Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie recht herzlich zu unserer heutigen, 57. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde Verteilung der EU-Mittel in der Förderperiode 2000 bis 2006

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4058

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 26. März 2007 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Kuschke vonseiten der antragstellenden Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen wunderschönen, frühlingshaften guten Morgen! Mit dem Thema der Aktuellen Stunde ist es fast so wie mit einem Märchen. Die „NRZ“ titelte ja auch: „Die Mär vom Förderkönig Ruhrgebiet“. Wir haben den Entzauberer, Herrn Minister Breuer, der die Zahlen endlich offen auf den Tisch gelegt hat. Das finden wir sehr gut und begrüßen es. Da hatte ich erwartet, wir würden auf der Regierungsbank Zauberlehrling Ministerin Thoben finden. Die ist aber nicht da. Eine geschlechtsspezifische Variante für Zauberlehrling habe ich auch nicht gefunden. Herr Kollege Breuer, schauen wir einmal, wie es gleich aussieht.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Eine Fee!)

Das würde nicht das etwas holprige Verhalten treffen, das im Zauberlehrling angelegt ist.

(Heiterkeit)

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Kern kommen. Ich will sieben Punkte nen

nen, auf die es uns ankommt und die weniger mit einer Mär, sondern mit der Frage zu tun haben, wie wir für die Menschen in unserem Lande einen vernünftigen, zielgerichteten und transparenten Prozess bei der EU-Förderung auf den Weg bekommen.

Punkt 1: Es ging und es geht nicht um eine Neiddebatte, sondern es geht uns um eine Versachlichung der Debatte, um die Frage, ob EU-Mittel zweckverwandt werden oder nicht. Das ist die entscheidende Frage. Ich will dazu wiederholen, was ich in der letzten Woche gesagt habe: Mittel für den ländlichen Raum gehören in den ländlichen Raum, Strukturmittel gehören in strukturschwache Regionen. So einfach ist das. So deutlich muss man das an dieser Stelle noch einmal klarmachen.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Breuer, es wäre sehr schön, wenn wir uns darauf verständigen könnten, nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in anderen Landesteilen nachzufragen, wie viel Geld dorthin geflossen ist, wie viele Arbeitsplätze dort mit welchem Mitteleinsatz geschaffen worden sind.

Punkt 2: Es geht um nichts anderes als um das Ziel der Europäischen Union, nämlich das Ziel der Kohäsion, das heißt der Angleichung der Regionen, der Hilfe für strukturschwache Regionen. Wir reden so viel vom Jubiläum der Römischen Verträge vor 50 Jahren. Es ist interessant, da einmal hineinzuschauen; denn das Ausgleichsziel ist schon in den Römischen Verträgen festgeschrieben worden. Es war aber immer eine gute Tradition, das mit objektiven, sozioökonomischen Kriterien zu verbinden, also den Fragen: Wie sieht die Arbeitslosigkeit aus? Wie sieht das Bruttoinlandsprodukt aus? Wie ist die Kaufkraft? Wie ist die Steuerkraft?

Schauen wir uns einmal die entsprechenden Beispiele an: Der Kreis Steinfurt mit 444.000 Einwohnern und einer Arbeitslosenquote von 6,3 % hat insgesamt fast 250 Millionen € bekommen. Der Kreis Unna, mein Heimatkreis, mit 423.000 Einwohnern und einer Arbeitslosenquote von über 12 % erhielt dagegen 82 Millionen € aus Brüssel. Solche Beispiele können wir für viele Regionen fortsetzen.

Dritter Punkt: Frau Thoben, die bei der heutigen Debatte nicht dabei ist – was ich sehr bedaure –, hat in der Vergangenheit immer von der Notwendigkeit eines Wettbewerbs gesprochen. Soll dieser Wettbewerb zukünftig außerhalb des Ruhrgebiets stattfinden und, wenn ja, nach welchen Kriterien? Soll es für 16 Cluster, die die Landesregie

rung auf den Weg gebracht hat, 16 Wettbewerbe geben? Soll das Verfahren so sein, dass die Gelder in zwei Tranchen ausgezahlt werden? Dann braucht man die doppelte Anzahl an Wettbewerben. Wie sieht die Jury aus? Ich habe gehört, dass in dem Begleitausschuss für die Ziel-2-Mittel noch nicht einmal der RVR vertreten sein soll. Sieht so die Berücksichtigung des Ruhrgebiets aus, meine Damen und Herren? Ist das die Stärkung des RVR, von der Sie reden?

(Beifall von der SPD)

Vierter Punkt: Findet denn überhaupt noch ein Wettbewerb statt? Der Ministerpräsident, Herr Rüttgers, hat in der kohlepolitischen Debatte am 7. Februar – wir erinnern uns – ein Programm aufgelegt und ausgeführt, mit dem er 300 Millionen € – ich sage es ein bisschen flapsig – eigentlich schon verbraten hat. Die sind nämlich bestimmten Projekten schon zugeordnet. Werden die herausgerechnet, oder wie soll das aussehen, meine Damen und Herren?

