Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für eine, wie im Antrag gefordert, steuerrechtliche Bewertung ist eine Eignung zur körperlichen Ertüchtigung – das sagte ich gerade schon – von zentraler Bedeutung. Lediglich durch eine Änderung der Abgabenordnung könnte der eSport – wie Schach, Herr Schulz – als gesetzlich anerkannte Fiktion in die Abgabenordnung aufgenommen werden. Ich bewerte das erst einmal nicht. Ich sage nur, wie es im Moment festgeschrieben steht.

Ich sehe eine politische Verantwortung, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, so wie Sie es fordern, dass der eSport gesellschaftlich anerkannt wird, im Moment aus unserer Sicht nicht. Es ist für mich, ehrlich gesagt, auch nicht nachvollziehbar, dass die Anerkennung als gemeinnützige Sportart automatisch eine Demokratisierung der Strukturen im eSport nach sich zieht. Darüber können wir vielleicht noch einmal sprechen. Im Moment stellt sich das in Ihrem Antrag so dar.

Deshalb lehnen wir den Antrag derzeit ab. Ich bin aber sehr gespannt, wie der organisierte Sport dieses Thema weiter diskutieren wird, und werde das mit viel Interesse verfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Bitte, Frau Ministerin, seien Sie so nett und bleiben Sie noch einen Moment vorne, weil Herr Kollege Marsching von der Piratenfraktion eine Kurzintervention angemeldet hat. Das heißt, er bekommt jetzt 90 Sekunden Zeit und sie danach ebenfalls 90 Sekunden, um darauf einzugehen, falls Sie es möchten. – Herr Kollege Marsching, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Bei meinem aktuellen Lieblingsspiel „Rocket League“ heißt das „Verlängerung“; da bekommt man dann noch ein bisschen Extrazeit obendrauf.

Ich höre hier von allen Fraktionen: Der eSport ist anerkennungswürdig; man sollte den eSport fördern; das sollte in den Ausschuss gehen. Ich hoffe, die FDP-Fraktion wollte uns ärgern, indem sie immer vom „E-Sport“ redet. Ich finde das ein bisschen befremdlich, aber gut.

Mein Appell wäre: Dann suchen wir doch gemeinsam Wege und überlegen wir doch – und es sind ja gerade auch durchaus Kritikpunkte angeklungen –, einen solchen Antrag noch einmal, eventuell sogar gemeinsam, zu stellen.

Wir haben hier einen Unterschied. Wir reden hier vom Sport; das ist für mich gar keine Frage. Nur weil hier die Sportler aus dem Kinderzimmer und aus dem Arbeitszimmer rekrutiert werden und sich nicht in der Kneipe vor der Dartscheibe oder auf dem Fußballplatz einfinden, ist das nicht weniger Sport.

Hier Profisport und Breitensport in einen Topf zu werfen, halte ich für ein ganz schwieriges Thema. Wir sollten nicht vergessen: Wir reden über Hunderttausende Menschen in Deutschland, die sich abends vor ihren Rechner setzen und dort ihrem Lieblingsspiel frönen, ihrem Sport frönen. Nur weil das in einem Clan oder in einer Gilde passiert und nicht in einem eingetragenen Verein, ist das nicht weniger Sport und nicht weniger förderungswürdig.

Ich sage: Wir sollten hier gemeinsam darauf hinarbeiten – das hätte in jedem Redebeitrag vorkommen müssen –,

(Unruhe)

dass wir den eSport fördern, statt den „E-Sport“ hier kleinzureden.

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Frau Ministerin, Sie haben das Wort für bis zu 90 Sekunden.

Wenn ich es richtig

verstanden habe, hat sich Ihre Aufforderung eher an die Fraktionen gerichtet.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Wir können das auch zusammen machen, kein Problem!)

Okay. Aber ich hatte es am Anfang Ihres Redebeitrages so verstanden, dass Sie sich durchaus doch noch wünschen, das Thema im Ausschuss zu diskutieren und zu schauen, wie man es dort weiterentwickeln kann. Das klang ja auch von einigen der vorhergehenden Redner an. Aber ich denke, das ist kein Thema für die Landesregierung.

