Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Im April dieses Jahres fand eine Umweltministerkonferenz statt. Die Vorschläge von Umweltminister Remmel nach Steuererhöhung für Diesel und generelles Tempolimit in den Städten von 30 km/h sind gescheitert. Sie fanden keine Mehrheit in dieser Umweltministerkonferenz. Beschlossen hat diese Umweltministerkonferenz jedoch die blaue Plakette, übrigens mit drei Umweltministern der Christdemokraten, die in diesem Gremium waren.

Auch im April, etwas später, fand eine Verkehrsministerkonferenz statt. Diese Verkehrsministerkonferenz hat erklärt: Die blaue Plakette ist völlig überflüssig, ihre Wirkung wird erheblich angezweifelt. Also sind erst einmal weitere wissenschaftliche Ergebnisse zu erarbeiten, um dann zu entscheiden: Was ist der richtige Weg, um die Luftreinhaltung in nordrhein-westfälischen Städten zu verbessern?

13 Millionen Dieselfahrzeuge wären allein in Nordrhein-Westfalen davon betroffen, würden aus den Innenstädten verbannt. Gravierende negative Folgen für Industrie, für Handwerk, für Mittelstand in Nordrhein-Westfalen zulasten von Arbeitsplätzen und Wachstum wären die Konsequenz. Natürlich sind genauso betroffen kleinere oder größere Familien, die noch ein Dieselfahrzeug zu Hause haben, was dann auf einmal von heute auf morgen nichts mehr wert wäre. Und wo soll das Geld herkommen, um sich ein neues Fahrzeug anzuschaffen?

Vor dem Hintergrund, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass in Nordrhein-Westfalen eine Debatte über die Ursachen von null Wirtschaftswachstum geführt wird und selbst die SPD die Wirkung von blauen Plaketten erheblich anzweifelt, ist eine Diskussion darüber, diese einzuführen, völlig absurd und völlig fehl am Platz.

(Beifall von der FDP – Oliver Bayer [PIRATEN]: Wer hat denn die Diskussion er- öffnet?)

Was war die Folge dieser beiden Konferenzen, einmal Umwelt, einmal Verkehr? – Die Folge ist ein Entschließungsantrag, der uns heute vorliegt, mit unklaren Aussagen. Die Koalition eiert im Grunde herum. Sie schreiben dort: Es gibt kurzfristig keine blauen Umweltzonen. Sie werden nicht kurzfristig eingeführt. Was heißt das denn auf Deutsch? Werden sie eingeführt nach dem 14. Mai 2017, also nach der Landtagswahl?

(Beifall von der SPD)

Sie schreiben in Ihrem Antrag: Es gibt Diskussionsbedarf über das Thema innerhalb der Bundesregierung und zwischen den Bundesländern. – Die Wahrheit ist doch: Den Diskussionsbedarf gibt es in Ihrer Koalition, und das geben Sie nicht zu.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, blaue Umweltzonen seien ein Werkzeug für Kommunen. – In Wahrheit ist es ein Knebelwerkzeug, ein Instrument für die Bezirksregierungen, um die Luftreinhaltepläne noch erheblich zu verschärfen. Eine grüne Wirtschaftspolitik, was immer das auch ist, hätte so einen weiteren Hebel – vermutlich nach der Landtagswahl im Mai 2017.

Klare Position der FDP: Diese blauen Plaketten brauchen wir nicht. Wir brauchen auch keine blauen Umweltzonen. Wir brauchen rationale Politik, rationale Politik für saubere Städte in Nordrhein-Westfalen, für Wirtschaftswachstum und für Arbeitsplätze.

Die Grünen haben offensichtlich eine andere Ansicht. Sie schießen in der Umweltpolitik weit über das Ziel hinaus und haben den Blick für das Ganze verloren. Es ist gut, dass im Entschließungsantrag die SPD die Grünen ein Stück weit ausgebremst hat. Aber der Verdacht liegt nahe: Das gilt nur bis zur nächsten Landtagswahl und nicht für die nächsten Jahre.

