Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP

Drucksache 14/6847

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion dem Abgeordneten Biesenbach das Wort. Bitte schön.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Internet und auf verschiedenen Fernsehsendern werden derzeit zahlreiche Angebote zur sogenannten Handyortung aktiv beworben.

(Unruhe – Glocke)

Wenn Sie heute bei einer Suchmaschine den Begriff Handyortung eingeben, dann haben Sie nach letzter Zählung bei den gängigen Suchma

schinen die Chance, bis zu 90.000 Ergebnisse zu erzielen.

Beispiele sehen dann zum Teil so aus wie dieses, das ich mitgebracht habe: „Mobile Spy – Gib Lügnern keine Chance! Spüre jeden auf!“

Ein anderes Angebot lautet: „Handypeilung. Statten Sie Freunden oder Ihrem Partner einen überraschenden Besuch ab! Ermitteln Sie die Position Ihrer Mitarbeiter!“

Bluebuy wirbt folgendermaßen: „Geografische Handyortung – wo ist der Chef gerade?“

Ich verzichte darauf, 90.000 Beispiele zu bringen, aber diese drei sind exemplarisch.

Weitere Beispiele sind: Ihre Frau ist unterwegs, und Sie sind neugierig, wo? Ist Papa noch im Büro? Ist mein Mitarbeiter auch tatsächlich beim Kunden?

Das sind gängige Mitteilungen und gängige Werbungen. Durch diese Vertragspraxis wird die missbräuchliche Überwachung einer Vielzahl von Mobiltelefonen ermöglicht. Das Dumme ist, dass der von der Ortung betroffene Mobiltelefonnutzer nichts mitgeteilt bekommt und nichts davon erfährt, ob er geortet/überwacht wird.

Die Möglichkeit, dies zu tun, ist gegenwärtig sanktionslos. Denn es gibt keine Strafvorschrift, die diese missbräuchliche Nutzung unter Strafe stellt. Gegenwärtig wird vermutet, es könnte eine verbotene Weitergabe von geheimen Daten sein. Aber dieser Straftatbestand passt nicht, weil der Absender nicht ermittelt werden kann. Darum ist diese Situation völlig sanktionsfrei und dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Wir haben in unserem Antrag breit dargelegt, was wir möchten. Wir möchten sehr wohl die Ortung ermöglichen. Denn es kann sein, dass ich dadurch jemanden finde, den ich suche, zum Beispiel behinderte Menschen. Es kann mir auch helfen, ein verlorenes oder verlegtes Handy wiederzufinden. Aber wir wollen Maßnahmen geprüft und über eine Bundesratsinitiative gesetzlich abgesichert haben, damit eine solche Ortung nur mit Wissen und Wollen des persönlich Betroffenen möglich ist. Dazu dient diese Initiative.

Ich merke am Nicken aller Kollegen, die gerade zuhören, dass ich davon ausgehen kann, dass dieser Antrag breite Zustimmung findet. Wir können ihn im Ausschuss weiter debattieren. Ich hoffe, dass wir ihn einstimmig beschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Orth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich hoffe, dass dieses Thema einvernehmlich gesehen wird. Die Ortung von Mobiltelefonen durch diverse Anbieter nimmt in letzter Zeit immer mehr zu. Von daher muss die Politik dieses Thema in ihren Fokus rücken.

Ich kann vorneweg sagen, wir Liberale wollen nicht, dass Menschen heimlich an eine Art elektronische Hundeleine gelegt und unbemerkt zum blickenden Punkt auf einer digitalen Landkarte gemacht werden. Wir möchten keine unerwünschte Privatschnüffelei, sondern wir möchten, dass die Bürger- und Freiheitsrechte der Handynutzer gewahrt werden.

