Matthias Kerkhoff

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Antrag werden in der Tat viele wichtige Fragen aufgeworfen. Das hat die Anhörung bestätigt, wenn auch der Antrag das komplexe Thema zu sehr auf die Frage der Ortsgebundenheit reduziert hat.
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt, und sie wird auch die Weiterbildung verändern – verändern müssen, wenn wir unserem Anspruch, die Digitalisierung der Arbeitswelt gestalten zu wollen, gerecht werden wollen. Es geht dann darum, zu organisieren, dass die Beschäftigten in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt Schritt halten können und nicht von Entwicklungen überrollt werden.
Das Thema „Weiterbildung“ ist dabei natürlich ganz zentral. Denn einmal gelernt und dann 40 Jahre im gleichen Unternehmen die gleichen Tätigkeiten auszuüben, das sind Bedingungen, die es heute schon kaum noch gibt. Das wird in Zukunft, wenn überhaupt, umso seltener der Fall sein. Deshalb gilt es, sich weiterzubilden, am Ball zu bleiben und die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten.
Wie verändert sich Weiterbildung technisch, inhaltlich, organisatorisch? Welchen veränderten Weiterbildungsbedarf gibt es in den Unternehmen, die Teil der digitalisierten Welt werden oder bereits sind? Welche neue Anforderungen ergeben sich, die erlernt werden müssen?
Ein Thema ist die Präsenzpflicht. Es wird zunehmend so sein, dass man Weiterbildungsangebote auch oder ausschließlich online wahrnimmt. Dazu gibt es heute schon Beispiele – es ist in der Anhörung genannt und auch diskutiert worden – bei der Deutschen Rentenversicherung. Ich weiß es von Kliniken. Bei der Anzahl der Staus in Nordrhein-Westfalen kann man allein aus dem Grund vielen Leuten nur dazu raten, es so zu organisieren.
Es ergeben sich aber auch weitere Vorteile. Es spart Zeit. Wenn der Teilnehmer selber bestimmen kann, wann er sich weiterbildet, ist das auch ein Baustein
zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Nehmen Sie Homeoffice-Situationen. Da macht es erst recht Sinn, Weiterbildung so zu organisieren, dass man sie am heimischen Arbeitsplatz wahrnehmen kann. Es macht keinen Sinn, Menschen, die von zu Hause arbeiten, für Phasen der Weiterbildung an irgendeinen anderen Ort im Land zu schicken. In der Anhörung wurde so schön formuliert: „liquides Lernen“, also Lernen besser mit der Lebenswirklichkeit zu vereinbaren.
Wir müssen aber auch ernst nehmen, dass es Lern- und Weiterbildungssituationen gibt, in denen auch künftig die physische Anwesenheit Sinn macht. Das ist dann keine altmodische Veranstaltung aus der analogen Welt, sondern das wird auch künftig Teil der Weiterbildungswelt sein und bleiben und damit einen berechtigten Platz behalten.
Ebenso mag es Modelle geben, in denen Module so gestaltet sind, dass beide Elemente kombiniert werden: die Präsenz, der Austausch miteinander, die Diskussion, die Präsentation auf der einen Seite und auf der anderen Seite Vorbereitungen, lernen, alles, was Vorlesungscharakter hat, eher online von zu Hause aus. Solche Modelle werden zunehmen.
Digitalisierung in der Weiterbildung muss dafür sorgen, dass die Angebote, dass die Möglichkeiten der Wahrnehmung und die Chance, teilzuhaben, größer und vielfältiger werden und nicht kleiner und schmalspuriger. Das ist auch Teil des Gestaltungsanspruchs, den ich zu Anfang erwähnt habe.
Wichtig bei allen Bestandteilen der Weiterbildung ist nicht die Frage, wann, wo oder wie sie stattfinden, sondern wichtig sind die Qualität und Erfolgskontrolle. Digitales Lernen darf nicht dazu führen, dass die Qualität sinkt und dass Erfolge nicht mehr messbar sind. Umgekehrt gilt aber auch, dass künftig Teilnehmer sowie deren Arbeitgeber von einer Weiterbildung, die in Präsenz stattfindet, mehr erwarten und sich die Frage stellen, ob das Ganze nicht auch online hätte durchgeführt werden können.
So bin ich mir sicher, dass dieses Thema die Arbeit des Landtags auch in den nächsten Jahren begleiten wird, es kommt sozusagen in die digitale, in die virtuelle Wiedervorlagemappe.
