Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, der 147. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 19 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10897
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, wir sind uns zumindest darin einig, dass Ziel guter Schulpolitik a) die bestmögliche Förderung unserer Kinder und b) die Entwicklung und Förderung aller Fähigkeiten und Fertigkeiten unserer Kinder ist, damit sie einen guten Start in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben haben.
Welche Antwort die Fraktionen darauf geben, werden wir sicherlich in der nächsten Stunde noch einmal deutlich erleben können. Die Antwort meiner Fraktion auf diese Grundüberlegungen – das ist ja auch Gegenstand unseres Antrags – ist ein Schulangebot, das in seiner Vielfalt und Vielfältigkeit unseren Kindern in nichts nachsteht.
Deshalb haben wir in § 1 unseres Schulgesetzes die individuelle Förderung vorangestellt. Dort heißt es – zur Erinnerung –:
Die Fähigkeiten und Neigungen des jungen Menschen sowie der Wille der Eltern bestimmen seinen Bildungsweg. Der Zugang zur schulischen Bildung steht jeder Schülerin und jedem Schüler nach Lernbereitschaft und Leistungsfähigkeit offen.
Die Umsetzung dieses Anspruchs auf individuelle Förderung verändert – darüber waren wir uns wohl im Klaren – den Unterricht und verändert auch Schule; wie sehr, das wurde uns zum Beispiel in den letzten Sitzungen des Schulausschusses überzeugend dargelegt.
Um individuelle Förderung umzusetzen, brauchen wir keine Revolution, wie sie seitens der Opposition immer wieder gefordert wird, sondern wir brauchen ausreichend qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb haben wir in den letzten fünf Jahren über 8.000 solche eingestellt.
Wir brauchen mehr Fortbildung für die Lehrerinnen und Lehrer. Auch das können Sie – im Gegensatz zu früher – an den Haushaltszahlen ablesen.
Wir brauchen eine Stärkung der Durchlässigkeit. Auch hier sind wir bedeutend weitergekommen, als Sie es waren, weil wir den Ganztag für alle Schulformen eingeführt, Fördermöglichkeiten in den Stundentafeln verankert, Maßnahmen gegen das Sitzenbleiben getroffen sowie verbesserte Übergangsmöglichkeiten im Schulgesetz sogar festgeschrieben haben.
Wir brauchen weiterhin frühe Förderung und Forderung von Anfang an. Das ist durch KiBiz, Familienzentren und die Bildungsgrundsätze für 0- bis 10-Jährige umgesetzt worden.
Meine Damen und Herren, Ihre gebetsmühlenartig vorgetragene Forderung nach einer Einheitsschule führt ins Leere, zumal Sie uns ja auch gar nicht sagen, wie Sie sie eigentlich realisieren wollen. Letztendlich bleiben Sie den Erfolgsnachweis der Einheitsschule schuldig.
Nehmen Sie doch bitte einmal die zur Kenntnis, die wir in den letzten Jahren im Schulausschuss gehört haben. Nehmen Sie auch bitte einmal die guten Ergebnisse der Schulen zur Kenntnis, die mit dem Gütesiegel ausgezeichnet wurden. Diese Schulen haben eindrucksvoll gezeigt, wie individuelle Förderung funktioniert und wie Schülerinnen und Schüler passgenau und ihrem Sozialraum angepasst individuell wirkungsvoll gefördert werden können.
Meine Damen und Herren, schauen Sie auch einmal ein bisschen über den Tellerrand und nehmen Sie Tatsachen aus anderen Ländern und Bundesländern zur Kenntnis:
Ich erwähne Großbritannien. Dort bezahlen die Eltern viel Geld, um ihren Kindern eine Spitzenbildung angedeihen zu lassen.
Wir waren mit dem Schulausschuss in den Niederlanden. Was haben wir dort erfahren? – Es gibt „white schools“ und „black schools“. Die zaghaften Veränderungsversuche stoßen bei den Eltern auf wenig Gegenliebe.
In Niedersachsen wurde vor Jahren eine Orientierungsstufe eingeführt. Sie ist ziemlich bald wieder abgeschafft worden – wahrscheinlich weil sie so „erfolgreich“ war.
In Berlin sind sechs Jahre Grundschule, also gemeinsamer Unterricht, verpflichtend. Wer es sich eben leisten kann, der geht nach der vierten Klasse, auch wenn die Eltern dafür schwer bezahlen müssen. Hier hängt Bildungspolitik vom Geldbeutel ab. Wollen wir das etwa auch für Nordrhein-Westfalen?
Hamburg! Auch wenn Sie in Ihrem Entschließungsantrag Herrn von Beust zitiert haben, blenden Sie eins aus: Dort toben die Eltern. Es ist noch lange nicht ausgestanden.
Gemessen an diesen Exempeln können wir in Nordrhein-Westfalen, glaube ich, gut auf Einheitsschulen verzichten.
Meine Damen und Herren, Eltern wollen die beste Schule für ihre Kinder. Für einen Einheitsbrei sind ihnen ihre Kinder zu schade. So stimmen sie mit den Füßen ab: 60 % eines jeden Jahrgangs werden von ihren Eltern am Gymnasium angemeldet. Ob man bei diesem Prozentsatz das hässliche Wort der Selektion noch in den Mund nehmen darf, wage ich sehr zu bezweifeln.
Nehmen Sie diese Zahlen schlicht und einfach zur Kenntnis, und kommen Sie mir gleich nicht wieder mit den Anmeldezahlen zu den Gesamtschulen. Viele Eltern – und da sollten Sie mit sich selber viel ehrlicher sein – wollen die Gesamtschule, weil es eine Ganztagsschule ist.
Sonst gäbe es dort schon längst eine Gesamtschulinitiative, wie es sie schon einmal vor etlichen Jahren gegeben hat. Stattdessen gehen die Eltern nach der Ablehnung durch die berühmte Friedensschule
in das erste Ganztagsgymnasium, und das ist erst dank unserer Politik in den letzten Jahren möglich.
Dort, wo es möglich war, haben wir – im Gegensatz zu Ihnen in Ihrer Regierungszeit – Gesamtschulgenehmigungen ausgesprochen.
Und da Sie sich immer wieder als die Partei gerieren, die den Kommunen so nahesteht, darf ich hier vielleicht einen ökonomischen Gesichtspunkt gegen die Einheitsschule ins Feld führen.
Statt für „Bau – Steine – Erden“ Geld zu verpulvern und die Kommunen damit zu belasten, die Räumlichkeiten vor Ort entsprechend anzupassen, sollten wir das Geld lieber in die Qualität und Weiterentwicklung unserer Schulen stecken. Nur so werden wir Kindern und Jugendlichen im Land gerecht.
Meine Damen und Herren, darauf können sich die Eltern in diesem Land verlassen: Mit uns wird es nach dem 9. Mai kein schulpolitisches Chaos geben.
Mit uns werden keine Schulen aus ideologischen Gründen geschlossen. Mit uns gibt es keine Revolution, sondern eine gezielte Weiterentwicklung der Schulen. Wir stehen für eine gute qualifizierte Bildungspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler ausrichtet und ihnen damit den Weg ins Leben ebnet. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.