Monika Düker

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Vergangenheitsbewältigung kann ich nur sagen, Herr Dr. Orth, dass das, was Sie hier betreiben, Geschichtsklitterung ist.
Denn natürlich wurde der Antrag schon 2005 eingebracht. Aber warum denn? – Weil Sie ein Wahlversprechen gegeben haben, dass die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eine Personalvertretung vor Ort bekommen. Die SPD hat das dann beantragt. Und weshalb ist das dann zurückgestellt und nicht wieder aufgegriffen worden? – Weil die Ministerin im Rahmen der Beratungen zum LPVG Folgendes im Ausschuss gesagt hat – ich zitiere aus dem Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses vom 21. März 2007 –:
Auch mir als Justizministerin ist es ein Anliegen, Personalvertretungen für Staatsanwaltschaften auf örtlicher Ebene auch für Staatsanwälte zu implementieren. … Nach Abschluss der Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes beabsichtige ich, die Reform des Landesrichtergesetzes in Angriff zu nehmen. In diesem Zusammenhang werde ich die Frage nach Personalvertretungen bei den örtlichen Staatsanwaltschaften noch einmal aufgreifen.
Daraufhin hat die SPD netterweise gesagt: Selbstverständlich – dann könnten wir das vielleicht sogar interfraktionell machen – stellen wir unseren Gesetzentwurf zurück und warten, was da kommt. Dieses Warten war Warten auf Godot, denn es passierte gar nichts. Nichts ist vorgelegt worden.
Herr Dr. Orth, ich finde es schon peinlich, wenn Sie dann beim Richterbund, der genau dies noch in dieser Legislaturperiode einfordert, sagen: Das konnten wir nicht machen. Die Regierung hatte in dieser Legislaturperiode einfach zu viel zu tun. Da war ein neues Richtergesetz einfach nicht mehr drin.
Herr Dr. Orth, wir sind der Gesetzgeber. Vielleicht können Sie ja auch einmal selbst einen Gesetzentwurf schreiben und einbringen, wie es die Kolleginnen und Kollegen von der SPD getan haben. Unsere Zustimmung zu Personalvertretungen vor Ort für die Staatsanwaltschaften hätten Sie gehabt.
Dass dies in dieser Legislaturperiode nicht geschehen ist, zeigt eines: den miesen Stellenwert, den Mitbestimmungsrechte im öffentlichen Dienst in den Regierungsfraktionen und in der Regierung haben. Das haben Sie beim LPVG bewiesen, und das haben Sie damit bewiesen, dass die Einführung dieser Mitbestimmungsrechte trotz Ihres Versprechens ganz hinten angestellt und jetzt auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben wird.
Ich hatte Ihnen eine interfraktionelle Initiative angeboten. Sie wollten hier aber kein Bekenntnis mit einer Zielformulierung abgeben. Ich kann zu diesem ganzen Vorgang nur sagen: Versprochen – gebrochen. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Neuaufguss im Bundesrat mit dem Gesetzentwurf zur Veränderung der Regelungen für die Prozesskostenhilfe, Herr Giebels, kann man nur als banales Kostendämpfungsgesetz zulasten der Rechtsstaatlichkeit in unserem Lande bezeichnen.
Es ist nicht mehr und nicht weniger.
Frau Ministerin, Sie haben das sanierte Justizministerium in Düsseldorf am Martin-Luther-Platz eingeweiht. Ich erinnere mich gut an Ihre Ansprache gestern, als Sie sagten: Die Justiz ist dafür da, Recht für jedermann zu gewähren, unabhängig vom Geld
beutel. – Der Justizgewährungsanspruch unabhängig vom Geldbeutel!
Aber genau das konterkarieren Sie hier mit diesem Gesetz.
Sie strafen Ihre Reden lügen, indem Sie so ein Gesetz unterstützen. Denn das, was hier passiert, ist, dass die Rechtsgewährung eben abhängig wird vom Geldbeutel.
Genau das ist nicht mein Verständnis von unserem Rechtsstaat.
Lesen Sie doch einmal durch, was in dem Gesetz steht, Herr Witzel. Wenn durch die Rechtsgewährung die Gefahr besteht, das Existenzminimum anzugreifen, bedeutet das denn nicht, dass es vom Geldbeutel abhängig ist? Oder wenn eine Inanspruchnahme von Recht, eine Durchsetzung von Rechtsansprüchen die Gefahr birgt, dass ich mich verschulde, was ist das sonst als – aus meiner Sicht – ein Verstoß gegen die Idee unseres Rechtsstaates? Oder aber, ich lasse mich – und das ist nachgewiesenermaßen der Fall –, wenn ich mich auf eine Verschuldung zubewege oder mein Existenzminimum in Gefahr ist, von der Durchsetzung meiner Rechtsansprüche abschrecken. Genau das ist für mich mit meinem Grundsatz von Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren.
Genau deswegen, Herr Giebels, hat ja auch Ihre Partei im Bundestag – wenn ich mich richtig erinnere – in der großen Koalition in der letzten Wahlperiode mit der SPD zusammen verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bundesratsintiative geltend gemacht. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken haben Ihre Partei und die SPD damals zu Recht formuliert.
Unserer Auffassung nach ist dies ein Konsolidierungsgesetz, ein Kostendämpfungsgesetz. Bezahlen werden es die Armen in diesem Land. Die haben aus unserer Sicht genau den gleichen Anspruch auf die Durchsetzung ihrer Rechte wie diejenigen, die etwas mehr im Geldbeutel haben. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum stellen SPD und Grüne – Herr Kruse, Sie wissen es – hier zum wiederholten Mal
ja, Sie stellen es infrage – Anträge zum Thema Bleiberecht? Ich will Ihnen das sagen: weil es ein Armutszeugnis ist für diese Republik, dass wir es trotz dieser Endlosdebatten seit vielen, vielen Jahren nicht geschafft haben,
das Problem der Kettenduldung wirklich wirksam, nachhaltig zu lösen;
ich will Ihnen auch gleich sagen, warum. Deswegen müssen wir darüber weiter diskutieren und können es eben nicht in die Schublade legen.
Es geht um Menschen. Es geht um Menschen, die lange hier leben. Es geht um integrierte Menschen. Es geht um viele Kinder, die hier aufgewachsen sind, die hier zur Schule gehen. Wir haben eine große Gruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Ländern wie Kosovo und Serbien. Wir haben aber auch viele aus Afghanistan, aus dem Irak. Das sind Kriegsflüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkönnen, die lange hier leben, aber nach wie vor keinen festen Aufenthaltsstatus und deswegen keine faire Integrationsperspektive haben.
Ich will zugestehen: Mit der Altfallregelung aus dem Jahre 2007 ist einiges passiert. Die §§ 104a und 104b sind genannt worden. Damit haben viele Tausend Menschen und ihre Familie eine Perspektive bekommen; das darf man nicht kleinreden, und das tue ich auch nicht. Aber: Viele Tausend haben es auch nicht geschafft. Ich will zwei Gruppen herausnehmen, um die wir uns nach wie vor kümmern müssen.
Die einen – Kollege Link hat sie eben genannt – sind die, die mit einer Aufenthaltserlaubnis auf Pro
be ausgestattet wurden. Das heißt, sie haben eine Chance bekommen, sich wirtschaftlich unabhängig zu machen. Die Frist ist jetzt bis zum 31. Dezember 2011 verlängert worden. Aber wie heißt es so schön im Innenministerkonferenz-Beschluss bzw. im Erlass der Landesregierung? – Es muss die Annahme gerechtfertigt sein, dass bis zum 31.12.2011 die vollständige eigene Sicherung des Lebensunterhalts gelingen kann. – Das ist das Ziel.
Da fallen natürlich viele heraus, die aufgrund ihrer Qualifikation gar nicht die Chance haben, einen solchen Job zu bekommen. Denn es geht hier mitnichten um Hartz IV, es geht nicht um ein Einkommen analog Hartz IV, sondern da werden noch die Freibeträge draufgerechnet. Das heißt für eine Familie manchmal Hartz IV plus 20 % oder 30 %. Das sind hohe Hürden gerade für große Familien. Und das sind Menschen, die jahrelang vom Arbeitsmarkt faktisch ausgeschlossen waren, die das gar nicht schaffen können.
Herr Kruse, deshalb geht das Innenministerium selbst nach grober Schätzung davon aus – so heißt es in einer Information an den Innenausschuss –, dass von den insgesamt fast 12.000 Personen in NRW, die diese Probeerlaubnis haben, nur ca. 6.000, also nur die Hälfte dieser Menschen, von dem Beschluss der IMK bzw. der Anordnung des Innenministeriums profitieren können. Das heißt, hier ist es nicht gelungen, eine nachhaltige Lösung zu finden.
