Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 108. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich sieben Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Auch heute feiert ein Mitglied des Hohen Hauses Geburtstag. Herr Chris Bollenbach von der CDUFraktion wird heute 36 Jahre. Herr Bollenbach, herzlichen Glückwunsch im Namen der Kolleginnen und Kollegen und alles Gute!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Bundestag gab es am 12. November – das ist noch nicht so lange her – eine große Anhörung zu der Frage, wie in Zukunft eigentlich die Finanzierung und Sicherung von Frauenhäusern aussehen muss. Anlass dafür ist, dass allen klar ist, dass wir in der Gesellschaft Gewalt gegen Frauen – gerade in partnerschaftlichen Beziehungen – nicht werden verhindern können. Wir werden zwar viel dafür tun können, diese Gewalt zu reduzieren, aber Frauen und Kinder sind Opfer von Gewalt.
Mittlerweile besteht internationaler Konsens, dass das Problem nicht individuell ist, kein Problem der Betroffenen, sondern dass das ein gesellschaftliches Problem ist und der Staat die Folgen von Gewalt kompensieren, den Frauen Schutz und Hilfen in diesen Lebenssituationen bieten muss. Der Staat ist dafür verantwortlich, dass wir als Gesellschaft hier kompensieren und auffangen.
Die Frage stellt sich: Wie ist die bundesweite Situation? Wie ist die Situation hier und heute in Nordrhein-Westfalen? Haben wir eigentlich das, was an Bedarfen da ist, gedeckt oder nicht? Wer sich die Protokolle, Redebeiträge und Stellungnahmen zur
Anhörung auf Bundesebene anschaut, wird erkennen: Nein, wir haben massive Defizite! Wir müssen versuchen, schnellstmöglich auch von NordrheinWestfalen aus aktiv zu werden.
Ich sage es bewusst vorab: Es gibt zwei verschiedene Punkte des Anpackens. Natürlich wäre es der beste Weg, wenn wir eine bundeseinheitliche Regelung über den Bund hinbekämen. Deswegen möchten wir an allererster Stelle, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, dass wir eine bundeseinheitliche Finanzierung der Frauenhäuser hinbekommen.
Aber ich möchte auch, dass wir das hier und heute klar haben: Schaffen wir es nicht, eine bundeseinheitliche Regelung hinzubekommen – ich sage einmal: die Signale im Bund stehen im Moment nicht gerade glücklich –, dann finden wir es wichtig, dass man in Nordrhein-Westfalen schon jetzt anfängt, eine ländereigene Lösung zu erarbeiten. Denn auch die Situation in Nordrhein-Westfalen ist nicht so, wie sie sein sollte. Der Europarat sagt, wir brauchten einen Schlüssel von einem Platz auf 7.500 Einwohnerinnen. Den Schlüssel haben wir in NordrheinWestfalen längst nicht. Wir haben weit, weit, weit weniger.
Wenn wir uns die Situation der letzten Jahre anschauen, können wir dem Anhörungsprotokoll entnehmen, dass Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2006/2007 mehr als 5.000 Fälle hatte, die nicht aufgenommen werden konnten, weil die Frauenhäuser überbelegt waren. Das hat einen ganz einfachen Grund: Die Frauenhäuser bekommen Tagesplätze finanziert. Die Frauen, die da sind, werden von unterschiedlichen Trägern – zum Teil von den Kommunen, zum Teil vom Land oder dem Bund – finanziert. Aber ein leerer, ein vorgehaltener Platz wird nicht per se finanziert.
Wir brauchen deswegen nicht eine Finanzierung für besetzte Plätze und die individuelle Finanzierung der Betroffenen, sondern eine Grundfinanzierung der Frauenhausstrukturen, damit die Plätze da sind und Frauen, wenn sie von Gewalt betroffen sind, eine Zufluchtstätte und Hilfestellung antreffen. Es kann nicht sein, dass mehr als 5.000 Frauen und Kinder in Nordrhein-Westfalen von Gewalt betroffen sind und vor unseren Frauenhäusern stehen, aber dort keinen Platz finden, weil die Finanzierung nicht gesichert ist.
