Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Wichtig ist – da sind wir uns auch alle einig –, dass Wohnen auch nicht unnötig verteuert werden sollte. Das gilt sowohl für überzogene Mieten; das gilt aber genauso für steigende Energie- und anderen Nebenkosten.

Wie wir wissen, entfallen auf den Gebäudebereich rund 40 % des Energieverbrauchs in Deutschland. Der Heizungsbetrieb in den kalten Monaten oder auch der Einsatz von Klimaanlagen im Sommer stellen dabei den größten Anteil beim Energieverbrauch dar, sowohl in den privaten Haushalten – da sind es ungefähr 28 % –, aber auch in vielen gewerblich genutzten und öffentlichen Gebäuden. Die Raumwärme spielt mit rund drei Viertel des Energieverbrauchs dabei die größte Rolle. Eine Ausschöpfung der hier vorhandenen Einsparpotenziale ist daher aus unserer Sicht besonders geboten.

Diese Notwendigkeit hat einen ernsten und wichtigen Hintergrund; der ist gerade hier in Nordrhein-Westfalen sehr aktuell. Mit dem Klimawandel gibt es immer mehr Wetterextreme; das konnten wir leider alle in den letzten Tagen vor unserer eigenen Haustür beobachten. Der energieeffizienten Stadt kommt eine besondere Schlüsselrolle im Bereich des Klimaschutzes zu. Wer dies ernst meint, der muss sich auch hier besonders für den Klimaschutz einsetzen. Das ist völlig unstrittig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wichtig ist aber auch, dass mit Augenmaß geschaut werden muss: Was genau ist sinnvoll? Was an Maßnahmen ist sinnvoll? Was bringt ökonomisch und vor allen Dingen auch ökologisch die gewünschten Effekte?

Mit der gesamten Thematik – der Kollege Höne hat darauf hingewiesen – hat sich bekanntlich auch die Bauministerkonferenz bereits beschäftigt. Die

Bauministerkonferenz, die bekanntermaßen aus verschiedenen Ministern verschiedener politischer Farben besteht, hat längst entsprechende Beschlüsse

gefasst. NRW hat in der Diskussion auch ganz eindeutig Position bezogen. Ihres Antrages mit der Forderung nach einem Moratorium bedarf es deswegen aus unserer Sicht nicht.

Wir halten weitere Verschärfungen der EnEV – auch das ist unsere Position –, die mit noch höheren Kosten als der EnEV-Standard 2016 verbunden wären, für falsch. Sie würden unsere Anstrengungen ganz klar konterkarieren, mehr bezahlbaren und energieeffizienten Wohnraum schnell schaffen zu können.

(Beifall von der SPD)

Genau deswegen haben die Bauminister der Länder Bayern, Hamburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen auf Initiative unseres Bauministers angeregt, dass die fachlich zuständigen Ministerien auf Bundesebene tätig werden. Unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesbauministeriums wird deshalb jetzt eine Evaluierung der Anforderungen an Gebäude zur Einsparung von Energie auch vorangetrieben.

Bund und Länder sind sich bereits grundsätzlich einig, dass das gesamte Energieeinsparrecht inklusive EnEV zusammengeführt und in der Anwendung insgesamt vereinfacht werden muss, damit hohe Klimaschutzwirkungen mit möglichst niedrigen Bau- und Bewirtschaftungskosten in Einklang gebracht werden können. Die Gespräche hierzu laufen aktuell.

Parallel dazu ist eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe tätig, die das Ziel hat, zur Gewährleistung des einheitlichen Vollzugs der EnEV im Bundesgebiet eine Mustervorschrift zu erarbeiten.

Wir lehnen den Antrag von CDU und FDP heute also ab, weil ein Sonderweg Nordrhein-Westfalens bei dieser Thematik aus unserer Sicht überhaupt nicht sinnvoll ist. Rechtsverordnungen des Bundes können nicht durch Erlasse der Länder umgewandelt werden, so wie Sie das fordern.

Vielmehr kommt es auf einen Konsens aller Länder möglichst im Rahmen einer Mustervorschrift an. Die Umsetzung im Bundesgebiet ist zu gewährleisten, um Wettbewerbsverzerrungen für die Bau- und Immobilienwirtschaft vermeiden zu können.

Ich komme zum Schluss. – Die Landesregierung hat schon lange und frühzeitig Initiative ergriffen. Wir wollen bezahlbaren Wohnraum mit wirtschaftlichen Klimaschutzmaßnahmen schaffen. Das ist völlig klar; das möchten wir. Wir wollen die Fortentwicklung der EnEV-Systematik. Sie bedarf aber einer Neukonzeption insgesamt beim Energieeinsparrecht. Unser Ansatz ist ganzheitlich, quartiersbezogen. Das wünschen wir uns bei der Betrachtung von Energieeffizienz. Wir stärken den klimafreundlichen und bezahlbaren Wohnraum. Wir brauchen eine Abstimmung zwischen den Ländern und der Bundesregierung. Daran werden wir weiter arbeiten – auch in diesem Hause.

