Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

werden, wie Sie es seit Wochen und Monaten immer wieder tun. Auch heute haben Sie wieder Beispiele dafür abgeliefert.

Nordrhein-Westfalen hat auch als Ergebnis der Vielfalt unserer Regionen einen Lebensraum mit 40.000 Arten vorzuweisen.

(André Stinka [SPD]: Noch!)

Die Kennzahlen, die eine solche Artenvielfalt überhaupt ermöglichen, können sich sehen lassen: 2.885 Naturschutzgebiete, 518 europäische FFHGebiete, 27 Vogelschutzgebiete, 33,5 %, ein Drittel der Landesfläche, sind Naturparke. Das sind die Leistungen, die wir in Nordrhein-Westfalen vorzuweisen haben. Wir brauchen uns vor keinem auf der Welt zu verstecken.

(Beifall von der CDU)

Für die CDU ist der Schutz unserer Biodiversität eine Notwendigkeit, die weit über die Ökologie hinausgeht. Erhalt der Biodiversität heißt auch Bewahrung der Vielfalt an Lebensformen und an genetischer Pluralität. Die Natur liefert uns Vorlagen für Wirkstoffe, für biologische Zusammenhänge, für Verfahren, deren Wirkung, deren Vorhandensein und deren Bedeutung wir heute vielfach noch gar nicht kennen. Mit jeder Art, die ausstirbt, gehen Ressourcen unwiederbringlich verloren. Deshalb ist es eine der großen Zukunftsaufgaben der Weltgemeinschaft, den weltweiten Rückgang der Arten zu stoppen.

Dass dies ganz praktische Bedeutung für uns alle hat, zeigt ein Blick auf die Pharmazie. Seit jeher hat die Menschheit Wirkstoffe für Medikamente aus der Natur bezogen. In den letzten Jahrzehnten ist es der Wissenschaft zunehmend gelungen, Wirkstoffe zu erkennen, Wirkweisen zu verstehen und sie so zu nutzen, dass sie uns Menschen helfen, gesund zu werden oder zu bleiben. Schon heute liegt der weltweite Umsatz mit aus Pflanzen hergestellten Medikamenten bei jährlich 500 Milliarden $; die Tendenz ist deutlich steigend.

Ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen zeigt uns, wie die Natur über den pharmazeutischen Bereich hinaus in der Lage ist, uns mit ihren biologischen und physiologischen Mustern Blaupausen für technische Entwicklungen zu liefern. Der den meisten von uns bekannte Lotuseffekt wurde in Bonn von Prof. Barthlott entdeckt, technisch umgesetzt und ist heute ein weltweites Millionengeschäft. Allein dieses kleine Beispiel zeigt uns, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt auch eine immense wirtschaftliche Bedeutung hat, die mit dem Fortschritt der Wissenschaft noch deutlich

zunehmen wird. Von daher sind alle Anstrengungen gerechtfertigt, diese Vielfalt zu erhalten.

Die ethischen Grundsätze, die für uns als Christdemokraten ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen, will und muss ich gar nicht breit ausführen. Wirtschaftliches Handeln und ökologische Überlegungen gehen für mich als Christ nur mit dem gebotenen ethischen Verantwortungsbewusstsein zusammen.

(Beifall von der CDU)

Respekt vor der Schöpfung Gottes, deren Schutz und Erhalt uns Menschen anvertraut ist, ist heute sowohl eine religiös motivierte Haltung als auch ein überlebenswichtiger Imperativ für uns alle.

Am 29. November konnte Umweltminister Eckhard Uhlenberg für unser Bundesland den Beitritt zur „Countdown 2010“-Campagne der Weltnaturschutzorganisation erklären. 500 Partner aus ganz Europa – davon 80 allein aus NordrheinWestfalen – bilden ein leistungsstarkes Netzwerk für den Erhalt der Artenvielfalt. Beeindruckend ist vor allem die Vielfalt der nordrhein-westfälischen Projektträger, die sich hier engagieren: zum Beispiel Kirchen, Wasserverbände, Kommunen, Landwirtschafts- und Naturschutzverbände, Biologische Stationen, Wirtschaftsunternehmen, Schulen, Landesbetrieb Wald und Holz, Hegeringe, Naturparke.

Die CDU-Landtagsfraktion dankt den Menschen, die aus allen Bereichen unserer Gesellschaft stammen, ganz ausdrücklich dafür, dass sie sich hier engagieren und mit großartigen und teils langjährig verfolgten Projekten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten. Sie sind die wirklichen Träger des Naturschutzes in unserem Land.

