Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

Und da haben Sie hier die Stirn, zu behaupten, hier müsse mehr geschehen, Frau Löhrmann?! Das ist – bei aller Seriosität – eigentlich vollkommen unter Ihrem Niveau. Das ist schier unglaublich.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ehrlich gesagt fällt mir dazu nichts mehr ein. Unter keiner Regierung zuvor hat es einen so massiven Ausbau im Bereich der Ganztagsschulen gegeben wie unter dieser Landesregierung. Unter keiner anderen Landesregierung wurde es möglich, Ganztagsrealschulen und Ganztagsgymnasien in einer solchen Vielzahl einzurichten.

(Ute Schäfer [SPD]: Warten wir mal ab!)

Wir geben dazu 170 Millionen € zusätzlich. Das haben Sie ja eben so lapidar nebenbei erwähnt. Wenn Sie in Ihrer Regierungszeit 170 Millionen € zusätzlich für Bildung mobilisiert hätten, dann hätten wir eine ganz andere Achtung vor Ihnen gehabt. Sie waren dazu nicht in der Lage. Sie haben nur rumgekürzt und die Lehrerarbeitszeit verlängert.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Diese 170 Millionen € sind angesichts der Haushaltssituation ein einmaliger Kraftakt. Dann ist es doch nur natürlich, dass die Landesebene darauf achtet, dass diese Beträge wirklich für den Ganztag genutzt werden. Dies ist eine vorbildliche Leistung der Landesregierung. Deshalb: Dank an den

Ministerpräsidenten, Dank an Frau Sommer und – Frau Sommer wird es verzeihen – auch Dank an den Finanzminister, der die entsprechenden Mittel bereitgestellt hat, weil das uns allen nutzt.

(Beifall von Ministerin Barbara Sommer)

Außer mit der Einrichtung des Ganztags befassen Sie sich ja auch mit der Schulzeitverkürzung im Gymnasium. Neben dem gebundenen Ganztag gibt es dort weiterhin die Möglichkeit, innerhalb des neuen Ganztagsprogramms auch einen offenen Ganztag zu organisieren und die Mittagsbetreuungszeiten auszuwählen. Damit werden flexible und innovative Möglichkeiten für alle Gymnasien geschaffen, die nicht sofort in den gebundenen Ganztag gehen wollen. Allerdings gibt es auch sehr positive Rückmeldungen von Gymnasien, die den gebundenen Ganztag sofort einführen möchten.

Für alle Gymnasien und anderen Schulformen haben wir also entsprechend flexible Möglichkeiten geschaffen. Ich kann mich nicht erinnern, dass von der Vorgängerregierung einmal in ähnlicher Weise flexibel und zügig reagiert worden wäre.

Im Zusammenhang mit den Problemen, die in Bezug auf die Verkürzung der Zeiten am Gymnasium bis zum Abitur – Stichwort: „G 8“ – genannt worden sind, muss man der Vollständigkeit halber auch Folgendes erwähnen: Dadurch, dass die Landesregierung einen runden Tisch gebildet hat, um die Probleme zu besprechen, sind alle Beteiligten eng zusammengekommen. Das zeigt, wie schnell und flexibel man reagieren kann.

Ich erinnere mich sehr wohl an das, was Sie in Ihrer Zeit im Bildungsbereich gemacht haben. Sie haben nämlich gekürzt. Das genaue Gegenteil ist heute der Fall. Alleine von 2008 auf 2009 steigen die Ausgaben im Bildungsbereich um fast 700 Millionen €. Der Ministerpräsident hat Ihnen das heute Mittag ebenfalls gesagt. Seit 2005 sind sie insgesamt um über 2 Milliarden € gestiegen. Wenn das nichts ist!

Im vierten Punkt Ihres Antrags legen Sie wieder einen aufgewärmten Antrag vor. Gerade sind Sie im Plenum mit Ihrem Ansinnen auf eine warme Mahlzeit für alle gescheitert.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der Gesetzent- wurf ist doch noch gar nicht abgestimmt!)

