Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

Herr Witzel, zu Ihrem Gequake von der Steuer will ich Ihnen auch einmal etwas sagen; denn das machen Sie ja jedes Mal.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie müssen auch klar benennen, woher das Geld kommen soll. Der Staat braucht schließlich bestimmte Einnahmen. Die Ökosteuer ist in die Rentenversicherung gegangen. Ansonsten würden der Rentenversicherung 30 Milliarden € Beiträge fehlen.

(Ralf Witzel [FDP]: Da besteht kein Zusam- menhang!)

Sie decken das immer so einfach. Aber woher bekommen Sie das Geld für die Rentenversicherung? Das geht bei Ihnen immer ganz nonchalant.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich wäre ja noch damit einverstanden, wenn wir einmal vernünftig diskutieren würden, ob wir genau den 20 % …

(Ralf Witzel [FDP]: Also rasen für die Rente!)

Weil Sie jetzt immer dazwischenbrüllen: Wenn Sie eine Frage stellen wollen, machen Sie das, ich beantworte sie gerne. Aber so können Sie mir nicht zuhören, und ich kann Sie nicht verstehen. Irgendwie sollten wir auf eine gemeinsame Diskussionskultur kommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich habe nichts gegen eine Frage von Ihnen, Herr Witzel.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Lassen Sie mich noch auf einen ganz anderen Punkt kommen, der für mich der entscheidende ist. Das betrifft auch Ihre Aussage, dass die Geologen einen Blindenhund bräuchten. Sie haben vollkommen recht: In der Historie ist man immer davon ausgegangen, dass es noch für 40 Jahre Öl gibt. Für mich war eine der spannenden Fragen, was dann kommt. Das hat nichts mit Ökosozialismus und Katastrophismus zu tun. Sie sagen ja auch, dass die Vorräte irgendwann einmal zu

Ende sind. Sie schieben diesen Zeitpunkt allerdings weit in die Zukunft.

In den Anhörungen haben uns absolut seriöse Sachverständige – sowohl aus der Ölindustrie als auch andere – ihre Sicht dargestellt. Bei den Aussagen der Vertreter aus der Gas- und Ölindustrie bin ich ganz vorsichtig, weil sie natürlich ein Stück weit interessengeleitet sind. Man muss ihre Position aber zur Kenntnis nehmen. Sie sagen, dass es überhaupt kein Problem gibt.

Vonseiten der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik haben wir gehört – das deckt sich mit den Aussagen von Herrn Campbell und anderen Fachleuten –, dass der Höhepunkt der konventionellen Ölförderung weltweit im Jahr 2005 war oder wir gerade derzeit auf diesem Peak Oil sind.

Außerdem hatten wir – das ist für mich der Kronzeuge – die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hier. Bei dieser Einrichtung handelt es sich nicht um eine grüne Kaderschmiede.

(Dietmar Brockes [FDP]: Doch!)

Herr Kollege Brockes, fragen Sie bitte. Und benehmen Sie sich doch so, wie wir beide uns benehmen, wenn wir privat zusammen sind. – Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gehörte früher zu Wolfgang Clements Wirtschaftsministerium, das davor von FDP-Kollegen geleitet wurde. Heute ist sie dem Ressort von Herrn Glos angegliedert. Sie ist keine grüne Einrichtung.

Experten von dort waren zweimal bei uns und haben uns Folgendes erklärt: Nach allen ihren Erkenntnissen wird die Förderung konventionellen Öls in etwa zehn Jahren auf dem weltweiten Maximum liegen. Ab dann kommen – bedingt durch die steigende Nachfrage aus Indien und China sowie eine abfallende Förderrate – Probleme auf den Markt zu.

Es war ja das Credo von SPD und Grünen, dass es ein Gebot kluger Vorsorgepolitik ist, sich genau darauf einzustellen. Selbst die Internationale Energieagentur, die keine Kronzeugeneinrichtung der Grünen war und immer gesagt hat, dass das 40-Jahre-Szenario passt, argumentiert jetzt sehr viel vorsichtiger und sagt, im Moment gebe es eine Verknappung – auch aller Fördertechnik. Wir haben eine gewisse Lücke, weil die OPEC ihr Angebot nicht mehr so steigern kann, wie sie das über Jahrzehnte konnte. An dieser Stelle kommen wir selbst nach IEA in das Szenario, dass wir bis 2015 eine Verknappung haben werden. Dann kommt – nach allem, was wir gehört haben, ist

das unsere sachliche Auffassung – genau das, was die BGR beschreibt.

