Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 103. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich zehn Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte, liebe Frau Hahnen! Liebe Familie Hahnen! Am 9. Januar ist unser geschätzter Kollege Uli Hahnen nach schwerer Krankheit im Alter von nur 63 Jahren verstorben. Traurig und bewegt müssen und mussten auch wir Abschied nehmen von einem lieben Menschen, von dessen Krebserkrankung wir zwar wussten, dessen plötzlicher Tod uns aber doch völlig überrascht und umso mehr erschüttert hat. Ihnen, verehrte, liebe Frau Hahnen, und Ihrer Familie gilt unser Mitgefühl. Ich heiße Sie und Ihren Schwiegersohn in unserer Mitte von Herzen willkommen.
Uli Hahnen war mit ganzem Herzen ein engagierter Politiker. Wir alle kannten ihn vor allen Dingen als Landespolitiker. Er war aber ein Kommunalpolitiker durch und durch. Mit Leidenschaft, großem Engagement und Augenmaß widmete sich Uli Hahnen der Kommunalpolitik in seiner Heimatstadt Krefeld. So war er seit 1994, also über zwei Jahrzehnte, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Krefeld. Die Geschicke der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Krefeld hat er bis zu seinem Tod gelenkt.
Mitglied des Landtags wurde Uli Hahnen mit Beginn der 15. Wahlperiode im Jahre 2010. Er zog auch bei der vorgezogenen Landtagswahl 2012 wieder in den Landtag ein. Beide Male errang er das Direktmandat im Wahlkreis Krefeld I.
Die parlamentarische Arbeit des studierten DiplomFinanzwirts war geprägt von großem Engagement und beeindruckender Sachkenntnis, die er als stellvertretender Vorsitzender im Haushalts- und Finanzausschuss sowie als Vorsitzender im Unterausschuss Personal des Haushalts- und Finanzausschusses einbrachte.
Uli Hahnen war ein Politiker, der sein Mandat stets mit großer Zuverlässigkeit und Geradlinigkeit wahrnahm. Gleichwohl konnte er mit Offenheit, Warmherzigkeit und Humor überzeugen, was den Sozialdemokraten über Fraktionsgrenzen hinweg beliebt gemacht hat.
Von Beginn an ist Uli Hahnen offen mit seiner Krebserkrankung umgegangen. Er war sehr optimistisch, sie besiegen zu können, auch nach dem erneuten Ausbruch im letzten Jahr. Umso betroffe
ner sind wir nun über seinen plötzlichen Tod. Wir alle verlieren einen geschätzten Kollegen, aber viele von uns auch einen verlässlichen, guten Freund.
In der bewegenden Trauerfeier am vergangenen Mittwoch prägte Pfarrer Karlheinz Alders von Uli Hahnens Gertrudis-Gemeinde in Krefeld-Bockum folgenden Satz:
„Uli Hahnen ist viel zu früh von uns gegangen. Aber dennoch können wir feststellen: Er hat die Zeit, seine Zeit, wirklich genutzt. Er hat in Stadt, Land und Gemeinde viel bewegt.“
Mir ist bei den Schilderungen vom Pfarrer und vom Oberbürgermeister übrigens deutlich geworden, wie viel Persönliches und Berührendes viele von uns – und auch ich selbst – erst bei der Trauerfeier über unseren Kollegen, unseren Freund Uli Hahnen erfahren und kennengelernt haben. Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte uns das auch einen Hinweis auf unser künftiges Miteinander hier im Haus wert sein. Ich meine das Einander-Achten und das Aufeinander-Achten.
Der Landtag Nordrhein-Westfalen gedenkt Uli Hahnen mit Respekt und Dankbarkeit. Ihnen, liebe Frau Hahnen, und Ihrer Familie wünschen wir die Kraft und den Trost, diesen Verlust mit Gottes Hilfe tragen zu können. Ich darf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten, sich zu Ehren des Verstorbenen, soweit Ihnen das möglich ist, von den Plätzen zu erheben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir nach diesen Worten der Erinnerung an Uli Hahnen vor Eintritt in die heutige Tagesordnung auch einige Worte zum heutigen Gedenktag – dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.
