Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Ich kann mich relativ kurz fassen. Frau Kollegin Paul hat vorhin in der Tat schon das Wesentliche zu diesem Thema gesagt. Sie, liebe FDP-Fraktion, haben, wie Frau Paul eben erwähnt hat, aus der Anhörung offenbar etwas gelernt, nämlich, dass das

Mammografie-Screening keine Prävention, sondern Früherkennung ist. Ein Lob dafür!

Schade ist allerdings wirklich, dass die anderen wesentlichen Erkenntnisse aus der Anhörung nicht in den Antrag eingeflossen sind. An dieser Stelle möchte ich auch kurz erläutern, warum wir Ihren Antrag ablehnen werden.

Sie sprechen bei Ihren Forderungspunkten von Werbemaßnahmen, die durchgeführt werden sollten. In der Anhörung ist einhellig festgestellt worden, dass Werbemaßnahmen, also irgendwelche Flyer, Poster etc. pp., uns an dieser Stelle in keiner Form irgendein Stück weiterbringen. Aufklärung ist gefragt. Dafür müssen gegebenenfalls die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden.

Was die Altersgrenze angeht, ist eben auch schon gesagt worden, dass noch nicht ausreichend evidenzbasierte Erkenntnisse vorliegen, ob der Nutzen einer Erweiterung der Altersgruppe den möglichen Schaden – Überdiagnostik etc. – wirklich übersteigt.

Frau Paul hat eben erwähnt, dass es bei den Frauen zu psychischen Problemen kommen kann, wenn falsch positive Diagnosen gestellt werden. Auch das war in unserer Anhörung ein sehr umstrittener Punkt. Jedenfalls gab es keine deutliche Stellungnahme dahin gehend, dass die Altersgruppe auf jeden Fall zu erweitern ist. Das heißt: Nach heutigem Stand ist das nicht das, was wir hier als Politik umsetzen sollten. – Das sind die beiden wesentlichen Punkte.

Der Punkt 3 – ich weiß nicht, wer es vorhin gesagt hat – passt gar nicht richtig in den Gesamtantrag. Das ist aber egal. Die beiden anderen Forderungspunkte machen den Antrag eben so schlecht.

Der Änderungsantrag, mit dem Prävention richtigerweise zu Früherkennung gemacht wird, hilft an dieser Stelle leider nicht. Wir können den Änderungsantrag und infolgedessen auch den eigentlichen Antrag nur ablehnen.

Frau Kollegin Schneider, nichtsdestotrotz bedanke ich mich für die Antragstellung an sich; denn das Thema ist aktuell. Es ist wichtig, dass wir im Ausschuss darüber diskutiert haben. Wir haben hier eine sehr interessante Anhörung verfolgen können. Insofern herzlichen Dank! Leider geht die Zielsetzung des Antrags in die falsche Richtung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit 2004 existiert das

Mammografie-Screening-Programm in Deutschland als derzeit einziges Früherkennungsprogramm mit organisiertem Einladungssystem und Einladungswesen. Es ist Bestandteil der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krebserkrankungen, der sogenannten Krebsfrüherkennungs-Richtlinie. Es wird in dieser Form bundesweit recht einheitlich durchgeführt.

Die Altersspanne von 50 Jahren bis 69 Jahren – in diesem Alter erhalten Frauen eine Einladung zum Screening – ist in dieser Richtlinie normativ festgelegt. Das heißt: Die Altersspanne ist nicht für jedes Bundesland und für jeden flexibel wählbar.

Diese Altersspanne wurde nicht ohne Grund gewählt; denn die wissenschaftlichen Untersuchungen hatten gezeigt, dass die Brustkrebserkrankungen zu 75 % und nicht zu 50 % bei Frauen dieses Alters auftreten. Dementsprechend ist die wissenschaftliche Bewertung über den konkreten Nutzen des Mammografie-Screenings angesichts aktueller Studien aus anderen Ländern durchaus auch umstritten. Eine abschließende Bewertung dazu obliegt aber wiederum dem Gemeinsamen Bundesausschuss auf Bundesebene. Bis dahin ist der aktuell gültige Rechtsrahmen weiter zu beachten.

Eine wissenschaftliche Evaluierung des bundesweiten Mammografie-Screening-Programms ist begonnen worden und befindet sich zurzeit in der Phase der Machbarkeitsstudie. Damit ist offensichtlich, dass der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion auch in seiner nachgebesserten Fassung untauglich ist und deshalb abzulehnen ist.

Unabhängig von der Festsetzung der Altersgrenze gibt es aber sehr wohl eine Debatte über die Vor- und Nachteile des Mammografie-Screenings. Bei jeder Frau fällt die persönliche Bilanz aus Vor- und Nachteilen sehr unterschiedlich aus. Deswegen ist es wichtig, dass wir eine umfassende Information für die Frauen haben, und zwar eine Information, auf deren Grundlage sie eine solche Entscheidung für sich treffen können. Bei Frauen mit besonders vielen Risikofaktoren werden die Vorteile in vielen Fällen offensichtlich sehr viel deutlicher als bei Frauen, die nur geringe Risikofaktoren haben.

