Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Flucht der Investoren auf andere Sektoren. Diese Flucht auf andere Sektoren wäre wahrscheinlich klimaschädlicher als die Investition in Wohnungsbau, die wir sehr begrüßen. Wir müssen daher statt der EnEV-Systematik zu einer neuen Systematik kommen.

(Zuruf von der FDP: Dann können Sie dem Antrag ja zustimmen!)

Frau Philipp und Herr Klocke haben Hinweise darauf gegeben, wie diese neue Systematik aussehen kann. Wir sind mit den Länderbauministern aus Sachsen, aus Bayern und mit der Senatorin aus Hamburg übereingekommen, zusammen mit

Dr. Mattner vom ZIA und zusammen mit Ex-Senator Gedaschko vom Verband der Wohnungswirtschaft eine Weichenstellung hinzubekommen, die …

(Zuruf von der FDP)

… vom Prinzip der Thermoskanne – der Einzelimmobilienbetrachtung – weg- und zum Quartier hingeht.

Wir wollen künftig das Quartier, den Siedlungsbereich zum Maßstab für CO2-Einsparungen machen. Die CO2-Einsparung selbst und nicht der Gebäudeenergiewert einer Einzelimmobilie ist wichtig. – Ich hoffe, ich habe Sie jetzt genügend unterrichtet.

(Beifall von der SPD – Lachen und Zurufe – Jochen Ott [SPD]: Das war eine Kurzinterven- tion? – Weiterer Zuruf von der SPD: Zugabe!)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Die Frage, ob Sie jetzt das Parlament, respektive Fraktionen, ausreichend unterrichtet haben, wird das Parlament selber beantworten und bewerten.

(Zuruf von der CDU)

Ich kann lediglich sagen, dass Sie aus den 90 Sekunden Erwiderungszeit 2 Minuten 46 gemacht haben. – Selbstverständlich erhalten jetzt aus Gleichbehandlungsgründen alle Fraktionen, wenn sie möchten, auch noch einmal Redezeit, denn sonst wäre das sehr unfair. – Herr Hausmann, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mir schon Sorgen um den Minister gemacht. So, wie er sich hier aufgeregt hat, dachte ich, er ist das nächste Opfer der Energieeinsparverordnung.

(Jochen Ott [SPD]: Das war Leidenschaft! – Weitere Zurufe von der SPD)

Die nebenbei in den Gebäuden erzeugten Energien tragen natürlich auch dazu bei, dass wir den CO2Ausstoß minimieren. Dazu hat die SPD-Fraktion heute sicherlich ihren Teil beigetragen.

(Beifall von der CDU)

Ich will noch einmal deutlich sagen, worauf es uns ankommt. Sie haben gefragt, wo die Alternativen sind. Ich habe Ihnen die Alternativen genannt: der energetische Fußabdruck der Gebäude, der unter Fachleuten momentan sehr stark diskutiert wird. Was wird insgesamt aufgewendet, um diese Ziele der EnEV zu erreichen? Macht es Sinn, Hauslüftungsanlagen zu betreiben, die ihrerseits wieder Energie – wahrscheinlich aus fossilen Brennstoffen – verbrauchen? Macht es Sinn, Fassaden mit energetisch hochwertig erzeugten Fungiziden zu beaufschlagen, die anschließend ins Grundwasser gelangen?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das haben wir doch besprochen, Herr Kollege!)

All das sind Punkte, die Sie nicht abgearbeitet haben. Wir haben gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam an den Altbaubestand herangehen. Schauen Sie sich einmal die dortigen Zahlen an. Wenn Sie die zusätzlichen Zentimeter Wärmedämmung, die wir momentan im Neubaubereich sinnlos verpulvern, ohne dass ein rechnerischer Nachweis über Einsparungen geführt werden kann, moderat auf Altbauten kleben würden – was ich insgesamt immer noch nicht für toll halte –, dann würden Sie einen Einspareffekt erzielen, der – das ist noch niedrig gerechnet – zehnmal höher wäre als diese 2,5 Millionen t mit der neuen EnEV.

(Beifall von der CDU)

Das andere ist, es geht nicht nur darum, dass man damit Altbauten, die von den Grundrissen und von anderen Parametern her vielleicht gar nicht mehr sinnvoll zu betreiben sind, in eine andere Zeit hinüberrettet. Wenn Sie heute einen Altbau im bestehenden Ortsbild ersetzen und 25 cm Dämmschale aufpacken müssen, müssen Sie davon ausgehen, dass dadurch so viele Quadratmeter wegfallen, dass jeder Bauherr sagt: Solch ein Quatsch, ich baue lieber auf der grünen Wiese. – Das sind alles Nebeneffekte, die Sie jetzt in Kauf nehmen.

Deshalb haben wir von einem Moratorium gesprochen. Wir sagen, wir müssen dringend darüber nachdenken. Einfach blind daran zu glauben und zu sagen, „das machen wir weiter so“, wird uns nicht weiterhelfen; denn die gleiche Diskussion haben wir bei der EnEV 2014 auch schon geführt. Das muss ich am Ende auch noch einmal sagen.

(Zuruf von der SPD)

Der Minister hat uns gesagt: Ich gehe zur Bauministerkonferenz, verschaffe mir da Gehör und dann krempeln wir das um. – Wir haben gesagt: Super, mach das ruhig. – Erfolg war aber offenbar nicht beschieden.

Die Redezeit.

Ich bin sofort zu Ende.

Ich frage mich, Herr Minister, woher Sie die Zuversicht nehmen, dass Sie sich jetzt auf der Bauministerkonferenz durchsetzen können?