Nochmals: FDP steht für rationale Politik, für Wachstum, für Arbeitsplätze. Und dafür werden wir auch weiterhin kämpfen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Löcker jetzt das Redepult.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt am Main und Hamburg und andere zehn Städte in Deutschland haben eines gemeinsam: Das sind Städte, in denen die Stickoxidbelastungen ständig bis oft zu hoch sind – dazu kommen andere Städte –,

(Christof Rasche [FDP]: Dazu gehört sogar Er- witte!)

verursacht durch Dieselfahrzeuge, die unter dem Emissionslabel Euro-0 bis Euro-5 nicht nur in diesen Städten schlechte Luft hervorrufen. Erheblich zu hoher Feinstaub, meine Damen und Herren – dieser fortdauernde Umstand hat uns ein Vertragsverletzungsverfahren der EU und eine Klage der deutschen Umwelthilfe eingebracht.

Das ist keine Kleinigkeit. Das kann man nicht mal eben vom Tisch wischen und so tun, als wenn dies eine Petitesse wäre. Es wird höchste Zeit, dass sich

das Autoland Nummer eins darauf einstellt, dass man die entsprechenden Abgasnormen, die vorgegeben sind, auch einhält.

Meine Damen und Herren, rund 15 Millionen Dieselfahrzeuge fahren durch Deutschland. Nur zwei Millionen davon sind mit Euro-6 ausgestattet. Ich will für meine Fraktion betonen: Das ist deutlich zu wenig.

Blickt man auf die Vorgaben und die Ziele, die vereinbart worden sind, dann muss sich eine Menge mehr tun. Wir brauchen erheblich mehr Anstrengungen, auch zusätzlich mehr Dieselfahrzeuge mit einer verbesserten Abgastechnik auf die Straße zu bringen, und zwar im Realbetrieb – damit wir uns richtig verstehen –, eben mit echten Messergebnissen. Das muss völlig klar sein.

Brauchen wir eine blaue Plakette? – Mit dieser Plakette soll Städten und Gemeinden mit besonders schlechter Luft die Gelegenheit gegeben werden, dass Autos nicht mehr in die Innenstädte einfahren dürfen und damit weniger NOx ausgestoßen wird.

Meine Damen und Herren, so sehr eine NOx-Senkung zur Verbesserung der Schadstoffe sowie zum Schutz unserer Gesundheit nötig ist, so zweifelhaft ist es doch, dass Einfahrverbote für bestimmte Pkws tatsächlich den gewünschten umweltentlastenden Effekt erzielen können. Siehe die bereits existierenden Umweltzonen, die mitten durchs Ruhrgebiet gezogen sind, und in der nächsten Stadt gibt es diese Zone nicht mehr. Dann muss man schon ein Fragezeichen machen, ob die Wirkung tatsächlich erzielt werden könnte.

Wenn unsere Anstrengungen für die Zukunft erfolgreich sein sollen – und das müssen sie aus meiner Sicht –, dann muss auch das Verbraucherinteresse eine wichtige Rolle spielen. Dann sollten Verbraucher, die sich vorher auf die von den Herstellern versprochene Umweltfreundlichkeit der Motoren verlassen haben, auch – verhältnismäßig – dazu aufgefordert werden, eigene Anstrengungen zu unternehmen, andere Fahrzeuge zu kaufen, damit man am Ende auch das wünschenswerte Ergebnis erreichen kann.

Wir wollen – das wollen wir deutlich festhalten – durch eine allmähliche Erneuerung und eine Nachrüstung des heutigen Fahrzeugbestandes und durch Förderanreize dafür sorgen, dass es vorangeht in Sachen Feinstaubentlastung. Manipulationen an Abgasreinigungsanlagen – das muss klar sein – auch zum Zwecke der Wettbewerbsverzerrung müssen der Vergangenheit angehören. Eine lückenlose Aufklärung ist Pflicht. Wir wollen dafür sorgen, dass in Zukunft genau hingeschaut wird und soziale Lösungen für die 13 Millionen Dieselfahrzeugbesitzer gefunden werden.

Wir wollen uns dafür einsetzen, dass auf der Grundlage der durch die Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten wirksame Instrumente zum Schutz von Umwelt und Gesundheit erarbeitet werden. In dieser Phase sind wir ja noch nicht. Dazu wird alsbald ein Gutachten vorliegen.

