Der Standortwettbewerb hat begonnen. Die Resonanz, meine Damen und Herren – das wissen Sie selbst am besten –, in den Regionen ist außerordentlich hoch. Es gibt wohl kaum ein Kommunalparlament im Land, das sich im letzten halben Jahr nicht mit der Frage beschäftigt hat: Können wir Fachhochschulstandort werden, oder können wir unseren Fachhochschulstandort ausbauen? Überall, wo die Mitglieder der Landesregierung hinkommen, merken sie, dass über die ausbaufähigen Stärken und Zukunftsfelder in den Regionen diskutiert wird, auch darüber, wie man die Wirtschaft gezielt in den Ausbau einbeziehen kann, damit es nachhaltig trägt.
Auf welchen Gebieten brauchen wir künftig Fachkräfte? Welches Know-how brauchen wir vor Ort, damit sich der Standort entwickeln kann? Mit welchem Konzept können wir am besten für uns werben? Dieser Denk- und Diskussionsprozess tut dem Land schon für sich genommen genauso gut, wie es die Exzellenzinitiative bezogen auf die Forschung geleistet hat.
Der Standortwettbewerb tut auch deshalb gut, weil er die Qualität der Konzepte befördert. Insofern rechne ich mit vielen hervorragenden Bewerbungen. Um ein Missverständnis von vornherein auszuschließen: Der dauerhafte Ausbau des Systems geht nicht zulasten der bestehenden Hochschulen. Wir erwarten, dass die neuen Hochschulen und Abteilungen im Vollbetrieb – hier bin ich dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister in besonderer Weise zu Dank verpflichtet – jährlich rund 160 Millionen € kosten werden und dass diese Mittel den Hochschulen dauerhaft zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein klares Signal an die bestehenden Hochschulen, vor allen
Mit den neuen Fachhochschulen und dem massiven Ausbau von fünf Fachhochschulstandorten werden wir 25.000 von den für das nächste Jahrzehnt erwarteten 160.000 Studienanfängern einen entsprechenden Studienplatz anbieten können. Für die verbleibenden 135.000 zusätzlichen Studienanfänger werden wir als vierten Teil unseres Maßnahmenpakets die vorhandenen Kapazitäten an den Hochschulen bedarfsbezogen ausbauen.
Die bestehenden Fachhochschulen und die Universitäten sollen die zusätzlichen Studienanfänger je zur Hälfte aufnehmen. Dies, meine Damen und Herren, ist nicht nur eine riesige Chance für die jungen Menschen, die dann auf diese Angebote treffen werden, sondern auch für unsere Hochschulen, vor allem für die bestehenden Fachhochschulen, denn auch hierfür werden wir den Hochschulen die notwendigen Mittel zusätzlich bereitstellen. Insgesamt werden wir auf diese Weise im kommenden Jahrzehnt über 65.000 Studienplätze in Nordrhein-Westfalen vorhalten, auf deren Grundlage dann im kommenden Jahrzehnt 160.000 Studienanfänger ihr Studium qualitätvoll aufnehmen können.
Damit dafür ausreichend Geld zur Verfügung steht, drängen wir darauf, den Hochschulpakt II, wie in der Vereinbarung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten festgehalten, nunmehr auch für die Jahre 2011 bis 2020 noch vor der Bundestagswahl, also spätestens bis Sommer 2009, unter Dach und Fach zu bringen.
Wenn man den Hochschulpakt I hochrechnet, sieht man, dass allein Nordrhein-Westfalen 2,25 Milliarden € aus dem Hochschulpakt II benötigt. Wir setzen darauf, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der Bund auch bei der Fortsetzung des Hochschulpakts, genauso wie es das Land Nordrhein-Westfalen für sich tun wird, zu seiner Verantwortung steht. Wir wollen für die jungen Menschen im nächsten Jahrzehnt beste Bedingungen in Nordrhein-Westfalen wie in Deutschland insgesamt. Nordrhein-Westfalen geht voran. Wir bauen darauf, dass der Bund mitmacht. – Herzlichen Dank.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Pinkwart, Sie haben eingangs Ihrer Unterrichtung auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass allen jungen Menschen, die studieren möchten, auch ein solches Angebot offenstehen muss. Ich kann nur sagen: Machen wir es den Hessen nach und schaffen die Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen ab.
Ich glaube, dass das gestern im Hessischen Landtag ein denkwürdiger Tag für die Zukunft der Kinder und der Jugend war.
Meine Damen und Herren! Die Wissenschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland steht vor zwei zentralen Hauptaufgaben. An deren Lösung muss sich die Leistung auch dieser Landesregierung messen lassen.
Erstens. Es rollt ein riesiger Studierendenberg auf uns zu, der mit dem doppelten Abiturjahrgang 2013 seinen Höhepunkt erreichen wird. Minister Pinkwart selbst hat den Bedarf mit 160.000 zusätzlichen Studienanfängerplätzen im kommenden Jahrzehnt beziffert. Er hat das in seiner Unterrichtung nochmals bestätigt.
