Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Ich bin überzeugt, dass sich die Polizei am Ende keinen Gefallen damit tut, sich künftig mit Bodycams vor vermeintlichen Angreifern zu schützen.

Ich erwarte und befürchte, dass dadurch die Distanz zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei größer wird. Das aber wäre eine Entwicklung, die wir uns nicht wünschen sollten. Respekt mit technischen Mitteln einzufordern, ist definitiv eine Sackgasse. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Stotko.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht im Ältestenrat und maße mir auch nicht an, zu kommentieren, welche Themen man als Aktuelle Stunde zulässt. S

Sie aber, Herr Kollege Herrmann, rekurrieren auf einen Artikel vom 12. März, wonach die Bundespolizei mit Bodycams ausgestattet werden soll. Die Bundespolizei wird seit Monaten mit Bodycams nicht nur ausgestattet, sondern sie setzt diese auch ein – auch in Nordrhein-Westfalen. Eine Aktualität dazu gibt es nicht. Vielleicht wäre der Artikel von heute Morgen jetzt eine Aktualität, die zu einer Aktuellen Stunde passt. Ich möchte nur sagen: So neu ist das nicht.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist Präven- tion! Antragsprävention!)

Es sprechen leider auch sechs Fakten gegen die von Ihnen beantragte und begründete Aktuelle Stunde.

Fakt eins: Diese Aktuelle Stunde bezieht sich – Sie haben zu Recht ein wenig darauf hingewiesen – auf die Bundespolizei. Ich weiß gar nicht, wie oft wir Ihnen hier im Landtag erklären mussten, weil Sie im Bundestag nicht vertreten sind, dass NordrheinWestfalen keine Möglichkeit hat, das Tragen von Bodycams durch Bundespolizisten – egal in welchem Bundesland – zu verhindern. Darauf haben wir keine Einwirkungsmöglichkeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das entscheidet der Bund. Wir können entweder froh oder unglücklich sein, wie auch immer, aber wir dürfen den Bürgern in Nordrhein-Westfalen nicht suggerieren, wir hätten irgendwelche Einwirkungsmöglichkeiten.

Fakt zwei: Nach Ihrem Antrag – Sie haben es gerade wiederholt – sollen täglich Tausende von Pendlern durch die Videoaufnahmen der Bundespolizisten betroffen sein. Das ist hanebüchener Unsinn. Offensichtlich wissen Sie überhaupt nicht, wie eine Bodycam eingesetzt wird. Sie hätten sich davon überzeugen können, im Übrigen auch in der Anhörung, die wir im Innenausschuss durchgeführt haben.

Es handelt sich nämlich nicht um eine permanente Aufzeichnung durch diese Bodycams, sondern es erfolgt ein deutlicher Hinweis des betroffenen Polizeivollzugsbeamten oder der -beamtin, es kommt eine klare Ankündigung: Ich starte nunmehr eine Kameraaufnahme. Die Aufnahme ist auch sichtbar. Sie haben gerade behauptet, man könne nicht sehen, dass man aufgenommen wird. Die Kameras zeigen deutlich nicht nur durch einen Monitor, sondern auch durch eine Lampe an, dass aufgezeichnet wird. Im

Übrigen ist das Bestandteil dieses Projekts. Dass Sie hier behaupten, man würde heimlich aufgezeichnet, ist Unfug. Ich sage Ihnen das so deutlich – egal wie man im Grundsatz dazu steht.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Fakt drei: Der Innenminister konnte sich nicht nur gestern selber wehren, das kann er heute auch. Nach Ihrem Antrag auf die Aktuelle Stunde soll er gesagt haben, er sei gegen den Einsatz von Bodycams. Das hat er nie gesagt; das hat übrigens auch die SPD-Fraktion nie gesagt.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Hat er wohl ge- sagt!)

In allen Diskussionen, die wir geführt haben, haben wir betont: Wir wollen abwarten, wie die Trageversuche in Hessen und in Rheinland-Pfalz ablaufen und was die Evaluierungen ergeben – damit haben Sie nämlich recht –, und danach wollen wir schauen, ob das auf Nordrhein-Westfalen anwendbar ist, ob wir vielleicht etwas Eigenes machen oder ob wir es gar nicht machen. – Diese Offenheit haben wir als Fraktion hier immer ausdrücklich betont. Wir haben gesagt: Wir schauen uns das an und unternehmen jetzt nicht noch einen zusätzlichen Trageversuch.

Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Diese Versuche in Hessen und Rheinland-Pfalz müssen – das haben wir immer betont – den datenschutzrechtlichen Bedenken entsprechen, die wir teilweise auch selbst formuliert haben. Sie bieten aber auch Chancen. Und über beides wollten wir diskutieren.

Fakt vier – jetzt wird es richtig interessant –: Im Februar hat die SPD-Landtagsfraktion Gespräche mit hessischen Innenpolitikern über die dortigen Trageversuche geführt. Ich möchte ausdrücklich betonen: Wir machen es nicht wie Sie, Herr Herrmann, und reden über etwas, mit dem wir uns nicht auskennen. Wir sind am 24. Februar nach Mainz gefahren. In Mainz in Rheinland-Pfalz haben wir uns mit dem dortigen Innenminister Herrn Lewentz, mit der Fachabteilung Bodycam, mit aktiven Vollzugsbeamten, die die Bodycam einsetzen, und mit der dortigen Gewerkschaft der Polizei unterhalten.

