne ein Kreditgeschäft geben. Spekulation ist verboten. Das Vorsichtsprinzip ist zu beachten. Es besteht die Pflicht zur Risikovorsorge. Es gilt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit.
Das Innenministerium hat den Kommunen schon vor Jahren empfohlen, Derivatgeschäfte nicht als Geschäfte der laufenden Verwaltung zu behandeln. Kollege Lux hat das eben noch einmal deutlich gemacht, und er hat Sie auch darüber informiert, dass fachkundige Beratung unerlässlich ist, aber nicht die eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit diesen Finanzprodukten ersetzt.
Herr Kollege Körfges, es liegt dann an jedem Kämmerer, wo er sich seinen fachkundigen Rat holt. Es gibt diesen fachkundigen Rat auch über die kommunalen Spitzenverbände, und es ist jeder Kommune anzuraten, diesen Rat auch einzubeziehen. Die Forderung im vorliegenden Antrag nach einer Anzeige- und Genehmigungspflicht ist also ein fachlich und sachlich völlig überflüssiger Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und in die verfassungsrechtlich geschützte Finanzhoheit.