Nebenbei: Es sollte ja 150 Millionen € kosten. – Jetzt versuchen Sie, das gleiche Thema unter neuer Überschrift erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Zum einen ist das wenig fantasievoll. Zum anderen hat sich in der Sache bis heute auch nichts geändert.

Stellen Sie sich doch nur einmal vor, Ihr Anliegen – so viel auch zum Sofortprogramm – würde über Nacht umgesetzt. Wie sollen denn plötzlich alle Schulen über Nacht eine warme Mahlzeit für alle zur Verfügung stellen – allein logistisch? Das ist praktisch doch gar nicht möglich.

Von daher geht es Ihnen nur um die Pressemeldungen und nicht um die Umsetzung. Die Umsetzung Ihrer Forderung mit einem Sofortprogramm bedeutet doch Chaos an fast allen Schulen im Lande – unabhängig davon, dass das Geld dafür nicht bereitsteht. Ein solches Chaos, wie es mit Ihrer jetzigen Forderung verbunden wäre, haben Sie ja nicht einmal in Ihrer Regierungszeit an den Schulen verursacht. Das heißt: Sie sind vollkommen von der Realität dessen entfernt, was umsetzbar und machbar ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Unter sozialen Gesichtspunkten möchte ich Ihnen auch noch einmal Folgendes sagen: Ich persönlich hielte es für höchst unsozial, wenn der Staat für meine Tochter das warme Mittagessen bezahlte, statt dieses Geld für mehr und besseren Unterricht zu verwenden.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Initiative des Ministerpräsidenten „Kein Kind ohne Mahlzeit“ ist die bedarfsgerechte Antwort für alle, die es sich nicht leisten können, jeden Tag ein warmes Mittagessen für ihre Kinder zu bezahlen. Das ist auch richtig so. Aufgrund des Erfolgs dieses Programms habe ich auch keine Zweifel daran, dass das Programm fortgesetzt wird – und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil es richtig und erfolgreich ist, und zweitens, weil diese Regierung 2010 im Amt bestätigt wird und das Programm damit fortgeführt wird.

(Beifall von der CDU – Ute Schäfer [SPD]: Tosender Beifall!)

Wir sind ja nicht alle im Wahlkampf. Wir stellen hier ja nicht solche Showanträge, wie Sie das jetzt getan haben. – Von daher müssen wir uns jetzt einmal damit auseinandersetzen. Das ist ja auch schon die Blaupause für die nächsten 20 Anträge. Dann braucht man immer nur die entsprechenden Textbausteine einzusetzen. Das ist der Vorteil bei Ihrer Antragstellung.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben Ihre Textbausteine nicht überall ausgewechselt! Das merkt man! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Seit drei Jahren nichts Neues!)

Frau Beer, Sie könnten es doch eigentlich besser. Sie müssen einmal ein bisschen kreativer werden.

Zum letzten Punkt, der Lernmittelfreiheit, sei kurz angemerkt, dass die Eigenleistung der Eltern insgesamt in diesem Jahr reduziert wurde. Mir ist auch kein Fall von Kindern aus ALG-II-Familien bekannt, die keine Schulbücher erhalten hätten.

Natürlich ist eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene wünschenswert und unterstützungswürdig. Für mich ist aber gerade die Regelung bezüglich der Schulbücher ein Zeichen dafür, wie flexibel und intelligent Schulträger und Schulen diese Frage vor Ort lösen.

In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, dass der Ministerpräsident das Thema Kostenübernahme beim Bildungsgipfel in Berlin besprechen will, womit es auf der bundespolitischen Agenda bleibt. Bekanntlich sind die Hartz-Gesetze in Berlin aber unter Rot-Grün beschlossen worden – nur der Vollständigkeit halber.

(Beifall von der CDU)

Zusammengefasst heißt das: Dieses Sofortprogramm ist umsetzungsuntauglich, ideologiegefärbt, nicht durchfinanziert und nicht nachhaltig. Es hat eigentlich nur einen Hinweis verdient: Sofort in den Papierkorb.

