Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zur 133. Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 17 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: In der gestrigen Sitzung haben wir unter Tagesordnungspunkt 5 über den Eilantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9940 zum Thema „Investitionszuschüsse für moderne Kraftwerke in NRW – Keine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke außerhalb von NRW“ abschließend entschieden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte zu diesem Antrag der SPD einen Entschließungsantrag in der Drucksache 14/9954 vorgelegt, der gestern aber versehentlich nicht zur Abstimmung gestellt wurde. Ich schlage Ihnen vor, dass wir diese Abstimmung heute im Anschluss an Tagesordnungspunkt 1 nachholen. – Dagegen sehe ich keinen Widerspruch. Wir können also so verfahren.

Wir treten nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Transparenz schafft Vertrauen: Sponsoring, Externe Aufträge, Lobbyismus, Öffentlichkeitsarbeit

Große Anfrage 29 der Fraktion der SPD Drucksache 14/8595

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/9479

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9948

In Verbindung mit:

Transparenz schafft Vertrauen: Sponsoring, Externe Aufträge, Lobbyismus, Öffentlichkeitsarbeit im Zeitraum 1995 – 2005 (12. und 13. Legislaturperiode)

Große Anfrage 30 der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/8885

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/9480

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner Herrn Kuschke von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kuschke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlässlich eines Antrags, der sich bereits im November 2007 mit der Frage eines Landestransparenzberichts beschäftigt, haben wir – ich darf mit Genehmigung der Präsidentin zitieren – ausgeführt:

Transparenz muss immer oberste Maxime sein, um das Vertrauen der Bürger in staatliches Handeln zu stärken. Die Steuerzahler haben einen Anspruch darauf, die Verwendung von öffentlichen Mitteln und Verwaltungshandeln nachvollziehen zu können.

Das ist, denke ich, eine Aussage, der dieser Landtag hundertprozentig zustimmen würde. Mit dieser Zustimmung würde sich dann allerdings nicht das in Übereinklang bringen lassen, was wir in der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage sozusagen als salvatorische Klausel lesen: Der Bedarf an Beratung ist gestiegen. Von daher muss man auch mehr externe Beratung vergeben. Der externe Sachverstand ist erforderlich, um sich sozusagen mit dem auseinandersetzen zu können, was in der Legislaturperiode davor passiert ist.

Da, würde ich sagen, meine Damen und Herren, Herr Minister Krautscheid – ich richte mich an das gesamte Kabinett –: Wir haben im Mai 2005 nicht externe Berater gewählt, sondern die Menschen in diesem Lande haben Abgeordnete in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt und damit eine Landesregierung. Die Landesregierung hat ihre Aufgaben zu erfüllen.

(Beifall von der SPD – Minister Andreas Krautscheid: Sehr richtig!)

In diesen Zusammenhang passt auch nicht – das will ich an vier Stichworten deutlich machen –, dass wir in der Antwort auf die Große Anfrage Dinge haben, die schon merkwürdig stimmen:

Die Kosten für Umfragen steigen beim Ministerpräsidenten im Vergleich dieser Legislaturperiode zur vergangenen um über 100 %.

(Minister Andreas Krautscheid: Das ist falsch!)

Wir haben das Ende der Legislaturperiode noch nicht erreicht. Das heißt: Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass sich das noch stärker entwickeln wird.

Ein zweites Beispiel ist die ominöse Zukunftskommission, von der hin und wieder in den Zeitungen

berichtet wird und zu der eine Hochglanzbroschüre herausgegeben wird, die im Landeshaushalt einen mehrfachen Millionenbetrag ausmacht, wir aber überhaupt keine Vorstellung davon haben, wie die Arbeit der dieser Kommission in die Politik der Landesregierung, in das Regierungshandeln und möglicherweise auch in die Auseinandersetzungen hier im Landtag eingebracht werden kann. Der dritte Punkt ist die exorbitante Kostensteigerung bei der Auftragsvergabe, die bei dem Finanzminister festzustellen ist; Kollege Töns wird darauf nachher noch einmal gesondert eingehen.

Die Landesregierung und insbesondere Herr Minister Wolf rühmen sich, einen Fortschritt beim Sponsoring erzielt zu haben. Das trifft aber nicht zu. Zunächst einmal – das will ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen – haben wir zwei Jahre bohren müssen, damit das überhaupt geschieht. Wir haben jetzt eine völlig unzureichende Darstellung im Internet. Da die Zustimmung zur Veröffentlichung von den Sponsoren abhängig ist, können wir überhaupt nicht überblicken, ob das, was wir da im Internet sehen, vollständig ist. Das hat mit Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Kontrollierbarkeit überhaupt nichts zu tun.

Bezüglich der beiden Großen Anfragen und der Antworten darauf müssen wir zum Verfahren wohl übereinstimmend feststellen, dass es sich um einen riesigen Datensalat handelt. Das sind über 11.000 oder 12.000 Seiten, es gibt elektronische Anhänge, die teilweise nicht umgeladen werden können, und die Vergleichbarkeit ist nicht gegeben; es werden Größen von 5 € bis 6 € mit Größen von 5 Millionen € bis 6 Millionen € verglichen.

Wir wissen, dass das eine ganze Menge Arbeit für die beteiligten Häuser gewesen ist.

(Zustimmung von Ministerin Barbara Som- mer)

Frau Schulministerin, Sie schauen schon etwas wissend und gequält bei diesem Aspekt.

(Ministerin Barbara Sommer: Nein!)

