Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 124. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich zehn Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Auch heute haben wir ein Geburtstagskind. Geburtstag feiert unsere Kollegin Maria Westerhorstmann von der Fraktion der CDU. Wir gratulieren ihr herzlich; sie kommt gerade herein. Einen schönen Geburtstag!
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 25. Mai 2009 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Priggen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir erleben zurzeit tagtäglich in allen Zeitungen, in allen Nachrichten die sich zuspitzende Krise um Opel. Wir teilen – ich glaube, das betrifft alle – die Sorge, die 25.000 Beschäftigte in Deutschland und ihre Familien haben. Was aus dieser Krise hervorgeht, wie die Zukunft von Opel aussieht, beschäftigt uns alle.
Ganz aktuell wird vor allen Dingen über 1,5 Milliarden € Bürgschaften gesprochen, die zur Verfügung gestellt werden sollen, davon 750 Millionen € vom Bund, und das Übrige auf die vier Standortländer, die Opelwerke haben, verteilt, 150 Millionen € davon als NRW-Anteil. Das ist aber nur ein Teil der Diskussionen.
Wenn wir die Zeitungen sorgfältig betrachten – wir sind darauf ja im Wesentlichen angewiesen –, dann
hören wir, dass Fiat 6 Milliarden € Staatsbürgschaften wünscht, dass Magna insgesamt 5,2 Milliarden € Staatsbürgschaften wünscht, und der USInvestor Ripplewood 3,8 Milliarden €.
Wir hören, dass es nicht nur diese Forderungen gibt, sondern dass gleichzeitig Pensionsverpflichtungen im Raum stehen, die übernommen werden müssen, und zwar in Größenordnungen zwischen 3 und 6 Milliarden €, von denen es heißt, dass sie bei Magna on top draufkämen und dass sie bei Fiat inklusive seien.
Wir wissen nicht, was General Motors tatsächlich als Kaufpreis für Opel haben will. Die Vermutung ist, dass General Motors die gesamten Werke in Europa, ob sie 30 % Anteil bei Magna haben oder theoretisch alles abgeben würden, nicht zum Nullpreis abgeben wird. Auch darüber haben wir keine Informationen.
Was wir wissen, ist, dass, wenn NordrheinWestfalen mit 150 Millionen € in die erste Tranche einsteigt, die Diskussion noch lange nicht zu Ende ist. Aus den Veröffentlichungen wissen wir ebenfalls, dass Magna als Favorit – jedenfalls war Magna das bis heute Morgen, vorbehaltlich der neuesten Meldungen – einen Arbeitsplatzabbau plant, der sich am stärksten in Nordrhein-Westfalen auswirken soll. Das heißt, 90 % der Arbeitsplätze, die Magna in Deutschland abbauen will, 2.200 Arbeitsplätze, sollen bei Opel in Bochum wegfallen. Das mag Gegenstand von Verhandlungen sein. Wir können uns nur wünschen, dass das nicht so ausgeht. Aber wir werden das sehen.
Die Frage, die sich stellt, lautet: Wie stellt sich die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen in diesem Konzert auf? Denn wir haben es mit vier Landesregierungen zu tun. Wir haben vier Landesregierungen, die alle um ihre Standorte und dafür kämpfen, dass bei ihnen die Beschäftigung erhalten bleibt.
Relativ einfach und klar sind die Regierungen in Thüringen und Rheinland Pfalz. Bemerkenswert ist die Haltung der hessischen Regierung im Unterschied zu unserer. Hessen hat auch eine CDU/FDP-Regierung, aber sie ist, meine ich, klarer und eindeutiger. Die die nordrhein-westfälische Landesregierung tragenden Fraktionen sind – dafür werde ich Ihnen gleich eine Reihe von Zitaten vorlegen – hoch zerstritten. Es sind vor allem die Liberalen, die im Moment ein Zickzackspiel hinlegen, wie ich es in den letzten Jahren nicht erlebt habe.
Das Beeindruckendste: Auf der Pressekonferenz gestern ist Minister Pinkwart von einem Journalisten gefragt worden, was denn mit konkreten Zahlen sei. Daraufhin hat er gesagt: Wir haben erst vor wenigen Tagen um detaillierte Zahlen gebeten. – Das ist, glaube ich, die Arbeitsweise, mit der die Liberalen bei dem Thema in Nordrhein-Westfalen insgesamt vorgehen.
Sie könnten zusehen, wie Sie bei Ihrem Koalitionspartner die Zahlen bekommen, oder aber Sie könnten mit Ihrem hessischen Wirtschaftsminister reden; denn die hessische FDP hat Zugang in die Taskforce. Der hessische Wirtschaftsminister, Herr Posch, ist derjenige, der für die Länder tätig ist. Aber was machen Sie?