Ich komme zum fünften Punkt: Wir reden zwar über Gelder aus Brüssel, aber wir müssen sie kofinanzieren. Wir haben Sie oftmals hier im Hohen Hause und auch im Haushalts- und Finanzausschuss gefragt: Steht die Kofinanzierung des Landes? Und wir haben Sie gefragt – und das tun die Städte, Gemeinden und Kreise auch –: Können diese Gebietskörperschaften ihren kommunalen Eigenanteil erbringen? Gibt es seitens des Innenministers, der bei der Debatte heute auch nicht dabei ist, eine Vereinbarung mit den Bezirksregierungen, dass auch Städte und Gemeinden, die einem Haushaltssicherungskonzept unterliegen, in der Lage sind, EU-Fördergelder zu rekurrieren und zu verwenden?

Sechster Punkt: Wir lassen es Ihnen, der Landesregierung, nicht durchgehen, dass Sie europäische Gelder sozusagen als Ausgleich für ein ideologisch begründetes Sparen der Landesregierung missbrauchen.

(Beifall von der SPD)

Ich will dafür nur zwei Beispiele nennen, die Sie und wir sehr gut kennen: Zum einen sind es die Regionalstellen „Frau und Beruf“, zum anderen die Förderung in der Weiterbildung, die durch europäisches Geld ausgeglichen werden sollen.

Herr Stahl, Sie schmunzeln, Sie nicken. Sie haben auf der Bundesebene damals sehr genau gewusst – das haben Sie zwischenzeitlich nicht vergessen –, dass das nichts mit Kohäsion zu tun hat und an den Zielen der Europäischen Union,

die für die Kohäsion aufgestellt worden sind, vorbeigeht.

Siebter Punkt: Damit sind wir in der Nähe einer ganz aktuellen Diskussion; ich sage nur: Fachhochschule Gelsenkirchen. – Wir wollen endlich Transparenz darüber haben, an wen und in welcher Höhe die Fördergelder gehen!

(Beifall von der SPD – Lachen von der CDU)

Nun mal langsam. Ihnen wird das Lachen noch vergehen.

Wir haben am 19. September einen Antrag mit der Überschrift „NRW muss Europäische Transparenzinitiative aktiv unterstützen“ eingebracht.

(Zuruf von Minister Michael Breuer)

Frau von Boeselager, Herr Minister Breuer, Sie sagen: Ja, das machen wir. – Sie haben in der Hauptausschusssitzung erklärt – ich will es wiedergeben –: Eigentlich ist der Antrag erledigt. Wir stimmen allen Punkten zu.

(Ilka von Boeselager [CDU]: Was haben Sie denn auf dem Tisch?)

Sie haben gesagt: Wir stimmen allen Punkten zu.

Herr Minister Uhlenberg – ich begrüße Sie, weil Sie jemand sind, der heute an der Debatte teilnimmt, und Sie können sich nachher dazu äußern – hat noch vor wenigen Tagen gesagt: Nein, das machen wir nicht. Erst müssen andere mitmachen. – Es ist das alte Spiel, das wir seit einigen Monaten hier vorfinden: Sie unterstützen die Transparenzinitiative, und Herr Uhlenberg widerspricht Ihnen.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Alle Punkte!)

Entschuldigung, Herr Uhlenberg, wir müssen damit doch auch mal anfangen. Was schadet es denn der Landwirtschaft, wenn dieser Bereich sozusagen nach vorne geht? Wir hören schon wieder die kritischen Stimmen aus der Kommission in Brüssel, und andere Bereiche ziehen nach.

Meine Damen und Herren, wir glauben, dass die Frage der Transparenz bei Fördermitteln – gerade bei europäischen Fördermitteln – ein ganz entscheidender Punkt ist, um Misstrauen in der Bevölkerung auszuschließen und Klarheit über die finanzielle Situation und Förderung, die wir aus Europa erhalten, zu schaffen. Wir wollen in eine vernünftige Diskussion darüber eintreten, wie es mit der Verteilung auf die unterschiedlichen Regionen aussieht.

Also, machen Sie dort Ernst! Schaffen Sie, Herr Minister Breuer, Herr Minister Uhlenberg, im Inte

resse der Menschen in diesem Lande eine einheitliche Vorgehensweise der Landesregierung! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Kuschke. – Für die CDU spricht nun der Kollege Hovenjürgen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kuschke, Sie haben launig mit dem Zauberlehrling angefangen; einen weiblichen Begriff haben Sie uns nicht nennen können. Sie haben Frau Ministerin Thoben gesucht. Ich kann nur sagen: Wir haben gerade Herrn Kuschke als Meister der Doppelzüngigkeit erlebt.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Herr Kuschke, ich will Ihnen eines sagen: Sie haben versucht – das sollte man eigentlich nicht machen, aber Sie haben es trotzdem getan –, die Regionen gegeneinander auszuspielen. Sie haben die Dinge genannt, die Sie hier unterbringen wollten: die ungerechte Behandlung des Ruhrgebiets. Diese wollten Sie letztendlich in den Raum stellen. Allerdings ist dies so definitiv nicht gegeben.

(Frank Sichau [SPD]: Doch!)

Nein, sie ist so nicht gegeben.

(Frank Sichau [SPD]: Doch!)