Zurzeit werben diverse Anbieter – ich könnte fünf, sechs aufführen – damit, dass es ein sinnvolles Angebot ist. Ein Werbespruch lautet: Gestohlene Handys wiederfinden. Das ist sicherlich gut. Aber dann fängt es schon an, nämlich den Ehepartner oder den Freund oder die Freundin kontrollieren zu wollen. Meine Damen und Herren, hiermit wird teilweise geworben. Ich finde so etwas unerträglich.

Dann wird damit geworben, Kinder wiederzufinden. Hiergegen kann niemand etwas haben. Ferner wird damit geworben, Schuldner zu überwachen. Das kann ja wohl nicht allen Ernstes gewollt sein. Ferner wird damit geworben, die Mitarbeiter und Firmenfahrzeuge zu lokalisieren. Meine Damen und Herren, spätestens seit Lidl- und Telekomaffäre müssten auch die letzten Arbeitgeber dafür sensibilisiert sein, dass sie mit den Daten von Arbeitnehmern so nicht umgehen dürfen. Von daher sagen wir ganz klar: Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen. Politik muss mitgestalten und mitentscheiden.

Wir sind uns mit unserem Koalitionspartner darüber einig, dass zukünftig zur Verhinderung von Missbrauch vor allem Dingen erst einmal die Identitätsfeststellung ganz wichtig ist. Tatsache ist, dass viele ihr Handy herumliegen lassen; ich sehe auch hier vier oder fünf Handys liegen. Wenn das Handy nicht gesichert ist, dann können Sie mit einer SMS an einen dieser Anbieter eine Ortung in Auftrag geben, ohne dass der Nutzer etwas davon erfährt.

Die zweite Sache ist, dass die Mehrzahl der Handys in Deutschland, jedenfalls die Handys, die viel genutzt werden, von Firmen, Behörden, Verbän

den, oder auch vom Ehepartner, von den Eltern oder sonst wem zur Verfügung gestellt wird. Das heißt, häufig ist der Nutzer der Handys nicht der Inhaber des Vertrages. Von daher sagen wir: Wenn auf der einen Seite der Handyvertragsinhaber schriftlich zustimmt und auch die Unterschrift geprüft ist und auf der anderen Seite der Nutzer eine Hinweis-SMS bekommt, dann haben wir sichergestellt, dass nichts mehr heimlich geschieht.

Ich hoffe, dass wir als Parlament gemeinsam voranschreiten. Gesetzgeberisch initiativ werden müsste der Bund. Aber ich meine, uns allen im Parlament sollte der Datenschutz sehr wichtig sein. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Stüttgen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die Themen Datenschutz und Informationsfreiheit stehen spätestens seit der innerbetrieblichen Bespitzelung bei Lidl, Tönnies und Co. und vor allem der skandalösen Affäre bei der Deutschen Telekom wieder ganz oben auf der Tagesordnung der Politik.

Vor wenigen Wochen haben meine Fraktion und die der Grünen eine deutliche Verbesserung des Arbeitnehmerdatenschutzes gefordert. Die Koalitionsparteien haben diesen Antrag allerdings nicht mitgetragen. Wie der vorliegende Antrag zur Handyortung zeigt, scheinen die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition in Sachen Datenschutz endlich aufgewacht zu sein. Möglicherweise haben sie aber auch nur abgeschrieben. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Für viele ist schon erstaunlich, was heutzutage nicht nur technisch möglich ist, sondern von findigen Unternehmen im Internet auch angeboten wird. Auf den ersten Blick mag es eine Reihe von guten Gründen geben, warum man ein Handy orten sollte, beispielsweise nach einem Unfall. Auch andere Einsatzmöglichkeiten der sogenannten Location Based Services können möglicherweise sinnvoll sein. Darum ist es aus Sicht meiner Fraktion auch nicht zielführend, die Ortung von Handys generell zu verbieten. Aber ein Regelungsbedarf besteht allein deswegen, weil die missbräuchliche Ortung eines Handys strafrechtlich nicht abgedeckt wird.