Den Antrag müssen wir heute aber leider ablehnen, weil er uns an der Stelle nicht weiterbringt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der CDU- und der FDP-Fraktion, wir lehnen Ihren Antrag ab. Ich will auch begründen, warum.

Aus meiner Sicht braucht es kein Moratorium; denn Moratorium heißt letztlich Aussetzung und Stillstand. Wir Grünen gehen mit Ihnen überein, dass man intelligent überlegen muss, ob es Sinn macht, auf die jetzt gültige Stufe der EnEV von 2016 noch etwas draufzupacken. Ich glaube, es ist klug, das nicht zu tun.

(Beifall von Minister Michael Groschek)

Denn das, was man an Einspareffekten erreichen kann, ist nicht kohärent zu dem, was es uns letztlich kostet: etwa an zusätzlichen Baukosten, an Verzögerungen. Kollege Höne hat es gerade zwar mit zwei, drei Ideen angedeutet; aber mir fehlen in dem Antrag die konkreten Vorschläge, wie wir es trotzdem schaffen, nachhaltiges Bauen und energieeffizientes Bauen zu gewährleisten.

Bei der Rede von Sarah Philipp fand ich es gerade gut, dass sie gesagt hat: Natürlich geht es auch um den Klimaschutz. – Wir brauchen zwar zügigen Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen, aber wir müssen auch unsere Klimaschutzziele erreichen.

Bei dem, was wir in den letzten Wochen an Wetterextremen erlebt haben, kann man zwar immer noch sagen: „Na ja, das ist jetzt mal ein Wirbelsturm“, oder: „Das hat jetzt mal stark geregnet“, aber ich bin absolut sicher, dass das der Einstieg, die Vorboten für den Klimawandel sind. Wir erleben das jedes Jahr, und dann weinen wir Krokodilstränen, wenn Münster unter Wasser steht oder wenn hier in Düsseldorf ein Drittel des Baumbestandes einem Sturm zum Opfer fällt. Dann sagt man: Oh, jetzt müssen wir aber dringend etwas für den Klimaschutz tun und Gas geben.

Aber bei jeder Debatte, die ansteht – auch bei dieser Debatte wieder oder bei der Veranstaltung des Bauministers zum Hafenkonzept habe ich das wahrgenommen –, sagt man: Nein, da könnte man beim Klimaschutz ein paar Abstriche machen und ein bisschen Grünflächen und Überschwemmungsflächen reduzieren. Das ist doch gar nicht so nötig. Man muss auch auf wirtschaftliche Aspekte, auf Kosteneffizienz etc. achten.

Wir werben von grüner Seite ganz klar dafür, diese beiden Dinge zusammenzudenken. Es muss natürlich schnell gehen, wir brauchen zügig bezahlbaren Wohnraum, aber er muss auch nachhaltig und klimaeffizient sein. Das muss zusammengedacht werden.

(Beifall von der SPD und Hanns-Jörg Rohwe- dder [PIRATEN])

Jetzt kommt es darauf an, was man macht. Ich habe am Anfang schon gesagt: Ich glaube nicht, dass eine weitere Stufe der EnEV der Weisheit letzter Schluss ist. Man sollte vielmehr quartiersbezogen überlegen: Was ist möglich? Was ist zum Beispiel in Richtung KWK, Kraft-Wärme-Kopplung, in Richtung Blockheizkraftwerk bei der Wärmeversorgung möglich? Bei einem Neubaugebiet muss man gucken: Was kann man im Bereich vernünftiger Wärmeversorgung machen? Oder wie sieht es mit der verkehrlichen Anbindung aus? Können wir die CO2-Einsparnotwendigkeiten über eine vernünftige verkehrliche Anbindung von Quartieren, die sich gerade entwickeln, erreichen?

Mein Stand ist jedenfalls nach dem Bericht unseres Ministers, dass auf Bundesebene die Bauminister der Länder dabei sind, Konzepte aufzustellen und zu überlegen, bei der nächsten Bauministerkonferenz Entsprechendes zu beschließen.

Deswegen halte ich Ihren Antrag nicht für notwendig. Die Realität ist weiter als das, was Sie in Ihrem Antrag beschreiben. Mein Stand ist, dass längst überlegt wird: Wie schaffen wir es über die EnEV hinaus, vernünftige Konzepte zu denken, bei denen auf der einen Seite die CO2-Einsparung, die notwendig ist, realisiert werden kann, und auf der anderen Seite nicht noch einmal draufgesattelt wird, nicht noch eine Styroporschicht zusätzlich aufgebracht wird? – Ich bin sicher, dass der Minister dazu gleich berichten wird.