Die zweite Problembaustelle ist der Stichtag. Die Zeit, die sie hier verbracht haben müssen – sechs Jahre bzw. acht Jahre für Alleinstehende –, ist mit einem Stichtag verbunden, nämlich dem Jahr 2007. Wir alle wissen, dass wir nach wie vor geduldete Menschen haben, die zwar jetzt die Voraussetzungen erfüllen würden, aber 2007 noch nicht genügend Jahre vorzuweisen hatten.
Das heißt, die Stichtagsregelung grenzt diejenigen aus, die in diese Zeiten sozusagen hineinwachsen. So will ich es einmal nennen. Das heißt, wir haben zwar zu einem bestimmten Stichtag eine Problemlösung, die aber nicht für die folgenden Jahrgänge gilt. Dieser Stichtag löst das Problem also auch nicht.
Es gibt eine dritte Problemgruppe – ich will sie noch einmal nennen –, die mir besonders am Herzen liegt. Nehmen Sie sich doch einmal den Buchstaben C in Ihrem Parteinamen zu Herzen! Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben nämlich auf diese Problemgruppe hingewiesen. Das sind diejenigen, die – ohne eigenes Verschulden – ihren Lebensunterhalt nie werden sichern können, weil sie alt oder krank sind. Solange wir die wirtschaftliche Unabhängigkeit ohne humanitäre Komponente als Kriterium festschreiben, werden diese Menschen herausfallen.
Man muss es sich einmal vorstellen: Es sind ältere Menschen, Rentner, die keinen eigenen Unterhalt haben und von ihren Familien mitversorgt werden. Dann ginge es ja eigentlich noch. Man könnte sagen: Sie werden von ihren Familien mitversorgt, dann können sie davon profitieren. – Nein, sie müssen eine eigene Krankenversicherung nachweisen. Jetzt fragen Sie sich einmal, welcher 65Jährige noch in eine private Krankenversicherung kommt und in der Lage ist, das zu bezahlen.
Das sind Hürden, die für diese Zielgruppe nicht zu meistern sind. Aus meiner Sicht brauchen wir also auch eine humanitäre Komponente. Ich appelliere noch einmal an Sie, an das C in Ihrem Parteinamen, und erinnere an die Resolution beider großer Kirchen. Diese Komponente fehlt.
Die fehlt mir im Übrigen auch im SPD-Antrag. Deswegen haben wir einen eigenen Entschließungsantrag dazu formuliert.
Was die Bleiberechtsregelung betrifft, die wir haben, kann man sagen: Das Glas ist halb voll, aber es ist eben auch halb leer. – Wir müssen jetzt handeln, bevor wieder eine Frist verstreicht, bevor wieder Menschen von Abschiebung bedroht sind und bevor sich die Problemfälle wieder akkumulieren. Wir müssen auch jetzt im Bundesrat tätig werden und die Zeit für eine Lösung dieser Problemfälle nutzen. Ich bitte herzlich um Zustimmung. – Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass unsere Justizministerin das Parlament gerade verlassen hat; denn auch in ihre Richtung geht mein Appell. Ich kann – auch als Rechtspolitikerin – nur feststellen, dass wir in diesem Land ein eklatantes Missverhältnis zwischen Strafverfolgung und Opferschutz haben.
Wir haben ein gutes Gewaltschutzgesetz auf den Weg gebracht. Wir haben in der letzten Legislaturperiode ein Polizeigesetz mit einem Wegweisungsrecht geschaffen. Alles wunderbar! Und was haben wir damit erreicht? Auch etwas Wunderbares: dass wir nämlich das Thema „häusliche Gewalt“ aus einem bisher nie dagewesenen Dunkelfeld ins Hellfeld geholt haben. In Großstädten wie Dortmund und Essen sind auf einmal an die 1.000 Fälle pro Jahr sichtbar geworden. Alles wunderbar, Herr Laschet!
Aber was ist mit den Opfern? Wir haben einen Strafverfolgungszwang. Wir haben einen verfassungsgemäßen Rechtsgewährungsanspruch. Alles klasse geregelt! Aber was passiert mit den Opfern? Die bleiben in dieser Angelegenheit aus meiner Sicht leider auf der Strecke. Mit der Aufhellung des Dunkelfeldes haben wir die Opfer nicht ausreichend abholen können.
Wir haben eine defizitäre Infrastruktur. Da reicht es nicht, Herr Laschet – und das mache ich Ihnen zum Vorwurf –, gemeinsam mit dem Innenminister festzustellen, was für tolle Gesetze wir haben, dann eine Kampagne aufzulegen, ein paar Postkarten gegen Gewalt und gegen Zwangsehe zu verteilen, aber die Opfer bei der konkreten Hilfe im Regen stehen zu lassen.
Opferschutz gehört auch zur Rechtspolitik. Deswegen ist es auch eine Aufgabe der Justizministerin. Ich weiß noch, dass sie bei der letzten Veranstaltung des Weißen Ringes, der Operschutzorganisation, hier in Düsseldorf den Opferschutz als ein großes Anliegen bezeichnet hat – und in den Haushaltsplänen dann keinerlei Aufstockung für den gestiegenen Bedarf stattfand. Dieses Missverhältnis, das ist Kennzeichen Ihrer Regierung. Und das werden wir ändern!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir meinen, dass uns der Antrag der SPD bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität nicht wirklich weiterhilft.
Worum geht es? – Anlass der Auseinandersetzungen war der gewaltsame Tod eines 32-jährigen Bandidos-Mitglieds in Duisburg, der am 8. Oktober letzten Jahres erschossen wurde. Man nimmt an, dass Anlass für diese Gewalttat eher ein privater Hintergrund war. Darauf folgten Auseinandersetzungen zwischen den Rockerbanden Bandidos und Hells Angels, insbesondere im Ruhrgebiet. Duisburg, Solingen und Essen waren die Tatorte. Es wurde – Kollege Engel hat es erwähnt – die BAO, die Besondere Aufbauorganisation für die zentrale Koordinierung in Münster, gebildet. – So weit, so gut.
Was kam danach? – Die üblichen Reflexe! Ich finde, dass man hinterfragen sollte, warum nach all diesen Problemen sofort nach Verboten gerufen wird, ohne – das haben wir im Ausschuss in zwei Sitzungen, Herr Rudolph, ausführlich rechtlich hinterfragt und auseinander genommen – dass es Anhaltspunkte dafür gibt, nach dem Vereinsgesetz Verbote aussprechen zu können. Man sollte nicht meinen, Vereine verbieten zu können, wenn dafür nicht annähernd die rechtlichen Voraussetzungen vorhanden sind.
Im Übrigen hat sich im Rahmen dieser Verbotsforderungen – das ist immer so schön einfach bei der Politik – nicht nur die SPD hervorgetan, sondern auch der frühere Generalsekretär der CDU, Herr Wüst, der den Innenminister sofort, mal eben aus
dem Hemdsärmel aufgefordert hat: Jetzt wird verboten!
Ich glaube, dass uns das alles nicht weiterhilft. Ein Blick ins Vereinsgesetz und die Rechtsprechung zeigen die hohen Hürden auf. Beim Vereinsverbot geht es darum, dass konkrete Straftaten nachgewiesen werden müssen. Sie müssen nicht nur einzelnen Mitgliedern eines Vereines nachgewiesen werden, sondern sie müssen dem Verein zugeordnet werden können, mindestens der Führungsstruktur von Vereinen.
Das alles wissen wir. Die Rechtsprechung ist eindeutig. Die Ermittlungen angesichts dieser Vorfälle Ende letzten Jahres geben dafür nichts her. Das sollte man zur Kenntnis nehmen und mit diesen Reflexen „Dann verbieten wir mal eben“ aufhören. Das entscheiden nicht wir. Letztendlich bringt es niemandem etwas, wenn politisch laut rumgetönt, das aber schließlich von den Gerichten wieder einkassiert wird.
Wir setzen uns für eine vernünftige Strafverfolgung ein. Allerdings: Herr Engel, Sie sagten, dass die Polizei in NRW gut aufgestellt ist. Das würde ich anders bewerten. Das ist aber eine andere Geschichte, die wir an anderer Stelle diskutieren sollten. Für ein Verbot, meine ich, reichen die Anhaltspunkte nicht. Das sollten wir dann auch nicht öffentlich fordern. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ELENA, das ist zwar auch ein sehr schöner Frauenname, aber dahinter verbirgt sich noch etwas anderes.
Die Abkürzung ELENA steht für den sogenannten elektronischen Entgeltnachweis. Dahinter verbirgt
sich schlicht der Aufbau einer der größten zentralen Sammlungen personenbezogener Daten, die wir je in Deutschland hatten. Seit dem 1. Januar dieses Jahres müssen alle Arbeitgeber Daten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – von ungefähr 40 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland – an einen Zentralrechner der Deutschen Rentenversicherung übermitteln.
