Mein Vater war Schreiner. Ich gehöre also zum Bildungsreservoir des ländlichen deutschen Katholizismus. Meine Geschwister und ich waren bei uns zu Hause die ersten, die zum Gymnasium gehen und Abitur machen durften. Ich bin auch deshalb auf mein Abitur stolz, weil ich aus kleinen Verhältnissen kam und es geschafft habe, ein Abitur mit einem vernünftigen Durchschnitt hinzulegen. Darauf bin ich stolz.
Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie in der Diskussion um die Gesamtschule sagen, für die Gesamtschüler benötigen wir pauschal einen Sozialabschlag und weniger Leistung, dann diskriminieren Sie alle Aufsteiger.
Es macht doch keinen Sinn, die Fakten gesundzubeten. Sie können mir wahrlich nicht vorwerfen, ich sei ein „Gesamtschultaliban“, wie ich es vorhin gehört habe. Sie wissen, dass ich das sehr diffe
renziert sehe. Sie versuchen jetzt, durch ein Riesentrara und eine Emotionalisierung, Fakten zu verdrängen. Das wird Ihnen in der Sache nicht helfen. Es macht nur Sinn, ein gleichwertiges Abitur für alle zu erreichen und nicht sozial zu diskriminieren.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Dumme Polemik war nur Ihr letz- ter Wortbeitrag!)
Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Pieper-von Heiden das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie wollten das Chaosabitur heraufbeschwören. Es ist das beste Abitur aller Zeiten seit der Aufzeichnung im Jahr 1992 geworden. Dies ist kein Traum, sondern eine Evaluation. Es sprechen also nackte Zahlen.
Die Durchfallerquote ist um einen Prozentpunkt von 3,6 % auf 2,6 % gesenkt worden. Das ist schön und erfreulich. Der Notendurchschnitt hat sich leicht verbessert.
Am Gymnasium liegt der Durchschnitt bei 2,59 und an der Gesamtschule bei 2,87. Das ist in der Tat eine Differenz von nur 0,28. Aber die Differenz der Abiturklausuren zu den Vornoten beträgt an den Gesamtschulen nicht 0,3 % sondern fast 3 %. Das muss deutlich gesagt werden. Die Vornoten fließen mit 80 % in die Bewertung ein. Die Abiturklausuren fließen nur mit 20 % ein. Das heißt, die Gesamtschüler haben mehr von den besseren Vornoten profitiert, als es den Gymnasiasten möglich war.
Die Abiturienten am Gymnasium haben in den Abiturklausuren im Schnitt besser abgeschnitten, als die Vornoten auswiesen. Sie sind somit nur zu den 20 %, die der Anteil der Abiturklausuren ausmacht, besser bewertet worden. Zu 80 % hatten
Wenn Sie soziale Gerechtigkeit schaffen wollen, die auch wir definitiv wollen – wir sorgen auch dafür, dass wir sie bekommen –,
dann ist diesen Schülern nicht damit geholfen, dass man sie während der Qualifikationsphase weicher und nachsichtiger beurteilt. 3 % kann man tatsächlich als Notenkosmetik bezeichnen. Ihnen wäre mit rechtzeitigen Unterstützungsmaßnahmen geholfen. Das machen wir nun an den Gesamtschulen.
Die Gesamtschulen sind zu fast 100 % Ganztagsschulen. Die Gesamtschüler werden weiterhin nach neun Jahren das Abitur abgelegen. Sie werden 25 Wochenstunden mehr haben als die Gymnasiasten. Wenn die Qualität der Oberstufe an der Gesamtschule damit immer noch nicht gesteigert werden kann, ist es genau die richtige Maßnahme, wenn die Schulministerin Hilfs- und Fortbildungsmaßnahmen für die Gesamtschulen auf den Weg bringt, um diesen Schülern zu ermöglichen, tatsächlich ein gleichwertiges Abitur abzulegen bzw. leistungsgerecht beurteilt zu werden.
Die Endnote hat um knapp 0,3 % differiert. Es ist aber mehr. Sie müssen die Vornoten im Blick haben. Das haben wir jahrelang als Notenkosmetik enttarnt. Dagegen haben Sie sich immer gewehrt. An den Gesamtschulen fallen mit 6,7 % sehr viel mehr Schüler durch das Abitur als an den Gymnasien. Das ist wirklich dramatisch. Mehr als 40 % der Gesamtschüler scheitern in der Oberstufe, indem sie früher abgehen oder die leichtere Fachhochschulreife ablegen.
Hinzu kommt die Durchfallerquote von fast 7 % an den Gesamtschulen. Sie müssen konzedieren, dass an den Gesamtschulen fast 50 % der Schülerinnen und Schüler nicht erfolgreich sind.
Das ist so. Diese Zahl ist nicht hinnehmbar. Daran müssen wir arbeiten. Das leuchtet Ihnen doch auch ein.
Ich muss Frau Ministerin Sommer wirklich unterstützen. Es kann doch nicht sein, dass man alles mit der sozialen Herkunft und mit Bildungsferne entschuldigt. Das geht nicht. Man muss dagegen arbeiten. Man muss diese Schüler unterstützen.
Sie sind genauso intelligent, benötigen aber Motivation und müssen ihre Kreativität entfalten. Diese Anlagen muss man durch Förderung in Leistung umsetzen. Anders geht das nicht. Sie können doch auch keine Firma leiten und sagen, sie liegt in einem schwachen sozialen Umfeld, deswegen sind die Produktionsergebnisse schlechter; die werden keinen Absatz am Markt finden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang mit Erlaubnis des Präsidenten ein sehr zutreffendes Zitat von Jens Voss von der „Rheinischen Post“ bringen.
zeigt aber, warum das Zentralabitur dennoch als sinnvoll zu verteidigen ist. Es schafft Vergleichbarkeit, die etwa Überforderung von Schülern überhaupt erst erkennbar macht. Ähnliches gilt für die Unterschiede zwischen Gymnasien und Gesamtschulen. Peinlich für die Gesamtschulen ist ja nicht, dass ihre Schüler einen etwas schlechteren Schnitt haben – …
… das mag auf eine schwierige Schülerstruktur zurückzuführen sein. Peinlich ist, dass Gesamtschul-Lehrer ihre Schüler offenbar positiver benoten als Gymnasiallehrer – …
… anders sind … Abweichungen … nicht zu erklären. Erst im Zentralabitur ist dann Schluss mit dem schönen Noten-Schein.
(Beifall von Ralf Witzel [FDP] und Rudolf Henke [CDU] – Zuruf von der SPD: Schluss mit Pieper-von Heiden!)