Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sozial ist, was Arbeit schafft. Es ist unsozial, ein Bundesland mit über eine Million Arbeitslosen zu hinterlassen.
(Zuruf von der SPD: Es hat immer noch eine Million Arbeitslose! – Gegenruf von Minister Karl-Josef Laumann: Wir arbeiten dran!)
Es ist unsozial, ein Schulsystem zu hinterlassen, das junge Menschen nicht ausreichend auf die Berufswelt vorbereitet.
und bundesweit geht die Ausbildungsbereitschaft allgemein zurück. Im Bund sind zurzeit 354.500 ohne Ausbildungsvertrag: 15 % mehr als im Vorjahr.
Das Handwerk bildet hier allerdings eine Ausnahme. Das Verhältnis von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Ausbildungsplätzen ist seit vielen Jahren konstant. Wie wir alle, auch Sie von der Opposition, wissen, stellen kleine und mittlere Unternehmen den Großteil der Ausbildungsplätze in Deutschland.
Dennoch haben viele der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Handwerksbetriebe große Sorgen. Viele Firmen haben keinen finanziellen Spielraum und keine ausreichende Perspektive, um einen jungen Menschen für mehrere Jahre in eine Ausbildung zu nehmen. Wer nicht weiß, ob seine Firma in zwei Jahren noch existiert, stellt kaum einen Lehrling ein. Allein im Bezirk der Handwerkskammer Köln sind in den letzten fünf Jahren 45.000 Mitarbeiter verloren gegangen – die Zahl sank von 240.000 auf 195.000 –, und das bei einer steigenden Mitgliederzahl bei den Betrieben.
Diese neuen Betriebe sind in der Regel allerdings Kleinstbetriebe in zulassungsfreien Berufen, die nicht ausbilden können oder dürfen. Das ist eine Folge der Novellierung der Handwerksordnung, die – zum Beispiel im Fliesenlegerhandwerk – keine Meisterpflicht mehr erfordert. Hier sind nicht einmal mehr Gesellenprüfungen nötig. Dass hier die Ausbildungsbereitschaft zurückgeht, liegt für alle auf der Hand.
Schuldzuweisungen dürfen aber nicht nur an die Wirtschaft gehen. Es zeigt sich nämlich, dass das Problem des Mangels an Ausbildungsplätzen auf gewisse Regionen beschränkt ist, in denen in der Vergangenheit der Strukturwandel verpasst oder durch eine fehlende Wirtschaftspolitik schlecht begleitet wurde. Viel wichtiger ist es, mit einer klugen und vorausschauenden Wirtschaftspolitik den Firmen bessere Chancen zu eröffnen und ein besseres Klima zu vermitteln. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ hat vorgestern geschrieben:
Viel wichtiger ist es daher auch, dass wir unseren Jugendlichen wieder bessere Chancen bieten, so gut ausgebildet zu werden, dass die Firmen erkennen: Unsere Jugendlichen in NRW sind wieder ausbildungsfähig und ausbildungswillig.
Die neue Landesregierung unter Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers ist hier auf dem richtigen Weg. Wir bauen an einem neuen Bildungssystem, und wir bauen an einer neuen Wirtschaftspolitik. Wir bauen an einem neuen NRW.
Die CDU hat die Landtagswahl 2005 unter anderem mit der Aussage gewonnen, dass wir den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung zumuten wollen. Das gilt auch für die jungen Menschen. Das gilt für Betriebsinhaber und auch für Politiker.
Ich teile den Aufruf des DGB nicht, wieder und wieder irgendwelche Notprogramme oder Sonderausgaben für die Ausbildung ins Leben zu rufen. Debatten über Ausbildungsplatzabgaben führen uns hier überhaupt nicht weiter. Vielmehr gehören Fragen zur Flexibilität auf den Prüfstand. Fragen zur Entfernung zwischen Wohnort und Lehrstelle gehören ebenso dazu wie die Frage des Berufswunsches.
Allerdings geht es auch um die Ausbildungsvergütung. Wenn hier argumentiert wird, dass immer zwei Unterschriften unter den Verträgen stehen, so sage ich: Das ist richtig. – Richtig ist aber auch, dass die Frage nach der Ausbildungsvergütung gestellt werden muss, wenn es den Betrieben schlechter geht. In den letzten Jahren sind immerhin 30 % der Betriebe im Bauhauptgewerbe insolvent geworden. Die anderen haben seit zehn Jahren unter einer schwachen Konjunktur gelitten. Darum muss zumindest die Frage erlaubt sein, ob man hierüber reden sollte.
Mehr Eigenverantwortung für einen jungen Menschen heißt auch: Suche selbst mit nach einer Ausbildungsstelle. – Ich bin davon überzeugt, dass der persönliche Einsatz, zum Beispiel die persönliche Vorsprache in einem Betrieb, auch ein hervorragendes Mittel ist. Allein im Bezirk der
Handwerkskammer Köln sind derzeit über 300 freie Ausbildungsplätze gemeldet. In NRW sind es fast 1.500. 27 Lehrstellenwerber bei den IHKs, den Handwerkskammern und den Kammern der freien Berufe entfalten großes Engagement und konnten allein im Jahr 2006 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze akquirieren.
Mehr Eigenverantwortung zuzumuten heißt aber auch, den Betrieben klar zu machen, dass wir bereits in wenigen Jahren einen erheblichen Mangel an Fachkräften haben werden. Wer heute ausbildet, wird sich morgen über diesen Schritt freuen, und er sichert die Zukunft seiner Firma und seines Berufsstandes.