Ich habe gesagt: Ich bin sehr gespannt, wie der organisierte Sport dieses Thema weiter diskutieren wird, und werde es mit Interesse weiterverfolgen. Aber ich habe auch klar gesagt, dass wir als Landesregierung die Autonomie des Sports an dieser Stelle respektieren. Das ist auch nach Ihrer Kurzintervention noch meine Meinung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mi- chele Marsching [PIRATEN]: Okay!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. So weit Kurzintervention und Entgegnung darauf. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Das heißt, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Piratenfraktion hat, wie vielfach erwähnt, direkte Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/12104 beantragt. Ich darf fragen, wer dem Piratenantrag seine Zustimmung geben möchte. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/12104 abgelehnt ist.

Ich rufe auf:

5 Erstes allgemeines Gesetz zur Stärkung der

Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/9761

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 16/12130

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12188

Änderungsantrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/12189

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12190

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12191

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12192

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11982

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11983

zweite Lesung

Meine Damen und Herren, bevor ich die Debatte eröffne, weise ich darauf hin, dass die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt von einem Gebärdendolmetscher übersetzt wird. Hierzu darf ich den Gebärdendolmetscher, Herrn Rollhäuser, sehr herzlich willkommen heißen.

(Beifall)

Er steht jetzt neben dem Rednerpult. Bei der Übertragung der Debatte im Videostream über die Internetseite werden also gleichzeitig die Rednerin bzw. der Redner und der Gebärdendolmetscher zu sehen sein.

Nach diesen Bemerkungen zum Verfahren eröffne ich die Debatte und erteile für die SPD-Fraktion als erstem Redner Herrn Kollegen Neumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Erste allgemeine Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen, abgekürzt: Inklusionsstärkungsgesetz, wird heute voraussichtlich verabschiedet. Das ist ein sehr guter Tag für Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen.

Wir werden heute für die Menschen mit Behinderung mehr Demokratie schaffen. Das langjährige Wahlverbot für Menschen mit Behinderung, die unter Vollbetreuung stehen, wird heute in Nordrhein-Westfalen abgeschafft.

(Beifall von der SPD und Josef Hovenjürgen [CDU])

Wer sich mit der Geschichte dieses Wahlverbotes beschäftigt, muss weit in der Geschichte zurückge

hen: in die Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und erst recht in die Zeit des Nationalsozialismus.

Ich finde: Heute ist ein sehr guter Tag, in dieser Geschichte einen Schnitt zu machen und das Wahlrecht auf kommunaler und Landtagsebene zugunsten der Menschen mit Behinderung zu beschließen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Novum in der gesamten Bundesrepublik und in allen Bundesländern. Wir können alle gemeinsam stolz darauf sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dieses Gesetz hat natürlich in Nordrhein-Westfalen einen langen Vorlauf. Sie erinnern sich sicherlich an die Debatte im Juli 2012, als wir mit dem Antrag „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ die Grundlagen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon

vention in diesem Land geschaffen haben.

Diesem folgte ein umfassender Aktionsplan der Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit 100 Maßnahmen in allen Lebensbereichen. Diese Lebensbereiche haben die Themen „Inklusion“ und „Menschen mit Behinderung“ in den Mittelpunkt der Gesellschaft gestellt. In vielen gesellschaftlichen Bereichen läuft dieser Aktionsplan nach wie vor. Wer sich damit beschäftigt, weiß, dass er entscheidend dazu beigetragen hat, das Bild von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft positiv zu verändern.

Das Inklusionsstärkungsgesetz Nordrhein-Westfalen ist ein Artikelgesetz. Es ist kein Leistungsgesetz, wie es manch einer meint. Dieses Artikelgesetz schafft etwas ganz Neues, nämlich in diesem Bundesland erstmals eine inklusive Rechtskultur. Es verbindet viele bestehende Landesgesetze miteinander im Sinne der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Wir als Bundesland schreiben diese Konvention mit dem Inklusionsstärkungsgesetz fest. Darauf können wir stolz sein.