Ja, Integration beginnt immer mit Sprache, mit Bildung und mit Arbeit. Nordrhein-Westfalen ist das erste und einzige Land, das Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive flächendeckend schon in den Ersteinrichtungen Begleitung, Berufsberatung und Basissprachkurse anbieten kann. So viel zur Behauptung, andere Bundesländer seien bei der Integration ehrgeiziger als wir. Das sind sie nicht, meine Damen und Herren!
Ja, Nordrhein-Westfalen ist das Pionierland einer vorbeugenden Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik, und nie war vorbeugende Bildungspolitik wichtiger als heute. Wir kümmern uns um die Infrastruktur. Deshalb investiert beispielsweise Lanxess in dreistelliger Millionenhöhe an seinen Standorten in Nordrhein-Westfalen – im Vertrauen auf unsere vernünftige, vorbeugende Wirtschaftspolitik.
Ich komme noch einmal auf die junge Frau aus dem Kreis Soest zurück. Warum hat sie den Verdacht, die Politik würde die wahren Kosten verschweigen? Was steckt dahinter? – Es ist der Eindruck, die Politik würde sich nur noch um Flüchtlinge kümmern. Es ist schlicht und einfach die Angst, wir würden ihre Sorgen – also die Sorgen dieser jungen Frau – und ihre Probleme aus den Augen verlieren. Werden die Mieten jetzt noch weiter steigen? Geht die Aufnahme von Flüchtlingskindern zulasten der Bildungschancen ihrer eigenen Kinder?
Um es vorwegzunehmen: Der Eindruck, die Politik würde sich nur noch um das Thema „Flüchtlinge“ drehen, ist falsch. Aber ich verstehe, warum er entsteht. Denn in den öffentlichen Debatten scheint es ja um nichts anderes mehr zu gehen. Die hohen Flüchtlingszahlen sind für uns der Anlass, um Zukunftsinvestitionen, Initiativen und Programme auf den Weg zu bringen, die allen Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen zugutekommen.
Wohlgemerkt, die Flüchtlingszahlen sind der Anlass, nicht der Grund; denn in einem Punkt hat die junge Frau aus dem Kreis Soest doch recht: Alle Menschen in unserem Land brauchen Arbeit, Bildung und bezahlbare Wohnungen, und es gibt immer noch zu viele, die von all dem zu wenig haben.
Aus diesem Grund werden wir den Wohnungsmarkt nicht mehr länger sich selbst überlassen. Der Trend zu stetig steigenden Mieten muss gebrochen werden. Die öffentliche Hand muss im Wohnungsbau wieder mitmischen und dort, wo die Nachfrage das Angebot überragt, für einen Ausgleich sorgen.
Wir haben im Bund ein 500-Millionen-€-Programm für den sozialen Wohnungsbau durchgesetzt, und wir drängen jetzt auf Verbesserungen der steuerlichen Anreize für private Investitionen.
Das Land selbst geht in die Offensive. Die Landesregierung startet eine Wohnungsbauinitiative, die ihresgleichen sucht. Unser Ziel ist es, in nur wenigen Jahren 120.000 Neubauwohnbungen in Nordrhein-Westfalen zu errichten.
Zudem erhöhen wir unsere Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und innere Sicherheit. Wir werden im kommenden Jahr fast 2.000 zusätzliche Stellen für Polizeianwärter schaffen – mehr als je zuvor in einem Haushaltsjahr und mehr als die schwarzgelbe abgewählte Rüttgers-Regierung in ihrer gesamten Regierungszeit zustande gebracht hat, meine Damen und Herren.
Wir werden fast 5.800 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer einstellen – ebenfalls ein Rekordwert. Im Jahre 2016 werden wir an den Schulen unseres Landes weitere 22.500 Plätze für den offenen Ganztag einrichten. Ab 2016 ist darüber hinaus eine weitere dynamische Steigerung der Landeszuschüsse für offene Ganztagsschulen vorgesehen.
Das Gleiche gilt für die Kostenpauschale für unsere Kitas aus Landesmitteln, Herr Kollege Laschet. Auch hier werden wir die Dynamisierung auf 3 % pro Jahr verdoppeln, und jeder Euro, der bisher für das unvernünftige und verfassungswidrige Betreuungsgeld aufgewendet wurde, fließt ab 2016 in die frühkindliche Bildung. Das sind bis zum Kindergartenjahr 2018/2019 insgesamt mehr als 580 Millionen € zusätzlich für Ausbau und Unterhalt unserer Kitas. Ich wiederhole: mehr als 580 Millionen € zusätzlich, meine Damen und Herren!