Zweitens. Das andere Thema, das alle bewegt oder – im vorliegenden Fall – diese Landesregierung bewegen sollte, ist der zunehmende Fachkräftemangel. Die jüngste Studie des Instituts für angewandte Innovationsforschung aus Bochum hat gezeigt, allein in Nordrhein-Westfalen fehlen aktuell mindestens 12.000 Ingenieurinnen und Ingenieure, Tendenz steigend. Bei aller Notwendigkeit, gerade die Ingenieurwissenschaften zu fördern, wird auch der Bedarf an Fachkräften aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften kräftig ansteigen. Ich denke hier an den Nachwuchs für unsere Schulen, also an den Nachwuchs an Lehrerinnen und Lehrern; aber in vielen anderen Bereichen gilt das auch.
An der Bewältigung dieser Herausforderung, meine Damen und Herren, sind alle Maßnahmen dieser Landesregierung und des zuständigen Fachministers zu messen. 2013 – das ist das Datum, mit dem wir arbeiten – ist morgen. Das ist kein Zeitpunkt in einer fernen Zukunft. Lassen Sie uns deshalb prüfen, ob der von der Landesregierung eingeschlagene Weg, was seine zeitliche und seine sachliche Dimension angeht, valide und solide ist.
Kommen wir zur Fachhochschulinitiative, zu unserer Kritik: Es sollen laut Landesregierung, laut Fachminister 11.000 zusätzliche Studienplätze
geschaffen werden, davon 2.500 an den bestehenden Standorten und dreimal jeweils 2.500 Plätze für drei neue Fachhochschulen im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften und noch einmal 1.000 Studienplätze für eine Gesundheitsfachhochschule.
Hierbei muss man allerdings auf die genaue Formulierung achten, Herr Minister. Es handelt sich um Plätze pro Studierende und nicht um Plätze pro Semester. Rechnet man also in Studienanfängerzahlen um, kommen weitaus niedrigere Zahlen zustande. Selbst beim besten Willen sind das nicht mehr als 4.000 Plätze. Dafür wird ein ganzes Land – das haben Sie zum Abschluss Ihrer Rede noch einmal deutlich gemacht – sozusagen auf Jagd geschickt, wohl wissend, dass die Zahl der Verlierer in dem Wettbewerb, den Sie hier so hoch gelobt haben, um ein Vielfaches größer sein wird als die möglichen vier Gewinner bei diesem Wettbewerb.
Ich erinnere an die sehr dezidierte Kritik der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen. Herr Kuhmichel, Sie schütteln den Kopf, Sie wollten doch die Freiheit für diese Hochschulen, für alle. Dann muss das, was diese Hochschulen und ihre Vertreter sagen, von Ihnen auch ernst genommen werden. In diesem Fall wird es nicht ernst genommen. Sie schreiben einen Wettbewerb alle gegen alle aus. Das muss man hier bewerten.
Drittens. Der Hochschulpakt 2020: Die Landesregierung hat vom Bund Geld dafür erhalten, in Nordrhein-Westfalen 26.000 zusätzliche Studienplätze aufzubauen. Zur Umsetzung hat sie ein Kopfpauschalenmodell aufgelegt. Für jeden zusätzlichen Studierenden gibt es Sonderprämien für die Hochschulen. Damit prämiert die Landesregierung bereits bestehende und nicht genutzte Überkapazitäten beziehungsweise die berüchtigte Studiengebührenlücke wird bedient, die dadurch entstanden ist, dass Studienberechtigte zögern oder sogar ganz darauf verzichten, ein Studium aufzunehmen.
Außerdem, meine Damen und Herren, muss man feststellen: Die Hochschulen in NordrheinWestfalen bauen derzeit Kapazitäten ab und nicht auf. Wenn in Bonn laut „Kölner Stadt-Anzeiger“, aber auch laut anderer Quellen, 150 Stellen abgebaut werden, dann ist das ein Signal zum Abbau von Kapazitäten, gerade in den Geisteswissenschaften und in den sogenannten kleinen Fächern. Aber mit diesem Thema werden wir uns auf Antrag der SPD-Fraktion noch im Laufe der heutigen Plenarsitzung befassen.
Wenn an der Universität Duisburg-Essen laut „NRZ“ vom 1. Juni Studiengänge mit derzeit 8.600 Studierenden die Gefahr besteht, geschlossen zu werden, dann zeigt das ganz deutlich: Das Modell der Durchökonomisierung des Standortwettbewerbs der nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft durch diese Landesregierung ist an einem ganz zentralen Punkt gescheitert.
Vor Ort kommt vom Hochschulpakt nichts an. Wir sehen diese zusätzlichen Kapazitäten nicht. Und rein rechnerisch sind sie auch nicht zusammenzubringen, beim besten Willen nicht.
