Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Meine Damen und Herren, für uns ist die Hochschule kein Wartesaal. Es ist eine Einrichtung, in der sich Leistungsorientierung am Ende auch auszahlt, und zwar für alle, die sich in der Hochschule anstrengen.

(Beifall von CDU und FDP)

Dann möchte ich Ihnen, Frau Seidl, zurufen: Ich hätte gerne einmal Ihre Haltung gehört, die Haltung der Fraktion der Grünen zu dem, was Ihre Kolleginnen und Kollegen in Hessen beschlossen haben. Ich möchte gerne wissen, liebe Frau Löhrmann, ob Sie in Nordrhein-Westfalen auch beabsichtigen, dass den Studierenden, die innerhalb einer gewissen Zahl von Semestern keinerlei Scheine absolvieren, trotzdem alle Vergünstigun

gen, die die Hochschulen für Studierende auf Kosten der Gemeinschaft bereitstellen, auch dauerhaft zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich hätte hierzu gerne einmal von Ihnen gehört, wie Sie sich Studium vorstellen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Denn das ist doch eine Frage: Wie gehen wir mit dem kostbaren Gut Bildung um? Wir wollen, dass mehr junge Menschen dieses kostbare Gut bekommen, und zwar in einer Weise, dass sie ihre Talente auch wirklich zur Entfaltung bringen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Dazu gehört Zweierlei: einmal, dass Schulen und Hochschulen sich so darauf einstellen, dass Lehrerinnen und Lehrer, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer ihr Bestes geben, aber auch, dass wir Rahmenbedingungen setzen, damit Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten ihrerseits ihr Bestes einbringen – im eigenen Interesse, aber auch im Interesse der anderen Menschen dieses Landes, nicht zuletzt der Schwächsten.

Denn eines möchte ich hier einmal festhalten – und das zeigt die „Welt“ auf der Titelseite: Es gab noch nie so gute Karrierechancen für Studierende in Deutschland.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das hat aber nichts mit Ihnen zu tun, Herr Pinkwart!)

Wer hier ein Studium für sich in Anspruch nimmt und erfolgreich ausfüllt, bekommt vom Gemeinwesen einen hohen, zusätzlichen Startvorsprung vor anderen. Wir erwarten, dass er das wiederum in den Dienst der Gemeinschaft stellt, indem er das dann auch so intensiv für sich in Anspruch nimmt und gestaltet, dass er etwas zurückgeben kann von dem, was das Gemeinwesen bereitstellt, damit wir für diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind, als Sozialstaat das leisten können, was dauerhaft notwendig ist. Deswegen habe ich kein Verständnis dafür, dass Sie sich offensichtlich nicht nur für ein kostenloses, ein Null-PreisStudium, sondern für ein Studium ohne Anstrengung entscheiden wollen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist ja lä- cherlich! Absolut lächerlich!)

Das ist ein Weg, der zu einem Hochschulsozialismus mit Mangelwirtschaft führt

(Beifall von CDU und FDP)

statt zu einer sozialen Marktwirtschaft, die am Ende die Schwächsten im Blick ihrer Politik hat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist Populis- mus, Herr Minister!)

Nein, das ist genau die Alternative. In Hessen haben Sie sie aufgemacht. Das ist offensichtlich Ihre Welt.

(Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Wir stellen dem die andere Alternative der besseren sozialen Ergebnisse entgegen. Daran wollen wir uns auch messen lassen.

Es ist jemand angetreten, der meint, Freiheit und Sozialismus in diesem Land in irgendeiner Weise zusammenbringen zu können. Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn damit – wie hier deutlich wird – gemeint ist, es könne eine Freiheit von Verantwortung durch Sozialismus möglich werden, dann stellen wir dem den Freiheitsbegriff zur Verantwortung entgegen.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Diejenigen, die die Freiheit hier in Anspruch nehmen und einen Studienplatz in höchster Qualität erhalten, haben auch die Verantwortung,

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ihre Freiheit ist die Freiheit der Besserverdienenden!)

für sich und das Land daraus das Beste zu machen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Ich glaube, ich habe es richtig gesehen, dass Frau Dr. Seidl von der Redezeit, die sie hat, noch etwas nutzen möchte. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pinkwart, um auf Sie zu reagieren: Ich glaube, ich muss es noch deutlicher auf den Punkt bringen, damit wir uns hier im politischen Raum verstehen. Neue Hochschulen machen sich zwar gut als Wahlkampfgeschenke an die Kommunen; sie taugen aber nicht zur Lösung der Probleme unserer Bildungslandschaft.

(Rudolf Henke [CDU]: Das ist unterirdisch platt!)

Deshalb sagen wir: Wir brauchen nicht 10.000, sondern 50.000 neue Studienplätze bis 2020. Wenn wir den prognostizierten Fachkräftemangel wirklich ernst nehmen, dann müssen wir in Köpfe und nicht in Strukturen investieren. Natürlich unterstützen auch wir den Ausbau der MINT-Fächer

und auch den Aufbau von akademischen Ausbildungsplätzen für Pflegekräfte und Ergotherapeuten.

(Rudolf Henke [CDU]: Alles Wahlkampf!)