Dazu will ich Ihnen sagen: Im Rahmen unserer persönlichen Erkenntnisse als Innenpolitiker der SPDLandtagsfraktion haben wir die Überzeugung gewonnen, dass die dortigen Evaluierungen kurz vor dem Abschluss stehen. Das, was sie uns dort aus der Evaluierung gezeigt haben, bedeutet:

Erstens: Es ist keine „Videografiewut“ eingetreten. Es werden nicht täglich Hunderte oder Tausende von Gigabites von irgendwelchen unbescholtenen Bürgern aufgenommen.

Zweitens: Es hat einen deutlichen Rückgang von Straftaten gegen Vollzugsbeamte gegeben.

Drittens: Der Gebrauch in Rheinland-Pfalz folgt transparenten und dem Datenschutz entsprechenden Regelungen.

Viertens: Es gibt eine umfangreiche wissenschaftliche Begleitung.

Fünftens – das hat uns am meisten überzeugt –: Die dort eingesetzten Vollzugsbeamten, die Fachpolitik, aber auch – und das war uns am wichtigsten – die dort betroffenen Bürgerinnen und Bürger sind von diesem Trageversuch in Mainz vollständig überzeugt. Das muss man so zur Kenntnis nehmen. Da muss man nicht so tun, als gäbe es wilde Bedenken.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Vollständig überzeugt?)

Fakt fünf: Die dortigen Versuche waren auch wissenschaftlich begleitet und belegen genau die Präventionswirkung, Herr Herrmann, die Sie dieser Sache absprechen.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Es zeichnet sich deutlich ab, dass durch Bodycams eine Deeskalation bei bestimmten Straftaten eintritt und die Aufklärung von Übergriffen wesentlich erleichtert wird.

(Gregor Golland [CDU]: Aha!)

Wir haben das immer gesagt, Kollege Golland, und nie abgelehnt.

(Zurufe von der CDU: Das haben Sie immer gesagt!?)

Wir sind aber auch zu der Überzeugung gelangt, dass beide Trageversuche – sowohl die in Hessen, die wir uns angeschaut haben, als auch sehr konkret die in Mainz – nicht eins zu eins auf Nordrhein-Westfalen übertragbar sind. Das ist auch ein wichtiges Ergebnis, das wir festhalten müssen. Man kann nicht sagen: So, wie es da gemacht wird, ist es jetzt das Muster für alle Länder, geschweige denn für Nordrhein-Westfalen.

Deshalb Fakt sechs: Die SPD-Landtagsfraktion hat sich nach diesen umfassenden Informationen, insbesondere nach unserem Besuch in Mainz, dazu entschlossen, einen Trageversuch für Bodycams in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner werden wir nun nach rechtskonformen Möglichkeiten suchen, dies auch zu verwirklichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, Sie können unseren Ausführungen entnehmen: Ihr Antrag zu einer Aktuellen Stunde „Keine Bodycams in Nordrhein-Westfalen!“ findet keine Mehrheit bei der SPD-Fraktion. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Golland.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom Saulus zum Paulus, Herr Stotko – ich bin baff.

(Beifall von der CDU)

Ich kann mich nur über Ihre Schönfärberei und Verdrehung der Tatsachen amüsieren. Sie haben bisher immer den Einsatz von Bodycams verhindert, den wir immer gefordert haben. Aber weil der Innenminister es jetzt plötzlich erkannt hat, will er sich das gerade so zurechtbiegen, wie es für ihn passt.

(Zuruf von Andreas Bialas [SPD])

„NRW will nun doch Bodycams für Polizisten einführen“: So steht es heute auf der Titelseite der „Rheinischen Post“. – Dass ich das noch erleben darf. Welch späte, wenngleich dringend notwendige Erkenntnis!

(Unruhe und Zurufe von der SPD)

Endlich hat diese Landesregierung unsere seit Langem und oft gestellte Forderung erhört und will dieses wichtige Einsatzmittel einführen. Warum braucht der Innenminister in NRW eigentlich immer so lange, um sich den Realitäten zu stellen,

(Beifall von der CDU)

auf die Fachleute aus der Polizei und den Gewerkschaften zu hören und die angespannte Sicherheitslage für die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern? Warum muss immer erst etwas passieren, bis diese Landesregierung vom Passiv- in den Aktivmodus wechselt?

(Beifall von der CDU)

Das sicherheitspolitische Totalversagen an Silvester hat offenbar zu einem Umdenken geführt.

(Zuruf von der SPD: Bundespolitisch!)

Wir erinnern uns: Die CDU-Fraktion hat bereits im Mai 2014 einen Antrag zur Erprobung von Bodycams bei der Polizei NRW eingebracht. Wir wollten damit erreichen, dass die rot-grüne Landesregierung dem Beispiel des Landes Hessen folgt, wo CDU und Grüne die Polizei zuvor als erstes Bundesland mit Bodycams ausgestattet hatten.