Nachdem der Landtag im ersten Teil Ihres Antrags Ihr Zeitungswissen beschließen soll, stellen Sie in Ihrem Beschlussteil drei Forderungen an die Landesregierung. Die ersten beiden Forderungen – Herr Weisbrich, davon bin ich nach Ihrem Wortbeitrag inzwischen überzeugt – sollen
Mit den ersten beiden Forderungen Ihres Antrags soll vor allen Dingen die Energieministerin angetrieben werden, endlich ihren Beitrag für neue Kraftwerksprojekte in Nordrhein-Westfalen zu leisten.
Ich will mich an dieser Diskussion zwischen Landesregierung und den Fraktionen, die die Landesregierung eigentlich tragen sollten, nicht beteiligen. Bezeichnend ist allerdings der dritte Punkt; das ist gerade überdeutlich geworden. Der verschwurbelte Text davor dient doch nur dazu, wieder einmal bei der von CDU und FDP so heiß geliebten Atomenergie anzukommen.
„Die Landesregierung wird aufgefordert, … sich auf der Bundesebene für einen Weiterbetrieb bestehender Kernkraftwerke über die bisher geplanten Laufzeiten einzusetzen.“
Ich will Ihnen dazu kurz, Herr Weisbrich, weil Sie das offensichtlich vergessen haben oder es ignorieren, die Sachlage in Erinnerung rufen.
Es gibt ein gültiges Atomgesetz, mit dem der zwischen Atomkraftwerksbetreibern und Bundesregierung vereinbarte Ausstieg aus der Atomenergie gesetzlich festgeschrieben wurde. Darin ist ein Fahrplan mit klar festgelegten Restlaufzeiten enthalten. Das ist geltendes Bundesrecht. Damit gibt es seit Langem – darauf kommt es doch an – Planungssicherheit für alle Beteiligten. Daran sollten Sie nicht rütteln; daran darf auch nicht gerüttelt werden.
Hinzu kommt: Nordrhein-Westfalen ist aus guten Gründen vor vielen Jahren aus der Atomenergie ausgestiegen.
Meine Damen und Herren von den beiden Koalitionsfraktionen: Ihr Antrag ist ein erneuter Beleg – das wurde auch in Ihren Wortbeiträgen deutlich – für Ihre völlige energiewirtschaftliche Konzeptionslosigkeit. Egal welche Fragestellung aufkommt, Ihre Antwort ist immer die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke.
Dabei sollte Ihnen doch eigentlich klar sein, was Sie damit in Nordrhein-Westfalen anrichten. Sie verlängern die Hängepartie um Kraftwerksplanungen und schaden damit den vitalen Interessen Nordrhein-Westfalens.
Diese Hängepartie, Frau Thoben, verhindert dringend notwendige Investitionen in NordrheinWestfalen. Sie verlängern die nahezu unüberwindbaren Wettbewerbsnachteile, denen neue Marktteilnehmer gegenüber denjenigen ausgesetzt sind, die über abgeschriebene Uraltkraftwerke verfügen. Diese Wettbewerbsverzerrung verhindert, dass neue Marktteilnehmer endlich für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt sorgen könnten. Sie verlängern die Risiken, die durch immer älter werdende Kraftwerksblöcke natürlich nicht kleiner werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer altersschwachen Anlage eher etwas kaputtgeht, wird doch, Herr Weisbrich, bei längeren Laufzeiten immer größer. Das weiß jeder, der ein Haus besitzt, ein Auto fährt oder eine Heizung im Keller hat. Ihr Antrag verwechselt insofern Ursache und Wirkung.
Wir brauchen keine längeren Laufzeiten, um die Zeit für neue Kraftwerksplanungen zu gewinnen, sondern richtig ist es andersherum. Solange aber ständig neue Unsicherheiten über die Gesetzes- und Vertragstreue dieser Landesregierung bei den Restlaufzeiten geschürt werden, bekommen wir keine Planungssicherheit für mögliche Investoren. Solange ständig über Atomkraft lamentiert wird, bekommen wir in Nordrhein-Westfalen zu wenige Investitionen in moderne Gas- und Kohlekraftwerke sowie in moderne Kraft-WärmeKopplungs-Anlagen.
Solange abgeschriebene Atomkraftwerke den Markt dominieren, bekommen wir keine neuen Anbieter und damit keine neuen Anlagen, die endlich mehr Wettbewerb bringen.
Ihr Antrag schadet damit den vitalen Interessen des Energielandes Nordrhein-Westfalen. Er bringt neue Verunsicherung, Herr Weisbrich, gerade für dringend benötigte Investitionen. Ihr Szenario, das Sie vorhin beschrieben haben und das Sie vor allen Dingen dann auch noch mit einer Anleihe an Südafrika garnierten, hat mich schon entsetzt. Haben Sie nicht wiederholt versucht, uns beizubringen, die Südafrikaner seien viel weiter als wir, weil sie auf den Hochtemperaturreaktor setzten?
Also: Mit unserem gemeinsamen Entschließungsantrag stellen wir, Bündnis 90/Die Grünen und SPD, klar, worauf es für Nordrhein-Westfalen ankommt. Wir müssen uns, Herr Weisbrich, um die Stromversorgung von morgen ohne die Atompläne von gestern kümmern.
