Sie wagen es, mir zu unterstellen, ich würde eine Schulform diskreditieren. Das Gegenteil ist der Fall. Ich lege meine Hände nicht in den Schoß. Ich will und ich werde den Gesamtschulen helfen.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Verdammt ist Ihre Politik! Links blinken, rechts abwinken!)
Ich weiß, wie schwer die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer vor Ort ist. Ich weiß aber auch, dass ich auf sie zählen kann. Ich verlasse mich darauf, dass sie ihr Bestes geben, und sie wiederum können sich darauf verlassen, dass sie in ihrer Aufgabe unterstützt werden.
Ich fasse zusammen: Erstens. Seit Einführung des Zentralabiturs beobachten wir an Gymnasien und Gesamtschulen einen auseinandergehenden Trend bei den Abiturdurchschnittsnoten.
Zweitens. Der Anteil der nicht bestandenen Abiturprüfungen ist an Gesamtschulen um ein Vielfaches höher als an Gymnasien.
Drittens – auch das sollte man nicht vergessen –: Im Leistungskurs Mathematik und nicht etwa in Deutsch schrieben über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler an den Gesamtschulen eine 4 minus oder schlechter. Diese Fakten werden wir nicht länger ignorieren.
Ich werde nicht tolerieren, dass die Gesamtschulen ihre Schülerinnen und Schüler nicht auf das gleiche Niveau führen können wie die Gymnasien.
Ich kann nicht nachvollziehen, wenn Sie, Frau Schäfer, Frau Beer oder auch Frau Hendricks, sagen, das sei halt so. Ich wiederhole nochmals: Seit Jahren wussten Sie, dass die Gesamtschule ein Problem hat.
Nun wird endlich etwas unternommen. Nehmen Sie sich bitte ein Beispiel an meiner Vorvorgängerin, Frau Gabriele Behler, die ich parteiübergreifend – das sage ich an dieser Stelle auch – als kluge Frau schätze. Sie hat die Probleme auch erkannt und bereits in einem Artikel aus dem Jahre 2005 Folgendes geschrieben – ich zitiere –:
Die offensichtlichen Probleme der Gesamtschulen, die trotz guter Bedingungen unbefriedigende Ergebnisse sowohl in der Leistungshöhe wie bei der Chancengleichheit haben, werden immer wieder geleugnet.
Meine Damen und Herren, wir wollen alles daransetzen, die Ergebnisse der Gesamtschüler zu verbessern. Unser Land braucht mehr Abiturientinnen und Abiturienten mit noch besseren Leistungen. Wir brauchen gerade auch junge Menschen für die naturwissenschaftlichen Bereiche. Es muss jetzt darum gehen, Probleme zu analysieren, Unterstützung zu geben und übergreifend Standards zu sichern.
Das tun wir. Damit geben wir den Gesamtschulen und ihren Schülerinnen und Schülern bessere Zukunftschancen.
Ideologische geprägte Strukturfragen sind für den Bildungserfolg weit weniger bedeutend, als es das politische und mediale Tamtam so oft suggeriert. Wichtig ist eben auf’m Platz, sprich: Qualität und Intensität des Unterrichts und der vorschulischen Bemühungen sind das Entscheidende.
Vielen Dank, Frau Ministerin Sommer. – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Große Brömer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Sommer, als ehemaligem Leiter einer Gesamtschule läuft es mir kalt über den Rücken, wenn Sie Ihre Hilfe anbieten.
Die Gesamtschule in diesem Land braucht nichts weniger als diese Ihre Hilfe, wie Sie sie heute hier demonstriert haben. Die Gesamtschulen brauchen vielmehr eine gerechte, faire Beurteilung ihrer Tätigkeiten. Und davon waren die Regierungsfraktionen, war die Regierung heute sehr weit, Lichtjahre entfernt.
Es ist letztendlich die Frage zu beantworten: Was hat hier eigentlich heute und per Presseinterviews gestern und in den letzten Tagen stattgefunden? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder war es ein vergeblicher Versuch, von dem Chaos abzulenken, das vor den Ferien stattgefunden hat. Wenn es das war, wenn das Ihre Intention war, Frau Ministerin Sommer, sollten Sie sich sofort bei den Gesamtschullehrerinnen und -lehrern, bei den Schülerinnen und Schülern und bei den Eltern entschuldigen, weil sie für Ihre eigenen Interessen missbraucht worden sind.
Oder aber – das wäre die zweite Möglichkeit – Sie sind mittlerweile an der Leine der Bildungsideologen Ihres kleinen Koalitionspartners und werden selbst für diese – danke schön für das Wort, Kollegin Beer – Taliban-Bildungspolitik aus dieser gelben Scheinfraktion instrumentalisiert.
Dann sollten Sie sich aber, Frau Ministerin Sommer, selbst die Frage stellen, ob Sie sich das wert sind.
Kollege Witzel, Sie haben eben einen Zwischenruf mit den Worten begonnen: in meinem Wahlkreis. Sie haben es immer noch nicht gemerkt, Herr Witzel: Sie haben gar keinen Wahlkreis.
Sie wohnen vielleicht in einem. Aber Sie haben keinen. Sie werden auch nie einen bekommen, wenn Sie so weitermachen.
Was ist Fakt bei dieser traurigen Veranstaltung der Regierungskoalition in den letzten Tagen? Ich will das in Erinnerung rufen und versuchen, geradezurücken, worum es eigentlich geht.
Nach jahrelangen Diffamierungen und nach jahrelangen Vorurteilen ist es endlich so weit, dass zum zweiten Mal in einem Zentralabitur allen Schülerinnen und Schüler in diesem Land, die das Abitur ablegen wollen, die gleichen Prüfungsaufgaben gestellt werden, sodass es gleiche Fragen, gleiche Anstrengungen und gleiche Ansprüche gibt.
(Ministerin Barbara Sommer sitzt nicht auf der Regierungsbank. – Hannelore Kraft [SPD]: Die Ministerin hört gar nicht zu! – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie wird gerade beraten! – Hannelore Kraft [SPD]: Was ist das für ein Respekt vor dem Parla- ment? – Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Schulministerin hat sich der Diskussion ent- zogen! – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP]: Das ist absurd! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)
Es ist doch sehr erstaunlich, dass die handverlesene Schülerschaft an den Gymnasien in diesem Land, die handverlesen von der Grundschule ans Gymnasium gewechselt hat und die jahrelang bis hin in die Klasse 13 aussortiert worden ist, einen Abiturdurchschnitt bekommt, der noch nicht einmal eine Drittelzensur besser ist gegenüber den Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen, die eine heterogene Schülerschaft, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und Elternhäuser mit einem ferneren Bildungshorizont haben.
Wer diesen Fakt wertneutral und gerecht beurteilen möchte, Kollege Witzel, müsste ein dickes Lob an die Gesamtschulen aussprechen. Er müsste sich Sorgen wegen der Scheinelite an den Gymnasien machen,
Diese Frage muss eigentlich von Ihnen beantwortet werden. Ich glaube, dass das noch einen Schritt weiter geht. Lassen Sie uns zum bemerkenswerten Interview von Frau Sommer in der „WAZ“ zurückkommen, das heute erschienen ist. Zum Beispiel steht dort im letzten Absatz dieses Berichts über Frau Sommer:
Ihr Ziel sei, dass Schüler an Gesamtschulen das Abitur mit mindestens so guten Noten schaffen wie an Gymnasien.