Die Landesregierung mit Minister Uhlenberg macht eine Naturschutzpolitik, die die Menschen mitnimmt, statt sie zu gängeln und ihnen mit Verboten und Vorschriften zu drohen. Das ist wohl der Grund, dass eine so große Anzahl von Projekten zustande kommt und sich so viele an der aktiven Arbeit für den Erhalt der Artenvielfalt beteiligen. Wir betreiben Umweltschutz mit den Menschen und nicht gegen sie. Deshalb ist unsere Umweltschutz- und Naturschutzpolitik erfolgreich, und aus diesem Grund wird sie weiter erfolgreich sein. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. Sie hätten noch die Möglichkeit, Herrn Dr. Karthaus eine Zwischenfrage stel

len zu lassen. Sie wollen sie offensichtlich nicht zulassen. – Für die Fraktion der SPD hat als nächster Redner Kollege Stinka das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Zuhörer! Deutsche Bank und Artenschutz – geht das?

Am kommenden Montag steht Bonn und damit auch NRW als gastgebendes Bundesland im Zentrum des internationalen Naturschutzes. Das ist für uns Grund genug, um einmal die Aktivitäten der Landesregierung, Herr Uhlenberg, ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Damit meinen wir aber weniger die öffentlichkeitswirksam inszenierten Bemühungen Ihres Hauses, dem Naturschutz im Zuständigkeitsbereich Ihres Hauses wenigstens pro forma zu einer gewissen Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Der Entschließungsantrag Drucksache 14/6777 von heute, ein Sammelsurium von Hilflosigkeiten dieser Landesregierung, ist auch nicht dienlich, wenn wir an Artenschutz und Biodiversität denken.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Bekenntnis zum „Countdown 2010“ und zum Netzwerk „Natura2000“ ist schön und gut. Das Netzwerk „Natura2000“ gehört zu den wichtigsten Beiträgen Europas zur Umsetzung der Konvention über die biologische Vielfalt. „Natura2000“ soll ein Schutzgebietsnetz von Vogelschutz- und FFHSchutzgebieten schaffen, damit Schutzzwecke erfolgreich kombiniert werden können.

Aber, Herr Minister, eine Unterschrift allein ist noch keine wirksame Aktion für biologische Vielfalt. Denn Papier und Pressemitteilungen – das wissen wir aus der langjährigen Begleitung Ihres Hauses – sind bekanntlich geduldig. Bislang hat die Landesregierung viel unternommen, um Arten- und Naturschutz abzubauen.

Ich möchte auf einige Dinge im Sammelsurium, das die Regierungsfraktionen mit ihrem Antrag heute vorgelegt haben, eingehen.

Sie führen die Biologischen Stationen an. Sie haben die Biologischen Stationen in Konflikte gestürzt, als es um die Sicherung ihrer weiteren Finanzierung ging. Die Finanzierung ist jetzt auf niedrigem Niveau gesichert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Arbeiten übernehmen, um Drittelmittel zu akquirieren und überleben zu können. Sie haben mit der Befragung der Stationen dazu, welche Qualität sie im Land vermitteln wol

len, dazu beigetragen, dass ein Wirrwarr entstanden ist.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD] und Jo- hannes Remmel [GRÜNE])

Sie haben eine Allianz für die Fläche eingerichtet, der nicht einmal die CDU-Fraktion im Regionalrat Münster zustimmen konnte.

(Svenja Schulze [SPD]: Ganz genau!)

Sie haben die Landwirtschaft vor Ort dazu gebracht, dass sie nicht mehr Vertragsnaturschutz betreibt. Denn Sie haben die Gebietskulissen verändert, und der Kreis Coesfeld muss mit seinen Haushaltsmitteln Landespolitik übernehmen.

Sie führen auch die Wasserrahmenrichtlinie an, Herr Minister. Ich habe es aus dem Kreis Coesfeld noch ganz klar vor Augen. Wenn ich den Landrat, der meiner Partei nicht angehört, frage, wie denn die finanzielle Ausstattung der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie aussehen soll, dann kommt heiße Luft bzw. Schweigen. Es gibt runde Tische und die Antwort, dass es keine finanziellen Zusagen gibt. Von daher wäre ich mit solchen Entschließungsanträgen ganz vorsichtig, Herr Uhlenberg.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Svenja Schulze [SPD]: Ganz genau!)