Was sind das für Daten? – Es sind nicht nur Einkommensnachweise, es sind auch Daten zu Fehlzeiten, Abmahnungen und Kündigungen. Ich glaube, das dort auszufüllende Formular hat ungefähr 40 Seiten.
Was ist das Ziel? – Das Ziel war eigentlich richtig: Falls man einmal Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Elterngeld beantragen wollte, sollte man nicht mehr zum Arbeitgeber gehen müssen, um eine Bescheinigung zu bekommen, sondern die erforderlichen Daten sollten zentral abrufbar sein.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was sich hier offenbart, ist eine Datensammlung, eine Art Vorratsdatenspeicherung, die aus unserer Sicht im Hinblick auf das Verhältnis von Anzahl und Nutzen der hier gespeicherten personenbezogenen Daten unverhältnismäßig ist – 90 % davon werden nie benötigt – und deshalb ausgesetzt werden sollte. Das ist die Forderung in unserem Antrag. Ich denke, dass wir hiermit einen Datenmoloch schaffen, der unter Umständen auch noch einmal andere Begehrlichkeiten weckt. Damit werden wir dem Datenschutz nicht gerecht.
Das war das erste Problem, nämlich der Umfang der Datenmenge im Verhältnis zu deren Nutzung.
Das zweite Problem ist die fehlende Transparenz. Es gibt keine Benachrichtigung an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was alles über sie da eigentlich gespeichert wurde. Damit gibt es auch keine Möglichkeit, sich zu wehren. Es gibt zwar eine offizielle Auskunftspflicht, aber technisch ist es erst in zwei Jahren möglich, dass eine Auskunft über diese Daten gegeben werden kann. Rechtsschutz für die Betroffenen? – Auch hier: Fehlanzeige!
Das dritte Problem ist aus meiner Sicht dasselbe Problem, das wir immer haben, wenn wir den Grundsatz der Datenspeicherung bzw. der Datensparsamkeit, wie er im Bundesdatenschutzgesetz steht, betrachten. Datensparsamkeit heißt, nur Daten, die man anlassbezogen wirklich braucht, in großen Dateien zu sammeln. Dem wird man hier nicht gerecht. Warum? Weil solche Datensammlungen Begehrlichkeiten wecken.
Jetzt haben wir noch Zweckbindungen, dass ab 2015 lediglich Krankenkassen, Pflegekassen, Studentenwerke, Renten- und Unfallversicherungen, Sozialämter, Jobcenter oder – schon ab 2012 – die Bundesagentur für Arbeit Zugriff darauf hätten. Eine einfachgesetzliche Regelung kann hier weitaus mehr Zugriffe ermöglichen, und das eben auch
für Polizei, für Verfassungsschutz, für Sicherheitsorgane. Diese Daten wecken Begehrlichkeiten, die aus meiner Sicht hier vermieden werden können.
Wir meinen, das Ausmaß einer Vorratsdatenspeicherung ELENA ohne Anlass steht in keinem Verhältnis zum Nutzen und widerspricht dem Gebot der Datensparsamkeit und der Verhältnismäßigkeit. Wir fordern die Landesregierung auf, die im Bundesrat zurzeit anhängige Datensatzverordnung zu nutzen, dieser Verordnung nicht zuzustimmen,
das Verfahren auszusetzen und diese Dinge noch einmal zu prüfen. Sie gehören noch einmal auf den Prüfstand, so sehr ich das Ziel, das damals formuliert wurde, für nach wie vor nachvollziehbar halte. Was dabei jetzt herausgekommen ist, müssen wir noch einmal auf den Prüfstand stellen; denn hier geht es um hochsensible persönliche Daten von Menschen, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, in einem Riesenausmaß, die völlig anlassunabhängig gesammelt werden.
Wir halten das Verfahren nicht für verhältnismäßig und möchten, dass es deshalb noch einmal neu auf den Prüfstand kommt. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Nichtfachpolitikerin bin ich erschüttert, Frau Sommer, wie wenig Rückmeldungen Sie offenbar aus den Schulen dieses Landes haben. Zu Beginn dieser Debatte hatte ich gerade eine Schülergruppe der Klasse 9 des Suitbertus-Gymnasiums in Düsseldorf zu Besuch.
Kurz bevor ich in den Plenarsaal gekommen bin, habe ich die Schülerinnen und Schüler gefragt: Wie läuft es denn bei euch? Was würdet ihr anders machen? Was sind eure Probleme? – Die erste Schülerin hat gesagt, sie wisse überhaupt nicht, wie das mit ihrem Latinum laufen solle. Die zweite Schülerin sagte, es gäbe Probleme mit den Zwischenprüfungen. Die Lehrerin saß daneben, zuckte mit den Schultern und sagte, sie könne den Schülern keine Antwort geben. Die nächste Schülerin beklagte sich darüber, dass sie überhaupt nicht wisse und niemand ihr sagen könne, was geschehe, wenn sie vor dem Abitur aufhören würde, welche Abschlüsse sie dann habe und welche Prüfungen sie ablegen könne.
Es meldeten sich zehn Schüler aus dieser Klasse, die sagten: Wir wollen „G8“, wir sind gar nicht dagegen – aber so kann man mit uns nicht umgehen! Die einhellige Meinung dieser Klasse war: Wir fühlen uns als Versuchskaninchen der Nation und haben Angst vor der Situation in 2013.
Das war die Klassenmeinung. Die Klasse hat ein Diktiergerät mitlaufen lassen. Dieses Gespräch wird dokumentiert, und ich gebe Ihnen das gerne einmal. Diese Klasse war nicht leistungsfeindlich oder in irgendeiner Form bildungsfern. Nein, sie haben nur gesagt: Wir wissen nicht, wie wir das umsetzen können; für Hobbys oder private Dinge haben wir überhaupt keine Zeit mehr; wir bekommen keine Antworten auf unsere Fragen.
Ja. – Frau Kollegin Sommer, vielleicht gehen Sie einmal in die Schulen und reden mit den Schülerinnen und Schülern. Dann wüssten Sie, was da eigentlich los ist.
Danke, Frau Ministerin. Mir erschließt sich Ihre Argumentation nicht, wieso ein Versagen bei einer Fristenkontrolle in einer Ihrer Behörden etwas damit zu tun hat, dass Gesetze schlecht sind. Deswegen möchte ich Sie konkret fragen. Es ist hier ein Versagen beim Vollzug eines Gesetzes aufgetreten. Was schließen Sie daraus an gesetzgeberischem Handlungsbedarf, wenn Gesetze nicht vollzogen werden?
Frau Ministerin, es tut mir leid, aber ich habe immer noch nicht verstanden, was ein schlichtes Fristversäumnis in einer Behörde mit einer komplizierten Gesetzeslage zu tun hat.
Ich kann ja mal zur Aufklärung beitragen, indem ich das komplizierte Gesetz darstelle. Es gibt drei Formen der Sicherungsverwahrung – ich weiß nicht, was Sie daran so kompliziert finden –: Erstens. Sie wird vom Richter im Urteil angeordnet. Zweitens. Es gibt den Vorbehalt. Drittens. Es gibt die nachträgliche Sicherungsverwahrung.
Das sind drei Formen der Sicherungsverwahrung, die ich nicht so kompliziert finde. Warum ist das der Grund dafür, dass schlicht eine Frist von sechs Monaten versäumt wurde? Diesen Zusammenhang sehe ich nicht. Deswegen frage ich Sie noch mal konkret: Welchen gesetzlichen Änderungsbedarf sehen Sie denn?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Gödecke, ich habe eine Antwort auf Ihre Frage, warum wir diese vollkommen einvernehmliche Entfristung eines Gesetzes unbedingt noch einmal in zweiter Lesung debattieren müssen. Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP wollten es sich heute nicht nehmen lassen, hier noch einmal den Erfolg eines rot-grünen Reformgesetzes zu feiern;
denn das Stiftungsgesetz für das Land NordrheinWestfalen – danke, dass Sie die Zahlen noch einmal genannt haben, Herr Engel – ist ein echter Erfolg gewesen.
Wer hat es erfunden? Die rot-grüne Regierung vor Ihnen! Daher danke ich Ihnen dafür, dass Sie hier ausdrücklich noch einmal die gute Arbeit der rotgrünen Regierung in den Jahren von 2000 bis 2005 gelobt haben. Das finde ich wirklich klasse. Man darf die Vorgängerregierung auch nicht immer nur kritisieren, sondern muss auch einmal sagen: Jawohl, das habt ihr wirklich sehr gut auf den Weg gebracht.