Deswegen fordern wir ganz klar, dass es diese Regelungen und Diskussionen nicht nur im Bund gibt, sondern dass wir in Nordrhein-Westfalen, wenn der Bund zu einem negativen Ergebnis kommt, eine Lösung schaffen. Das sind wir den Frauen schuldig. Der Konsens, dass Frauen geschützt werden müssen, bestand in diesem Haus schon mehrfach. In
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor eines der bedrückendsten Themen in unserem Land. Somit hat die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen stets auch einen besonderen Stellenwert. Uns allen ist bewusst, dass die Hilfe- und Beratungseinrichtungen unverzichtbare Arbeit leisten, und dies Tag für Tag.
Das erste Frauenhaus in Deutschland entstand 1976 in Berlin als Modellprojekt des Bundesfamilienministeriums und des Berliner Senats. Heute haben wir über 400 Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen. International weist Deutschland damit die beste Versorgung im Frauenhausbereich auf.
Sie beklagen in Ihrem Antrag die Überbelegung der Frauenhäuser und die Wartezeiten. Wie ist es dann zu verstehen, dass derzeit von 58 Frauenhäusern 27 voll belegt sind und 31 Häuser freie Plätze haben? So kann man es jedenfalls den Internetseiten entnehmen. Es scheinen unterschiedliche Zahlen zu kursieren.
Die Finanzierung der Frauenhäuser, Zufluchtseinrichtungen und Unterstützungsangebote variieren von Bundesland zu Bundesland und von Kommune zu Kommune. In Nordrhein-Westfalen basiert die Finanzierung der Frauenhausaufenthalte auf den Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Zufluchtstätten für misshandelte Frauen. Als zuständige Bewilligungsbehörden entscheiden die Landschaftsverbände nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Es besteht somit kein Anspruch auf Gewährung von Zuwendungen. Die Landesfinanzierung erfolgt durch jährlich festzulegende Förderpauschalen für drei Vollzeitäquivalente. Dies entspricht einem Finanzierungsanteil von ca. zwei Dritteln der Gesamtkosten für das landesgeförderte Personal.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag eine bundesgesetzliche Regelung. Der Deutsche Bundestag befasste sich am 12. November 2008 im Rahmen einer Anhörung mit dieser Möglichkeit. Die Experten kamen dabei zu durchaus unterschiedlichen Resultaten. Darum frage ich: Ist eine bundeseinheitliche Regelung der richtige Weg? Sind die Erforderlichkeiten wirklich an allen Orten gleich?
Ich habe mir die Protokolle und Stellungnahmen der Bundestagsanhörung angesehen. So einheitlich, Frau Steffens, wie Sie es benennen, sind die Forderungen nicht. Um zu einer tragbaren Lösung zu kommen, hat die Bundesebene vorgeschlagen, Gespräche mit den Ländern zu führen, was wir ausdrücklich begrüßen.
Im Falle eines Nichtzustandekommens einer bundeseinheitlichen Regelung fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag den Erlass eines Landesgesetzes, welches einen Rechtsanspruch auf kostenlosen Zugang zu den Schutzberatungsangeboten vorsieht. Warum haben Sie eigentlich in Ihrer langen Regierungszeit den Rechtsanspruch nicht umgesetzt? Mit dieser Forderung zum jetzigen Zeitpunkt wird die gut strukturierte, nach wie vor dichte Förderlandschaft in NordrheinWestfalen ignoriert.
Mit 11,7 Millionen € fördert unser Land 62 Frauenhäuser, 55 allgemeine Frauenberatungsstellen sowie 48 Fraueninitiativen gegen Gewalt. Bei den frauenpolitischen Haushaltstiteln ist es trotz eines Sparzwangs gelungen, die bewährten Strukturen zu erhalten.
Dass das Land Nordrhein-Westfalen ernsthaft sparen muss, sollte uns allen hier im Raum klar sein. Mit dem Schuldenberg – ich will ihn nicht extra benennen –, den Sie uns hinterlassen haben, darf es so nicht weitergehen.
Ich hoffe, dass wir uns darin alle einig sind, nicht damit fortzufahren, über unsere Verhältnisse und auf Kosten der kommenden Generationen zu leben.