Für heute enthalten wir uns bei diesem Antrag, weil er ein wichtiges Thema aufgreift, aber die Folgerungen daraus unvollständig bleiben. – Herzlichen Dank.
Herr Minister LerschMense, deshalb wäre es noch schöner, wenn die Ministerpräsidentin diese Fragen beantworten könnte. Aber ich will trotzdem noch einmal nachfassen. Die Ministerpräsidentin ist ja auch stellvertretende Bundesvorsitzende. Muss sie sich nicht massiv hintergangen fühlen, wenn sie als Mitglied aller entscheidenden Gremien von dieser Praxis nichts gewusst hat?
Herr Minister, sind in der Staatskanzlei oder im Büro der Ministerpräsidentin Anfragen an die Ministerpräsidentin eingegangen, an einem dieser „Vorwärts-Gespräche“ teilzunehmen, und wenn ja, zu welchen Themen und mit welchen Sponsoren?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte gibt uns Gelegenheit, darüber zu sprechen, mit welchen Maß
nahmen, Ideen, Programmen und Debattenbeiträgen die Landesregierung bzw. der Arbeitsminister aufgefallen ist oder eben unauffällig geblieben ist.
Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Auch in NRW geht die Arbeitslosigkeit zurück. Seit 2010 ist sie in ganz Deutschland um 19% gesunken, in NordrheinWestfalen nur um bescheidene 7%. Die Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen betrug im Oktober 2016 7,4 %. Das ist der niedrigste Stand seit fünf Jahren. Sie liegt aber deutlich über dem Bundeswert von 5,8 %.
19 % im Vergleich zu 7 % – das klingt vielleicht mathematisch-technisch, hat aber konkrete Auswirkungen. Denn in anderen Bundesländern – mittlerweile auch im Osten Deutschlands – haben Arbeitslose bessere Chancen, wieder in Beschäftigung zu kommen, als in Nordrhein-Westfalen. Wer arbeitslos ist oder wird und das Pech hat, in Nordrhein-Westfalen zu leben, dessen Chancen sind geringer als anderswo, wieder in Beschäftigung zu kommen. Das ist die Bilanz Ihrer Regierungszeit. Das ist nicht gut, und das muss sich ändern, meine Damen und Herren.
Nordrhein-Westfalen braucht einen Arbeitsminister und eine Landesregierung, die einen umfassenden Ansatz verfolgen – eine Landesregierung, die eben nicht nur in arbeitsmarktpolitischen Projekten denkt. Jetzt kurz vor Toresschluss, am Ende des Jahres 2016, kündigen Sie an, dass 14 Millionen € in den Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes fließen. Es sollen – das Ganze bei ca. 300.000 Langzeitarbeitslosen – 4.000 Stellen geschaffen werden. Das konnten wir zumindest den Medien entnehmen.
Ich halte fest, dass Ihr Konzept anscheinend nicht überzeugend genug war, um von Arbeitsministerin Nahles unterstützt zu werden. Und Ihre Kritik am Finanzminister im Bund in dieser Frage – in der Vergangenheit häufig hier gehört – geht am Kern der Sache vorbei.
Sie selbst kommen mit einem Projekt aus dem Koalitionsvertrag kurz vor Weihnachten 2016 um die Ecke. Ein solcher sozialer Arbeitsmarkt lässt sich nicht zwischen Weihnachten und Silvester organisieren.
Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen braucht eine Landesregierung, die weiß, dass alles, was verteilt werden soll, zunächst erwirtschaftet werden muss, und die ein Bewusstsein dafür hat, dass eine vernünftige Wirtschaftspolitik Voraussetzung für das Entstehen von Arbeitsplätzen ist. Ich fordere einen Arbeitsminister, der sich als Standortminister versteht, der mit einem anderen Selbstverständnis agiert und sich immer dort einmischt, wo es um Beschäftigung geht. Das tun Sie nicht, und das ist
schlecht für das Land, für die Beschäftigten und diejenigen, die Arbeit suchen.