Dazu muss die Landesregierung endlich ein Klimaschutz- und Energieprogramm vorstellen. Wie professionell Sie dabei vorgehen, konnten wir in den letzten Tagen bei der Vorbereitung für Ihren Klimaschutzkongress am 5. Mai 2008 erleben. Welche Bedeutung Sie einem Dialog mit allen im Landtag vertretenen Fraktionen beimessen, Frau Thoben, konnten wir ebenfalls erleben. Wir sind jedenfalls sehr gespannt, ob Sie ein Klimaschutz- und Energieprogramm vorlegen können, das diesen Namen auch tatsächlich verdient.
Sie werden jedenfalls die Frage beantworten müssen, welche Struktur der zukünftigen Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen Sie anstreben und mit welchen Instrumenten Sie diese erreichen wollen. Sie müssen entweder Ihre Atomphantasien endlich beenden oder den Bürgerinnen und Bürgern klipp und klar sagen, an welchen Orten im Land Nordrhein-Westfalen Sie neue Atommeiler errichten wollen. Daran werden Sie nicht vorbeikommen.
Ein ganz trivialer Zusammenhang scheint der Koalition ebenfalls nicht bekannt zu sein. Eine sogenannte Stromlücke, Herr Weisbrich, ist die Differenz zwischen Stromangebot- und -nachfrage. In Ihrem Antrag ist nichts davon zu finden, diese Lücke auch dadurch zu schließen, dass wirksame Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ergriffen werden, um damit auch den Strombedarf zu reduzieren. Dies wirkt sich direkt positiv auf das Portemonnaie der Menschen aus. Statt Energieeffizienz nach vorne zu bringen, streicht die Landesregierung die Mittel für die Effizienzagentur in den letzten Jahren radikal zusammen.
Um die Stromversorgung Deutschlands langfristig zu sichern, sieht die Bundesregierung aus guten Gründen vor, 30 % aus erneuerbaren Energien in die gesamte Versorgung zu integrieren. Auch zu den erneuerbaren Energien steht in Ihrem Antrag kein Wort. Die erneuerbaren Energien finden bei Ihnen nur als Problem und nicht als Beitrag zur
Lösung statt. Bestes Beispiel ist Ihre pauschale Verunglimpfung der Förderung der erneuerbaren Energien und der Windenergie. Statt auf Repowering zu setzen, behindert die Landesregierung den Austausch alter Windräder durch neue. Das ist Realität in Nordrhein-Westfalen.
Sie begreifen nicht, dass man für mehr Wettbewerb auch mehr Wettbewerber braucht. Wenn Sie heute die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern würden, stehen Investitionsentscheidungen von neuen Wettbewerbern vor dem Aus.
Wenn Sie gleichzeitig noch weiter an der Gemeindeordnung manipulieren, legen Sie darüber hinaus den kommunalen Versorgungsunternehmen Fußfesseln an. Das Ergebnis Ihrer Politik, Herr Weisbrich, werden steigende Strompreise, explodierende Gewinne bei den vier Großen und weiter veraltende Kraftwerke sein. Die explodierenden Strompreise, Herr Kollege Weisbrich, haben nichts mit den Steuern und Abgaben bei Energie, bei Strom zu tun. Die sind seit 2002 unverändert geblieben;
aber die Gewinne der Unternehmen sind explosionsartig gestiegen. Das scheinen Sie völlig auszublenden.
Das, was Sie vorlegen, hat also nichts mit einer zukunftsfähigen Energieversorgung in NordrheinWestfalen zu tun. Sie haben – das ist wieder deutlich geworden – keine Strategie und keinen Plan für dieses Land. Ihre Konzepte zur Kernenergierenaissance sind von gestern und deshalb für morgen völlig ungeeignet.
Zur Nichtabschaltung von Uraltblöcken im Rheinischen Braunkohlenrevier ist die Landesregierung nur bereit, ihren Unmut zu äußern. Der schwarzgelben Landesregierung fehlt erkennbar die Kraft, politisch oder verwaltungsseitig die Abschaltung
In Krefeld ist die Lage völlig absurd. Dort wird ein hocheffizientes KWK-Kraftwerk geplant, aber von der örtlichen CDU, Herr Weisbrich – Sie wohnen doch nahe dran –, wird dieses KWK-Kraftwerk hintertrieben.
Um es klar zu sagen: Weder im rheinischen Braunkohlenrevier noch im Krefeld hilft eine Verlängerung der Laufzeit von uralten Atomkraftwerken, um das Energieland Nordrhein-Westfalen nach vorne zu bringen. Die Landesregierung muss stattdessen ihre Hausaufgaben machen. Sie muss Bedingungen fordern und fördern, damit alte Anlagen abgeschaltet werden und neue Marktteilnehmer investieren können. Sie muss erneuerbare Energien fördern. Sie muss KraftWärme-Kopplung fördern. Im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen müsste sich diese Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzen, dass am beschlossenen Atomausstieg nicht gerüttelt wird.