Ich schließe mich diesem Lob an. Das ist ein gutes Gesetz gewesen. Es ist ein Erfolg gewesen. Es hat für Entbürokratisierung gesorgt – wirklich einmal nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich. Mit dem Stiftungsverzeichnis hat es Transparenz geschaffen. Für die Stifterorgane hat es Entscheidungsfreiheit geschaffen. Die Zahlen beweisen: Es hat zu mehr Stiften angestiftet – um es einmal so zu formulieren.
Die im Gesetzentwurf der Landesregierung enthaltenen Klarstellungen sind richtig. Daher tragen wir auch die Entfristung mit.
Dieses Gesetz war ein gutes Gesetz. Es hat sich bewährt. Rot-Grün hat das klasse gemacht. Schwarz-Gelb setzt es fort. Wir sind uns einig. Gut, dass wir noch einmal darüber geredet haben!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag Sie wundern, aber, Herr Engel: Ja es stimmt. Ich denke, dass mit Blick auf die Kernbereichsschutzregelungen der Gesetzentwurf der Landesregierung wesentlich besser gelungen ist, liebe Kollegen von der SPD, als Ihrer. Das muss man der Fairness halber auch sehr deutlich sagen.
Das haben auch ganz objektiv beide Anhörungen gezeigt. Auch die Änderungsanträge von Schwarz
Gelb im Ausschuss – auch das muss ich sagen – waren qualifizierend, haben den Gesetzentwurf verbessert. Wir haben dem Änderungsantrag betreffend den Kernbereichsschutz, den rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen zugestimmt, weil ich es richtig finde, das so zu formulieren. Leider ist der Gesetzentwurf der SPD trotz des Änderungsantrages von heute – na ja, es ist gut gemeint, es ist etwas verbessert worden – für uns nicht zustimmungsfähig.
Trotzdem, Herr Engel, bei allem Lob für die Formulierung mit Blick auf den Kernbereichsschutz: Es bleiben Kritikpunkte, die schwer wiegen.
Erstens macht sich die Kritik an dem fest, was Sie nicht geschafft haben vorzulegen – die Sachverständigen haben es gesagt –: Die Kernbereichsschutzregelungen gelten genauso für den Verfassungsschutz. Natürlich ist es klar: Wenn in meine Privatsphäre eingegriffen wird, will ich geschützt werden, egal, ob nun der Verfassungsschutz eingreift oder die Polizei. Das ist aus Bürgerrechtssicht egal. Es ist Ihnen nicht gelungen, diese Regelung auch für das Verfassungsschutzgesetz zu normieren – und das ein Jahr nach der Rechtsprechung von Karlsruhe, ein Jahr nach dem Online-Urteil.
Ich finde es blamabel, dass Sie das nicht geschafft haben. Sie haben sich offensichtlich im Konflikt mit dem Koalitionspartner nicht durchsetzen können. Das, finde ich, kann sich eine Regierung nach fünf Jahren Bilanz nicht leisten, einfach zu sagen, um das Verfassungsschutzgesetz kümmern wir uns nicht.
Also: Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass nur die Hälfte der Hausaufgaben von der Regierung erledigt worden ist.
Zweiter Kritikpunkt: Ordnungsbegriff ins Polizeigesetz. Ich zitiere aus diesem wunderbaren Papier der CDU „Sicher leben in NRW“. Herr Kruse, Sie begründen da so schön, warum unbedingt die Ordnung wieder ins Polizeigesetz muss, indem Sie sagen – ich zitiere aus Ihrem Papier –, Sie wollen wieder die Befugnis für die Polizei schaffen, Gefahren für die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln abzuwehren, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird. So weit das Bundesverfassungsgericht.
Jetzt kommt es: Hierzu zählen Sie dann insbesondere Verstöße gegen Anstand und Sitte, Moral oder religiöses Empfinden.
Ich habe ja die Sachverständigen in der Anhörung gefragt, ob es für sie irgendeine Situation gegeben hat – vielleicht erinnern Sie sich daran –, in der die Polizei bei Sitte, Anstand oder moralischen Verstößen nicht eingreifen konnte – wobei ich meine, dass das nicht unbedingt zu den Kernaufgaben der Polizei gehört.
Ich zitiere den Bund Deutscher Kriminalbeamter, die sagen, in ihrer langjährigen Berufspraxis gab es keine Fälle, in denen sie den Ordnungsbegriff brauchten und ansonsten nicht eingreifen konnten. Ich zitiere Herrn Wegermann vom Bund Deutscher Kriminalbeamter aus dem Anhörungsprotokoll: Ein solcher ordnungspolitischer Sachverhalt, dass die Polizei nicht einschreiten konnte, weil die erforderliche Gesetzesnorm nicht vorhanden gewesen wäre, ist mir aus der Praxis nicht bekannt. Kein einziger Sachverständiger hat ein Beispiel vortragen können.
Das ist Showpolitik, die Sie hier liefern, Symbolpolitik mit fatalen Folgen. Denn was gibt das denn für Signale an die Kommunen?
Das Signal an die Kommunen lautet doch: Unsere wunderbaren Ordnungspartnerschaften, bei denen wir eine klare Arbeitsteilung haben, nach der sich die Kommunen auch für die öffentliche Ordnung einsetzen, das heißt für die Erfüllung von Straßensatzungen, für das Verteilen von Knöllchen im ruhenden Verkehr etc., die brauchen wir nicht mehr zu machen, denn die Polizei gibt uns das Signal: Alles klar, wir machen das schon.
Ich glaube, dass das fatal ist. Es braucht es nicht, Herr Kruse, und es bringt eine fatale Botschaft in die Lande, die ich falsch finde. Deswegen kann ich dem auch nicht zustimmen. Nach langem Streit muss man sagen: Hier ist etwas rausgekommen, was wohl der kleinste gemeinsame Nenner in der Koalition ist.
Wenn man wissen will, wie es in der nächsten Legislaturperiode weitergeht, wenn die CDU hier wieder mitregiert, dann sollte man sich das Positionspapier durchlesen. Da muss ich leider sagen: Es gruselt mich.
Vor dem Hintergrund dieses Positionspapiers müssten Sie eigentlich dem SPD-Gesetzentwurf zustimmen. Denn die Kollegen haben das aufgegriffen, was Sie fordern, nämlich „Präventive Telekommunikationsüberwachung und Online-Befugnisse ins Polizeigesetz“. Die machen ihre Hausaufgaben. Von daher sehe ich hier eher eine Große Koalition, als dass ich mich als Grüne in einem der beiden Gesetzentwürfe wiederfinden würde. Von daher werden wir beide Gesetzentwürfe ablehnen. Vielleicht tun Sie sich da mal zusammen und gehen in sich! Der Gesetzentwurf der SPD ist für Sie, Herr Kruse, zustimmungsfähig, für mich nicht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Nordrhein-Westfalen
gibt es, wie wir jetzt wissen, über 300.000 Personen unter Betreuung, bundesweit mehr als 1,2 Millionen. Wir wissen auch, dass diese Zahl in den letzten zehn Jahren um ungefähr 50 % gestiegen ist, sich also verdoppelt hat. Wir wissen des Weiteren – Frau Kollegin Veldhues hat die Zahlen genannt –, dass angesichts der Demografie und der mit ihr in Zusammenhang stehenden Zunahme von Demenzerkrankungen bald jeder Vierte in Deutschland einen Betreuer oder eine Betreuerin brauchen wird, weil er eben nicht mehr für sich selber sorgen kann.
Angesichts dieser Entwicklung halte ich es auch für legitim, dass die SPD sich hier mit einer Großen Anfrage dem Problem gewidmet hat; denn wir müssen darauf reagieren. Leider finde auch ich in der Antwort der Landesregierung herzlich wenig, was wirklich in die Zukunft weist, und kaum Aussagen dazu, was getan werden muss, um diese Entwicklung zu gestalten und mit ihr umzugehen.
Um welchen Personenkreis und um welche Problemlagen geht es? 85 % derer, die berufsmäßig betreut werden, sind mittellos. Diese Menschen leben in komplexen Problemlagen. Was sind das für Problemlagen, und was für Anforderungen müssen sich daraus eigentlich an die Betreuer stellen? All das erfahren wir eigentlich nicht; aber all das wären wichtige Analysen, um überhaupt Antworten geben zu können.
Auch im Hinblick auf die ehrenamtliche Betreuung finde ich viel Fehlanzeige. Der Anteil der ehrenamtlichen Betreuung liegt in NRW bei 63,5 %, der Mittelwert für Deutschland aber bei fast 70 %, über 67 %; damit liegen wir weit unter dem Durchschnitt. Gucken wir uns den Haushalt an, stellen wir fest, dass die Betreuungsvereine, die Ehrenamtler, bei Herrn Laumann im Etat stehen und die Berufsbetreuer im Justizetat. Vielleicht kann man das einmal zusammenführen. Ich meine jedenfalls, dass das eigentlich zusammengehört, weil es korrespondierende Röhren sind.