Dafür werden wir sorgen; denn eine ernsthafte Befassung im Ausschuss ist wirklich überflüssig – was ich bekanntlich nicht über alle Anträge der Grünen sage.

Um Ihnen das noch einmal zu verdeutlichen, mache ich Sie auf fünf wichtige Punkte unserer Bildungspolitik aufmerksam.

Erstens: weniger Unterrichtsausfall.

Zweitens: mehr Geld für Bildung; mehr Lehrer.

Drittens: mehr sozialer Aufstieg durch mehr individuelle Förderung und Sprachförderung sowie Ganztag.

Viertens: bessere Steuerung der Schulen durch mehr Eigenverantwortung, regionale Bildungsnetzwerke und neue Fortbildung.

Fünftens: bessere Erfolge durch klare Qualitätsstandards und zentrale Prüfungen.

Darum geht es. Das ist kein verquastes Sofortprogramm – ein Sofortprogramm ist dazu auch nicht erforderlich –, sondern ein nachhaltiges Programm zur Verbesserung der Bildung in Nordrhein-Westfalen. Dafür stehen Frau Sommer und die Landesregierung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kaiser. – Für die SPD spricht nun Frau Schneppe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bessere Bildung und Chancengleichheit an unseren Schulen ist eine Forderung, die die Grünen eben vorgetragen haben und die wir seitens der SPD unterstützen. Die CDU/FDP-Regierung schlägt bildungspolitisch exakt die falsche Richtung ein, und das zum Nachteil unserer jungen Generation, meine Damen und Herren. Das Kopfnotenchaos muss tatsächlich schnellstmöglich beendet werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das unausgegorene Konzept der Landesregierung zur Bewertung von Arbeits- und Sozialverhalten durch Schulnoten bereitet gerade auf Abschlusszeugnissen große Probleme und kann zu erheblichen Nachteilen führen.

Die Art und Weise der Notenvergabe führt zwangsläufig zu Ungerechtigkeit und Klagewellen. Für uns Sozialdemokraten steht fest: Das Arbeits- und Sozialverhalten sollte zweifellos ein Bestandteil der Zeugnisse sein, allerdings in textlicher Form als Beurteilung, nicht als Ziffer. Es kann außerdem nicht angehen, dass die öffentlichen Schulen Kopfnoten vergeben müssen, die kirchlichen Schulen aber nicht. An der Stelle kann ich dem Antrag der Grünen nur zustimmen, meine Damen und Herren: Dieses Zwei-Klassen-System muss vom Tisch.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Bestätigen, ja sogar bekräftigen kann man im Übrigen auch die Forderung der Kolleginnen und Kollegen zu den Anmeldezahlen. Mangelnde Anmeldezahlen zwingen zu Verbünden, und das nicht nur im ländlichen Raum. Auch in Großstädten werden aufgrund sinkender Schülerzahlen Haupt- und Realschulen einzügig oder können gar nicht gehalten werden. Hier ist die Ignoranz der Koalitionsfraktionen nicht zu überbieten, wenn es darum geht, Konzepte – sprich Horstmar/Schöppingen – anzuerkennen und endlich, zum jetzigen Zeitpunkt, die längst fällige Umstrukturierung unserer Schullandschaft vorzunehmen. Aber dazu fehlt Ihnen ja leider der Mut, meine Damen und Herren.

Wir brauchen ein Schulsystem, das niemanden zurücklässt, ein Bildungssystem, das unsere Kinder nicht aussortiert oder in Sackgassen lenkt. Ein

Bildungssystem muss her, das unsere Kinder nicht zu Verlierern abstempelt.

Die kürzlich veröffentliche Bertelsmann-Bildungsstudie gibt uns natürlich recht. Laut Umfrage hält fast die Hälfte der befragten Bundesbürger das deutsche Bildungssystem für überholt und ungerecht.

Die Mehrheit der Befragten sprach sich für ein längeres gemeinsames Lernen aus.