Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Wie die von mir genannten Beispiele zeigen, ist die Kameraüberwachung nur ein und möglicherweise noch nicht einmal das gravierendste Problem. E-Mail, Internet, Intranet, die Speicherung von Mitarbeiterdaten und alle modernen Kommunikationsmethoden können bekanntlich vielfach missbräuchlich zur Überwachung eingesetzt werden. Dem muss ein modernes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz Rechnung tragen. Im Sinne einer

möglichst großen Transparenz müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umfassend über die erfassten Daten, den Zeitraum der Erhebung, die Methode, den Zweck und die Art und Weise der Auswertung und Verarbeitung informiert werden.

Deutlich verschärft werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen durch dieses künftige Gesetz aber auch die Sanktionsmöglichkeiten. Zwar drohen heute schon Bußgelder und sogar Freiheitsstrafen – die Obergrenze bei den Bußgeldern liegt bei 250.000 € –, aber angesichts der doch geringen Personalausstattung zur Kontrolle des Datenschutzes in der Privatwirtschaft ist die Versuchung gerade für große Unternehmen doch relativ hoch, es einfach einmal darauf ankommen zu lassen.

Mit der Forderung nach einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz befindet sich meine Fraktion in Übereinstimmung mit der Landesdatenschutzbeauftragten, dem Bundesdatenschutzbeauftragten und den Gewerkschaften. Auch meine Partei hat sich in dieser Frage bereits positioniert, so jüngst auf dem Landesparteitag am 5. April in Düsseldorf.

Vorstöße in diese Richtung sind auch nicht völlig neu. Erste Forderungen reichen bis in das Jahr 1984 zurück. Schon der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm – so wird kolportiert – hatte lange Jahre einen fertigen Entwurf eines solchen Gesetzes in der Schublade liegen.

Bislang sind jedoch Forderungen nach einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz stets im Sande verlaufen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Warum denn?)

Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2005 erklärt, dass eine gesetzliche Regelung des Arbeitnehmerdatenschutzes noch immer nicht erfolgt ist.

Über die Gründe für das Scheitern einer bundesgesetzlichen Regelung möchte ich gar nicht spekulieren. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten uns damit nicht zufriedengeben. Ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ist aus Sicht meiner Fraktion mehr als überfällig. Damit endlich Bewegung in die Sache kommt, unterstützt meine Fraktion auch den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit der Forderung nach einer entsprechenden Bundesratsinitiative.

Wir appellieren an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, dieses Anliegen im Interesse des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen ebenfalls mitzutragen. Die Chance, nach Jahrzehnten des

Stillstands in dieser Sache endlich Nägel mit Köpfen zu machen, scheint mir heute besser denn je zu sein. Ich möchte auch daran erinnern, dass sich der aktuelle Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer, der bekanntlich der CSU angehört, deutlich für ein solches Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ausgesprochen hat. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stüttgen. – Als nächster Redner spricht für die FDP-Fraktion der Kollege Dr. Orth. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die durch aktuelle Meldungen bekannt gewordene Erfassung von sensiblen Mitarbeiter- und Kundendaten in mehreren deutschen Unternehmen finden auch wir unerträglich. Auch wir sind für den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch wir sehen durch diese Erfassung erhebliche Eingriffe, wie hier schon mehrfach beschrieben.

Allerdings, so schlimm diese Methoden sind, stellt sich doch die Frage: Welchen Beitrag kann eigentlich der konkrete Antrag, der hier heute zur Debatte steht, zur Verbesserung der Situation leisten? – Da kann man nur sagen: Der Antrag der Grünen ist mehr als dünn, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Sie fordern ein Gesetz.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie wollen nicht Farbe bekennen!)

Sie sagen aber nicht, was das Gesetz eigentlich enthalten soll. Ein Gesetz zu fordern ist ja prima, eine Überschrift zu produzieren auch. Aber was bedeutet das denn?

(Ralf Witzel [FDP]: Bürokratie bedeutet das!)

Welche Anforderungen wollen Sie stellen? Wer soll das kontrollieren? Wer soll das bezahlen? Wer ist zuständig? Dazu sagen Sie nichts, aber auch gar nichts. Sie operieren hier mit einem Schlagwort.

Frau Düker, da wären Sie einmal besser nach Düsseldorf zu unserem Parteitag gekommen. Das ist für Sie ja gar nicht so weit. Sie hätten sich nur in die Straßenbahn setzen und bis zum Stadtmuseum fahren müssen. Wenn Sie das getan hätten,

wären Sie jedenfalls schlauer gewesen und hätten heute ein bisschen mehr Input bringen können.

(Beifall von der FDP)

Wir haben uns nämlich bei der FDP, bevor die LidlDiskussion aufkam, schon mit der Frage beschäftigt: Wie ist eigentlich der Schutz von Daten – und zwar nicht nur von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – gewährleistet?

Ich halte es für eine verfehlte Konzeption, dabei allein auf die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zu setzen.

Wenn Sie Wirtschaftsunternehmen kontrollieren wollen, müssen Sie das mit den Instrumenten der Wirtschaft machen. Das heißt, Sie müssen Testate vergeben, so, wie es beim deutschen Corporate Governance Kodex übrigens hervorragend klappt. Wenn einer sich nicht daran hält, gibt es ein Testat, in dem das steht, und dann wird es der Markt richten. Auf Dauer wird ein Unternehmen eingeschränkte Testate nämlich nicht ertragen. Kein Unternehmen mit eingeschränkten Testaten bekommt Kredite.