Vor zwei Jahren hat die Landesregierung die Zuschüsse für die Betreuungsvereine, die ja neue Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler gewinnen sollen, deutlich, nämlich von 1,5 Millionen € auf 800.000 €, abgesenkt. Mir ist unverständlich, Herr Giebels, wie man einer solchen Entwicklung hier noch Vorschub leisten kann; denn gerade diese Menschen brauchen wir. Guckt machen sich die Kommunen an, sieht man, dass das vor Ort sehr unterschiedlich gestaltet wird. Ich meine, da gibt es eine ganze Menge Potenzial für mehr Ehrenamtliche. Wenn wir die Betreuungsvereine stärkten, wenn wir die Kommunen stärkten, bekämen wir eine Entlastung hin; denn die Betreuungsvereine tragen – das wissen wir alle – eine besondere Verantwortung bei der Gewinnung und vor allen Dingen bei der Unterstützung ehrenamtlicher Betreuer. Sie leisten organisatorische Hilfe, bilden fort, beraten, übernehmen öffentlichkeitsorientierte Aufgaben
usw. All das ist die Investition wert, zumal auf der einen Seite – das ist dann der Einzelplan von Herrn Laumann – gekürzt wird, während auf der anderen Seite, nämlich im Einzelplan 04, die Zahlen natürlich seit Jahren ansteigen.
Diese beiden Bereiche müssen wir wieder einmal zusammen denken und müssen uns für die Zukunft überlegen, wie wir damit umgehen. Auch da finden wir nichts.
Auch das Thema Qualität ist von Kollegin Veldhues schon angesprochen worden. Die Zahl der Betreuten pro beruflichen Betreuer bzw. berufliche Betreuerin liegt zwischen 30 und 100.
Das sind Schätzungen. Wenn man sich aber überlegt, dass ein Berufsbetreuer vielleicht 100 Menschen betreuen muss, dann wird einem klar, dass er nur formale Angelegenheiten erledigen kann. Wenn wir wissen, dass ein Großteil der Betreuten mittellos ist und, wie gesagt, komplexe anderweitige Problemlagen hat, dann stellt sich hier die Frage, ob so die Qualität gewährleistet werden kann.
So hat die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen zu Recht darauf hingewiesen, dass es an Qualifikationsstandards und eben auch an Kontrolle fehlt. Hieran müssen wir ebenfalls arbeiten. Hier sehen wir Defizite und Aufgaben für die Zukunft, die bei der Beantwortung der Großen Anfrage von der Landesregierung nicht besonders herausgestellt wurden.
Auch der Vormundschaftsgerichtstag fordert schon seit Langem eine Verbesserung der Qualifikation, das heißt, berufsfachliche Mindestqualifikation für die ehrenamtliche Betreuung, Unterstützung durch Fachkräfte in Betreuungsvereinen und Kontrolle, ob das alles auch wirklich so läuft, wie es dem individuellen Hilfebedarf der Betroffenen entspricht.
Aufgabe der Betreuung ist – liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollten wir uns alle noch mal vor Augen führen –, den Menschen das Selbstbestimmungsrecht zu sichern, die aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr allein dazu in der Lage sind, selbstbestimmt zu leben.
Darum geht es; da geht es eben auch um Qualität, nicht nur um Zahlen. Ich glaube, hier ist eine Menge zu tun. Angesichts der Zahlen, mit denen wir konfrontiert sein werden, reicht es bei Weitem nicht aus, was wir hier mit der Antwort der Großen Anfrage auf dem Tisch haben. In der nächsten Legislaturperiode wird auf diesem Gebiet viel Arbeit vor uns liegen. Die Antwort der Großen Anfrage ist ein Anfang, aber die Debatte ist noch lange nicht am Ende. – Schönen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Karsten Rudolph! Natürlich ist es immer dankenswert, wenn aus den Reihen der Opposition –
deswegen finde ich es vom Prinzip her, Herr Kollege Engel, auch nicht zu kritisieren – hier auf Phänomene im Bereich der organisierten Kriminalität hingewiesen wird, die in der Tat sehr bedenklich sind. Herr Engel, dass Sie sich hier hinstellen und das als billigen Populismus geißeln und sich selbst von diesem Vorwurf völlig frei machen,
finde ich etwas sehr gewagt. Ich erinnere mich, dass gerade Sie es waren – noch nicht einmal in der Opposition, sondern in dieser Legislaturperiode –, der, als der furchtbare Sechsfachmord von Duisburg im Innenausschuss diskutiert wurde, am Tag vorher schon eine Erklärung parat hatte. Denn Sie hatten – wenn ich mich richtig erinnere – eine Fahndungspanne
ähnlich der Fahndungspanne im Fall Schleyer, die Sie aus Ihrer aktiven Zeit als Polizist noch in Erinnerung hatten, festgestellt und die Ermittlungstätigkeit im Fall Duisburg mit der Schleyer-Panne verglichen. Sie haben den Ermittlungsbeamten in Duisburg einen Schlag vor die Nase versetzt. Von daher: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. So viel an Ihre Adresse.
Schaut man auf das Phänomen der organisierten Kriminalität im Bereich italienische Mafia, erschrecken einen die Größenordnungen. Kollege Rudolph hat das römische Institut Eurispes zitiert. In der „Süddeutschen Zeitung“ war am 16. Januar darüber ein großer Bericht. Wenn man sich diese Schätzungen vor Augen führt – 140 Milliarden € jährlich mit einem Gewinn zwischen 40 und 70 Milliarden € der drei großen Organisationen Cosa Nostra, Camorra und ’Ndrangheta –, sind das in der Tat Größenordnungen, die unsere Gesellschaft auch nachhaltig gefährden können. Es geht um Waffen, Drogenhandel, Geldwäsche, Schutzgelderpressung.
In zahlreichen Veröffentlichungen, Herr Minister – das ist der Vorwurf, der heute im Raum steht und auch von der SPD erhoben wird –, wird Ihnen der Vorwurf gemacht, dass Sie dieses Phänomen unterschätzen. Wenn man sich die Veröffentlichungen ansieht, sind die Warnungen, die es dort gibt, in der Tat sehr massiv.
In dem Buch „Mafia Export“ von Francesco Forgione, immerhin ein Autor aus Kalabrien, der an der Universität L’Aquila Soziologie der organisierten Kriminalität lehrt und ehemaliger Vorsitzender der Anti-Mafia-Kommission war, liest man – auch dokumentiert in der „Süddeutschen Zeitung“ –, dass die Morde in Duisburg nur vordergründig einer Familienfehde entsprachen, wie es auch gerne hier in Nordrhein-Westfalen dargestellt wird. Es ging hier vielmehr um die Kontrolle der Drogenwege von Übersee via Niederlande nach Deutschland und Italien. Die Region Rhein-Ruhr spielt hier in der Tat eine bedeutende Rolle. Insbesondere die ’Ndrang
heta, die kalabresische Mafia, hat sich hier mit ihren Familienclanstrukturen verfestigt.
Vor dem Hintergrund erstaunt dies natürlich: Francesco Forgione redet von 30 Restaurants in NRW, die als Netzwerk, als Standorte dienen. Das BKA – das wird in der Zeitung auch in etlichen Artikeln dokumentiert – weist auch auf diese 30 Restaurants in NRW hin und sagt, dass von 61 Restaurants in ganz Deutschland 30 Restaurants in NRW sind, hier also wirklich ein Schwerpunkt ist. In der Antwort auf Seite 9 liest man dann, dass es aus Sicht der Landesregierung überhaupt keinen Ermittlungsbedarf darüber gibt. Ich zitiere:
Die Landesregierung erhebt und führt im Übrigen keine statistischen Daten darüber, wie viele Gastronomiebetriebe von italienischen Staatsangehörigen betrieben werden, die den genannten oder anderen Familien angehören.
Ja, bitte.
Ich sehe, dass auch in den anderen Fraktionen die Ränge nicht unbedingt voll besetzt sind.
Sie sehen das richtig. Aber wenn Sie, Herr Schittges, sich das für Ihre Fraktion immer wieder ganz oben auf Ihre Fahnen schreiben, dann schauen Sie sich das mal an: Ich würde sagen, 10 % sind positiv geschätzt. Für die „Partei der inneren Sicherheit“ ist das von der Präsenz her auch ein bisschen erbärmlich.
Von daher auch hier: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen um sich werfen.
Die Antwort der Landesregierung kann nicht unbedingt überzeugen, wenn in dieser Debatte, was Restaurants, Pizzerias in Nordrhein-Westfalen für eine Rolle im Bereich dieser Netzwerkaktivitäten spielen, lapidar gesagt wird: Darum kümmern wir uns eigentlich gar nicht.
