Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Sie von der CDU waren nicht da. Das muss man auch sagen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie auch nicht!)

Die SPD war da. Natürlich.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nein! Sonst wür- den Sie nicht so einen Unsinn erzählen!)

Natürlich war die SPD da. Das lässt sich auch leicht anhand des Protokolls nachweisen, Herr Stamp. Die CDU konnte es nachlesen; das war der Vorteil von Herrn Wüst. Es gibt ein sechsseitiges Protokoll, also eine gemeinsame Erklärung der Sozialpartner und der beiden Minister, in der alles genau aufgelistet ist. Insofern hätten Sie es leicht gehabt, Herr Wüst, abzugleichen, welche Ihrer Forderungen längst erledigt sind; so laufen Sie in der Tat der Musik hinterher. Wir sind im Grunde genommen bei dem Punkt, bei dem wir schon vorher waren. Da hat sich nicht viel geändert.

Zweite Bemerkung – jetzt ist Herr Preuß auch noch hinausgelaufen, glaube ich –: Neuerdings stellt die Mittelstandsvereinigung der CDU die Anträge zur Arbeitsmarktpolitik, nicht mehr der Sozialflügel. Das ist auch bemerkenswert.

(Hendrik Wüst [CDU]: Zwischen Herrn Preuß und Herrn Wüst passt kein Blatt Papier!)

Da bin ich gespannt. Das hätte ich gerne herausgefunden, aber er ist nicht mehr im Saal. Herr Kern ist auch nicht mehr anwesend. Die Vertreter der CDA sind alle abwesend. Vielleicht konnten sie es doch nicht so gut ertragen.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Sie beschäftigen sich ja ganz schön intensiv mit der CDU!)

Bemerkenswert war zum Beispiel folgender Satz, der mir als Gewerkschafter sofort auffiel: Bei der Leiharbeit wollen wir nicht in die eine Richtung, sondern in die andere Richtung gehen. – Sie haben dabei nicht erwähnt, wie die andere Richtung aussehen mag, aber ich fürchte, dass die die Richtung, in die die Mittelstandsvereinigung gehen will, nicht im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Spannender wäre es gewesen, Sie hätten einmal gesagt, was genau Sie wollen.

Klar ist: Sie wollen keine Verbesserungen bei der Leiharbeit, also die Bestrebungen im Bund, die Leiharbeit zum Ausnahmetatbestand und nicht zum Regeltatbestand zu machen, sondern Sie wollen in die andere Richtung. Es wäre interessant, ob ihr Redebeitrag im Protokoll in den CDU-Sozialausschüssen gelesen wird. Das ist eine spannende Position, die hier für die CDU vorgetragen worden ist.

Insgesamt ist es auch spannend, dass Sie als Mittelstandsvereinigung diesen Antrag stellen. Was Sie nicht erwähnt haben, war vielleicht wirklich nicht so populär. Ihnen fällt als Erstes immer der Mindestlohn ein. Also, die Flüchtlinge sollen vom Mindestlohn ausgeschlossen werden.

(Hendrik Wüst [CDU]: Wenn sie ein Prakti- kum machen!)

Da könnte Herr Stamp sofort auf Ihre Seite gehen; dann haben wir direkt ein paar Diskussionen hinter

uns. Die FDP macht das auch. Egal, bei welchem Thema wir sind: Ihnen fällt immer als Erstes ein, dass der Mindestlohn ausgesetzt werden muss. Wahrscheinlich könnten wir auch über die Bienenzucht oder Bienenhaltung diskutieren, da würde Ihnen auch direkt einfallen, dass erst einmal der Mindestlohn ausgesetzt werden muss. Dieser Reflex wird dann wieder bedient.

Der dritte Punkt – den haben Sie nicht erwähnt, aber er steht im Antrag – sind Praktika. Auch da gibt es bestimmte Bestrebungen, dass man die Anzahl unbezahlter Praktika – also eine Praktikantenwelle, ein Praktikantenunwesen – herunterfährt. Da wollen Sie offensichtlich auch in die andere Richtung.

Fürs Protokoll: Jetzt hört mir Herr Wüst gar nicht mehr zu. Er vergnügt sich jetzt anderweitig,

(Astrid Birkhahn [CDU]: Das kann man ihm auch nicht verübeln!)

obwohl er vor mir geredet hat.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Sie erzählen ja auch nichts!)