Als am 27. Januar 1945 russische Truppen das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erreichten, fanden sie nur noch wenige Überlebende, doch zig Millionen Kleidungsstücke und persönliche Gegenstände als Spuren der Opfer. Zehntausende waren kurz zuvor von der SS auf den Marsch in den Tod getrieben worden.
Aber auch das Leiden der Menschen in den Lagern war noch nicht beendet. Viele starben an Entkräftung, und die, die überlebten, waren traumatisiert, voller Trauer um ihre Lieben, ohne Heimat.
so beschreibt es die ehemalige Präsidentin des Europaparlaments, Simone Veil, als Überlebende von Auschwitz –
„jede Menschlichkeit und jeden Lebensmut verloren zu haben. Wir waren allein, und dies umso mehr, als keiner wissen und hören wollte, was wir erlebt haben.“
Heute, am 27. Januar, gedenken wir der Opfer des Holocausts: sechs Millionen Juden, engagierte Christen, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, politisch Andersdenkende.
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Zeit der Aufarbeitung und Auseinandersetzung, die Zeit der Scham und der Anerkennung einer Schuld, aus der Verantwortung gewachsen ist.
Da die Zeitzeugen immer weniger werden, die uns mit ihren Erzählungen das Geschehene weitergeben können, wird das 21. Jahrhundert die Zeit des Bewahrens und Erinnerns werden.
Wir Deutsche haben eine Vergangenheit, und diese verpflichtet uns, dass das Wissen darum gegenwärtig bleiben muss. Denn wie mahnte BuchenwaldÜberlebender und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel anlässlich der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag zum 55. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz:
„Wer sich dazu herbeilässt, die Erinnerung an die Opfer zu verdunkeln, der tötet sie ein zweites Mal.“
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht zulassen, dass sich ein Mantel des erneuten Verschweigens über uns legt. Daher brauchen wir gerade für die Zukunft eine würdige, eine zeitgemäße Erinnerungskultur an unsere deutsche Geschichte, die untrennbar mit dem Holocaust verbunden ist.
Jede Erinnerung ist zugleich auch Mahnung – Mahnung für den kompromisslosen Eintritt für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und für ein lautes Nein gegen jede Form von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Willkür und Diskriminierung.
Deshalb gedenken wir der Opfer. Wir halten die Erinnerung wach. Und wir stellen uns unserer Vergangenheit, weil wir eine Verantwortung für die Gegenwart und für die Zukunft tragen – und die heißt: Nie wieder!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die eigentliche Tagesordnung unserer drei Plenartage möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass sich noch einige Änderungen der Tagesordnung für die Plenarsitzungen ergeben haben, die in den 2. Neudruck der Tagesordnung eingearbeitet wurden. Weitere Änderungen entnehmen Sie bitte der aktuellen Tagesordnung im Internet.
Wir kommen unmittelbar zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 16/10874. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte jemand dagegen stimmen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist Herr Kollege Michael-Ezzo Solf einstimmig zum Schriftführer des Landtags Nordrhein-Westfalen gewählt worden. – Herzlichen Glückwunsch und auf gute Zusammenarbeit im sitzungsleitenden Präsidium!
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 25. Januar dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der FDP Herrn Kollegen Dr. Stamp das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Flüchtlingspolitik in Deutschland, aber auch die Flüchtlingspolitik hier bei uns im Land, in NordrheinWestfalen, droht zu scheitern. Die Kommunen sind überfordert. Wir alle erleben das bei uns in den Wahlkreisen. Immer mehr Turnhallen werden belegt. Haupt- und Ehrenamtler sind mit ihren Kräften weitgehend am Ende. Aus einer Willkommenseuphorie wird zunehmend eine Stimmung der Angst, eine Stimmung der Ablehnung und teilweise auch eine Stimmung der Hysterie.
Darum, meine Damen und Herren, gilt für uns Freie Demokraten, aber, ich denke, auch für alle Demokraten: Wir müssen dieser Angst mit Vernunft entgegentreten.
Wir haben als Freie Demokraten hier in diesem Hause schon im September davor gewarnt, die Situation als Sommermärchen zu verklären.