Das haben wir immer schon gesagt. Doch hierfür eigens neue Hochschulen zu gründen, die erst in zehn Jahren wirklich effektiv arbeiten werden, ist unseriöse Symbolpolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann ist der Berg der Studierenden, der jetzt ansteht, schon längst wieder zurückgegangen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sie haben gar nichts gemacht!)

Bauen Sie stattdessen die bestehenden Hochschulen aus und vernetzen Sie die Standorte! Verbinden Sie damit – auch das sagen wir sehr deutlich – ein Konzept zur ökologischen Sanierung im Rahmen der notwendigen Baumaßnahmen! Das wäre energiepolitisch sinnvoll und vor dem Hintergrund des Klimawandels auch eine Investition in die Zukunft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SchwarzGelb, trotz mehrfacher Aufforderung haben Sie und Ihre Landesregierung auch heute die Chance verpasst, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, um die Herausforderungen des doppelten Abiturjahrganges zu bewältigen. Das genau ist Ihr Defizit: Ihnen fehlt nämlich die vorausschauende und verantwortungsvolle Planung.

Das fängt bei der Schulzeitverkürzung, dem sogenannten Turbo-Abitur, an. Hier regiert bereits jetzt das Chaos an den Gymnasien: keine Entschlackung der Lehrpläne, kein sinnvoller Ganztagsunterricht, keine vernünftige Pausenregelung, kein warmes Mittagessen in der Schule, dafür aber reichlich Druck und Stress bei den Hausaufgaben.

Dann, nach dem Abitur im Jahre 2013, kommt die nächste vorhersehbare Katastrophe:

(Beifall von den GRÜNEN)

ein zusätzlicher Ansturm von Bewerberinnen und Bewerbern nicht nur auf die Hochschulen, sondern auch auf den Arbeits- und vor allem den Ausbildungsmarkt in Nordrhein-Westfalen.

Ich sage das jetzt noch einmal, obwohl wir, wie Sie wissen, schon lange dabei sind, diese Forderung zu stellen. Seit 2006 haben wir Grüne Sie aufgefordert, zu handeln. Bis heute liegt aber nach wie vor kein stimmiges Gesamtkonzept dieser Landesregierung vor.

Es fehlen zusätzliche Mittel für eine bessere Ausstattung des aktuellen Hochschulpaktes. Es fehlen strukturelle und organisatorische Maßnahmen für zusätzliche Studienplätze und zum Beispiel für eine andere Struktur des Lehrpersonals; auch das haben wir Ihnen vorgeschlagen. Es fehlen konkrete Vereinbarungen mit dem Bund zu einem Hochschulpakt II, und es fehlt vor allem ein Maßnahmenplan, um dem Ansturm auf Ausbildungsplätze im Jahre 2013 zu begegnen. Es fehlt dieses gesamte Konzept.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung muss endlich aktiv werden. Zünden Sie keine Nebelkerzen, und setzen Sie keine neuen Fachhochschulgründungen in die Welt. Es bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit, Herr Minister Pinkwart, dies zu tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Jetzt hat wieder Herr Minister Pinkwart das Wort.

Liebe Frau Seidl, ich möchte aufgrund Ihrer Einwendungen doch noch einmal Folgendes deutlich machen, obwohl ich es bereits dargelegt habe: Sie haben 50.000 zusätzliche Studienplätze für das nächste Jahrzehnt gefordert. Ich habe Ihnen im Rahmen meiner Unterrichtung vorgetragen, dass wir mit dem Kabinettsbeschluss „Hochschulpakt 2020“ rund 65.000 zusätzliche Studienplätze für das nächste Jahrzehnt bereitstellen.

Einen Teil werden wir durch die Erweiterung vorhandener Fachhochschulen um neue Abteilungen sowie durch den Bau neuer Fachhochschulen realisieren. Den anderen Teil, nämlich 135.000 Studienanfängerplätze, werden wir schaffen, indem wir den Hochschulpakt II fortschreiben. Die Vereinbarung mit dem Bund und den anderen Ländern – die Rahmenbedingungen sind schon gestellt – liegt vor.

Ich habe darüber hinaus deutlich gemacht, dass wir bis zur Bundestagswahl mit dem Bund und den anderen Ländern – wie im Übrigen im Staatsvertrag verabredet – auch diesen Teil ausfüllen wollen. Insofern verstehe ich Ihnen Vorwurf überhaupt nicht, wir hätten das nicht vorbereitet. Nein, im Gegenteil: Wir als Land Nordrhein-Westfalen sind darauf vorbereitet, erwarten jetzt allerdings, dass der Bund seinerseits die seinerzeit eingegangene Verpflichtung erfüllt, und dann können wir auch diesen Teil hervorragend bewältigen.

Sie haben gesagt, mit dem neuen Fachhochschulbau seien wir erst in zehn Jahren so weit. Frau Seidl, vielleicht erinnern Sie damit an die Arbeit Ihrer Vorgängerregierung, die Sie mit gestellt haben, wenn Sie so lange Zeiträume im Kopf haben. Wir wollen da etwas ehrgeiziger herangehen. Dass das gelingt, haben wir in NordrheinWestfalen gesehen, als seinerzeit die von CDU und FDP getragene Bundesregierung im Rahmen des Bonn-Berlin-Ausgleichs zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen die aus heutiger Sicht letzte Neugründung einer Fachhochschule hier in Nordrhein-Westfalen realisiert hat, nämlich die der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schultheis?