Sie verfolgen mit Ihrer Landesregierung einen Artenschutz, mit dem ein ganz anderer Kurs entsteht. Ich will es unter anderem auch daran festmachen, dass Ihre Landesregierung das Land Hessen bei der Initiative hinsichtlich zentraler Naturschutzinstrumente auf Bundesebene unterstützt. Zum Glück – das kann ich auch als Sozialdemokrat sagen – steht Angela Merkel davor und hat dem Ganzen eine Absage erteilt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist Ihre Landesregierung, Herr Uhlenberg, die nebenher auch noch ein Gutachten zur Harmonisierung der Naturschutzrichtlinien in Auftrag gegeben hat. Harmonisierung verstehen Sie unter der Devise „Wirtschaft vor!“. Das ist für uns die falsche These.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Wort „Nachhaltigkeit“ bedeutet hier einen ganz anderen Ansatz.

Sie betreiben ein doppeltes Spiel im Natur- und Artenschutz. Sie behaupten, die EU-Naturschutzrichtlinien würden andere Interessen vernachlässigen. Ein Blick ins Gesetz, Herr Uhlenberg, erleichtert die Rechtsfindung. In den Richtlinien sind

die Ziele der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Kultur bereits heute festgelegt und von daher auch für uns und alle anderen gesetzliche Grundlage. Insofern wird ein Popanz aufgebaut, der überhaupt nicht den Tatsachen entspricht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was Sie wollen, ist die völlige Unterordnung des Naturschutzes unter wirtschaftliche Belange.

Herr Deppe hat von ethischen Grundsätzen gesprochen. Das ist richtig. Auch ich bin katholisch geprägter Münsterländer. Schauen Sie sich aber einmal die Papiere der Deutschen Bischofskonferenz an, und vergleichen Sie diese mit Ihrer Naturschutzpolitik. Dann werden Sie sehen, welche Welten dazwischen liegen.

Sie bedienen hemmungslos Klischees vom Feldhamster, der große Infrastrukturprojekte behindere, vergessen dabei aber, dass Fehler im Planungsverfahren und die unzureichende Anwendung der Richtlinien, von denen ich vorhin gesprochen habe, die Projekte erschwert haben. In Fakten gesprochen, Herr Minister: Ende 2007 stellte die Bundesregierung auf Anfrage der FDP fest, dass seit 2002 kein Projekt aus Naturschutzgründen aufgegeben werden musste oder durch Verzögerung teurer wurde.

Vor dem Hintergrund von 100 bis 150 Arten, die pro Tag verschwinden, beschreibt die Deutsche Bank, die ich anfangs erwähnt habe, die massiven wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Artenschwundes. Herr Deppe hat vorhin den Ist-Zustand beschrieben: Ja, wir brauchen Medikamente aus der Natur. – Dann müssen Sie auch sagen, wie die Natur erhalten werden kann, damit wir diese Medikamente langfristig produzieren können. Also: Was kostet der Verlust von Pflanzen und Tieren im Bereich der Landwirtschaft? Was kostet er im Bereich der Gesundheitswirtschaft? Was kostet er im Bereich des Tourismus? – Für uns Sozialdemokraten kostet er zu viel. Denn nebenher werden die Aspekte Natur erleben, Heimat und Lebensqualität erheblich gefährdet.

Für uns steht daher fest, dass Sie die Zusammenhänge zwischen Naturschutz auf der einen Seite und wirtschaftlichem Wohlergeben auf der anderen Seite nicht zusammenbringen können. Sie gefährden ohne Not die EU-Naturschutzrichtlinien und schmücken sich nur mit Naturschutz-PR-Feigenblättern. Von daher hegen wir die große Hoffnung, Herr Uhlenberg: Sprechen Sie mit Bankfachleuten; der Opposition glauben Sie schließlich nicht. Diese können Ihnen vielleicht etwas zum Thema nachhaltiger Umwelt- und Naturschutz erzählen. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Ellerbrock das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren ! Ich möchte etwas zur Biodiversität zitieren, muss aber zu meiner Schande gestehen, dass ich die Quelle nicht mehr kenne. Ich möchte es trotzdem zitieren, weil es stimmt, und betone, dass ich es zitiere, weil ich mich nicht mit fremden Federn schmücken möchte:

„In der Geschichte der Erde hat es im Hinblick auf die Biodiversität immer – auch ohne menschliches Verhalten – gravierende Veränderungen gegeben. Dabei sind neue Arten entstanden und alte verschwunden. Das Entstehen und Verschwinden von Arten ist Teil der Natur. Politisches Handeln wird erst dann erforderlich, wenn die Biodiversität durch menschliches Verhalten derart verändert wird, dass die Bedingungen für Leben auf der Erde gefährdet werden.“

Dem kann ich nur zustimmen. Der Erhalt des genetischen Reproduktionspotenzials ist ein hohes Ziel. Allerdings wissen wir, dass es völlig normal ist, dass Arten aussterben und neue Arten hinzukommen.