Deshalb sage ich: Das, was Sie als Notwendigkeit beschreiben, ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. In vielen Gesprächen etwa mit der Wohnungswirtschaft, mit Bauherren wird einem rückgemeldet: Passt auf, dass es nicht noch weitere Verschärfungen in diesem Bereich gibt! – Von daher ist das, was Sie formulieren, sicher richtig. Aber Sie ziehen den Schluss, die EnEV auszusetzen und ein Moratorium zu beschließen, ohne etwas Neues, eine Alternative dazu zu benennen. Das fehlt in Ihrem Antrag.

Deswegen stimmen wir Ihrem Antrag nicht zu und setzen darauf, dass die Bauminister uns etwas Kluges vorlegen, was wir dann im Landtag debattieren. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) : Vielen

Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wohnungsbau ist richtig und wichtig – ohne dauernde Kostensteigerungen. Umweltvorschriften können zunächst mal Geld kosten. Es ist aber zu prüfen, ob sie nicht doch auf Dauer Geld sparen. Man muss darüber reden, welche Vorschriften sinnvoll sind und warum. Dabei muss man weiter blicken als von der Wand bis zur Tapete.

Wir wollen also nach den Zielen von Maßnahmen und Regeln fragen. Welche Ziele sind so wichtig, dass andere zurücktreten müssen? Was ist mit der ergebnisoffenen, langfristigen Kostennutzenabwägung die Aufschluss geben kann, dass ein veranschlagter Preis am Ende zu hoch ist?

Unabhängig von festgestellten Kosten sind wir immer bereit, neue Wege und Mittel zur Erreichung der relevanten Ziele zu suchen und alle früheren Entscheidungen vorbehaltlos und ergebnisoffen neu zu prüfen. So sind Flächen-, Umwelt- und Klimaschutz Metaaufgaben, die mit Kosten verbunden sind. Die Lösung des Zielkonflikts zwischen der Schaffung dringend benötigten Wohnraums und den Metaaufgaben ist nicht trivial. Auch darum müssen wir immer wieder neu über Ziele, Zielkonflikte, Zielerreichung reden und gegebenenfalls neu entscheiden.

Die Antragsteller legen hier als Bestandteil einer klimapolitischen Endlosschleife etwas vor, was an plumper Schlichtheit und Durchschaubarkeit weder zu überbieten noch länger zu ertragen ist.

Ginge es den Antragsstellern wirklich um eine ernsthafte Debatte, dann hätten sie versuchen müssen, ernstzunehmende Vorschläge zur Behandlung des Zielkonflikts zu entwickeln. Aber das ist nicht Ihr Geschäft. Die EnEV soll sturmreif geschossen werden.

Wir verteidigen diese Verordnung gar nicht pauschal. Die modellhaft errechneten Einsparpotenziale zum Beispiel halten dem Vergleich mit der Wirklichkeit nicht Stand.

Gerade darum brauchen wir die ernsthafte Beschäftigung mit grundsätzlichen Metazielen und möglicherweise punktuell konkurrierenden wohnungspolitischen Zielen, also keine Suspendierung der EnEV, kein Moratorium, sondern mehr Intelligenz beim Energiesparen, bei Baulandausweisung, Modal Mix, Wohnflächenverbrauch, Infrastrukturdichte, wohnortnaher Versorgung, Kommunalfinanzen.

Darauf gehen aber höchstens die Grünen ein. Mein Vorredner hier, der Kollege Klocke, hat dazu etwas Strategisches geäußert und war auf der richtigen

Spur. Die anderen machen sich dazu keine Gedanken. Nichts im Antrag, nichts Relevantes von der SPD gehört seit Langem.

(Jochen Ott [SPD]: Falsch!)

Wieder die Platte mit dem Sprung von den Antragsstellern: Wir haben nichts gegen Klimaschutz, aber am Klima sind die anderen schuld. Wir können erst, wenn alle anderen auch. Wir begründen den einen Missstand mit dem nächsten, weil wir zu denkfaul sind und sich nichts bessern soll. Wir halten deshalb weiterhin an einem nicht zukunftsfähigen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell fest.

(Jochen Ott [SPD]: Da spricht der Praktiker!)

Es ist großartig, wie gerade die Kollegen Ellerbrock und Voussem von FDP und CDU immer wieder ihre umfassende humanistische Bildung betonen, klassische Philosophen zitieren. Nur gelernt haben sie daraus nichts.

Wären CDU und FDP mit ihrer Denkweise von Anfang an für Wohnungsbau zuständig gewesen wären, säßen wir immer noch in Höhlen und würden mit den Händen Tierblut an die Wände klatschen. Wie Sie eben Syntax und andere sprachliche Formalien bei anderen achten, sollten Sie das auch einmal bei Ihren eigenen Anträgen versuchen, sodass man sie zumindest formal verstehen kann. Inhaltlich wird es bei Ihnen eh nichts mehr.

(Jochen Ott [SPD]: Da haben Sie aber Glück gehabt, Herr Rohwedder!)