Die zweite Bemerkung aus der Antwort der Landesregierung, die ich auch recht kühn finde, erhärtet in der Tat diesen Vorwurf, dass hier etwas unter
schätzt wird, wenn man bei der Lagebewertung auf Seite 4 die kühne Behauptung liest:
Dem LKA NRW liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass Gruppierungen der italienischen OK in NRW ebenso tief in der Gesellschaft verwurzelt sind, wie dies von der Anti-Mafia-Kommission des italienischen Parlaments sowie den italienischen Sicherheitsbehörden für Italien dargestellt wird.
Herr Minister, ich frage mich, warum Sie diesen Widerspruch nicht auflösen. Der bleibt einfach so im Raum stehen. Wir sehen das völlig anders als die Italiener. Gleichzeitig beantworten Sie die Anfrage, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet, aber so, dass es angeblich eine gute Zusammenarbeit gibt und man in einer Task-Force den Austausch von Erkenntnissen und Informationen pflegt. Aber wenn man da alles so toll austauscht und so toll zusammenarbeitet, wie kommt man dann zu zwei gegensätzlichen Einschätzungen? Herr Engel, bislang wurden nur Hellfeld-Informationen zitiert. Offenbar gibt es hier einen Widerspruch. Die Frage bleibt offen, der Widerspruch wird nicht aufgelöst.
Das sind zwei Beispiele, die einen, wie ich finde, dazu bringen können, zu fragen: Wird hier nicht wirklich etwas unterschätzt? Geht die Landesregierung nicht doch etwas lapidar mit all diesen Informationen um, die wir jeden Tag in der Zeitung lesen können oder die von Autoren über Bücher publiziert werden?
Jetzt zur Antwort der SPD. Herr Kollege Rudolph, Ihren Vorschlag, wie man die Mafia bekämpfen soll, finde ich sehr bemerkenswert. Zum einen fordern Sie die Wohnraumüberwachung für die Polizei. Aber das steht längst im Polizeigesetz. Vielleicht sollten Sie da mal nachschauen. So werden Sie in den Zeitungen zitiert. Außerdem fordern Sie, die Online-Durchsuchung ins Gesetz zu schreiben. Die soll es bringen. Dabei verweisen Sie auf Ihren eigenen Gesetzentwurf zum Polizeigesetz. Ich weiß nicht, ob Sie die Anhörung mitverfolgt haben: Ihr Gesetzentwurf zum Polizeigesetz wurde in der Anhörung in Bezug auf die präventive Telekommunikationsüberwachung, die OnlineDurchsuchung und den Kernbereichsschutz als absolut verfassungsbedenklich eingestuft. Es wurde massiv Kritik geübt. Von daher kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wie man diese Vorschläge, die nachweislich als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft wurden, mal eben in den Raum stellen und als Anheilmittel gegen die Mafia anführen kann.
Danach kommt nicht mehr allzu viel. Von daher müssen Sie sich leider den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie zwar eine durchaus wichtig Phänomenbeschreibung in den Raum stellen, mit der man sich auch beschäftigen sollte, aber keine schlüssigen Antworten liefern.
Mir wäre an einer Debatte gelegen – das richte ich an alle hier im Raum –, bei der wir auf unsere Polizeistrukturen schauen. Sind die wirklich geeignet? Sind wir mit der Polizei effizient und gut aufgestellt, Herr Engel? Wenn Sie sagen, dass wir überall Menschen und Stellen haben, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, sollten wir vielleicht mal fragen, ob wir davon zu viele haben. 16 Kriminalhauptstellen haben eine OK-Zuständigkeit – plus Oberhausen plus LKA. In allen 47 Kreispolizeibehörden gibt es OK-Verbindungsbeamte. In sechs Kriminalhauptstellen gibt es noch für den Zeugenschutz Zuständige. Ich frage mich: Wie viele Personen beschäftigen sich hier eigentlich nur noch mit Vernetzung, und wie viele machen wirklich operative Arbeit und bekämpfen organisierte Kriminalität?
Meine Schlussfolgerung für diese Debatte ist: Schauen wir auf unsere Polizeistrukturen! Machen wir nicht viel Wind mit rechtsstaatlich äußerst fragwürdigen Instrumenten, die keiner braucht! Schauen wir vielmehr auf unsere Polizeistrukturen! Ich bin der festen Überzeugung: Die sind verbesserungswürdig. Wir haben zu viele Polizeibehörden. Hier arbeiten zu viele Menschen ineffizient. Synergieeffekte wären möglich, wenn wir weniger Polizeibehörden hätten und die Kompetenzen in weniger Einheiten bündeln würden, die sich dann spezialisiert mit diesen Phänomenen beschäftigen könnten. Mit einer solchen Debatte kämen wir, was die Polizei in NRW insgesamt angeht, weiter als mit dem, was die SPD hier vorgetragen hat. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 26. November flüchteten zwei Schwerverbrecher aus der Justizvollzugsanstalt Aachen – und das nach den bisherigen Erkenntnissen mit Hilfe eines Bediensteten.
Dieser mutmaßliche Fluchthelfer war im Hafthaus 1 beschäftigt, dessen Personal dafür zuständig ist, beim Wechsel der Fahrzeugstreife mit der Pfortenbesetzung auszuhelfen. Das heißt, der Bedienstete war vorübergehend, für die Zeit des Wechsels, in der Pforte, konnte wahrscheinlich deswegen den Gefangenen Schusswaffen und Munition aushändigen, die Fahrzeugschleuse öffnen und damit die Flucht ermöglichen, nachdem er die Gefangenen offenbar aus dem Hafthaus 4 durch fünf Türen geschleust hatte.
Alles eine unvorhersehbare, nicht kalkulierbare Tat eines Einzelnen, wie die Ministerin nicht müde wird, zu betonen? Wie Sie es uns im Rechtsausschuss versucht haben zu vermitteln? – Ich denke, nicht.
Kurz nach der Sitzung des Rechtsausschusses am 4. Dezember erfährt die erstaunte Öffentlichkeit durch die Staatsanwaltschaft Aachen – ich berufe mich auf eine Agenturmeldung vom 9. Dezember –, dass gegen diesen Bediensteten nicht nur wegen der Fluchthilfe ermittelt wird, sondern dass es ein zweites Verfahren gibt. Auch der „Spiegel“ berichtete kürzlich ausführlich über eine Geldübergabe durch den Bediensteten kurz vor der Flucht, die von der Polizei observiert wurde. Warum wurde gegen ihn nichts unternommen?
Der zuständige Staatsanwalt wird dazu mit der Bemerkung zitiert, es hätten keine sichereren Erkenntnisse vorgelegen, die sofortige Maßnahmen gerechtfertigt hätten. Der Sprecher des Justizministeriums bestätigte den „Aachener Nachrichten“ vom 15. Dezember, dass man den verdächtigen Vollzugsbeamten zunächst beobachten wollte, „’um weitere Anhaltspunkte und Erkenntnisse’ über Straftaten zu gewinnen“. Die Ministerin spricht inzwischen öffentlich über ein aktuell laufendes, umfangreiches Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Hatten die beiden Verfahren wirklich nichts miteinander zu tun, wie Sie es darstellen, Frau MüllerPiepenkötter? – Ich denke, der klägliche Versuch, das der Öffentlichkeit heute noch zu verkaufen, ist gescheitert. Das sollten Sie auch gar nicht erst versuchen.
Oder hier der Opposition vorzuwerfen, wir würden Vertraulichkeit nicht achten, oder uns Lügen vorzuwerfen: Wir beziehen uns auf das, was in der Zeitung steht, was durch Ihre Staatsanwaltschaft ver
öffentlicht wird. Dies wirft in der Tat zahlreiche Fragen auf.
Ich fasse zusammen. Ein Bediensteter, der bei einer Geldübergabe observiert wird und daher dringend verdächtig ist, sich als Schlepper zu betätigen, wird unbehelligt gelassen und im Hafthaus 1 beschäftigt – wie erläutert, in ebenjenem Bereich, in dem man auch an der Pforte aushilft, einer Pforte, die im Übrigen seit dem 8. Mai 2008 nur noch mit einem Beamten besetzt ist und nicht schon seit 2002, Frau Ministerin, wie Sie in einem Pressegespräch kurz nach dem Ausbruch noch behauptet haben.
Diese falsche Behauptung haben Sie bis heute nicht korrigiert, nicht öffentlich zurückgenommen.
Ein Sicherheitsrisiko, ein erhebliches und ein nicht beherrschbares, wurde hier also in Kauf genommen, um eventuell weitere Erkenntnisse über strafbare Handlungen zu gewinnen. Diese Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen, war im Nachhinein betrachtet falsch und hatte die bekannten fatalen Folgen. Das Ziel, die Bekämpfung von Drogenhandel, wurde über die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung gestellt. Diese Abwägung war falsch. Diese falsche Abwägung haben Sie als Tatsache bis heute nicht eingestanden.