Es ist zwar so, dass alle Anbieter gewisse Sicherungssysteme eingebaut haben. Diese reichen in der Regel aber nicht aus. So ist es beispielsweise nötig, eine Bestätigungs-SMS mit dem jeweiligen Handy zu senden, um den Ortungsdienst freizuschalten. Ein unbeobachteter Moment genügt allerdings, um es beispielsweise einem eifersüchtigen Partner zu ermöglichen, das zur Ortung vorgesehene Mobiltelefon beim Ortungsdienst anzumelden. Ohne dass der Handybesitzer es merkt, ist es dann möglich, zu kontrollieren, wo sich dieser befindet. Im Netz gibt es einige Dienste – wie beispielsweise „Ehebruch24“ –, die deutlich machen, auf welche Klientel sie setzen.

Auch das von einem Arbeitgeber gestellte Diensthandy kann bei der Aushändigung längst bei einem Ortungsdienst angemeldet sein. Das Erstellen von Bewegungsprofilen – wie es auch bei der Telekom geschehen ist – ist so problemlos möglich. Sofern das Handy nicht ausgeschaltet ist, kann der Arbeitgeber potenziell kontrollieren, wo sich der Angestellte im Dienst, aber auch in der Freizeit aufhält.

Im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre entbehrt die Konzernpolitik der Konzerntochter TMobile nicht einer gewissen Ironie. Danach werden, abgesehen von Ortungen zur Strafverfolgung, lediglich Notrufortungen unterstützt. Ich zitiere eine Stellungnahme von T-Mobile: Ortungsdienste kommerzieller Anbieter werden von uns weiterhin aus einer Reihe von Gründen, unter anderem wegen der Gefahr des Missbrauchs, nicht unterstützt. – Intern hat man sich bei der Deutschen Telekom offenbar nicht an diese Maxime gehalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsparteien, Ihre Forderung nach einer Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wird von uns nachdrücklich unterstützt. Ich muss allerdings feststellen, dass die beiden Koalitionsfraktionen Forderungen aufgegriffen haben, die schon vor Längerem die Datenschutzbeauftragte Frau Sokol in den Raum gestellt hat. In der „Westpol“Sendung vom 22. April 2007 erklärte Frau Sokol beispielsweise: Um solche Missbräuche zu verhindern, muss gewährleistet sein, dass immer dann, wenn ein Handy geortet wird, ein Signal – eine SMS oder Ähnliches – auf dem Handy auftaucht, mit dem mitgeteilt wird, dass das Handy in diesem Moment geortet wird.

Frau Sokol hat natürlich Recht. Aber gerade bei Firmen ist eben üblich, dass Besitzer und Nutzer eines Handys nicht deckungsgleich sind. Darum ist es aus Gründen der informationellen Selbstbestimmung sinnvoll, dass jede Ortung per SMS an

das betroffene Handy übermittelt wird. Unserer Ansicht nach muss dabei sichergestellt werden, dass aus der SMS auch wirklich hervorgeht, was die Meldung letztendlich bedeutet.

Auch die im Antrag der Koalitionsfraktionen vorgetragene Forderung nach einer persönlichen Unterschrift ist grundsätzlich sinnvoll. Wer eine Unterschrift fälscht, begeht eine Straftat. Wir brauchen eine viel stärkere Reglementierung, um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat dazu schon deutlich Stellung genommen. Zwischenzeitlich zeigen sich auch entsprechende Aktivitäten der Bundesregierung bzw. der sie tragenden Koalitionsfraktionen ab.

Für meine Fraktion stimme ich der Überweisung dieses Antrags an den Rechtsausschuss zu. Ich möchte aber betonen, dass für den Datenschutz grundsätzlich der Innenausschuss zuständig ist. Ich freue mich auf eine intensive Diskussion im Rechtsausschuss. Auch was den Arbeitnehmerdatenschutz angeht, wäre eine intensive Diskussion sinnvoll.