Was einige Vorredner schon gesagt haben, möchte auch ich noch einmal betonen. Für die Teilnahme am Screening sprechen in der Tat einige Faktoren. So kann eine frühere Erkennung von Brustkrebs dazu führen, dass Teilnehmerinnen vor dem Tod bewahrt werden. Das ist ein nicht unbeträchtlicher Wert – nicht nur für diese Frauen, sondern auch für das Programm. Außerdem sind bei früherer Erkennung von Brustkrebs oft sehr viel schonendere Behandlungsmethoden möglich. So ist eine Chemotherapie seltener nötig und bei Operationen kann die Brust oft erhalten werden.

Trotzdem kann man nicht allein, weil wir hier eine positive Bewertung für einen Teil haben, sagen, das

gesamte Programm sei positiv; denn es gibt auch eine Reihe von Aspekten, die gegen eine Teilnahme am Screening sprechen. Ich möchte die beiden Bereiche und die beiden Zielgruppen auch gar nicht gegeneinander ausspielen.

Einen verdächtigen Befund zu haben, kann für Frauen zu massiven Beunruhigungen und zu Angst führen und komplette Familien auf den Kopf stellen, auch wenn die Verdachtsfälle dann unbegründet sind, weil sich der erste Verdacht aufgrund einer Gewebeentnahme irgendwann als unbegründet herausstellt. Diese Situation stellt für eine Frau auch eine massive Belastung dar, wie eben schon gesagt wurde. Das sind die „falsch-positiven“ Befunde.

Wir haben aber nicht nur diese. Untersuchungen und Studien zeigen nämlich, dass wir auch Diagnosen haben, die zu Behandlungen von Tumoren führen, die so langsam wachsen, dass sie bei der Frau in der noch verbleibenden Lebenszeit überhaupt nicht zu einem Problem führen können. Die dann durchgeführte Therapie führt bei diesen Frauen aber zu einer sehr großen Verschlechterung der Lebenssituation. Auch diese Situationen von Frauen kann man nicht außen vor lassen.

Manchmal wird beim Screening auch ein Tumor in einem bereits unheilbaren Stadium entdeckt. Das führt dazu, dass betroffene Frauen mit dieser Diagnose und mit diesem Wissen mit ganz anderen Problemen durchs Leben gehen. Diese Frauen wollten das vielleicht lieber gar nicht wissen.

Außerdem gibt es Tumore, die bei der Mammografie überhaupt nicht erkannt werden. Dabei handelt es sich um rasch wachsende Tumore, die zwischen den Screeningintervallen entstehen. Das sind die sogenannten Intervallkarzinome, die oft dadurch, dass man sich in der Sicherheit wiegt, am Screening teilgenommen zu haben, nicht mehr durch ein Tasten erkannt werden.

Auch diese Probleme gibt es also. Wer diese Probleme einfach ausblendet und sie als Ideologie abtut, wird der Situation und der Diskussionsnotwendigkeit, die man rund um das Mammografie-Screening hat, überhaupt nicht gerecht.

Belastbare Zahlen der gesamten Untersuchung und der Evaluierung werden 2022 zu erwarten sein.

Die Redezeit.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Spätestens dann werden wir uns auch hier mit diesem Thema wieder intensiv beschäftigen müssen. Bis dahin gilt: Zwar hat diese Diskussion noch einmal viel an Information über das Screening hervorgebracht. Eine Handlungsnotwendigkeit gibt es hier dafür aber nicht. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion erhält nun noch einmal Frau Kollegin Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da wir heute über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abstimmen und ansonsten keine Gelegenheit mehr haben, zu diesem Thema etwas zu sagen, würde ich gerne noch dem Vorwurf von Frau Schneider begegnen, dass wir uns als Fraktionen der SPD und der Grünen den Frauen verweigerten, die älter als 69 Jahre sind. Das ist definitiv nicht so.

Wenn Sie sagen, dass zwei Drittel der Experten Ihrer Meinung waren, dann muss man auch sagen: Es waren auch nur drei Experten da.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Das heißt: Zwei von drei Experten vertreten die Meinung, dass das Screening ausgeweitet werden sollte.

(Zuruf von der FDP)

Es ist ganz genau so, wie die Frau Ministerin gerade gesagt hat: Die Wahrscheinlichkeit, daran zu versterben, nimmt mit zunehmendem Alter ab. Ich darf hier einmal die Expertin zitieren, die nicht Ihrer Meinung war:

„Von 100 Frauen, die heute in Deutschland sterben, sterben etwa drei an Brustkrebs und 20 an einer anderen Krebserkrankung. …“

Zwischen dem 70. Lebensjahr und dem 79. Lebensjahr versterben etwa 18 von je 100 Frauen, davon eine an Brustkrebs. Insofern sollte man meines Erachtens, was die Zahlen betrifft, die Kirche im Dorf lassen.

Diesen Vorwurf, dass wir uns den Frauen verweigerten, möchte ich aber keinesfalls so stehen lassen. – Danke.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Jansen.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen erstens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/10906. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der FDP und die Fraktion der CDU. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktion der SPD, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der Piraten. Gibt es Enthaltungen im

Hohen Haus? – Keine. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/10906 der Fraktion der FDP mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt worden.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8460. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 16/10810, den Antrag abzulehnen. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion und die CDU-Fraktion. – Wer stimmt dagegen? – Das sind die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/8460 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt worden.

Ich rufe auf:

9 Gesetz zur Änderung des WDR-Gesetzes und

des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (15. Rundfunkänderungsgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/9727