Die gesamten Landesausgaben für die Kindertagesbetreuung steigen im kommenden Jahr auf 2,6 Milliarden € – doppelt so viel, Herr Kollege Laschet, wie noch 2010. Doppelt so viel, Herr Kollege Laschet!
Damals gab es in Nordrhein-Westfalen noch Zehntausende Eltern – das betraf vor allem Mütter –, die im Berufsleben bleiben oder dorthin zurückkehren wollten. Aber sie konnten es nicht. Sie mussten auf Einkommen verzichten oder gar Sozialleistungen beziehen, weil es nicht genügend Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren gab. Die gibt es jetzt, Herr Kollege Laschet. Seit 2013 erfüllen wir den Rechtsanspruch
werden es über 170.000 Betreuungsplätze sein. Das ist ebenfalls eine Steigerung um fast 100 % im Vergleich zu 2010, Herr Kollege Laschet.
Alle diese Initiativen und Investitionen werden unser Land stärker, gerechter und auch sicherer machen. Das gilt unabhängig davon, wie viele der Menschen, die zu uns kommen, tatsächlich auf Dauer bleiben werden. Einwanderungsgesellschaften sind langfristig sowieso dynamischer, innovativer und auch wirtschaftlich stärker als Länder, die glauben, sich abschotten zu müssen.
Es ist gut möglich, dass man die Einwanderung in 15 Jahren ein „Geschenk der Geschichte“ nennen wird, ein Geschenk, mit dem wir dem demografischen Wandel ein Schnippchen schlagen konnten. Zur Wahrheit gehört aber auch – ich will das gar nicht verschweigen –, dass die Aufnahme, die Unterbringung und die Integration von Flüchtlingen zunächst viel Geld kosten werden.
Wäre die Zahl schutzsuchender Menschen in diesem Jahr nicht so stark gestiegen, dann hätten wir schon im kommenden Jahr das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts erreichen können. Das ist leider nicht möglich. Dennoch: Die Neuverschuldung sinkt weiter – und das, obwohl wir die Ausgaben für die Flüchtlingshilfe von 2 Milliarden € auf 4 Milliarden € erhöhen werden.
Ja, unser Land ist stark, und unsere Finanzen sind gesund. Wir können es uns leisten, jetzt zu helfen. Das ist entscheidend.
Und weil wir es können, müssen wir es auch tun, müssen wir auch helfen. Frauen, Männer und Kinder zu schützen, die durch Terror und Fassbomben aus ihrer Heimat vertrieben wurden, ist für uns eine moralische Pflicht. Für Christen ist das eine Frage der Nächstenliebe, für Menschen, die nicht glauben, eine Frage der Humanität.
Ich glaube, ich spreche auch für unsere europäischen Freunde in Schweden und in Österreich, wenn ich mit Blick auf Europa eigentlich Selbstverständliches betone. Nicht diejenigen, die helfen,
Ich sage daher heute an die Adresse der vielen, vielen Tausend Helferinnen und Helfer in unserem Land gerichtet: Herzlichen Dank für Ihren Einsatz. Herzlichen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft. Sie sind die wahren Helden des Alltags, meine Damen und Herren!
Ja, es ist wahr: Nicht jeder, der zu uns kommt, wird bleiben können. Es ist auch wahr, dass wir nicht auf Dauer Jahr für Jahr 1 Million Menschen aufnehmen können. Wir müssen dafür sorgen, dass weniger Menschen zu uns fliehen wollen und zu uns fliehen müssen. Wer aber glaubt, dieses Problem durch Obergrenzen lösen zu können, der erliegt einer vergifteten Versuchung; denn diese Obergrenzen wären am Ende nur mit Stacheldraht und Wasserwerfern an unseren Grenzen durchzusetzen.
Was stattdessen jetzt von uns verlangt wird, hat Helmut Schmidt „pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken“ genannt. Ja, unsere Werte verlangen nach Haltung. Konkrete Probleme verlangen nach pragmatischen Lösungen. Was wir jetzt aber nicht benötigen, sind Scheinlösungen für Scheinprobleme.
Damit, Herr Kollege Laschet, bin ich beim sogenannten Abschiebeplan der CDU. Lieber Herr Laschet, der Vorwurf des Organisationsversagens weiß uns aufgrund seiner unfreiwilligen Komik durchaus zu unterhalten. Schließlich wird er ja vom größten Organisationstalent dieses Landtags vorgetragen.
Herr Kollege Laschet, abgesehen davon ist dieser Vorwurf in der Sache schlicht falsch und im Stil einfach schlecht.