Das aber erwarten wir von Ihnen hier und heute: dass Sie dies endlich einmal tun.
Sie verstecken sich hinter formaljuristischen Erklärungen. Das Totschlagargument lautet wie immer: Gefährdung des Ermittlungszwecks. Welchen Ermittlungszweck galt es denn zu schützen, dass Sie die beobachtete Geldübergabe des inzwischen verhafteten mutmaßlichen Fluchthelfers der Öffentlichkeit nicht mitteilten? Ihr Staatsanwalt war da wohl ganz anderer Auffassung, als er genau dies wenige Tage nach der vertraulichen Sitzung öffentlich bestätigte.
Frau Ministerin, nachdem Ihr Ablenkungsmanöver nunmehr gescheitert ist, offenbaren Sie – um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen – Ihre unsägliche Unsensibilität – man kann das nur als einen Akt der Verzweiflung betrachten –, indem Sie diejenigen mundtot machen wollen, die die offenkundigen Missstände im Vollzug anprangern, nämlich Ihre eigenen Beschäftigten.
Wie sonst, liebe Kolleginnen und Kollegen, soll die Sperrung des Zugangs zu „wdr.de“ als einzigem Nachrichtenportal auf Ihrem justizinternen Intranet zu verstehen sein?
Und: Die Bediensteten erfahren dies erst – wie Bedienstete mir bestätigt haben – auf Nachfrage bei der IT-Abteilung. Massenhafte Hilferufe und artikulierte Frustrationen infolge Personalnot und Überstunden auch über Sicherheitsmängel kann man, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den offenen Foren auf dieser Seite nachlesen. Das war wohl etwas zu viel für Sie, Frau Ministerin. Ich fordere Sie heute noch einmal auf: Setzen Sie sich offensiv mit diesen Problemen auseinander! Stellen Sie sich an die Seite Ihrer Bediensteten! Nehmen Sie diese Rückmeldung über die Zustände in unseren Strafvollzugsanstalten endlich ernst! Mit einer chinesischen Lösung machen Sie alles nur noch schlimmer.
(Lebhafter Beifall von GRÜNEN und SPD] Frau Ministerin, ich habe gestern Abend um 23 Uhr noch einmal „wdr.de“ angeklickt. Es waren nach Ihrer Sperrung und nach dem Bericht über die Sper- rung vom Nachmittag bis zum Abend 270 Einträge zu verzeichnen – und zwar von privaten Computern aus –, in denen man sich über diese Maßnahme aufgeregt hat. Diese Meldungen sollten Sie viel- leicht auch einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall von GRÜNEN und SPD)
Denn seit wann ist es in einer Behörde in einem demokratischen Rechtsstaat eine dienstfremde Beschäftigung, wenn man sich als mündiger Beschäftigter um die Situation des Strafvollzugs sorgt und dies dann auch in dem Forum artikuliert? Machen Sie eine Politik mit und für Ihre Beschäftigten, nicht gegen sie, und beenden Sie dieses unwürdige Schauspiel!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, in der Schule würde man jetzt sagen – ich bin keine Lehrerin und daher unverdächtig –: Thema verfehlt.
Erstens. Sie haben hier mit Ihrem Selbstlob und dem Schönreden Ihrer Politik sehr beredt vermieden, auf die eigentlichen Vorwürfe einzugehen, die wir Ihnen heute noch einmal präsentiert haben,
nämlich die Inkaufnahme eines Sicherheitsrisikos, indem Sie diesen Bediensteten nicht wenigstens aus dem Hafthaus 1 versetzt haben. Wie ich hier erläutert habe, war man im Hafthaus 1 für die Pforte zuständig. Damit sind Sie ein großes Risiko eingegangen. Diese Abwägung war falsch.
Herr Giebels, es stünde Ihnen gut an, einfach einmal dazu zu stehen und diese Dinge hier zuzugeben.
Sie sollten hier eine Mitverantwortung zugeben und sich vielleicht auch einmal fragen, ob Ihre Entscheidung von 2008 zur Besetzung der Pforte mit einem Bediensteten im Nachhinein eigentlich richtig war.
Zweitens. Frau Ministerin, Sie sind mit keinem Wort auf die Frage eingegangen – und das entsetzt mich wirklich –, warum Sie die Sperrung im Intranet vorgenommen haben und inwieweit Sie die Rückmeldungen, die Sie dazu erhalten, nicht dazu veranlassen, diese Zensur endlich zurückzunehmen. Ich glaube, dass Sie mit dieser Sperrung großen Schaden anrichten. Sie erreichen damit einen großen Vertrauensverlust bei den Beschäftigten und machen alles nur noch schlimmer.
Ich habe mir gestern die Mühe gemacht, die 270 Einträge nach der Sperrung einmal grob durchzusehen. Wenn es nach den Kommentaren der Beschäftigten ginge, hätten Sie Ihre Kündigung längst zugestellt bekommen.
Sie steht in diesen Rückmeldungen. Deswegen fordere ich Sie noch einmal auf: Nehmen Sie diese Sperre zurück.
Damit komme ich zu Ihrer schöngerechneten Bilanz. Ich habe im Ausschuss schon die Fakten genannt, Herr Giebels. In der JVA Aachen hat die jetzige Anstaltsleiterin Anfang 2009 über 38.000 Überstunden übernommen. Anfang des Jahres hat die Ministerin ihr zugesagt, diese Situation abzustellen und die Überstunden zu minimieren. Ende September 2009 waren in der JVA Aachen aber 44.821 Überstunden aufgelaufen.
Das ist Ihre Bilanz, und das sind die Zustände in der JVA Aachen.
Ich sage noch einmal: Diese Situation in der JVA Aachen begünstigt ein Klima, das letztendlich auch zu Sicherheitsrisiken führt. Das können Sie hier nicht leugnen. Auch dazu sollten Sie die Fakten nicht beschönigen.
Frau Müller-Piepenkötter, Sie reihen sich – und das finde ich das eigentlich Bedenkliche, auch im Hinblick auf den Zustand dieser Regierung – in eine Reihe von Baustellen ein, die der Ministerpräsident in den letzten Monaten offenbar wirklich nicht mehr in den Griff bekommt: Frau Sommer,
Herr Uhlenberg, Herr Wüst – die Reihe lässt sich fortsetzen.
Minister dieser Regierung stehen immer wieder im Fokus der Debatten und liefern hier eine mehr als unglückliche Figur ab.
Das Kabinett ist mehr mit sich selber und Ihren eigenen Pannen und Versäumnissen beschäftigt, als tatsächlich das Land zu regieren. Unser Land wird von dieser Regierung schlecht regiert, Frau Ministerin.
Der Ministerpräsident trifft hier nicht die richtigen Entscheidungen, um wieder in die Spur zu kommen.
Der 9. Mai 2010 wird die Abrechnung dafür sein, wie die Bürger Ihre Regierungsbilanz bewerten. Frau Ministerin, spätestens dann werden Sie nicht mehr Ministerin dieses Landes sein, denke ich.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Polizeigesetzentwurf müsste eigentlich die Überschrift tragen: Auf den letzten Drücker, mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner und Hausaufgaben nur zur Hälfte gemacht.
Endlich – aus meiner Sicht viel zu spät; wie schon mehrfach zitiert, 2004: Rechtsprechung Lauschangriff, Februar 2008: BVG-Urteil zur Onlinedurchsuchung – kommt die Debatte zum Thema Kernbereichsschutz, mit einer Generalklausel gelöst. So viel zum Thema „Auf den letzten Drücker“.
Aber, Herr Minister, was ist mit dem Verfassungsschutzgesetz? Der Verfassungsschutz hat dieselben Grundrechte zu achten, nämlich die private Lebensgestaltung. Dieselben Grundrechte gelten dort bei Überwachungsmaßnahmen. Es fehlt schlicht die Hälfte. Der Kernbereichsschutz hat genauso im Verfassungsschutzrecht verankert zu sein wie im Polizeigesetz. Aber selbst anderthalb Jahre nach dem BVG-Urteil haben Sie nur die Hälfte vorgelegt. Erster Kritikpunkt.
Anstatt endlich in allen unseren Sicherheitsgesetzen verfassungsrechtliche, grundrechtliche Leitplanken einzuziehen, wird in der Koalition monatelang ein Streit über Dinge, die aus meiner Sicht überflüssig sind, zelebriert.
Finaler Rettungsschuss: Haben wir da wirklich diesen dringenden Regelungsbedarf, Herr Kruse?