Herr Minister, was sagen Sie denn eigentlich Beschäftigten, deren Unternehmen sich aufgrund des LEP-Entwurfs an Ihrem Standort nicht erweitern können? Das sind die Unternehmen, von denen die IHK Bielefeld ganz konkret spricht. Ich will sie nennen: Im Kreis Minden-Lübbecke sind es 20 Betriebe mit 1.000 Mitarbeitern, im Kreis Herford 16 Betriebe mit 1.900 Mitarbeitern, im Kreis Gütersloh 20 Betriebe mit 2.400 Mitarbeitern, im Kreis Lippe drei Unternehmen mit 300 Mitarbeitern und im Kreis Höxter zwei Betriebe mit 50 Mitarbeitern. Wo ist der Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle? Wir hören nichts.
Meine Damen und Herren, wieso muss ein Umweltminister Johannes Remmel, wenn er wieder irgendwelchen Quatsch wie die Hygieneampel macht, nichts fürchten? Und wieso gibt es keinen Arbeitsminister in diesem Land, der sagt: „So geht das nicht, du gefährdest Arbeitsplätze!“? – Es ist schön für Johannes Remmel, dass er so wirken kann, aber es ist schlecht für das Land und den Arbeitsminister, der sich nicht dafür interessiert oder sich nicht kümmert. Beides ist schlecht.
Meine Damen und Herren, wir setzen auf eine Arbeitsmarktpolitik nicht im Verständnis eines Reparaturbetriebes, sondern als Konzeption, die auf gute wirtschaftliche Entwicklung, Qualifizierung und gezielte Unterstützung setzt. Ihre Bilanz am Ende der Legislaturperiode lautet erstens, dass die Lage hier schlechter als in anderen Ländern ist, dass Sie zweitens sagen, dass immer die anderen die Schuld haben, und dass Sie drittens keine Bereitschaft zeigen, etwas davon ändern zu wollen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns hier mit diesem Thema der Sanktionen beschäftigen. Die Piratenfraktion hat in dem Antrag eine aktuelle Berichterstattung aufgegriffen, ohne sie näher zu klassifizieren.
Ich habe dann einfach mal bei der Regionaldirektion nachgefragt, und dort hat man mir gesagt, dass die in den Zeitungsberichten Anfang September – ich denke, darauf bezieht sich das – angesprochenen Veränderungen keine Verschärfung irgendeiner Praxis bedeuten, sondern dass das letztendlich nur noch einmal wiedergibt, was ohnehin schon vollzogen wurde. Denn in der Praxis wurde es in den Jobcentern schon immer genau so gehandhabt.
Bis zum 01.08.2016 hatten die Jobcenter die Ersatzansprüche aus § 34 SGB II in den Durchführungsanweisungen genau so ausgelegt, wie es nun seit dem 1. August dieses Jahres im Gesetz steht. Es handelt sich somit nicht um eine Neuerung, keine Verschärfung und auch kein knallhartes Durchgreifen, sondern um eine seit Jahren gelebte Praxis, die der Gesetzgeber aktuell in einen gesetzlichen Rahmen gegossen hat.
Zur Vollständigkeit gehört auch noch der Hinweis, dass es sich gar nicht um Sanktionen handelt, sondern um Ersatzansprüche aufgrund von sozialwidrigem Verhalten, und das ist nicht gleich Sanktion. – So weit erst einmal zum Technischen.
Des Weiteren gibt es zu dieser Fallgestaltung nach meiner Erkenntnis keine statistischen Daten. Aber ebenfalls auf Nachfrage wurde mir gesagt, dass von ganz geringen Fallzahlen ausgegangen wird, da in diesen Fällen der Nachweis eines solchen Verhaltens unglaublich schwierig bzw. kaum zu erbringen ist. Das heißt, wir haben es, wenn überhaupt, mit einer sehr überschaubaren Zahl zu tun.
Eben ist auch zum Ausdruck gekommen, dass es Ihnen weniger um das spezielle Thema geht als vielmehr darum, zum Ausdruck zu bringen, dass das ganze System ganz furchtbar und schlimm ist.
Was unsere Sicht der Dinge betrifft, so kann ich festhalten, dass wir es für richtig erachten, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern zahlreiche und vielfältige Förderinstrumente zur Verfügung stehen, die mit Blick auf die individuelle Lage einsetzbar sind. Das ist auch richtig, weil es den Arbeitslosen eben nicht gibt. Unterschiedliche Fallkonstellationen bedürfen auch unterschiedlicher Möglichkeiten. Insofern ist es richtig, dass es auch möglich ist, Sanktionen zu verhängen, wenn Leistungsempfänger Verpflichtungen nicht einhalten.