Ich habe mich zumindest mit dem auseinandergesetzt, was er gerade vorgetragen hat. Das gehört eigentlich auch zu einer Debatte dazu.

Damit wird klar, dass es nicht um Arbeitsmarktpolitik geht, sondern darum, bestimmte Dinge runterzufahren, die reflexartig bei der CDU stattfinden.

Darüber hinaus stehen in Ihrem Antrag diverse Forderungen zur Bildungspolitik, die zum größten Teil beim Gipfel angesprochen und abgearbeitet worden sind; darauf will ich gar nicht vertieft eingehen.

Ich werde sowieso nicht meine gesamte Redezeit darauf verwenden, zu diesem Antrag zu reden. Herr Kerkhoff kommt noch. Vielleicht kann er gleich etwas korrigieren,

(Zurufe von der CDU)

was Herr Wüst gesagt hat. Immerhin sitzt er im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Verräterisch – das muss man vielleicht auch noch einmal erläutern – war von vornherein, dass Sie Ihren Antrag zur direkten Abstimmung stellen. Irgendein Kollege hat beim vorigen Tagesordnungspunkt gesagt, er finde das gut; denn dann müsse sich der Ausschuss nicht damit beschäftigen. Das ist wahr; das finde ich auch.

Das Bemerkenswerte ist allerdings, dass im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, dem ich auch angehöre, so ziemlich jeder Antrag mit einer Anhörung verbunden wird. Dann werden ganz viele Expertinnen und Experten eingeladen, diese geben ihre Meinung dazu ab, und dann kann man sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das will die CDU bei ihrem Antrag vermeiden. Das wollen Sie nicht.

(Zuruf von der CDU)

Ich verstehe das gut, Herr Wüst. Denn das, was die Expertinnen und Experten zu Ihrem Antrag sagen würden, ist ziemlich absehbar. Um das zu vermeiden, stellen Sie den Antrag zur direkten Abstimmung, sodass gleich abgestimmt wird, und dann werden keine Expertinnen und Experten geladen. So haben Sie die Möglichkeit der kurzen Pressemitteilung und können sich darüber auslassen, wie großartig Sie sich für die Arbeitsmarktpolitik einsetzen und dass die bösen Mehrheitsfraktionen Ihnen hier nicht zustimmen.

Das ist das Ziel, das Sie verfolgen. Ich habe kein Interesse, mich daran zu beteiligen. Deswegen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit, indem ich noch einmal auf Folgendes hinweisen: An dem Tag, als Sie diesen Antrag beschlossen haben, ging es laut der Berichterstattung der „Rheinischen Post“ ziemlich turbulent zu in Ihrer Fraktionssitzung, um es freundlich zu formulieren. In dieser Sitzung haben Sie wohl das Thema „Flüchtlinge“ für sich entdeckt, und Herr Laschet ist dann zuständig für die Abschiebungen; den haben Sie für die Stammtische vorgesehen.

Herr Kuper, der für die Kommunalpolitik zuständig ist, versucht, eine Neiddebatte anzuregen, indem er sagt, dass die Flüchtlinge auf die Kommunen ungerecht verteilt werden. Und jetzt haben Sie bei der Arbeitsmarktpolitik gedacht, das sei seriös. Das ist es aber nicht.

Was aber wirklich in dieser turbulenten Sitzung stattgefunden hat, möchte ich ihnen mit einem Zitat aus der „Rheinischen Post“ schildern. Dort sagte Herr Kruse – ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren –, der wie viele andere dieser Debatte bedauerlicherweise nicht folgt – wohlgemerkt, es ist die Debatte über Ihren eigenen Antrag –:

(Serap Güler [CDU]: Gucken Sie sich mal Ih- re Fraktion an! – Lutz Lienenkämper [CDU]: Gucken Sie mal, wer bei Ihnen noch da sitzt!)

Das ist Ihr Antrag, Herr Lienenkämper, den wir gerade beraten. – Herr Kruse wird jedenfalls mit dem bemerkenswertem Satz zitiert: „Wir haben überhaupt keine Strategie.“ Ich hätte Herrn Kruse, wenn er anwesend wäre, eigentlich antworten wollen: Herr Kruse, da haben Sie recht, das zeigt sich auch in Ihrem Antrag. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Hendrik Schmitz [CDU]: Gott sei Dank!)

Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Velte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mit etwas Positivem zu

beginnen. Das Positive wäre, dass sich die CDU damit beschäftigt, dass die CDU versucht, die Ergebnisse aus den Anhörungen, die in den verschiedenen Ausschüssen – auch zu einem ähnlichen Thema – stattgefunden haben, zu verarbeiten, und dass die CDU das jetzt als Querschnittsaufgabe angeht.

Das alles sind Punkte, wo ich finde, dass es eigentlich ganz gut läuft. Dazu sprechen nicht die Integrationspolitiker – auch nicht die Arbeitsmarkt- bzw. Sozialpolitiker –, sondern die Mittelstandsvereinigung der CDU spricht dazu. Und das ist doch erst einmal …

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU] – Weiterer Zuruf von der CDU: Wo ist das Problem?)

Entschuldigung, Herr Wüst: Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU spricht dazu. Ich finde es ja schön – Sie haben sich ja bei vielen Anträgen enthalten, und Sie haben Anträge zum gleichen Thema abgelehnt –, dass Sie sich mit dem Thema „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ befassen.

Natürlich ist es schade, dass Sie bei der Konferenz mit den Arbeitgeberverbänden, den Handwerkskammern, den Gewerkschaften, den Jobcentern, den Arbeitsagenturen, den Universitäten und dem IQ Netzwerk nicht zugegen sein konnten. Das möchte ich Ihnen nicht vorwerfen. Ich möchte Ihnen aber schon so ein bisschen einen Anstoß geben, sich einmal das durchzulesen, was in dem Papier abschließend steht. Darin sind ja viele Maßnahmen enthalten, die schon durchgeführt werden und auf die Sie sich in Ihren Anträgen in keiner Form beziehen. Das wäre aber hilfreich gewesen; denn könnte man auch sehen, was in diesem Land schon alles geleistet wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es tut mir vor allem auch deswegen leid, dass Sie nicht dabei waren, weil die Themen, die Sie ansprechen – Mindestlohn und Praktika –, an der Stelle überhaupt nicht von Bedeutung waren. Thema war, dass alle Verbände – die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände, die Handwerkerschaften – dargestellt haben, mit welcher Intensität und auch mit welchem Mitteleinsatz sie in diesem Themenfeld tätig sind und wie sehr sie sich darum bemühen – dabei fühlen sie sich, was ich persönlich schon für ein großes Wunder halte, auch eingebunden –, für die Einführung der Integration Points vor Ort zu kämpfen.

In den Integration Points wird ja genau das passieren, was Sie in Teilen Ihres Antrages fordern, nämlich die Koordination und Kooperation aller vor Ort, um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu bewerkstelligen. Deswegen ist es schade – auch wenn das praktisch aus dem Papier trieft und es schon etliche Integration Points in diesem Land gibt –, dass Sie diesen Punkt nicht aufgreifen.

Diese gemeinsame Erklärung zeigt, dass es ein ganzes Land braucht, um mit dieser Herausforderung fertig zu werden, und dass dieses ganze Land auch dasteht, um das zu machen.

An vielen Stellen hört es sich bei Ihnen so an, als würden Sie sagen: Es liegt kein Konzept vor. Das würde ich gerne auch noch einmal mit Herrn Kruse besprechen. Also, wenn Sie keine Strategie haben, heißt das nicht, dass es kein Konzept gibt. Dieses Land hat ein Konzept. Es gibt immerhin auch sehr viel Geld aus, um diesem Konzept zu folgen.

Es gibt viele Instrumente und Möglichkeiten, von denen wir aber – und das halte ich für richtig – sagen, dass sie gut für alle sind, insbesondere wenn sie im Arbeitsmarkt zum Tragen kommen: sowohl für die Langzeitarbeitslosen, vielleicht auch für diejenigen, die den inklusiven Arbeitsmarkt suchen, vor allem aber für die Geflüchteten.

Sie reden – darüber bin ich mir jetzt nicht so ganz im Klaren – von Schutzsuchenden, die keine Erfahrung mit der beruflichen Bildung haben. Damit gehen Sie natürlich vollständig an den anderen Teilen Ihres Antrages vorbei. Denn die Geflüchteten, die zu uns kommen, haben sehr wohl Erfahrung mit beruflicher Bildung. Sie haben aber vielleicht keine Erfahrung mit dem dualen Ausbildungssystem.

Was Ihre Forderung nach Bundesratsinitiativen und anderen Dingen angeht: Es kommt mir im Moment so vor, als würden Sie in NRW Wein predigen und im Bund Wasser verordnen.