Ich weiß doch auch ein bisschen, was in den Häusern geschehen ist. Es war nicht unsere Absicht, dort für ein Beschäftigungsprogramm zu sorgen. Bei den Großen Anfragen ist aber noch einmal deutlich geworden, dass wir, um die Ziele eines Transparenzberichts zu erreichen, nicht mehr mit dem Instrument der Großen Anfrage arbeiten können, sondern andere Instrumente brauchen.

Nur der Vollständigkeit halber will ich erwähnen – das war ärgerlich, Herr Minister Krautscheid; ich habe den Chef der Staatskanzlei vor einigen Monaten auch darauf angesprochen –, dass wir es mit Durchstechereien an die Presse zu tun hatten. Bevor die Antworten auf die Großen Anfragen dieses Hohe Haus erreichten, waren Presseberichte zu lesen, die so nur geschrieben werden konnten,

wenn entsprechendes Material an ausgewählte Redaktionen weitergegeben worden war.

Meine Damen und Herren, wir brauchen daher etwas anderes, und wir haben Ihnen zu dem Tagesordnungspunkt, den wir heute beraten, einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir noch einmal nachdrücklich die Forderung nach einem Transparenzbericht aufstellen.

Unserer Meinung nach brauchen wir eine vollständige Auflistung der Sponsoren, wie ich es gerade schon angedeutet habe. Das, was wir im Augenblick haben, ist Stückwerk. Wir brauchen eine Auflistung der Aufträge an externe Berater. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Kleinen Anfragen stellen müssen, um überhaupt einigermaßen Durchblick in diesem Dickicht zu bekommen.

Außerdem brauchen wir eine Auflistung der Empfänger von Subventionen. Wir erinnern uns noch an die Debatte, die in diesem Hohen Hause geführt worden ist, als es um die Veröffentlichung der Agrarsubventionen ging. Herr Uhlenberg ist im Augenblick nicht da.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Doch!)

Da ist er. – Ich weiß noch, dass die Argumentation von ihm und von anderen damals – da war die Bundesregelung und die europäische noch nicht auf dem Weg – lautete, dass wir das nicht machen können, weil andere es auch nicht tun.

(Zuruf von Minister Eckhard Uhlenberg)

Es waren noch ein paar andere Punkte, aber auch diesen haben Sie angesprochen. – Jetzt haben wir die Veröffentlichung der Agrarsubventionen, und der erste Pulverdampf ist verzogen. Man kann damit anscheinend leben. Warum auch nicht? Sicher kann man das Instrument aber noch verfeinern und verbessern. Es hindert uns nichts – aber auch gar nichts – daran, die Empfänger von Subventionen kenntlich zu machen.

(Beifall von der SPD)

Das ist doch das Mindeste. Es geht doch nicht um anonymes Geld, das da verteilt wird, sondern um das Geld der Steuerzahler, das auf der Basis politischer Entscheidungen an Subventionsempfänger fließt. Von daher kann und muss das auch veröffentlicht werden.

Der vierte Punkt ist die Forderung nach einem Lobbyregister sowohl bei der Landesregierung als auch beim Landtag; Letzteres müssen wir auf den Weg bringen. Diesbezüglich bin ich in der Antwort auf die Große Anfrage auf zwei Aussagen gestoßen, die ich für ausgesprochen lebensfremd halte. Es wird festgestellt, „dass Lobbyismus in den Ministerien nicht stattfindet.“

Meine Damen und Herren, wo leben wir denn eigentlich? Wenn Sie damit meinen, dass nicht die Art von Lobbyismus stattfindet, über die vor Kurzem in

Berlin diskutiert wurde, dass nämlich Entsandte von Unternehmen, Verbänden und Organisationen für eine bestimmte Zeit in den Ministerien tätig sind, mag das richtig sein; ganz sicher bin ich mir da auch nicht, und wir sollten uns das noch einmal genau anschauen. Dass aber natürlich tagtäglich Interessenvertreter, Lobbyisten vorstellig werden, das gehört doch zur Praxis und zum täglichen Leben. Das ist im Übrigen auch nichts Schlimmes. Aber man muss es wissen. Man muss es kenntlich machen und entsprechend einordnen können.

Es wird noch ein Stück weit doller, wenn dann gesagt wird, aus diesem Grunde seien keine Regeln für die Zukunft notwendig. Nein, dem können wir uns nicht anschließen. Wir sagen an dieser Stelle ganz deutlich, auch wenn uns schon jetzt diejenigen leidtun, die diese Arbeit zu leisten hätten – es sind ja nicht die Ministerinnen und Minister und auch nicht die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, sondern die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –: Wir brauchen einen jährlichen Transparenzbericht mit den Bereichen, die ich genannt habe, kontinuierlich und nachvollziehbar.

Nehmen Sie diese Forderung auf! Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! Sonst werden wir in den nächsten Tagen die Große Anfrage auf den Weg schicken, die wir schon fertig erstellt haben, weil es kein anderes Instrument gibt, um Transparenz herzustellen. Wir würden das dann aber für ein Armutszeugnis dieses Hohen Hauses halten. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir Sie überzeugen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kuschke. – Für die CDU spricht die Kollegin von Boeselager.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kuschke, wie groß bei Ihnen das Interesse an Aufklärung ist, kann man ja deutlich an der Anwesenheit in Ihren Reihen sehen. Ich frage die SPD ernsthaft, was sie mit den seit Wochen anhaltenden Unterstellungen und Vorwürfen erreichen will. Welche Außenwirkung wollen Sie damit erzielen? Wollen Sie damit sagen, dass Sie in Ihrer Zeit alles transparent dargelegt und wir von Ihnen alles im Detail gezeigt bekommen haben? Mitnichten war das der Fall.