Diese Sanktionen haben den Zweck, eine Verhaltensänderung herbeizuführen, um sich an getroffene Vereinbarungen zu halten. Des Weiteren ist auch klar, dass es bei diesen Sanktionen niemals um Schikane gehen darf. Alles muss im Ergebnis darauf ausgerichtet sein, die Hilfebedürftigkeit zu durchbrechen oder, um es salopp zu sagen, dafür zu sorgen, dass
dieser Leistungsempfänger wieder in Arbeit bzw. an die Schippe kommt.
Das Thema „Sanktionen“ – es spiegelt sich auch in Gesprächen mit Arbeitsagenturen, Optionskommunen und Jobcentern vor Ort wider – ist ein absolutes Randthema, das übrigens auch in seiner Dimension überschätzt wird. Nur 2,7 % der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in NRW werden mit einer Sanktion belegt. In den meisten Fällen gibt es keinen Grund, eine Sanktion zu veranlassen. Darüber hinaus sind meistens Meldeversäumnisse die Grundlage für Sanktionen.
Deshalb ist es richtig, das Thema „Sanktionen“ nicht zu überhöhen. Ich will gleichwohl sagen, dass wir natürlich nicht wissen, wie die Lage und das Verhalten wären, wenn nicht die Sanktionen irgendwo auch als Möglichkeit im Raum stehen würden.
Außerdem muss man festhalten, dass eine Sanktion grundsätzlich auch kein Schicksal ist, das vom Himmel fällt, sondern dass jeder Leistungsempfänger durch richtiges Handeln in der Lage ist, diese Situation zu vermeiden.
Ich und sicherlich auch die überragende Mehrheit der Steuer- und Beitragszahler haben, glaube ich, berechtigterweise auch die Erwartung, dass sich alle, die im SGB-II-System sind, an die getroffenen Vereinbarungen halten, nicht mehr und nicht weniger.
Denn dann gibt es auch keine Probleme mit Sanktionen.
Außerdem sollten wir bei den Debatten über Betroffenheiten auch einmal diejenigen in den Blick nehmen, die durch ihre tägliche Arbeit das Geld verdienen, das andere letztendlich bekommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind schon verrückte Zeiten. Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, wirbt für das Handelsabkommen TTIP. Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister und SPD-Bundesvorsitzender, hält TTIP dagegen für tot, nachdem er es auf dem Altar der innerparteilichen Machtspielchen geopfert hat.
Ich zitiere: „Die SPD ist schon immer eine Partei gewesen, die Handelsabkommen unterstützt hat.“ – Zitat Ende.
Dieser Satz der Ministerpräsidentin wirkt da etwas aus der Welt gefallen. Sie hat ihn erst vor wenigen Wochen in einem Interview mit den „Aachener Nachrichten“ gesagt. Es wäre schön, wenn dies stimmen würde und sich die SPD auf allen Ebenen und mit aller Kraft dafür einsetzen würde, dass sowohl CETA als auch TTIP vorangebracht und rasch ratifiziert werden. Damit würden Sie unserem Land wirklich einen großen Dienst erweisen
und auch einmal dazu beitragen, dass es wieder wirtschaftlich vorangeht in Nordrhein-Westfalen.
Unser Land ist ein immer noch starkes Exportland. Im Sauerland, im Münsterland, in Ostwestfalen, im Bergischen Land und am Niederrhein sitzen zahlreiche, zumeist mittelständische Unternehmen, die in ihrem Bereich absolute Spitzenreiter und Weltmarktführer sind. Sie exportieren ihre Waren in die ganze Welt. Und die gesamte Exportsumme unseres Landes betrug im Jahr 181,5 Milliarden €.
Wenn wir unsere starke Exportwirtschaft nicht hätten, dann sähe die Situation in Nordrhein-Westfalen noch deutlich schlechter aus. Dann hätten wir noch nicht einmal mehr Nullwachstum, sondern Rezession. In einer solchen Situation muss man alles dafür tun, dass die starken Bereiche unserer Wirtschaft stark bleiben, mehr noch, dass sie stärker werden.
Für die Exportwirtschaft spielt der Zugang zu anderen Märkten dabei eine zentrale Rolle. Kanada ist ein wichtiger Handelspartner der deutschen Wirtschaft. Im vergangenen Jahr haben deutsche Unternehmen Waren im Werte von knapp 10 Milliarden € dorthin exportiert.