Ich glaube, deshalb sollten Sie sich einmal mit der Frage befassen: Welches Instrumentarium scheint geeignet, wenn jemand gegen Datenschutzbestimmungen verstößt? Wir jedenfalls setzen darauf, hierfür die Wirtschaftsprüfer heranzuziehen, die bereits in vielen Bereichen eine hervorragende Arbeit leisten.

(Beifall von der FDP)

Herr Stüttgen, auch Sie fordern ein Gesetz. Hier gilt der gleiche Vorwurf: Was soll in diesem Gesetz stehen? Wie wollen Sie es regeln?

Ich denke, wir können es uns hier nicht so einfach machen. Wir alle sind uns einig, dass das, was bei Lidl und Co. passiert ist, unerträglich ist. Ich erwarte, dass, wenn es strafrechtlich relevant war, daraus die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden. Aber sich acht oder zwölf Minuten lang – es kam mir noch viel länger vor – hierhin zu stellen und immer wieder nur das Wort „Arbeitnehmerschutz“ in den Mund zu nehmen, ohne zu erklären, was das ist, ist eigentlich eine Beleidigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Rechte verletzt wurden.

(Beifall von der FDP)

Von daher ist es auch bezeichnend – ich habe mich hier umgeschaut –, dass Frau Sokol gar nicht erst gekommen ist. Ich glaube nämlich, Frau Sokol weiß sehr wohl über die Qualität dieses Antrags Bescheid.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das fordern Sie doch selbst!)

Ich jedenfalls vertraue darauf, dass wir keine Schnellschüsse machen, wie Sie sie hier vorgegeben haben, sondern dass wir uns überlegen: Wie können wir einen effektiven Schutz der Daten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bewerkstelligen?

Wenn es nur darum geht, zu sagen: „Wir finden das, was passiert ist, nicht gut“, sind wir uns einig. Aber, Frau Düker, Lösungen haben Sie weiß Gott nicht geliefert. Sie sollten eher einmal zu uns kommen; dann können Sie wirklich etwas lernen. – Danke.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Monika Dü- ker [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Laumann, dem ich hiermit das Wort erteile. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal begrüße ich die heutige Debatte. Ich halte sie für absolut notwendig.

(Demonstrativer Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die Medienberichte über die Videoüberwachung von Geschäfts- und Mitarbeiterräumen bei verschiedenen Discountern, über das Einschleusen von Detektiven in Belegschaften, die unter anderem auch Informationen aus dem Privatleben der Mitarbeiter protokolliert haben, und über offensichtlich aus Mitarbeiterumkleidekabinen stammende Fotos – die waren in einigen Medien zu sehen – haben nämlich auch bei uns in Nordrhein-Westfalen viele Menschen verunsichert, verängstigt und empört. Das finde ich völlig selbstverständlich.

Auslöser der aktuellen Debatte waren Medienberichte über die Überwachung von Beschäftigten in Lebensmitteldiscountern. Nach Auskunft der unabhängigen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, die in NordrheinWestfalen die für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich zuständige Aufsichtsbehörde ist, gibt es auch in unserem Land entsprechende Verdachtsfälle.

Die Landesbeauftragte ist hier, wie auch im Fall eines fleischverarbeitenden Unternehmens in

Rheda-Wiedenbrück, von Amts wegen tätig geworden und geht dem Verdacht auf Datenschutzverstöße nach. Das Unternehmen in RhedaWiedenbrück wurde im Rahmen eines Informations- und Kontrollbesuchs vor Ort am 9. April dieses Jahres von Mitarbeitern der Landesbeauftragten überprüft. Nach Angaben der Landesbeauftragten wurde dabei eine unzulässige Videoüberwachung der Beschäftigten festgestellt. Die Verantwortlichen in dem Unternehmen haben darauf reagiert und zugesagt, alle festgestellten Mängel zu beseitigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung nimmt die Sorgen und Ängste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Frage sehr ernst. Die heutige Debatte zeigt – darüber freue ich mich –, dass wir uns in vielen Punkten in der Sache und in der Beurteilung des Problems einig sind:

Erstens. Die in den Medien beschriebenen Vorgänge müssen aufgeklärt und juristisch aufgearbeitet werden. Es muss geklärt werden, ob gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen wurde und ob diese Verstöße strafrechtlich von Bedeutung sind.

Zweitens. Der Schutz der Daten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss gewährleistet sein. Eine Bespitzelung der Belegschaften lehnen wir ab.

Drittens. Die Berichte in den Medien werfen Fragen an die Politik auf: Haben wir es mit Einzelfällen zu tun, in denen Unternehmen offensichtlich gegen geltendes Recht verstoßen haben, oder geht es um ein grundsätzliches Problem? Hält unsere Gesetzgebung beim Datenschutz noch Schritt mit der rasanten Entwicklung der technischen Möglichkeiten der Überwachung von Mitarbeitern?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Nein!)

Nicht zuletzt: Brauchen wir ein Gesetz zum Schutz von Arbeitnehmerdaten, oder sind die derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen für einen wirksamen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausreichend?

Die Forderung nach einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ist eigentlich ein alter Hut, ein Thema, das sich im Bundestag, aber auch in der Bundesregierung bis jetzt zu einer unendlichen Geschichte entwickelt hat.