Das ist die Wahrheit. Deshalb sage ich Ihnen eines, Herr Minister: An Ihrem Tun werdet ihr sie erkennen. Das Tun dieser Landesregierung in der Integrationspolitik kommt an den seltensten Stellen über Symbolpolitik hinaus. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik steht – manchmal nicht zu Unrecht – im Verdacht, kurzatmig zu sein, nach der schnellen positiven Schlagzeile zu jagen und dem Schwierigen, dem Bohren dicker Bretter, auszuweichen. Heute ist ein Tag, an dem wir uns Rechenschaft darüber ablegen können, dass dieses Zerrbild falsch ist. Heute stehen wir an einem Meilenstein, von dem aus sich ein langer, schwieriger, den Berg hinaufführender Weg ermessen lässt. An ihm können wir sehen, wie weit wir bisher gekommen sind, und von ihm aus können wir auch einen Blick auf die noch vor uns liegende Wegstrecke werfen. Der Meilenstein, von dem ich spreche, ist der eben vom ersten Integrationsminister eines Bundeslandes vorgestellte Integrationsbericht.
Anders als seine von Rot und Grün zu verantwortenden Vorgänger es manchmal taten, verläuft er sich nicht ab und an im Wolkenkuckucksheim, sondern er beschreibt die Fakten erstmals so genau, wie wir sie durch den Mikrozensus bekommen konnten. Er ist umfangreich, materialreich und überaus realistisch. Er bezeichnet zahlreiche Erfolge, nennt aber auch die ungelösten Probleme. Kurz: Er ist ein Spiegel der Politik dieser Landesregierung. Sie redet nicht nur, sie handelt auch, Handlungsprosa statt Verballyrik.
Sie hat den Mut, sich an ihren eigenen Ansprüchen messen zu lassen. Der Integrationsbericht tut nämlich genau das. Für die mit ihm verbundene Arbeit und für die ehrliche Beschreibung der Dinge, die noch zu tun sind, will ich unserem Integrationsminister Armin Laschet, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ganz besonders Thomas Kufen, dem Integrationsbeauftragten der Landesregierung,
Wir stehen an diesem Meilenstein und blicken zunächst zurück. Die Integrationspolitik der rotgrünen Jahre war von ehrenwerter Gesinnung geprägt, aber unglaublich naiv. Das war damals bei vielen die Zeit der wolkigen Reden, des Traums von Multikulti. Integration, das war für manch einen nicht mehr als das sprichwörtliche Grillfest mit Folklore aus vieler Herren Länder.
Aber auch wir von der CDU waren damals naiv – auf andere Weise. Wir haben zu lange nicht erkannt, dass Deutschland längst auf dem Weg war, ein Einwanderungsland zu werden. Wir haben auch, wenn wir uns mit Fragen der Integration beschäftigten, hier die Deutschen und dort die Ausländer gesehen. Diese Jahre waren in der Integrationspolitik für die politischen Lager kein Ruhmesblatt in diesem Land.
Die enorme Größe der Aufgabe, an der wir zu lange vorbeigeschaut haben, lässt sich mit einer einzigen Zahl fassen: Fast jeder vierte Mensch, der heute in Nordrhein-Westfalen lebt, hat eine Zuwanderungsgeschichte. Integration ist also wahrscheinlich die politische Generationenfrage schlechthin.
Ich bin froh und stolz, dass sich diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen den dramatischen Herausforderungen sofort nach der letzten Wahl gestellt haben. Von unseren überholten Vorstellungen hatten wir uns – anders als RotGrün – schon in der letzten Legislaturperiode verabschiedet, und in dieser haben wir die Dinge so mutig angepackt und so kräftig nach vorne getrieben wie wohl in keinem anderen Bundesland.
Der Weg, den wir gehen, ist von großem Realismus geprägt. Wir haben akzeptiert, dass wir mit der einfachen Unterscheidung „Hier Deutsche – dort Ausländer“ nicht weiterkommen. Wir haben verstanden, dass die Gesellschaft in unserem Land nur dann zukunftsfähig sein wird, wenn es uns gelingt, die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte fest an unsere Gesellschaft zu binden, sie zu ihrem integralen Bestandteil zu machen.
Wir haben auch – da mussten wir bei etlichen von Rot und Grün viel Überzeugungsarbeit leisten – dafür gesorgt, dass die Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden. Die Debatten und die Beschlüsse in diesem Haus haben in den letzten Jahren aber erfreulicherweise auch gezeigt, dass vieles gemeinsam getragen worden ist.
Für die ebenso zentralen wie heiklen Aufgaben einer neuen Integrationsoffensive 2 und der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts haben sich die vier Fraktionen ein gemeinsames Vorgehen fest versprochen. Das ist gut, und davon könnten sich andere Länder eine Scheibe oder auch zwei Scheiben abschneiden.
Auch bei den übrigen Themen, wo wir uns mal mehr, mal weniger streiten mögen, wissen wir doch, dass wir im Grundsatz gemeinsam unterwegs sind. Aber leider verlassen immer wieder ungezogene Kinder den sicheren Weg und verirren sich aus niederen Beweggründen im Unterholz.
Wer – wie Sie, Frau Löhrmann – aus den im Integrationsbericht belegten Bildungserfolgen von eingebürgerten Zuwanderern den arg wohlfeilen Schluss zieht, wir bräuchten einfach mehr Gesamtschulen in unserem Land, der instrumentalisiert. Wir können gerne über die Schulform Gesamtschule reden – gerne auch positiv, weil sie sich ja in besonderem Maße bemüht, möglichst viele Kinder aus Zuwandererfamilien zu einem möglichst hohen Bildungsabschluss zu führen.