Während Nordrhein-Westfalens Wirtschaft stagniert, wächst die kanadische Wirtschaft seit vielen Jahren um bis zu 3 % jährlich. Durch CETA sollen innerhalb
der kommenden sieben Jahre sämtliche Zölle für Industrieprodukte zwischen Kanada und der Europäischen Union abgeschafft werden. Für die Industrie ließen sich so jährlich Einsparungen von knapp einer halben Milliarde € realisieren. Für das Exportland Nordrhein-Westfalen, für unsere mittelständische Industrie und für Zigtausende Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft ist CETA somit eine Riesenchance.
Die Ministerpräsidentin hat recht: Freihandelsabkommen sind gut und eine Chance für unser Land. Ihr Appell – „Genossen, lest doch mal!“ – scheint jedoch nicht angekommen zu sein. Fakt ist: In mindestens 18 Unterbezirken und Ortsvereinen haben sich ihre Genossinnen und Genossen gegen CETA ausgesprochen, darunter Oberhausen, Bielefeld, Unna, Köln, Münster oder, um es anders zu sagen, die Heimatverbände der Minister Groschek, Kampmann, Schmeltzer, Walter-Borjans und Schulze.
Ich wette, dass am Samstag, wenn in Köln gegen CETA und TTIP demonstriert wird, mal wieder Hunderte SPD-Fahnen wehen werden.
Nein, ich fahre jetzt fort.
Sowohl die Jusos in Nordrhein-Westfalen als auch im Bund haben sich klar gegen CETA positioniert – kein Wunder, wenn sich sogar die Grundwertekommission der SPD gegen CETA ausspricht. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen in diesem Bundesland stellt auf ihrer Internetseite sogar einen Musterantrag gegen CETA für die Unterbezirke und Ortsvereine zur Verfügung.
Der Appell der Ministerpräsidentin stößt auf taube Ohren. Es ist die Aufgabe der Ministerpräsidentin, auch als SPD-Landesvorsitzende für das Abkommen zu werben, die Vorteile aufzuzeigen und ihre Basis von CETA zu überzeugen. Sie hätte sich von Beginn an gegen sämtliche falschen Behauptungen und ideologische Angstmacherei wehren und über die Chancen des Abkommens aufklären müssen. Das ist ihr offensichtlich kein Stück gelungen. Ein Großteil ihrer Basis hat sich von ihr und ihrem Bundesvorsitzenden längst distanziert.
Man fragt sich, ob in den Gremien überhaupt über das Thema diskutiert oder Überzeugungsarbeit geleistet wurde. Wenn ja, ist es ihr offensichtlich nicht gelungen, zu überzeugen.
Was für Sie als SPD-Landesvorsitzende gilt, gilt auch für Sie als Kabinettschefin der rot-grünen Regierung; denn wieder einmal liegen Sie bei einer für unser Bundesland wichtigen Zukunftsfrage mit Ihrem grünen Koalitionspartner über Kreuz. Die Ministerpräsidentin hat wieder einmal ihre Richtlinienkompetenz als Regierungschefin nicht durchsetzen können. Deshalb stellt sich die Frage, ob Nordrhein-Westfalen bei diesem zentralen Zukunftsthema eine klare Position haben wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn CETA scheitern sollte, wenn wieder wichtige Chancen für unser Bundesland vertan werden und Nordrhein-Westfalen weiter zurückfällt, dann sind Sie dafür verantwortlich; denn Zukunft gestalten, Arbeitsplätze schaffen, Wohlstand sichern, das geht in der Tat anders. – Herzlichen Dank.
Ich halte das Abkommen unter Abwägung aller Chancen und Risiken – ich teile noch nicht einmal die Risiken, die Sie benannt haben – für richtig. Deshalb täten die Regierungsfraktionen gut daran, einhellig dafür zu sorgen, dass aus Nordrhein-Westfalen ein Signal der Unterstützung für dieses wichtige Abkommen gegeben wird. Das wäre gut für unser Land, für die Zukunft unserer Unternehmen und der Menschen hier. Das wäre das richtige Signal, das Sie gemeinsam senden können.