Wann gab es denn den letzten finalen Rettungsschuss? Das ist meines Wissens über zehn Jahre her. In meiner Mandatszeit ist er nicht angewandt worden, und deswegen ist noch nie irgendein Polizeibeamter, ein SEK-Beamter in NordrheinWestfalen in eine rechtsunsichere Situation gekommen. Jeder SEK-Beamte weiß, wenn ein Täter – Geiselnahme, Amoklauf – nur flucht- und vor allem angriffsunfähig gemacht werden kann, indem er getötet werden muss, ist diese Ultima Ratio
rechtlich abgesichert. Man kann es ins Gesetz schreiben, aber aus meiner Sicht ist das überflüssig.
Noch überflüssiger finde ich es im Übrigen, den Ordnungsbegriff wieder ins Polizeigesetz zu übernehmen. Dazu heißt es im CDU-Positionspapier so schön: Die Polizei sollte endlich auch wieder Verstöße gegen Anstand, Sitte und Moral ahnden können. – Herr Kruse, die Polizei hat in diesem Land etwas Besseres zu tun.
Sie reden doch immer davon, sie soll sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, Strafverfolgung betreiben, Terrorismus bekämpfen. Müssen die jetzt auch die Wildpinkler in der Düsseldorfer Altstadt kontrollieren? Nein, dafür haben wir funktionsfähige kommunale Ordnungsdienste. Welch fatales Signal an die Kommunen zu sagen: All das macht jetzt wieder die Polizei. Für Wildpinkeln bis zu Maßnahmen gegen Anstandsverletzungen – was auch immer– haben wir wieder die Polizei. Nein, hier sollte es bei der bewährten Aufgabenteilung bleiben. Hierfür sind die Kommunen zuständig. Das machen sie auch sehr gut.
Anstatt den Ordnungsbegriff völlig überflüssigerweise ins Polizeigesetz zu schreiben, sollte ihn vielleicht Ihr Generalsekretär in seine Buchhaltung aufnehmen. Denn da gehört ein bisschen mehr Ordnung rein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.
Wenn er in der Buchhaltung etwas mehr Ordnung hätte – diesen Begriff führt er immer sehr gerne im Mund –, müsste er nicht 5.000 € zu viel gezahlte Steuergelder wieder zurückgeben.
Law and Order sollte man nicht nur auf Parteitagen predigen, sondern auch bei der eigenen Kassenführung berücksichtigen.
Eine letzte Bemerkung zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Herr Kollege Rudolph, bevor Sie – das verblüfft mich sehr – gegenüber den Koalitionsfraktionen bei der Vorlage dieses Gesetzentwurfs in Richtung Bürgerrechte Kritik anbringen, sollten Sie in Ihren eigenen Gesetzentwurf schauen.
Wir hatten gerade eine Anhörung zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Modernisierung des nordrhein-westfälischen Sicherheitsrechts. Die Sachverständigen haben Ihnen von der SPD ein eindeutiges Zeugnis ausgestellt; denn sie sagen ganz klar: Bei der präventiven TKÜ – die sich im hier vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes nicht wiederfindet – verlagern Sie die Kompetenzen viel zu weit ins Vorfeld. Der Kernbereichsschutz ist durchlöchert. Beispielswei
se bei den Benachrichtigungspflichten gibt es viel zu viele Ausnahmen.
Also, der Bürgerrechts-TÜV in Bezug auf Ihre Gesetzentwürfe, Herr Rudolph, fällt nicht zu Ihren Gunsten aus. Daher erkläre für uns Grüne ganz deutlich: Der Gesetzentwurf der SPD ist für uns genauso wenig zustimmungsfähig wie der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Das werden wir in einer Anhörung noch aufarbeiten, denke ich. – Danke schön.
Danke, Herr Kollege Engel. Sie haben gerade so sehr engagiert von den optimierten Strukturen und reformierten Behördenstrukturen gesprochen. Sind Sie persönlich der Ansicht, dass 47 Kreispolizeibehörden in NRW mit völlig zersplitterten Zuständigkeiten eine optimierte Behördenstruktur darstellen?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Engel spricht von liberaler Innenpolitik, und der Innenminister sagt ja auch immer gerne, dass bei ihm Freiheit und Sicherheit in einem ausgewogenen Verhältnis stehen müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushaltsplanentwurf gibt dieses ausgewogene Verhältnis auf keinen Fall her.
Völlige Fehlanzeige!
Herr Minister, Sie starteten zu Beginn der Legislaturperiode mit einer gut ausgestatteten Landesbehörde für Datenschutz mit 50 Stellen. Im Haushaltsplanentwurf – man schaue in den Erläuterungsband – sind davon noch ganze 44 übrig geblieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Engel, ist das liberale Innenpolitik, beim Datenschutz dermaßen zu kürzen in Zeiten, in denen wöchentlich, fast täglich von Datenschutzskandalen in der Presse berichtet wird, auch hier bei uns in NRW? Lidl, Tönnies – ich muss diese ganzen Dinge nicht aufzählen. Wie kann das ein Kennzeichen liberaler Innenpolitik sein?
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP hat mit diesem Haushalt, was den Datenschutz angeht, als liberale Partei aus meiner Sicht völlig versagt.
Herr Minister, aber auch die Polizei hinterlassen Sie mit Ihrem letzten Haushalt – ich hoffe sehr, dass das der letzte Haushalt ist, den wir von Ihnen vorgelegt bekommen – in einem desaströsen Zustand. Man schaue sich an, was zurzeit in der Polizei los ist.
Ich habe im letzten Jahr keinen einzigen Polizeibeamten bzw. keine einzige Polizeibeamtin mehr getroffen, der bzw. die noch ein gutes Haar an Ihrer Politik lässt. Es ist nicht nur die Klientelkritik vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, wie Sie es gerne herunterspielen wollen, Herr Kruse. Schauen Sie sich doch einmal an, auf welches Problem er hinweist. Man muss nicht alle Antworten, die der BDK gibt, für richtig halten, aber das Problem ist doch da. Wir stehen aufgrund der starken Einstellungsjahrgänge aus den 70er-Jahren vor der Überalterung der Polizei, und die Pensionierungswelle, die wir vor uns herschieben, wird in zehn
Jahren dramatisch sein. Besonders dramatisch ist das nachweisbar bei der Kriminalpolizei.
Da muss man doch gegensteuern. Es reicht nicht aus zu sagen, wir stellen 1.100 als Nachersatz zur Verfügung, sondern man muss auch darauf achten, dass das Know-how, das aus den Kriminalkommissariaten in den Ruhestand geht, nachwächst und zu dem Zeitpunkt fortgebildet ist, damit kein Kompetenzverlust eintritt.
Um sich auf das gesamte Problem der Überalterung der Polizei und der Pensionierungswelle, die auf uns zukommt, vorzubereiten, fehlt es an jeglicher Konzeption aus dem Innenministerium. Mir ist da nichts bekannt. Da können Sie nicht herunterbeten: Wir stellen jedes Jahr 1.100 Polizistinnen und Polizisten ein.
Das Einzige, was mir bekannt ist, ist der Sporterlass, also die Anforderung: Haltet euch alle fit, damit ihr den Verbrechern auch noch mit 60 hinterherlaufen könnt!
Etwas anderes ist mir aus dem Innenministerium zu dieser Problemlage nicht bekannt. Hier haben Sie versagt.
Lieber Kollege Engel, Sie wissen es doch auch: Die tolle Strukturreform, die wir hier in den letzten vier Jahren präsentiert bekommen haben, war doch nur Murks und Herumdoktern an Symptomen.
Wir haben mit 47 Kreispolizeibehörden, mit völlig zersplitterten Zuständigkeiten die ineffizienteste Polizeistruktur in ganz Deutschland. Kein anderes Bundesland ist mehr mit so zersplitterten Strukturen aufgestellt. Nach wie vor scheitert eine vernünftige Polizeistrukturreform zulasten der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen an dem Beharrungsvermögen der CDU-Landräte. Das haben Sie in Ihrer Zeit, in Ihrer Verantwortung zugelassen.
Das sind nur einige Beispiele, bei denen wir nicht von einer tollen Polizeibilanz reden können. Herr Engel, Herr Kruse, reden Sie mit den Polizeibeamten! Denen steht der Frust bis oben; sie erwarten mehr Unterstützung von der Landesregierung als das, was Sie ihnen hier geben.
Nächster Punkt, der mir sehr am Herzen liegt: Flüchtlingspolitik. Herr Minister, bei den Rückführungskosten sind Sie sehr großzügig: 8 Millionen € im letzten Jahr, 8 Millionen € in diesem Jahr für Rückführung – sprich: Abschiebung – von Flüchtlingen, obwohl das Rechnungsergebnis 2008 nur 4 Millionen hergab und wir doch alle wollen, dass es eine vernünftige Bleiberechtsregelung gibt. Anstatt symbolische Rückführungskosten auszuweisen, die die völlig falsche Botschaft aussenden, sollten Sie