Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 32. Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich zwölf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden ins Protokoll aufgenommen.
Meine Damen und Herren, heute haben wir wieder ein Geburtstagskind in unseren Reihen, und zwar feiert Herr Hans-Willi Körfges seinen 52. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege, und alles Gute!
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen Folgendes mitzuteilen: Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 3 – das ist ein Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/1976 – und den Tagesordnungspunkt 6 – das ist ein Eilantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2011 – wegen des Sachzusammenhangs in verbundener Debatte zu diskutieren. Nach § 19 Abs. 2 Geschäftsordnung kann der Landtag vor Eintritt in die Tagesordnung die Beratung gleichartiger oder verwandter Gegenstände verbinden. Sind damit alle einverstanden? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann werden wir entsprechend verfahren und die Tagesordnungspunkte 3 und 6 gemeinsam beraten.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 29. Mai 2006 zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion Herrn Schmeltzer von der SPD das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Montag, 29. Mai 2006, Tag der Ausbildung – laut Ankündigung mit Unterstützung von Politik, Kammern und den Medien –: eine gute Sache. Die Bundesagentur ist gerannt, die Kammern waren mit aktiv, die Medien haben umfangreich berichtet. Die Politik, Bürgermeister und Landräte beteiligten sich, gingen Klinken putzen, warben Ausbildungsplätze ein, die eventuell anders nicht zustande gekommen wären.
Und die Landesregierung? – Nach Informationen der Landesregierung vom 26. Mai über die Termine der Kabinettsmitglieder haben die Mitglieder der Landesregierung an dem Tag insgesamt 19 Termine wahrgenommen. Keiner vom Ministerpräsidenten, keiner vom Arbeitsminister, der in irgendeinem Zusammenhang mit dem Tag der Ausbildung gestanden hätte. Einzig Frau Ministerin Thoben richtete im Kreis Coesfeld im Rahmen einer Pressekonferenz einen Appell an die dortigen Firmen, noch einmal zu überdenken, ob nicht doch ein Auszubildender eingestellt werden kann.
Na ja, das war es dann wohl mit dem uneingeschränkten Engagement zum Tag der Ausbildung 2006 seitens der Landesregierung. Versprechen in der Vergangenheit wurden von den Zahlen der Gegenwart mal wieder eingeholt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es unmöglich sein. Das unter dem Gesichtspunkt der gestern veröffentlichten neuen Zahlen auf dem Ausbildungsmarkt.
Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wächst von Monat zu Monat. Rund 4.000 Berufsausbildungsstellen weniger wurden im Vergleich zum Vorjahresmonat gemeldet.
Ich könnte es mir an dieser Stelle einfach machen und auf meinen Redebeitrag von vor zwei Wochen verweisen. Das würde der dramatischen Situation auf dem Ausbildungsmarkt jedoch absolut nicht gerecht. Wenn selbst die Minister Müntefering und Glos gemeinsam die Wirtschaft auffordern, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, dann sollten wir uns im Sinne der Unversorgten – mit unversorgt meine ich ausdrücklich diejenigen ohne Ausbildungsplatz – heute nicht ein politisches Scharmützel liefern, wie es die „Rheinische Post“ bereits gestern in ihrem Kommentar glaubte voraussagen zu können.
die Statistiken vom gestrigen Tag sieht, wird erschreckend feststellen, wo gerade Berufsausbildungsstellen weggebrochen sind: Bergisch Gladbach minus 261, Bonn minus 766, Herford minus 623, Recklinghausen minus 446 – dies nur exemplarisch dafür, wie sich der Zusammenbruch darstellt.
„Jeder Jugendliche, den man heute selber ausbildet, kann morgen die wichtigste Stütze des Betriebes sein.“
„Die jungen Leute brauchen eine Chance, und die Unternehmen brauchen künftig Fachleute. Da muss mehr Druck in den Kessel!“
Diesen Druck müssen unter anderem die ausüben, die ihrer Verpflichtung nachkommen, oftmals sogar über ihre eigenen Bedürfnisse ausbilden.
Das gilt auch für die Gewerkschaften. Das gilt im Übrigen auch für die Parteien. Wir bilden an vielen Stellen aus.
Herr Lindner, wir können jetzt in einen Wettbewerb eintreten. Gehen Sie einmal in Ihre Wirtschaftsverbände und sagen denen, sie sollten Ausbildungsplätze anbieten. Dann sind wir auf der richtigen Ebene.