Wir haben ja Belege genug. Gucken Sie sich einmal die Förderraten von demokratischen Ländern wie England, Norwegen und USA an, in denen die Unternehmen in Aktionärsberichten offenlegen müssen, wie viel sie jedes Jahr fördern usw. Die Amerikaner haben schon Anfang der 70er-Jahre den Höhepunkt ihrer Förderung überschritten. Heute müssen sie zwei Drittel ihres Öls importieren – mit zunehmender Tendenz. Die Engländer hatten den Höhepunkt ihrer Förderung etwa 2000 und verzeichnen eine jährliche Degression von 6 bis 7 %. Für die Norweger im südlichen Teil der Nordsee gilt das genauso.

Alle Staaten außerhalb der OPEC-Staaten und Russland haben einen Abschwung in der Förderung von etwa 3 % pro Jahr. Die großen Unbekannten sind der gesamte arabische Raum und Russland – Länder, die nicht demokratisch kontrolliert sind und bei denen wir nicht genau wissen, was sie fördern, weil über die Jahre keine Berichte vorliegen, da diese Länder sich abschotten und nicht transparent machen, was vorhanden ist.

Alle Hoffnung, dass der rasant steigende Bedarf in Indien und China gedeckt werden kann, gründet sich darauf, dass die arabischen Staaten bereit und in der Lage sind, ihre Ölförderung rasant zu steigern. Nun kann man sagen: Die müssten ja verrückt sein! Wenn sie sehen, dass wir 120 Dollar pro Barrel bezahlen können, werden sie doch nicht ihre Förderung erhöhen und 3 Millionen Barrel pro Jahr mehr auf den Markt bringen, damit der Preis wieder auf 80 Dollar sackt und wir besser damit klarkommen. Sie werden im Gegenteil eher Geschmack an der Preisspirale gefunden haben. Ich will gar nicht absolut behaupten, dass nicht ein Stück weit Spekulation dabei ist. Wenn es aber so wäre, würden sie das weiterhin ausnutzen.

Wenn allerdings die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mit ihrer Aussage recht hat, dass wir in zehn Jahren weltweit an den Punkt kommen, an dem die Förderung zurückgeht, dann ist es ein Gebot kluger Vorsorgepolitik, zu fragen: Was können wir tun, um die Importe von Öl und Gas mit sozialverträglichen Strukturen so zu reduzieren, dass wir nicht immer mehr überweisen müssen? – Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Da hilft uns der Markt alleine nach meiner Überzeugung nicht. Bei der Frage, welche Mechanis

men wir einsetzen, um das aufzufangen, kann der Markt sehr hilfreich sein. Darauf zu hoffen, der Markt werde es so regeln, dass das Öl wieder 60 oder 40 Dollar pro Barrel kostet, ist aus meiner Sicht aber ein Drücken vor den konkreten Schritten, die wir unternehmen müssten, Herr Brockes. Das ist meine Überzeugung.

Deswegen lautet mein eindeutiges Plädoyer: Nehmen Sie die Befunde, die seriöse Leute uns mitgeteilt haben, an dieser Stelle ernster. Wir wissen, dass Gas etwa 40 Jahre länger zur Verfügung steht. Das sagt auch die BGR. Auf den Zeitachsen, über die wir reden, kommt der Höhepunkt der weltweiten Förderung beim Gas ein paar Jahrzehnte später als beim Öl.

Deswegen ist Gas bei den Fahrzeugen auch eine Übergangstechnik. Der Markt reagiert ja auch schon entsprechend. Wenn Sie sich die derzeitigen zahlenmäßigen Zunahmen an Gasfahrzeugen und Gastankstellen angucken, merken Sie, wie der Markt reagiert.

Ich fasse zusammen: Die Zeit billigen Öls ist vorbei. Das ist die Erkenntnis, glaube ich. Ehrlich gesagt, haben wir doch alle miteinander nicht damit gerechnet, dass wir heute zum Abschluss hier über einen anderen Preis als den realen derzeitigen Marktpreis reden. Die Hoffnung, dass eine Spekulationsblase platzt, kann man haben. Möglicherweise geht die Schraube aber noch weiter nach oben.

Es gibt seriöse Sachverständige, die sagen, dass wir noch vor 2010 die 150 Dollar erleben. Auch 200 Dollar pro Barrel sind nicht mehr ausgeschlossen. In unseren Gutachten haben wir ermittelt, dass die Industrie auf der Basis von 130 Dollar pro Barrel klarkommt. Ob das bei 200 Dollar auch noch der Fall ist, wissen wir noch nicht. Da müsste man eigentlich weiterarbeiten, da muss man gucken.