(Gordan Dudas [SPD]: Jetzt gib ihm mal eine Antwort! Komm!)

Wir sehen das nicht. Deshalb folgen Sie bitte lieber unserem Antrag.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hausmann. – Herr Kollege Höne hat sich gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Höne.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das heute eigentlich nur vertretungsweise für den Kollegen Ellerbrock gemacht. Ich muss fast überlegen, ob ich nicht doch noch einmal fraktionsintern frage, ob wir die Ausschüsse tauschen können. Eine solche Debatte zu dieser Stunde kann durchaus Spaß machen.

Mensch, Herr Minister Groschek, vielen, vielen Dank für diese bau- und verkehrspolitische vollumfassende Regierungserklärung, die Sie uns hier gerade in 2:40 Minuten gegeben haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Hoffentlich hat es geholfen!)

Sie haben ganz offensichtlich einfach alle Vermerke, die Sie seit Amtsantritt aus dem Hause bekommen haben, noch einmal vor dem Plenum dargestellt. Dabei haben Sie es trotzdem geschafft – dazu gratuliere ich Ihnen im Namen der Freien Demokraten ganz herzlich –, nicht einen gescheiten Satz zum Thema und zum Antrag zu sagen. Auch das muss man erst einmal schaffen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich komme noch einmal zu einem ganz wichtigen Punkt zurück.

(Jochen Ott [SPD]: Fachfremd geht nicht! Man merkt es!)

Ich habe eben in meiner Rede schon angesprochen, dass Sie vor dem VdW genau das gefordert und gesagt haben, was im Antrag steht. Sie sagten, mit anderen Länderkollegen wollten Sie sich für ein solches EnEV-Moratorium einsetzen. In der Kleinen Anfrage wussten Sie schon nichts mehr davon. Jetzt liegt ein Antrag vor, der Ihrer Forderung von vor ein paar Wochen entspricht. Von dieser Forderung wollen Sie nun nichts mehr wissen. Sie hat also eine etwas komische Halbwertszeit. Das beweist Folgendes:

Sowohl Ihr Auftritt von gerade mit der kleinen Regierungserklärung als auch Ihr Auftritt vor dem VdW beweisen, dass es Ihnen nicht um die Inhalte, nicht um das Ergebnis, sondern vor allem um das Tisch-Klopfen und den Applaus des jeweiligen Publikums geht. Das ist keine redliche Politik. Das ist auch keine Verlässlichkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Sie wissen doch, dass das Quatsch ist! Billig!)

Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Bitte schön, Herr Minister. Herr Minister, Sie wissen schon, dass Sie damit die Redezeit erneut verlängern?

Ich weiß, ich weiß.

Nur noch etwas zur Aufklärung, weil mir jetzt deutlich ist, warum Sie hier einige Einlassungen präsentiert haben. Herr Ellerbrock konnte Sie nicht ganz ins Bild setzen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Henning Höne [FDP]: Was haben Sie denn dem VdW gesagt?)

Nein, im Ernst. Ich komme darauf zurück.

Sie haben recht: Bevor die EnEV 2016 umgesetzt wurde, haben wir in der Bauministerkonferenz darüber geredet, dass das ein Maßstab für eine erhebliche Belastung auf der Kostenseite ist, und dass es vernünftig wäre, auf die Umsetzung zu verzichten. Das war eine einhellige Diskussion in der Bauministerkonferenz. Eine Landesbauministerin hat sich abweichend geäußert. Ich will sie nicht zitieren, weil das aus Fachministerkonferenzen nicht personifiziert geschehen sollte.

Wir sind von der Bundesregierung und von einer sehr qualifizierten Mehrheit des Deutschen Bundestages damit konfrontiert worden, dass das von uns gewünschte Moratorium nicht ginge, weil sich die Bundeskanzlerin längst festgelegt hätte und der bevorstehende Klimagipfel in Paris aus Sicht der Bundesregierung auch damit steht und fällt, ob die Zusage EnEV gehalten wird oder nicht. Das hängt damit zusammen, dass Deutschland immer wieder verbindliche Klimaziele auf den Klimagipfeln gegenschreibt. Prioritär outet sich die Frau Bundeskanzlerin dafür.

Aus meiner Sicht haben wir bei der ganzen Angelegenheit vor allen Dingen zwei Problembereiche, die sich zu einer Mogelpackung auswachsen könnten. Das ist der Verkehrsbereich und das ist der Gebäudebereich. Warum? Weil wir im Gebäudebereich Milchmädchenrechnungen zugrunde legen. Wenn im

industriellen Bereich aus gutem Grund die energieintensive Industrie kommt und sagt, „wir können die Lasten nicht tragen, es sei denn, ihr verantwortet Arbeitsplatzabbau und Standortwechsel“, geht die Politik hin und sagt: Gut, dann werdet ihr ausgespart und das Aussparen lasten wir anderen Schultern auf. – Die anderen Schultern sind dann rechnerisch zunächst einmal der Verkehr und die Gebäudesubstanz.

Bei der Gebäudesubstanz wird viel zu wenig differenziert. Äpfel und Birnen werden munter in einen Korb geworfen: Gewerbeimmobilien, Bestandsimmobilien und Neubauprämissen. – Deshalb gilt: Was die Gebäude an Klimafreundlichkeit zusätzlich erbringen sollen, ist bis jetzt Mengenlehre und noch keine Mathematik. Mengenlehre und noch keine Mathematik!

Also müssen wir jetzt um der Redlichkeit willen einen Weg definieren, wie wir aus dieser Mengenlehre ein praktisches kleines Einmaleins für die Bauwirtschaft und für die Menschen, die Wohnraum suchen, machen können.