Vielen Dank. – Da Sie den Ausflug bis Oer-Erkenschwick gemacht haben und Sie sich mehr damit auseinandergesetzt haben, was andere Fraktionen zu diesem Thema geschrieben haben, würde mich vom Kollegen Töns interessieren, wie er sich als Delegierter Töns bei dieser Abstimmung verhalten wird bzw., wenn er nicht Delegierter ist, was er den örtlichen Delegierten empfehlen wird.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Grochowiak
Schmieding, als Sie gerade über SGB II gesprochen haben, habe ich mich gefragt: Wer hat dieses Gesetz in Berliner Regierungsverantwortung eigentlich gemacht?
Da waren die Grünen doch beteiligt.
Insofern kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wie Sie sich hier eben aufgestellt haben.
Aber zum Antrag: Anscheinend traut es die SPD hier im Haus ihren eigenen Leuten in Berlin nicht zu, die Verhandlungen zum Umgangsmehrbedarf auf Bundesebene zu führen.
Anders ist der Antrag hier im Landtag von NordrheinWestfalen nicht zu verstehen. Es gibt null Anlass für diesen Landtag, darüber zu debattieren – schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
Zur Sache selbst: Das 9. Änderungsgesetz zum SGB II ist verabschiedet worden. Es hat einen langen Beratungsprozess gegeben: Bundesrat, Bundestag und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe waren hieran beteiligt. Ich füge hinzu: Es ist richtig, nachzujustieren, wenn Bedarf dazu besteht. Deshalb ist es gut, dass dieses Gesetz verabschiedet wird. Es sorgt für mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie. Daran sollten wir alle ein Interesse haben.
Veränderungen am SGB II sind im Übrigen kein Anzeichen für ein schlechtes Gesetz – im Gegenteil: Es handelt sich um ein lernendes, um ein lebendes System, das sich regelmäßig selbst überprüfen muss. Und das ist mit diesem Gesetz geschehen.
Einige Punkte, in denen es Klarstellungen und Verbesserungen gegeben hat, sind eben auch genannt worden: passgenauere Leistungen für schwer erreichbare junge Menschen; Integrationsbetriebe öffnen sich für Langzeitarbeitslose mit Behinderung oder von Behinderung Bedrohten; die Sozialpartner in den Beiräten werden gestärkt, weil deren Blick auf den regionalen Arbeitsmarkt von Bedeutung ist. Die Schnittstellen zwischen Ausbildungsförderung und SGB-II-Bezug werden mit dem Ziel entschärft, durch Ausbildung die Hilfebedürftigkeit durchbrechen zu können.
Kurzum: Dieses Gesetz ist gut für die Langzeitarbeitslosen, auch in Nordrhein-Westfalen. Davon haben wir bedauerlicherweise besonders viele, auch weil Ihre Wirtschaftspolitik eben nicht für die nötige Dynamik auf dem Arbeitsmarkt sorgt.
Nun ist es unstreitig so, dass die Situation Alleinerziehender eine besonders herausfordernde ist, und diese besondere Herausforderung wird beim SGB-II
Bezug, vor allem, wenn dies beide Elternteile betrifft, natürlich noch einmal verschärft.
Unstreitig ist doch auch, dass man schon aus dem Interesse der Kinder heraus die Lebenssituation so gestalten muss, dass beide Elternteile die Möglichkeit haben, sich zu kümmern. Und es ist klar, dass dies unter den Bedingungen von Hartz IV nicht ganz einfach ist.
Das Bundessozialgericht hat jetzt für die, wie es so schön heißt, temporären Bedarfsgemeinschaften eine Methode der Berechnung entwickelt, die gelebt wird, und die den gerade beschriebenen besonderen Herausforderungen Rechnung tragen soll.
Ob diese Methodik der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich mal zu bezweifeln. Deshalb ist es richtig, dass sich die Bundesebene Gedanken dazu macht, was in diesem Bereich einfacher und praktikabler gestaltet werden kann.
Auch die Frage der Finanzierung alternativer Modelle spielt dabei eine Rolle. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanzierbar und machbar. Selbst die Kollegin Griese von der SPD-Bundestagsfraktion sagt – ich zitiere –:
„Wir sind in der Koalition“ – sie meint die in Berlin – „gerade in der Diskussion über die Ausgestaltung und die Finanzierung.“ – Zitat Ende. Sie sollten in der Debatte hier und auch im Antrag nicht so tun, als wären diese Punkte im Hinblick auf Kinder von Alleinerziehenden bisher völlig ungeklärt. Das Beispiel mit dem Bett, das Sie in Ihrem Antrag anführen, ist geklärt. Schon jetzt werden bei Bedarf zwei Kinderbetten bezahlt, wenn sie notwendig sind.