Wir wissen aber, dass es erhebliche soziale Probleme geben wird. Da verknüpft sich aus meiner Sicht auch die eben geführte Debatte um den Klimaschutz sinnvoll mit der Debatte um das Öl; denn an dieser Stelle hilft uns das, was ich vorhin erwähnt habe – und über das eigentlich auch Konsens bestehen müsste –, wenn man es engagiert betreibt: Gebäudeisolierung sowie Ausbau von Nah- und Fernwärme und Kraft-WärmeKopplung.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

An dieser Stelle gäbe es Möglichkeiten, das im Sinne kluger Vorsorgepolitik und aufgrund der Ölproblematik und aus Klimaschutzgründen Not

wendige zusammen zu machen. Das ist eine der Erkenntnisse; beim Rest schauen wir uns in den nächsten Jahren an, wohin die Preissteigerung geht. Ich meine, es gibt Hinweise genug, dass sie ernst zu nehmen ist. Das werden wir austragen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Thoben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Enquetekommission des Landtags hat einen fundierten Bericht über die Gründe und die Auswirkungen der Öl- und Gaspreissteigerung vorgelegt. Von der Dramatik der tatsächlichen Preissteigerung ist sie wahrscheinlich selbst überrascht worden, wird doch im Worst-Case-Szenario für das Jahr 2030 ein Rohölpreis von 130 US-Dollar pro Barrel angenommen. Nun haben wir bereits im Mai 2008 die 120-Dollar-Marke überschritten. Ich glaube, dass der gegenwärtige Einfluss der Spekulanten auf die Ölpreisbildung bei der Konzeption des Berichts noch nicht absehbar war.

(Zustimmung von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Priggen, aus Ihren Einlassungen höre ich nichts Schlüssiges heraus:

(Thomas Eiskirch [SPD]: Das liegt nicht an Herrn Priggen!)

Beim Öl gibt es ein großes Risiko, weil es begrenzt ist. Beim Gas gibt es ein großes Risiko, weil es begrenzt ist. Steinkohle: keine neuen Kraftwerke. Braunkohle: keine neuen Kraftwerke. Aus der Kernenergie wollen Sie aussteigen. – Ich weiß nicht: Solch ein Wolkenkuckucksheim würde ich mir nicht einmal wünschen.

(Zustimmung von Dietmar Brockes [FDP] – Widerspruch von Barbara Steffens [GRÜ- NE])

Die Einschätzung der Enquetekommission, dass sich die Auswirkungen der Öl- und Gaspreissteigerungen beim überwiegenden Teil der Verbraucher in engen Grenzen halten – so steht es dort –, scheint mir sehr optimistisch zu sein. Preissteigerungen von 50 bis 60 % beim Endverbraucher treffen insbesondere Familien und einkommensschwache Haushalte. In der Wirtschaft treffen sie die Unternehmen mit energieintensiven Produktionen. Das sollten wir alle nicht unterschätzen.

Ich bin der Enquetekommission gleichwohl sehr dankbar für diesen Bericht. Er ist eine gute Ergänzung und in weiten Teilen auch eine Bestätigung der Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung. Diese Strategie haben wir am 29. April im Kabinett beschlossen und am 5. Mai auf dem Klimaschutzkongress einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Damit übernehmen wir in Deutschland eine Schrittmacherfunktion in der Energie- und Klimapolitik, in deren Fokus die Sicherheit der Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und der Schutz des Klimas stehen.

Die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission verdienen eine gründliche Prüfung. Dass es zwei Kapitel mit Handlungsempfehlungen gibt, ist offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass die Szenarien einen großen Interpretationsspielraum zulassen. Selbst nach zwei Jahren Diskussion und unter Hinzuziehung externen Sachverstandes ist es nicht gelungen, zu einer einheitlichen politischen Bewertung mit übereinstimmenden Handlungsempfehlungen zu kommen.

Eigentlich ist es doch nicht Sinn der Sache, sich in einer Enquetekommission parteiübergreifend mit dieser Thematik zu befassen, dann einen Bericht mit einem zusätzlichen Sondervotum – bei dem es sich offensichtlich um ein Minderheitenvotum handelt – herauszugeben und den Landtag anschließend über einen Entschließungsantrag wiederum mit dem Minderheitenvotum zu beschäftigen, obwohl die Minderheitspositionen dem Landtag aus dem öffentlichen Bericht vorliegen.

(Zustimmung von Dietmar Brockes [FDP])

Aus dem Bericht der Enquetekommission resultieren jedenfalls zwei Pakete von Handlungsempfehlungen, die – lassen Sie es mich vereinfacht so zusammenfassen – zum einen den Schwerpunkt auf ordnungspolitische Rahmenbedingungen legen und zum anderen Maßnahmen zum Energiesparen und zu mehr Energieeffizienz zum Inhalt haben.