Drittens warten wir die Verhandlungen mit Gelassenheit und Zuversicht ab. Auch hier gilt nämlich: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Viertens sind wir der Überzeugung, dass es zu einer Neuregelung kommt, die die Interessen aller Beteiligten fair berücksichtigt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Morgen wird im Bundesrat das Gesetz zur SGB-II-Rechtsvereinfachung abschließend beraten. Was einmal als großer Wurf zur Entbürokratisierung angedacht war, über Jahre hinweg in Bund- und Länderarbeitsgruppen sowie auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz beraten wurde, bringt am Ende nicht mehr als Detaillösungen, die zwar die Arbeit der Verwaltung erleichtern mögen, die aber kaum Vereinfachungen für die betroffenen Leistungsempfänger beinhalten.
Der deutsche Sozialstaat bleibt letztendlich unüberschaubar und kompliziert. So können die betroffenen Menschen ihre Ansprüche und Pflichten kaum überblicken. Eigentlich hätten wir einen großen Reformschritt erwartet, sozusagen eine Agenda 2030, in Richtung weniger Bürokratie und effizienterer Vorgänge zum Nutzen der Betroffenen und der Gesellschaft.
Die Freien Demokraten treten dafür ein, Schritt für Schritt möglichst viele Sozialleistungen zusammenzufassen. Auch sollten die Möglichkeiten der Pauschalierung von Leistungen – beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft – stärker genutzt werden. Behörden könnten zusammengelegt werden, um möglichst alle Leistungen vor Ort von einer Stelle aus zu erbringen.
Zudem wollen wir, dass die Aufnahme einer Beschäftigung sowie die eigene Altersvorsorge attraktiver werden. Freibeträge und Anrechnungssätze für eigenes Einkommen sollten deshalb neu gestaltet werden. Den zeitweise Bedürftigen muss vom selbstverdienten Geld so viel übrig bleiben, dass sich der Einsatz lohnt, Schritt für Schritt wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
Rechtsvereinfachung nicht mehr als eine halbherzige Korrektur der gesetzlichen Vorgaben – nicht völlig verfehlt, aber wenig ambitioniert.
Wir teilen allerdings nicht die Tendenz aus dem Antrag des Abgeordneten Schwerd. Eine sanktionsfreie Grundsicherung ist für uns nicht der richtige Weg. Wenn die Zusammenarbeit verweigert wird, wenn die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit abgelehnt wird, dann muss das auch Konsequenzen haben.
Weg aus der Erwerbslosigkeit finden. Wir Freien Demokraten stehen zu dem Grundsatz, den Einstieg in den Arbeitsmarkt durch intensive Förderung zu unterstützen, aber eben auch die Mitwirkung der betroffenen Menschen einzufordern.
Zum Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen möchte ich anmerken, dass wir ebenfalls ein Problem bei der taggenauen Aufteilung des Regelbedarfs zwischen sorgeberechtigten und umgangsberechtigten Elternteilen sehen. Die laufenden Kosten für Miete, Strom und Telekommunikation fallen – wie bereits ausgeführt – monatlich an, auch wenn sich das Kind bei dem anderen Elternteil aufhält. Bei dem umgangsberechtigten Elternteil entstehen Mehraufwendungen, wenn zum Beispiel Möbel oder andere Ausstattungen vorzuhalten sind. Auch die variablen Kosten – wie für Strom, Wasser und Lebensmittel – steigen an in der Zeit, in der das Kind dort ist.
Kinder haben das Recht auf Betreuung durch beide Elternteile; das sagten schon die Vorredner. Dies gilt gerade auch bei einer Trennung der Eltern. Deswegen setzt sich die FDP dafür ein, dass das Wechselmodell, die sogenannte paritätische Doppelresidenz, in der Praxis stärker berücksichtigt wird. Darauf hat mein Kollege Marcel Hafke im Jugendausschuss übrigens schon mehrmals hingewiesen. Auch das Sozialrecht darf dem Kindeswohl nicht entgegenstehen. Es darf nicht die Kinder benachteiligen, die bei getrennten Elternteilen leben.