Ja, ich komme jetzt direkt zu Ihnen, Herr Dr. Papke. – Auf Ihrem Landesparteitag Ende des letzten Monats in Bielefeld haben Sie großspurig verkündet, Sie wollten gerne weiterhin den ordnungspolitischen Blindenhund für die CDU spielen. Ist das Ihr Anspruch? – Das ist ein etwas gewöhnungsbedürftiger Umgang untereinander. Aber der Anspruch, dass Sie der ordnungspolitische Blindenhund seien, während Sie sich gleichzeitig nicht um Fakten und Zahlen bemühen, ist sehr hoch gesteckt.
Die Kulmination findet sich aber in dem ganzen Vorgehen gerade der liberalen Fraktion des Regierungspartners in den letzten Tagen. Ich darf zitieren, was am Freitag gemeldet worden ist:
Der Ministerpräsident hat zugesichert, dass aus der Vereinbarung keine finanziellen Belastungen und keine Vorfestlegungen für NRW resultieren“, betonte die FDP. „Lasten und Risiken liegen beim Bund.
Das heißt: Erst den ordnungspolitischen Blindenhund machen, dann sich nicht um Fakten bemühen, und als man merkt, dass es anfängt zu brennen, dass man in die Verantwortung kommt, alles abschieben und sagen: Auf NRW kommt nichts zu; Herr Rüttgers hat zugesagt, es liegt beim Bund.
Die Zahlen – die 150 Millionen € und anderes – sind landauf, landab diskutiert worden sind. Aber die Regierung kann uns gegenüber ja gleich klarstellen, ob das so ist oder ob das Land Nordrhein-Westfalen seinen Teil übernehmen muss. Das war Freitag.
Am Montag erklärte der Generalsekretär der FDP, Herr Lindner, in der Krawallversion den Koalitionskrieg, den Casus Belli: „Würden wir zu etwas gezwungen, was unseren Überzeugungen nicht entspricht und nicht im Interesse der Steuerzahler ist, wäre das der Casus Belli. Die Liberalen lehnen ab, dass Opel eine direkte Liquiditätshilfe des Staates bekommen soll.“ – Das war am Montag. Das geht ja schnell bei den Kollegen: montags Krawall und dienstags zurückrudern.
Am Dienstag erklären Herr Dr. Papke und Herr Pinkwart: Staatliche Hilfen für Opel schließe man aber nicht aus; das habe man nie getan.
Passen Sie auf: Wenn Sie das Ganze machen – auf dem Parteitag sind Sie der ordnungspolitische Blindenhund, dann machen Sie keine richtige Arbeit, kümmern sich nicht darum, wollen sich einen schlanken Fuß machen und das der CDU unterschieben, gleichzeitig fahren Sie die Krawallnummer hoch, um Ihre Klientel abzusichern, um dann zurückzurudern –, dann ist das nicht ordnungspolitischer Blindenhund. Das ist Wackeldackel und nichts anderes. Darum ist es auch richtig, über diese Fragen zu diskutieren.
Herr Dr. Papke, Sie sind ja gleich dran: Legen Sie die Zahlen heute hier auf den Tisch! Wie hoch ist das Risiko für das Land? Was ist mit weiteren Belastungen über die 1,5 Milliarden € hinaus? Wie soll die Operation laufen, wenn es keine Treuhandlösung, zumindest zeitlich befristet, gibt, und wie gehen Sie damit um? – Das sind die Fragen, die wir an Sie stellen. Da Sie gleich dran sind, können Sie sie uns beantworten. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich frage Sie an dieser Stelle: Was bezwecken Sie eigentlich mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunde?
Sie könnten beispielsweise im Schilde geführt haben zu erfahren, wie die Position der Landesregierung in Bezug auf mögliche Staatshilfen ist. Aber Sie, Herr Priggen, haben gerade dargelegt, dass es dazu noch zu früh ist. Wir erwarten im Laufe des Tages beziehungsweise des Abends etwas mehr Klarheit. Aber es wäre fahrlässig, wenn man heute schon irgendetwas ankündigen oder irgendetwas ausschließen würde. Darum ist es klug, wenn man sich zurückhält und zunächst erst einmal die Sachverhalte klärt.
Oder es könnte Ihnen mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunde darum gehen, abzufragen, wie die Positionen der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen sind. Das ist allerdings bereits erfolgt. Denn im vergangenen Monat, am 1. April,
haben wir auf Antrag der SPD-Fraktion in diesem Hohen Hause einen Eilantrag beraten, wo wir uns klar positioniert haben und Pflöcke eingeschlagen haben.
Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Für die CDUFraktion im nordrhein-westfälischen Landtag gilt das unvermindert fort, was wir am 1. April vorgetragen haben.
Und viertens, genau so wichtig: Wir schließen keine Staatshilfen aus, aber wir knüpfen sie an Bedingungen.