Übrigens appelliere ich in jeder internen Handwerkssitzung und auch in jeder externen Sitzung an die Betriebe und weise sie darauf hin, dass sie eine hohe Verantwortung haben. In dem Punkt sind wir uns völlig einig.
Aber es gibt auch positive Signale. So ist Ende April in den IHKs bei den unterschriebenen Lehrstellenverträgen ein Plus von 2,3 % zu verzeichnen. Beim Handwerk sind es sogar 2,5 % mehr als im Vorjahr.
Vor zehn Tagen erfuhren wir durch die Umfragen, dass 62 % der Einwohner in NRW mit der neu begonnenen Politik von CDU und FDP einverstanden sind. Diese Politik von CDU und FDP wird Früchte tragen, auch bei der Wirtschaftsbelebung und somit bei der Bereitschaft, wieder mehr Lehrlinge auszubilden.
Bauen Sie mit. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, muten auch Sie sich mehr Eigenverantwortung zu. Trauen Sie sich, den klugen Entscheidungen der neuen Landesregierung zuzustimmen. Sie werden feststellen: NRW kommt wieder.
(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Welche klugen Entscheidungen der Landes- regierung? – Weitere Zurufe von der SPD)
Danke schön, Herr Knieps. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Steffens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde zeigt, dass der Tag der Ausbildung Anlass für die heutige Debatte ist, wie wir mehrfach gehört haben. Zu demselben Thema haben wir als Grüne vor zwei Wochen einen sehr umfangreichen Antrag mit dem Titel „Soziale Gerechtigkeit statt Perspektivlosigkeit in teuren Warteschleifen – Chancen für Ausbildung und Beruf sichern“ eingebracht, der sehr viele notwendige Elemente angesprochen hat.
Zu diesem Antrag haben wir noch eine intensive Debatte vor uns. Die Debatte vor zwei Wochen hat deutlich gemacht, dass ein Tag der Ausbildung, ein Tag, an dem Aktivitäten ins Leben gerufen werden, die vielleicht stattfinden, aber auch von vielen Personen nicht wahrgenommen werden, nicht ausreicht – unabhängig davon, wie intensiv dieser Tag genutzt wird –, um die Ausbildungsmisere anders in den Griff zu bekommen. Ein Tag der Ausbildung kann nur ein Bruchteil des Aufwandes sein, der eigentlich notwendig wäre.
Natürlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Landesregierung diesen Tag intensiver genutzt hätte. Denn der große Einsatz derjenigen, die Klinken putzen gegangen sind, hat, wie die Zahlen gezeigt haben, nur 2.241 Plätze in diesem Jahr zusätzlich gebracht. Das sind 1.000 weniger als im Vorjahr. Mehr Leute vor Ort – aus der Verwaltung, aus der BA – haben Klinken geputzt, aber der Einsatz von oben ist nicht in dem erforderlichen Maße da gewesen. Der Erfolg ist zu gering; die Bilanz ist sehr schlecht.
Ich habe gerade gesagt, es reicht nicht, an einem Tag Klinken zu putzen. Ich erwarte in dem Bereich von einer Landesregierung, dass sie nicht nur an einem solchen Tag Klinken putzen geht, sondern auch an allen anderen Tagen im Jahr. Das Prinzip „Fördern und Fordern“, das wir bezogen auf Hartz IV mehrfach diskutiert haben, sollte auch für die Wirtschaft und die Unternehmen gelten. Man sollte also nicht immer über die Bitten, Wünsche und Bedarfe der Unternehmen reden, sondern bei allen Terminen sollten auch Diskussionen und Gespräche zur Ausbildungssituation stattfinden.
Wir haben eben einen umfassenden Bericht zur Ausbildungswilligkeit und der Misere im Handwerk gehört. Das Handwerk ist mit Abstand der Bereich, der immer noch massiv ausbildet – keine Frage –, der aber auch viele Probleme hat. Aber es ist kein Reflex und auch nicht der Weg in die falsche Richtung, wenn man an der Stelle wieder die Diskussion über die Ausbildungsplatzumlage
gab es eine Menge Unternehmen, die unter dem Druck des Androhens einer Ausbildungsplatzumlage auch bereit waren zu überlegen, ob sie nicht doch den einen oder anderen Platz mehr einrichten. Alle freiwilligen Vereinbarungen mit den Unternehmen und gerade mit den großen Unternehmen haben nichts, aber auch gar nichts gebracht. Sie haben keine Ausbildungsplätze geschaffen.
Wenn Sie, Herr Lindner, wieder dazwischenrufen und irgendwelche Flexibilisierungsgedanken im Hinterkopf haben, schauen Sie sich die Modellregion OWL an. In OWL haben wir flexibilisiert und Bürokratie abgebaut, und es hat nicht zu mehr Ausbildungsplätzen geführt, sondern OWL ist die Region, in der auf einen Ausbildungsplatz fünf Ausbildungsplatzsuchende kommen – im Landesdurchschnitt sind es zwei –, die keinen Platz finden. Insofern kann man sagen: Noch mehr Bürokratie abzubauen, ist kein einfaches Rezept für mehr Ausbildungsplätze.
62 % der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sind in der Lage auszubilden. Von diesen 62 % bilden nur die Hälfte aus. Daran sieht man, dass die Unternehmen nicht dazu bereit sind. Wenn Herr Laumann sagt: „Ausbildung ist Ehrensache“, muss man sagen, von diesen 62 % der Unternehmen, die ausbilden könnten, haben die Hälfte keine Ehrenmänner in den Unternehmen,