Das Problem der taggenauen Aufteilung des Regelbedarfs ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Der ursprüngliche Gesetzentwurf zur SGB-II-Rechtsvereinfachung hätte das Ganze in der Praxis verschärft; aber letztlich hat die Koalition in Berlin auf eine solche gesetzliche Regelung verzichtet. Einen Umgangsmehrbedarf im SGB II aufzunehmen – wie im Antrag gefordert –, fand dort eben keine Unterstützung.
So gut gemeint der Antrag auch ist – Frau Kollegin Jansen, hier sind wir wieder bei „nicht gut ist gut gemeint“ –, ich frage mich aber doch, was Sie jetzt noch erreichen wollen. Eine substanzielle Änderung wie die Einführung eines Umgangsmehrbedarfs werden Sie morgen im Bundesrat nicht mehr erwirken können. Oder wollen Sie wegen dieses Punktes dem Gesetz nicht zustimmen und den Vermittlungsausschuss anrufen? – So bleibt dies letztendlich nur ein Schaufensterantrag, zu dem wir uns enthalten werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren hier im Saal und am Stream! Wir haben hier vieles gehört zum SGB II und zu der jetzt anstehenden Reform – wobei: „Reform“ will ich das eigentlich gar nicht nennen, noch nicht einmal „Reförmchen“. Das erinnert mich an eine gewisse Verfassungskommission, über die wir morgen sprechen.
Ich will jetzt nicht alles wiederholen. In großen Teilen kann ich mich Daniel Schwerd und Frau Jansen anschließen, in einigen Teilen auch der Kollegin Grochowiak-Schmieding.
Die CDU findet dieses Gesetz ja heimlich immer noch toll und zieht jetzt immer SPD und Grüne damit auf. Ich finde, die Grünen zeigen hier, dass sie dazugelernt haben. Das ist eine Lernkurve, die der CDU noch bevorsteht – das hoffe ich zumindest.
Die Heizkosten. Über die Reform soll erreicht werden, dass man Menschen dazu zwingen kann, in energetisch besser gedämmte Wohnungen umzuziehen. Darauf haben die Menschen aber kaum Einfluss. Die energetisch besser isolierten Wohnungen sind im Grundpreis meist so teuer, dass kein Jobcenter die Kosten dafür übernimmt, weil die Kaltmieten einfach zu hoch sind.
Das ist nur ein weiteres Repressionselement dieses völlig unsozialen SGB II. Das bringt keine Verbesserung; das bringt nur eine Verschlechterung und fördert das Gegeneinander derjenigen, die im Jobcenter vor und hinter dem Schreibtisch sitzen. Das macht keinen Sinn.
Hinzu kommt noch diese unselige Zwangsverrentung, die auch noch nicht benannt worden ist. Hier werden Menschen um den Lohn ihrer Arbeit gebracht, wenn sie im letzten Teil ihres eigentlichen Arbeitslebens keine Arbeit mehr haben. Wenn hier eine Zwangsverrentung gefordert wird, ist das nichts anderes als eine Enteignung der Ärmsten unserer Gesellschaft.
Das Verfahrensrecht ist bereits angesprochen worden. Lieber Daniel Schwerd, es ist nicht nur einfach eine Ungerechtigkeit, sondern in meinen Augen verstößt die Verkürzung dieser Einspruchsfristen eindeutig gegen Art. 3 Abs. 1 unseres Grundgesetzes: Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich. – Hier aber ist das nicht mehr der Fall.
Ganz wichtig ist noch ein weiterer Punkt: Es gibt noch immer die Unterscheidung zwischen über 25-Jährigen und unter 25-Jährigen. Das widerspricht jedoch komplett unserer sonstigen Gesetzgebung. Wir dürfen nicht nur nach dem Alter unterscheiden – das geht einfach nicht. Das widerspricht im Endeffekt auch unserem Grundgesetz.
Wir reden also über weitere Repressionsrechte im SGB II, die dieses Gesetz noch unsozialer machen, als es jetzt schon ist. Deshalb schließe ich mich ausdrücklich der Forderung von Daniel Schwerd an: Dieses Gesetz muss weg! Wir brauchen einen komplett neuen Aufschlag. So ist es nicht mehr zu retten.