Was heißt das für 2013, also morgen? – 160.000 Plätze werden gebraucht. 4.000 dieser Plätze kommen mit der Fachhochschulinitiative hinzu. Es fehlen also noch 156.000. Nicht nur die Opposition verlangt hier Antworten, sondern 156.000 Schülerinnen und Schüler, ihre 312.000 Eltern und 624.000 Großeltern und unzählig viele Verwandte und Freunde werden das genauso sehen, dass ihnen 2013 Studienmöglichkeiten abgeschnitten werden, meine Damen und Herren.
Kommen wir zum Fachkräftemangel: Wir und die Grünen haben hierzu eine große Anhörung beantragt. Wir hoffen, dass sie bald stattfinden wird und dass die Koalitionsfraktionen dieses Thema mit einer entsprechenden Ernsthaftigkeit verfolgen wollen und auch sollten. Hieran hat es oft bei Anhörungen gemangelt, sodass im Endeffekt die Opposition die Debatte führt und nicht die für die Regierungsmehrheit zuständigen Fraktionen von CDU und FDP. Wir wünschen uns, dass das gemeinsame Anliegen, das wir im Landtag voranbringen, hinsichtlich der Zukunft der dualen Ausbildung hier die gleiche Aufmerksamkeit von Landesregierung und Opposition erfährt.
Kommen wir zum Hochschulbau, den physischen Voraussetzungen für ein gutes Studium: Was für die Fachhochschulinitiative gilt, trifft auch für den Hochschulbau zu. Es geht um das Geld anderer Leute. Minister Pinkwart hat den Sanierungsbedarf bei den Hochschulen und Universitätskliniken mit 5 Milliarden € taxiert. Der BLB schätzt diese Summe auf 6 Milliarden €.
Die hat er natürlich nicht im Haushalt; die hat er auch nicht in der mittelfristigen Finanzplanung. Wir haben erst seit 2006 – also nach der Föderalismusreform I – jedes Jahr 107 Millionen € vom Bund als Pauschale erhalten. Nur ca. 38 Millio
nen € sind als direkte Investitionen an die Hochschulen gegangen. Der Großteil, meine Damen und Herren, floss als Mietmittel an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb, um den Finanzminister bei der Bereitstellung von Mietmitteln zu entlasten. Hierdurch wird ein Verschiebebahnhof organisiert, was zulasten unserer Hochschulen geht.
Nach dem Hochschulinvestitionsprogramm von Minister Pinkwart soll der BLB mit allen Standorten einzeln verhandeln. Sie erhalten das Angebot, für eine selbstgewählte Summe Bauvorhaben vom BLB finanziert zu bekommen. Diese werden dann für 15 bzw. 25 Jahre auf die Mietmittel umgelegt. Da die Hochschulhaushalte seit 2005 mit dem Zukunftspakt praktisch eingefroren sind, muss dieses zusätzliche Geld von den Hochschulen selbst erwirtschaftet werden.
Es handelt sich hierbei also um ein großes Kreditprogramm zulasten der Substanz unserer Hochschulen. Die Stelleneinsparungen, die an den einzelnen Standorten vorgenommen werden, belegen das ganz deutlich. Es geht also nicht um ein ergänzend finanziertes Investitionsprogramm.
Die Folge wird sein, dass „unrentable“ Sparten an vielen Standorten geschlossen werden – das sehen wir ja schon – und dass dieses Programm aus der Substanz finanziert wird. Der Trend an den Hochschulen in NRW geht eindeutig in diese Richtung. Ob jeder Standort sich diesen Spielraum am Ende tatsächlich leisten und erwirtschaften kann, ist nicht absehbar. Die großen Ausnahmen bei diesem Programm werden voraussichtlich die Ruhr-Universität Bochum und die RWTH Aachen sein, die vom Land in besonderem Maße unterstützt werden sollen – insbesondere durch die Exzellenzinitiative, die wiederum ganz wesentlich aus Bundesmitteln mitfinanziert wird.
Wenn man an die Exzellenzinitiative zurückdenkt, dann wird schnell klar: Das war kein Zufall, sondern Programmatik. Die Landesregierung hat sich von unserer Politik verabschiedet, Exzellenz in Breite und Spitze zu fördern. Sie will nur noch einzelne Standorte gezielt fördern und dequalifiziert damit die gesamte Hochschulinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen. Das Gegenteil muss vorangetrieben werden, meine Damen und Herren!
Der Trend zur Spaltung der Hochschullandschaft in sogenannte Elitestandorte und Massenhochschulen wird sich durch dieses Programm weiter beschleunigen.
Eine andere Möglichkeit nutzt gerade die Universität Bonn. Dort wird der Neubau des Seminargebäudes in Höhe von 4,6 Millionen € komplett aus Studiengebühren finanziert. Daran aber wird wiederum deutlich, dass die Studiengebühren zur Grundfinanzierung der Hochschulen beitragen sollen.
Sie haben auch beschlossen, dass Personal, das zur Grundausstattung von Hochschulen gehört, aus Studiengebühren finanziert werden soll. Meinen Sie vielleicht, die jungen Menschen draußen wären zu dumm,