Protokoll der Sitzung vom 06.07.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen 117. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen unterschiedliche Dinge, die alle einvernehmlich zwischen den Fraktionen geregelt sind, zum Ablauf der kommenden Plenartage bzw. zur Änderung der Tagesordnung mitzuteilen.

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Aktuellen Stunden wie folgt anzusetzen:

Die Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP „Verfassungsschutzbericht belegt bedrohliche Entwicklung des Extremismus in Nordrhein-Westfalen – Landesregierung muss wirksames Konzept zur Terrorismusbekämpfung vorlegen“ wird am Donnerstag als TOP 1 behandelt.

Die Aktuellen Stunden zu den Themen „Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen des ‚Brexit‘ auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen NordrheinWestfalen und dem Vereinigten Königreich ein und welche politischen Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen?“ auf Antrag der Fraktion der CDU und „Mögliche Auswirkungen des Austritts des Vereinten Königreichs aus der Europäischen Union auf NordrheinWestfalen“ auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden verbunden und am Freitag als TOP 1 behandelt.

Darüber hinaus haben sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt, den Antrag der CDU „Bundesverkehrswegeplan 2030 ermöglicht den ‚Aufbau West‘ – Landesregierung muss in der Verkehrspolitik schnell zu einer gemeinsamen Linie finden und sich im Rahmen der bundespolitischen Beratungen für die Interessen Nordrhein-Westfalen einsetzen!“ nicht am Donnerstag als Tagesordnungspunkt 3, sondern am Freitag als Tagesordnungspunkt 3 zu beraten und den Antrag der Fraktion der CDU „Erbschaftsteuerreform – Landesregierung darf Kompromiss nicht blockieren!“ nicht am Freitag als TOP 3, sondern dementsprechend am Donnerstag als Tagesordnungspunkt 3 zu beraten.

Es gibt noch weitere Hinweise:

Der für Donnerstag unter Tagesordnungspunkt 4 vorgesehene Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Gelingende Integration von Flüchtlingen. Ein Integrationsplan für NRW.“ wird auf einen späteren Plenartag verschoben.

Die für Donnerstag unter Tagesordnungspunkt 5 vorgesehene zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung „Gesetz über die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2016“ wird ebenfalls auf einen späteren Plenartag verschoben.

Die nachfolgenden Tagesordnungspunkte am Donnerstag verschieben sich dementsprechend.

Das ist, wie gesagt, einvernehmlich zwischen den Fraktionen so besprochen worden. Gleichwohl schaue ich in die Runde, ob sich Widerspruch erhebt. – Das ist nicht der Fall. Damit haben wir die Tagesordnungen für heute, morgen und übermorgen entsprechend verändert.

Alle diejenigen, für die das ein bisschen verwirrend war, weise ich gerne auch noch einmal auf die aktualisierte Tagesordnung im Internet hin, in der die Veränderungen und die sich daraus ergebenden geänderten Anfangs- und Endzeiten aufgeführt sind.

Nach diesen vielen Vorbemerkungen treten wir in die Abarbeitung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Unser Wasserstraßen-, Hafen- und Logistik

konzept stärkt NRW als Logistikdrehscheibe

Unterrichtung durch die Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 28. Juni 2016 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem genannten Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch Herrn Minister Groschek. Herr Minister Groschek hat jetzt auch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass ich Sie über eine Gemeinschaftsleistung zur Stärkung des Standortes Nordrhein-Westfalen unterrichten darf. Wir haben Hafen- und Logistikexperten aus ganz Deutschland eingeladen, uns bei der Erarbeitung zu begleiten. Zum ersten Mal haben wir die Seehäfen – die nationalen wie die internationalen – eingeladen, mitzuarbeiten. Und das hat sich gelohnt.

Die Werthaltigkeit des Konzeptes wurde deutlich, als wir das Hafen- und Logistikkonzept im April vor 250 Fachleuten aus Deutschland und den Beneluxstaaten vorstellen konnten und das Urteil dieser Fachleute unisono war: Das ist ein Hafen- und Logistikkonzept, das Richtlinie ist; das ist ein Hafen- und Logistikkonzept, auf dem man einen Logistikstandort auf- und ausbauen kann.

Deshalb bin ich sicher: Dieses Konzept ist kein Lückenfüller im Regal, sondern eine konkrete Handlungsanleitung für die nächsten zehn Jahre. Wir haben angesichts der über 30 Handlungsfelder, die sehr konkret beschrieben sind, im Grunde auch mit jeweiligen Verantwortlichen mit der Umsetzung schon begonnen, wie ich gleich noch darstellen werde.

Alles das, was in diesem Konzept niedergelegt ist, macht deutlich: Nordrhein-Westfalen ist Land der Logistik. Hier gibt es fast 315.000 Arbeitsplätze und über 28.000 Unternehmen. 70 Milliarden € von 220 Milliarden € nationalem Umsatz werden in NordrheinWestfalen gemacht.

Allen Vorurteilen gegenüber der Qualität unserer Infrastruktur zum Trotz beweisen Direktinvestitionen von weltführenden Unternehmen, wie Standortqualität bei denen eingeschätzt wird, die mit eigenem Geld investieren: gestern die Metro mit einer Arbeitsplatzperspektive von 1.000 sowie Arvato, Schenker, DHL, UPS und viele andere mehr.

Wir werden in den nächsten anderthalb Jahren weitere internationale Investitionen erleben, die deutlich machen: Die Standortqualität Nordrhein-Westfalens steht außer Zweifel.