Aber wer die Generationenaufgabe Integrationspolitik dafür missbraucht, verzweifelt nach Munition in schulpolitischen Fragen zu suchen, der verfehlt das Klassenziel.
Meine Damen und Herren, der Integrationsbericht beschreibt den von uns initiierten Paradigmenwechsel zum Fördern und Fordern. Ich kann hier nicht alle 20 Handlungsfelder des Aktionsplans anführen. Jedenfalls gilt: Wir haben die integrationspolitische Infrastruktur zielgerichtet modernisiert und ausgebaut – von den Familienzentren bis zu den Ganztagsangeboten, von den Zertifikatskursen Deutsch bis zum Programm KOMM-IN NRW, von den RAAs bis zur Förderung der Migrantenselbsthilfeorganisationen, von der Kultur bis zum Sport.
Und wenn es auch bei der Erfassung des Sprachstands aller Kinder zwei Jahre vor der Einschulung zunächst Anlaufschwierigkeiten gab – ja, das ist aber immer noch hundertmal besser als das Nichtstun früherer Jahre.
Wie viel Zehntausende von jungen Menschen in diesem Land hätten heute einen höheren Grad von Integration, wenn wir schon früher und ge
Jedenfalls wird der entscheidende rote Faden immer wieder sichtbar: Ohne Bildung keine Integration! Ich füge hinzu: Ohne die Emanzipation der Töchter, der jungen Frauen, auch keine Integration!
Mit diesem Satz bin ich natürlich bei dem, was noch nicht zufriedenstellend erreicht ist. Auch die Zuwanderung Hochqualifizierter bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Reform des Zuwanderungsgesetzes reicht eben noch nicht.
Auch der Rückgang bei den Einbürgerungszahlen macht mir Sorgen. Halten wir doch bitte fernab von all den typisch deutschen Prinzipienreitereien in dieser Frage fest: Einbürgerung ist weder Beginn noch Abschluss der Integration, aber sie funktioniert wie ein Integrationsturbo. Die Einbürgerung ist das bewusst vorgenommene und durch eigene Integrationsleistungen bezeugte Ja zu einem wirklichen Miteinander. Bitte, Herr Minister Laschet, lassen Sie sich also nicht beirren mit Ihrem Werben, und werben Sie weiter für die Einbürgerung!
Es ist scheinbar widersprüchlich. Auf der einen Seite droht, dass wir viele Kinder mit Zuwanderungsbiographie verlieren, weil sie aufgrund ihrer familiären Verhältnisse keine wirkliche Chance haben, die Schule erfolgreich zu bestehen. Gleichzeitig sind die Bildungskarrieren von eingebürgerten Zuwanderern eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen.
Diese beiden Extreme verdeutlichen die Größe der Aufgabe und die doch gleichzeitig vorhandenen Chancen, sie zu bewältigen. Sie machen Angst und Mut zugleich. Sie zeigen auch den Schlüssel, der in eine erfolgreiche Zukunft führt. Diejenigen Zuwanderer, die nicht in Abwehrhaltung verharren, sondern sich, ohne ihre Identität dabei aufzugeben, unserer Gesellschaft öffnen, sie annehmen, die machen ihren Weg. Genau hier müssen wir ansetzen: Fördern und fordern, helfen, helfen und noch mal helfen. Denn hier liegt auch der Schlüssel für unsere Zukunft.
Dabei tragen die Organisationen der Zuwanderer eine enorme Verantwortung. Natürlich dürfen und sollen sie die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Aber das tun sie nur wirklich, wenn sie ihnen den Weg in unsere Gesellschaft öffnen und nicht neue Mauern errichten.
ich ein hochkomplexes Beispiel auswähle –, ist die Frage des islamischen Religionsunterrichts. Mit unserer bundesweit beispielhaften Integrationspolitik haben wir gerade an dieser Stelle alle Türen geöffnet. Aber bisher sind nur die Aleviten hindurchgegangen; die anderen dürften, ja, sollten auch, aber sie zögern. Das muss nicht sein. Wir erbitten nicht nur den Dialog, wir fordern ihn auch, gerade im Interesse der betroffenen Menschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dem Meilenstein, an dem wir stehen, wird der Blick auch in die Zukunft gelenkt. Der Weg ist vorgezeichnet, aber wir kennen noch nicht jede Kurve. Bewältigen werden wir ihn nur, wenn alle mitmachen, auch in diesem Haus, und sich nicht im KleinKlein ergehen.
Lassen Sie uns nicht träumen, lassen Sie uns realistisch sein! Lassen Sie uns den Mut aufbringen, uns immer wieder Rechenschaft abzulegen! Wenn wir das schaffen, dann brauchen wir die Zukunft nicht zu fürchten. Dann werden wir erfolgreich sein, alle gemeinsam. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Dieser Integrationsbericht der Landesregierung ist ohne Zweifel ein Schlüsseldokument unserer integrationspolitischen Debatte. Er enthält objektive Zahlen, er enthält eine Darstellung der unterschiedlichen integrationspolitischen Maßnahmen, die diese Koalition eingeleitet hat. Vor allen Dingen aber führt er neue Methoden in die Debatte ein.
Ich will dabei insbesondere die Unterscheidung zwischen Zuwanderern, die eingebürgert sind, und Zuwanderern, die nicht eingebürgert sind, hervorheben. Denn durch diese methodische Innovation ist zugleich eine Erfolgsgeschichte in der Integrationspolitik unseres Landes sichtbar geworden. Es ist sichtbar geworden, dass pauschale Vorurteile, die mancher in unserer Gesellschaft noch hegt, gegenstandslos sind.