Ich persönlich, Herr Lindner, habe in meiner Heimatstadt durchaus positive Erfahrungen gesammelt – oft durch persönliche Ansprache, aber häufig auch durch das eigene Engagement der Unternehmen. Ja, wir haben in meiner Heimatstadt Lünen sogar einen Zusammenschluss von Unternehmern – nennt sich „Pro Lünen“ –, der es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, mehr Ausbildungsplätze selber zur Verfügung zu stellen, aber im Kreis ihrer Kollegen auch massiv dafür zu werben. Und das mit Erfolg!
Dass permanentes Werben erforderlich ist, zeigt das von der Regionaldirektion dargelegte enttäuschende Ergebnis vom vergangenen Montag. Obwohl über 1.000 Betriebe mehr aufgesucht
wurden, war die Ausbeute im Vergleich zum Vorjahr mit 1.000 Ausbildungsplätzen weniger eher dramatisch.
Der Tag ist symbolisch, aber die Aufgabe muss uns täglich beschäftigen. Hierbei müssen wir uns alle selber immer wieder kritisch prüfen. Tun wir vor Ort wirklich alles in unserem Ermessen Mögliche zur Anwerbung von Ausbildungsplätzen? Diskutieren wir nicht gemeinsam immer wieder zu theoretisch über das Problem der Lehrstellenlücke? Verfallen wir nicht wirklich, wie in der „Rheinischen Post“ dargelegt, immer wieder in Reflexe?
Da Ausbildungskonsens war und ist wichtig für unser Land, wenngleich sich Minister Laumann vor zwei Wochen sehr despektierlich hierzu geäußert hat. Aber wäre die Aufgabe des Ausbildungskonsenses nicht viel einfacher, wenn wesentlich weniger Jugendliche durch ihn versorgt werden müssten, weil nämlich schon mehr junge Menschen eine Ausbildung hätten?
Der Ausbildungskonsens ist in der Ausbildungspolitik von Nordrhein-Westfalen ein wichtiger Baustein, aber nicht das Allheilmittel.
Wir brauchen keine Diskussion von Politik und Wirtschaft über zu hohe Ausbildungsvergütungen. Das schadet eher der gesamten Diskussion in der Ausbildungsmarktpolitik. Alle Wirtschaftspolitiker, insbesondere die zuständigen Minister in Bund und Land, müssen bei der Wirtschaft permanent Ausbildungsplätze anmahnen und alle Möglichkeiten nutzen, bei der Wirtschaft mal laut, mal leise für Ausbildungsplätze zu kämpfen. Appelle nützen nicht, sie reichen überhaupt nicht aus. Es muss gehandelt werden.
Der Lenkungsausschuss auf Bundesebene zum Ausbildungspakt hat bisher keinerlei Ergebnisse vorgelegt. Frau Schavan und Herr Glos müssen die Arbeit des Lenkungsausschusses dringend im Sinne der zigtausend Jugendlichen vorantreiben. Die „Kölnische Rundschau“ schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, ein Vertreter der Wirtschaftsverbände habe geäußert: Glos wird übel genommen, dass er einen für Mitte Juni angesetzten Termin für den Lenkungsausschuss des Ausbildungspaktes lange im Vorfeld abgesagt hat. Das wird als Geringschätzung des Gremiums empfunden. – Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Wir alle müssen ernsthafte Gedanken entwickeln, wie in einer verbesserten Form die Nachvermittlung nach dem alljährlichen 30. September inten
siviert werden kann. Wir bieten hier, Herr Minister, ausdrücklich unsere Unterstützung und Mitarbeit an.
Es gibt Modelle, die einzeln angewandt werden und Erfolge zu verzeichnen haben. Haben diese Modelle jeweils ein Copyright? – Natürlich nicht!
Ich hörte in der letzten plenaren Debatte, dass der Kollege Kern Klinken putzt. Meine Anerkennung! Ich tue dies auch – mit gewissen Erfolgen. Sollten wir die zum Putzen erforderlichen Utensilien nicht vielmehr sachlich im Ausschuss austauschen, um dann an noch mehr Stellen im Land die Erfahrungen anderer umzusetzen? Ich glaube, dass wir im Sinne Tausender Jugendlicher tatsächlich auf die erwarteten Reflexe verzichten sollten. Die Zukunft würde es uns danken, wenn Jugendliche mit unser aller Hilfe ausgebildet würden und die zu erwartende Fachkräftelücke geschlossen werden könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Situation ernster nehmen. Dazu gehört, dass der Tag der Ausbildung von allen Mitgliedern des Kabinetts nicht nur ernst genommen, sondern dass an diesem Tag auch gehandelt wird.
Ausbildungskonsens und Ausbildungspakt sind und bleiben unverzichtbar und müssen entsprechend unterstützt werden. Wenn wir alle das wirklich wollen, dann bin ich guter Dinge.