Deshalb hat McKinsey recht, als es 2013 beschrieben hat, dass wir mindestens 16.000 zusätzliche Arbeitsplätze in diesem Bereich für Nordrhein-Westfalen gewinnen können.

Das, was wir gewinnen können, sollten wir auch gemeinsam als Erfolg verbuchen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nordrhein-Westfalen ist die logistische Drehscheibe in Westeuropa. Dass das so ist, haben wir einem quasi magischen Dreieck der Logistik zu verdanken. Dieses Dreieck wird geografisch durch die Orte Duisburg, Dortmund und Köln markiert.

In Duisburg haben wir den weltgrößten Binnenhafen und diverse logistische Dienstleistungsfunktionen und Arenen rund um diesen Binnenhafen.

In Dortmund haben wir den größten europäischen Kanalhafen.

In Köln haben wir Europas größten Express-CargoFlughafen, mit HGK einen Schienendienstleister und

mit Eifeltor Deutschlands größtes kombiniertes Terminal zur Verladung auf die Schiene.

Das heißt: Nordrhein-Westfalen ist prädestiniert dafür, die historische Funktion und Rolle der internationalen Seehäfen am Nordatlantik zu übernehmen. Dazu gleich mehr.

Bei der Aufzählung dieser drei markanten Punkte vergesse ich natürlich nicht die Neuss-Düsseldorfer Häfen GmbH, den RegioPort Weser in Minden oder gar den wichtigen Kanalhafen in Hamm. Alle gehören zur Familie der hafengestützen Logistik.

Logistik – das sehen Sie – ist Teil und Voraussetzung für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen und deshalb weit mehr als eine reine Hafenkaikante, wo Container gestapelt und verladen werden.

In unserem Konzept werden aber auch drei Herausforderungen sehr deutlich, denen wir uns stellen müssen und wo wir – zusammen mit anderen in der Welt – noch besser werden müssen.

Das erste Problem ist das Imageproblem. Es gibt zu viele Menschen, die glauben, Logistik hätte nur mit Gabelstaplerfahren zu tun. Ja, auch in NordrheinWestfalen kann man die entsprechende Qualifikation durch den Erwerb eines Gabelstaplerfahrerscheins erwerben. Aber es geht weit darüber hinaus. Eine duale Binnenschifferausbildung, die Ausbildung zur Fachkraft für Logistik oder ein Masterabschluss mit oder ohne Kopplung an das Fraunhofer-Institut zeigen, dass nirgendwo in Deutschland und nirgendwo in Westeuropa die Ausbildungs- und Hochschul- bzw. Universitätsdichte in diesem Bereich größer ist als bei uns.

Wir werden uns zunutze machen, dass der LogistikOscar im Grunde ein Abo in Nordrhein-Westfalen hat und wir die Ausgezeichneten sind, wenn es um Qualität und Kompetenz, logistisches Wissen und Knowhow geht.

(Beifall von der SPD)

Da haben wir Chancen, noch besser zu werden und auf einem hervorragenden Niveau aufzubauen.

Zweites Problem: Fläche. Hochgerechnet wird unser Flächenbedarf bis 2030 rund 255 ha betragen. In unserem Logistikkonzept wurden 380 Standorte mit einem Flächenvolumen von 10.000 ha untersucht. Dabei ist herausgekommen, dass das Flächenpotenzial, das wir mobilisieren können, groß genug ist, um alle Bedürfnisse im Land zu befriedigen.

Weil der LEP ein vielgescholtenes Kind der Opposition war, will ich darauf hinweisen, dass mit dem jetzt in Verabschiedung befindlichen Landesentwicklungsplan zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes Flächen vor Flächenkonkurrenz geschützt und gesichert werden.

Das heißt, dass dieser Landesentwicklungsplan eine Qualität hat, die keiner der Vorgänger ausgewiesen hat. Deshalb ist dieser Landesentwicklungsplan auch für die Logistikwirtschaft ein gutes Instrument, um Arbeitsplätze zu schützen, zu forcieren und die Wirtschaft sich entwickeln zu lassen.

All das, was die Opposition dazu kundtut, ist im Grunde Vorurteil und durch ein qualifiziertes Urteil widerlegt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Die landesbedeutsamen Häfen sind gut aufgehoben – auch in der Darstellung im LEP.

Die Kommunen allerdings müssen an dieser Stelle die Flächenbereitstellung mitmachen. Es gibt Kommunen, die eher Anschieber sind, und solche, die eher Aufschieber sind.

Zu den Anschiebern in der ersten Reihe zählt beispielweise die Stadt Herne. Diese relativ kleine Stadt im Ruhrgebietsverbund hat die Zeichen der Zeit erkannt und die Chancen von Investitionen beherzt ergriffen. Der Oberbürgermeister von Herne war nicht nur mit in Louisville bei UPS, sondern hat auch aus einer Partnerschaft, die gewachsen ist, eine Freundschaft auf persönlicher Ebene gemacht.

Er wurde mit einer Investition von fast 100 Millionen € von UPS in Herne belohnt. Herne hat jetzt als ehemaliger reiner Speditionsstandort alle Chancen, mitten im Ruhrgebiet viele Tausend Arbeitsplätze an einem Standort mitten in der Stadt zu entwickeln und so Strukturwandel ganz praktisch durch kluge Kommunalpolitik zu begleiten und zu forcieren.