Unsere Trägerlandschaft in Nordrhein-Westfalen und ihre Vielfalt sind bereits jetzt gewährleistet. Ein Ausbau der Frauenhilfeinfrastruktur hätte erhebliche und unverantwortliche finanzielle Auswirkungen. Aus diesen Gründen lehnt meine Fraktion den Antrag ab. – Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 30 Jahre nach Gründung der ersten Frauenhäuser in Deutschland ist es gesellschaftlicher Konsens, dass Gewalt gegen Frauen kein individuelles Problem ist. Auch die vielen Frauenhäuser – Frau Westerhorstmann hat sie gerade aufgezählt – in Nordrhein-Westfalen leisten hervorragende Arbeit im Bereich Schutz, Beratung
In Nordrhein-Westfalen sind es jährlich an die 5.000 Frauen und genauso viele Kinder, die Schutz und Unterbringung im Frauenhaus suchen. Diese Arbeit verdient neben der gesellschaftlichen Anerkennung auch eine angemessene finanzielle Unterstützung.
Die ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Deswegen auch der Antrag, der auf der Bundesebene gestellt worden ist, und deshalb diese Anhörung. Auch ich habe sie durchgesehen. Die allgemeine Aussage, die ich dort feststellen konnte, war: Wir brauchen bundesweit einheitliche Standards und eine Pauschalfinanzierung für die Frauenhäuser, damit tragfähige und verlässliche Strukturen zur dauerhaften Finanzierung geschaffen werden.
Aber wie sieht es mit den Schutzeinrichtungen Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen aus? Ziel der Frauenhausbewegung war in Nordrhein-Westfalen neben dem unmittelbaren Schutz vor Gewalt immer auch die Bereitstellung psychologischer Unterstützung. Hierzu hat das Land unter unserer Verantwortung später die Landesförderung aufgestockt und die vierte Stelle im Frauenhaus eingeführt. Mit dieser Personalstelle sollte die Betreuung, die Unterstützung bei der Wohnungssuche und eine nachsorgende Begleitung ermöglicht werden – und die vor allem bei Frauen mit Kindern.
Die CDU/FDP-Koalition hat diese Finanzierung der vierten Stelle zu Anfang dieser Legislaturperiode ersatzlos gestrichen. Auch in den Jahren 2007 und 2008 hat es für die Frauenhäuser trotz sprudelnder Steuereinnahmen keine Verbesserung in der Finanzausstattung gegeben. Genauso wurde die damals gerade erst eingerichtete Landesfachstelle, die die Frauenhäuser unterstützen, koordinieren und bündeln sollte, unter der schwarz-gelben Regierung geschlossen. Damit wurde eine Fraueninfrastruktur zerschlagen, um die uns viele andere Bundesländer in der Vergangenheit sehr beneidet haben.
Hinzu kommt die komplizierte Finanzierung – ein weites Feld in der Darstellung der Anhörung bei den Aufenthalten im Frauenhaus nach Einzelfallabrechnung. Auch das trifft für uns im Land NordrheinWestfalen zu.
Unterschiedliche Tagessätze müssen abgerechnet und verschiedene Leistungen müssen berücksichtigt werden. Frauen mit schwierigem Aufenthaltsstatus können gar nicht aufgenommen werden und andere Frauen müssen dafür auch selber zahlen. Diese Tagessatzfinanzierung ist nicht nur schwierig, sondern auch höchst bürokratisch. Kinder sind bei dieser Finanzierung sowieso gar nicht vorgesehen. Planungssicherheit, meine Damen und Herren, sieht anders aus.
Ob allerdings der Bund aufgrund der föderalen Struktur hier eine Regelungsmöglichkeit hat, wird sich im weiteren Verfahren auf der Bundesebene zeigen. Es kann noch bis März dauern, wie ich dem Verfahren entnehmen konnte. Wir werden bis zur Diskussion im Fachausschuss konkreter wissen, ob es eine Bundesregelung und eine Finanzierung in dieser Sache geben wird. Eines ist aber klar: Die Finanzierung der Frauenhäuser muss gesichert bleiben.
Und wir halten die vierte Stelle in unseren Frauenhäusern für unerlässlich, um die Spirale der Gewalt dauerhaft zu unterbrechen und auch langfristig Kosten an dieser Stelle sparen zu können. Ich freue mich schon auf die Diskussion im Fachausschuss. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.