Ich habe noch einen Hinweis an Herrn Kerkhoff. Sie sprachen vorhin davon, dass es sich um ein lebendes, um ein lernendes System handele. Die Menschen jedoch, die davon betroffen sind, empfinden dieses System als ein Monster, das sie auffrisst. Wenn Sie sich einmal die psychosozialen Folgen des SGB II anschauen – inzwischen existieren 10-Jahres-Perspektiven –, stellen Sie fest: Die Menschen empfinden es als absolute Repression, als ein sehr schlimmes System.
Überdies bringt es niemanden in Arbeit. Mittlerweile gibt es viele wissenschaftliche Auswertungen zum SGB II; Stichwort: Fördern und Fordern. Fördern findet kaum statt – Fordern und Repressionen dafür umso mehr. Genau dieser zweite Teil bringt niemanden in Arbeit. Das Einzige, was passiert, ist, dass jeder, der davon irgendwie bedroht ist, jeden Job annimmt, egal zu welchem Lohn.
Ja, es gibt immer noch Menschen, die unter dem Mindestlohnstandard arbeiten. Ja, dieses SGB-IISystem trägt dazu bei, dass Menschen sich dazu gezwungen sehen, solche Arbeiten anzunehmen. Deshalb gehört dieses System grundsätzlich einfach abgeschafft.
Herr Kerkhoff, Sie sprachen eben von Langzeitarbeitslosen. Dazu muss man wissen: Gerade ist wieder eine neue Studie veröffentlicht worden, die speziell auf die Langzeitarbeitslosigkeit eingeht. Darin wird festgestellt: Bei keinem wirtschaftlichen Aufschwung, den wir in der letzten Zeit verzeichnen konnten, auch nicht beim aktuellen Aufschwung, baut sich die Langzeitarbeitslosigkeit ab – nicht mit diesem SGB-II-System, und schon gar nicht mit mehr Repressionen, als sie derzeit bereits vorhanden sind.
Von daher empfehle ich meiner Fraktion, den Antrag von Herrn Schwerd anzunehmen, ebenso den Antrag von Rot-Grün. Das sind jedoch nur kleine Pflaster; das Gesamtsystem wird dadurch nicht viel besser und ist immer noch nicht unterstützenswert. – Vielen Dank.
Kollegen! Die Länder haben unter Federführung von Nordrhein-Westfalen zahlreiche Änderungsanträge in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Zwar sind längst nicht alle dieser Änderungen vom Bundestag im 9. Änderungsgesetz zum SGB II beschlossen worden, aber, Herr Kollege Schwerd – deshalb das ganze Gesetz ablehnen?
Ich denke an die vielen SGB-II-Bezieher im Land, die künftig nicht mehr alle sechs Monate, sondern nur noch alle zwölf Monate einen Folgeantrag stellen müssen. Ich denke an die ALG-II-Bezieher, die an einer Arbeitsgelegenheit teilnehmen und künftig bei Bedarf eine finanziell gesicherte sozialpädagogische Betreuung erhalten können.
Ich denke auch an die Auszubildenden in einer förderungsfähigen Berufsausbildung oder an Schülerinnen und Schüler, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten und künftig ergänzend zur Ausbildungsvergütung und Ausbildungsförderung Ansprüche auf Arbeitslosengeld II besitzen. Außerdem denke ich an die Menschen, die endlich einen Job gefunden haben und künftig zur Stabilisierung der Beschäftigung eine weitere Unterstützung auch nach Ende des Leistungsbezugs erhalten können.
Das sind aus meiner Sicht einige gewichtige Gründe, die trotz fortbestehenden Änderungsbedarfs – das ist in verschiedenen Wortbeiträgen schon deutlich geworden – an den gesetzlichen Regelungen im SGB II für eine Zustimmung zum Gesetz im Bundesrat sprechen.
Noch ein Wort zu den Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Landesregierung hat stets eine Reform der Sanktionen im SGB II gegenüber dem Bund angemahnt. Deshalb wurden hierzu im laufenden Gesetzgebungsverfahren entsprechende Änderungsanträge im Bundesrat gestellt.