Wir brauchen – das will ich abschließend sagen – nicht immer härtere Regeln und Einfahrverbote in unsere Innenstädte, sondern kurz- und mittelfristig sozialverträgliche Lösungen für mindestens elf Millionen Dieselfahrzeugbesitzer und – das füge ich ausdrücklich hinzu – in den nächsten Jahren mehr Elektroantrieb und mehr Wasserstoffantrieb, meine Damen und Herren, und – es sei mir gestattet, das zum Schluss anzufügen – eine verstärkte Förderung des ÖPNV.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Für die CDU-Faktion spricht jetzt Herr Kollege Deppe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um eines vorweg klarzustellen: Die CDU steht an der Seite aller Dieselfahrer, die im guten Glauben waren, ein verbrauchs- und emissionsarmes Auto gekauft zu haben, um damit einen Umweltbeitrag zu leisen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Und genau diejenigen jetzt mit einem faktischen Mobilitätsverbot zu belegen, bringt nur eines: einen massiven Vertrauensverlust in eine kalkulierbare Umweltpolitik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt mit vollkommen unausgegorenen Ideen 13 Millionen Dieselfahrer und voraussichtlich auch drei Millionen Besitzer älterer Benziner die Einfahrt in die Innenstädte zu verwehren, trifft wieder genau die Falschen, nämlich die fleißigen Pendler, die auf sparsame und langlebige Autos angewiesen sind.

Was ist denn mit unseren Handwerkern, unseren Kleinunternehmern und den wachsenden Logistikunternehmen, die ihre Dienstleistungen und Waren in die Innenstädte bringen wollen und müssen? Diese Gruppen schließen Sie aus dem Wirtschaftskreislauf der Städte faktisch aus.

(Beifall von der CDU)

Dieser unausgegorene Plan, meine Damen und Herren, ist nicht nur wirtschaftsfeindlich, sondern auch unsozial.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Und hier zeigt sich wieder die politische Fehlleistung von Rot-Grün. Dieser Vorgang zeigt exemplarisch, wie Sie in der Endphase Ihrer rot-grünen Regierung im nun letzten Jahr vorgehen: Die Grünen preschen mal wieder einmal vor, verunsichern einen Großteil der Bevölkerung, die SPD ist irgendwie entsetzt, versucht das einzubremsen, Frau Hendricks beschwichtigt auf der Homepage ihres Ministeriums, und dann kommt so ein nichtssagender Entschließungsantrag.

Sagen Sie doch einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz klar und deutlich, was Sie wollen: eine neue Plakette, neue Stickstoffzonen, neue massenhafte Fahrverbote – ja oder nein. Das ist doch das, was die Bevölkerung wissen will.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das sagen Sie nicht, und deswegen bleiben wir bei unserem Antrag.

Aktuelle Dieselfahrzeuge, meine Damen und Herren, emittieren im Schnitt immer noch 10 % weniger CO2 als vergleichbare Benziner. Im Interesse der Klimaschutzziele wäre es also kontraproduktiv, vom aktuell immer noch sparsameren Dieselantrieb abzurücken.

(Carsten Löcker [SPD]: Messen Sie lieber noch einmal nach!)

Wir alle wollen, dass auch die Überschreitung der Stickoxidwerte geringer wird; Kollege Rasche hat es eben erwähnt. Wir setzen bei den Neufahrzeugen an. Die Technik steht längst zur Verfügung. Sie muss jetzt auch zügig in die Neufahrzeuge eingebaut werden, und Nachweisverfahren und Testläufe müssen die realen Emissionen widerspiegeln.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es macht auch keinen Sinn, eine Emission gegen die andere auszuspielen. Sowohl die Emissionen an Kohlendioxid, an Feinstaub und auch an Stickoxid müssen sinken. Die Nachrüstung, die nur an einer Emission ansetzt, würde zu kurz springen. Wir wollen insgesamt den Anteil an modernen und sauberen Fahrzeugen erhöhen. Dies muss aber für die Menschen und für die kleinen Unternehmen leistbar sein. Statt immer neuer pauschaler Verbote setzen wir auf steuerliche Anreize zur Modernisierung des Fahrzeugbestandes.

Das ist aber nicht die einzige Maßnahme. Auch flüssiger Verkehr – etwa durch intelligente Verkehrsleitsysteme und adaptive Verkehrssteuerung – sorgt für weniger Stickoxid. Nach einer Erhebung der Berliner Senatsverwaltung sind die Stickoxidemissionen beim Stop-and-go-Verkehr mehr als doppelt so hoch als bei flüssigem Verkehr. Aber dieser Aspekt kommt bei der Anti-Autofahrer-Partei sowieso nicht vor.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wer schädliche Emissionen durch den Individualverkehr verhindern möchte, ist am erfolgreichsten, wenn