Ich möchte noch etwas ansprechen, was wir nicht außer Acht lassen dürfen. Mittlerweile ist eine Reihe von mobilen Navigationsgeräten mit GPSEmpfängern und dergleichen im Einsatz. Auch diese Geräte können natürlich überwacht werden, möglicherweise noch viel leichter als Handys. Wir müssen auch diese Dinge in der Diskussion berücksichtigen. Ich denke, das wird im Ausschuss geschehen, und wir werden zu einer vernünftigen Lösung kommen. Ich freue mich auf die entsprechenden Beratungen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Stüttgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die datenschutzrechtlichen Inhalte und Ziele des Antrags von CDU und FDP sind natürlich zu unterstützen; das ist keine Frage. Es ist richtig, dass es einen Regelungsbedarf bezüglich missbräuchlicher Ortungen von Mobiltelefonen gibt.

Die Vorschläge in dem Antrag, wie zum Beispiel, dass die Einwilligung in eine Ortung nur per Unterschrift gegeben werden kann, finde ich richtig. Schon bei der Verbraucherschutzdebatte haben wir uns darüber unterhalten, dass rechtlich verbindliches Handeln nur per Unterschrift möglich

sein soll. Es ist außerdem zu begrüßen, dass es direkt nach der Ortung eine Information an den Betroffenen geben soll. So weit, so gut.

Ich möchte aber drei Anmerkungen dazu machen. Erstens hätte man sich durchaus etwas umfassender mit der Problematik beschäftigen können. Denn wir wissen, dass auch die GPS-Technik es ermöglicht, eine Ortung vorzunehmen. Für GPS muss es genauso wie für Mobiltelefone Regelungen bezüglich missbräuchlicher Ortung geben. Aus unserer Sicht ist der Antrag von SchwarzGelb also nicht weitgehend genug.

Zweitens ist es zu unbestimmt, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die Unterzeichner des Antrages, zum Beispiel Herr Biesenbach und Herr Orth, sind kompetente Juristen. Sie hätten sich auch einmal ein paar mehr Gedanken dazu machen können, wie Sie die Ziele erreichen wollen. Bei dem Wie werde ich etwas skeptisch. Ziele zu formulieren, ist immer gut. Aber man muss auch sagen, wie man sie umsetzen will. In dem Antrag finden sich dann Formulierungen, wonach Gegebenheiten und Maßnahmen zu prüfen sind. Vielleicht soll die Umsetzung durch den Landtag selbst möglich sein, vielleicht aber auch nur auf Bundesebene. Sie müssen schon Ross und Reiter nennen und genau sagen, welche Regelungen in welchem Gesetz getroffen werden sollen. Das tun Sie aber nicht.

Sie belassen es im Hinblick auf die Umsetzung bei einem dubiosen Prüfverfahren. Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass diese Regelungen ins Telekommunikationsgesetz oder ins Datenschutzgesetz gehören. Eines der beiden Gesetze muss geändert werden. Um das zu überprüfen, brauchen Sie doch aber nicht die Regierung. Schauen Sie doch einfach einmal ins Gesetz! Dann können Sie auch ein konkretes Angebot dazu machen, was wo geändert werden muss, wozu es dann einer Bundesratsinitiative bedarf. Sie müssen also auch sagen, wie Sie diese Ziele erreichen wollen. Weil es sehr unkonkret wird, wenn es um die Umsetzung geht, macht mich dieser Antrag misstrauisch im Hinblick darauf, ob das alles wirklich ernst gemeint ist. Also, was wollen Sie denn dann?

Meine dritte Anmerkung: Wenn Sie dieselbe Sensibilität zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch bei anderen Bereichen an den Tag legen würden, Herr Orth, wäre Ihre Initiative für den Datenschutz glaubwürdiger. Beim Schutz der Beschäftigten in den Betrieben wie Tönnies, Lidl und anderen, in denen es in den letzten Monaten Skandale um die Bespitzelung gab, geht es nicht nur um Bewegungsprofile und um Ortung,

sondern um den Intimbereich der Beschäftigten, etwa durch Videoüberwachung in Umkleideräumen etc.