Und wenn Sie mir das nicht glauben, dann aber doch vielleicht der Kollegin Griese in Berlin.
Wir sehen insgesamt keine Notwendigkeit, diesem Antrag zuzustimmen.
Erstens betrifft er eine reine Bundesangelegenheit.
Zweitens haben wir im Gegensatz zu Ihnen Vertrauen in die Arbeit der Kollegen in Berlin.
Drittens warten wir die Verhandlungen mit Gelassenheit und Zuversicht ab. Auch hier gilt nämlich: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Viertens sind wir der Überzeugung, dass es zu einer Neuregelung kommt, die die Interessen aller Beteiligten fair berücksichtigt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege van den Berg hat richtig ausgeführt, dass der Bund aktuell die SevesoIII-Richtlinie in nationales Recht umsetzen muss. Diese Richtlinie regelt Anforderungen an Betriebe, von denen bei Unfällen mit gefährlichen Stoffen erhebliche Gefahren ausgehen können. Die Richtlinie hat daher eine besondere Bedeutung für die chemische Industrie und damit für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen.
Als wir unseren Antrag im November letzten Jahres eingebracht haben, befürchteten Kommunen und Industrie, dass Bundesumweltministerin Hendricks, obwohl selbst aus Nordrhein-Westfalen stammend, einmal mehr Politik gegen die Interessen des Industrielandes Nordrhein-Westfalen machen könnte. Mit unserem Antrag wollten wir daher ein Signal in Richtung Berlin setzen, dass bei der Umsetzung der Richtlinie die Interessen unseres Landes berücksichtigt werden sollen.
Ende April dieses Jahres hatte Ministerin Hendricks ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Wer diesen Entwurf gelesen hat, kann feststellen: Das Signal ist in Berlin nicht nur angekommen, es hat auch Wirkung gezeigt. Das Bundesumweltministerium hat einen Entwurf vorgelegt, der Kommunen und Industrie in Nordrhein-Westfalen Entwicklungsperspektive und Planungssicherheit gibt.
Meine Damen und Herren, unser Antrag könnte daher eigentlich überflüssig sein – die Betonung liegt auf „könnte“ –, gäbe es da nicht diese Landesregierung, die trotz aller wiederkehrender Lippenbekenntnisse zum Industriestandort immer wieder die Axt an denselben legen würde.
In der vergangenen Woche hat Umweltminister Remmel für die Landesregierung eine ganze Reihe von Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf in den Umweltausschuss des Bundesrates eingebracht. So will die Landesregierung beispielsweise den Kreis der einwendungsberechtigten Personen erweitern. Dies wird nicht nur die Dauer von Genehmigungsverfahren verlängern, sondern auch die Fehleranfälligkeit von Genehmigungsverfahren und damit das Klagerisiko weiter erhöhen.
Auch will die Landesregierung den Genehmigungsbehörden die Möglichkeit einräumen, von der im Gesetz bzw. in der dazugehörigen Verordnung vorgesehenen Abstandsregelung im Einzelfall durch die Erstellung von Gutachten abzuweichen. In der Verwaltungspraxis wird das dazu führen, dass jede Genehmigungsbehörde zur Absicherung ihrer Entscheidung vom Antragsteller die Erbringung eines Gutachtens fordern wird.
Das wird nicht nur die Genehmigungskosten in die Höhe treiben – bereits kleine Gutachten kosten im Schnitt bis zu 15.000 € –, sondern wird zugleich die Dauer von Genehmigungsverfahren verlängern und die Fehleranfälligkeit sowie das Klagerisiko erhöhen. Das alles trägt nicht dazu bei, mehr Investitionen am Standort Nordrhein-Westfalen auszulösen.
Im Gegenteil: Es steht zu befürchten, dass zukünftig noch mehr Investitionsentscheidungen gegen den Standort Nordrhein-Westfalen getroffen werden. Da frage ich: Was ist das für eine Nummer? – Da legt der Wirtschaftsminister industriepolitische Leitlinien vor, und der Umweltminister wirft ihm im Bundesrat Knüppel zwischen die Beine.
Die Folgen dieser Politik sind verheerend. Wir erleben eine rasante Beschleunigung der Deindustrialisierung unseres Landes durch Desinvestitionen. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern und SchleswigHolstein wird weniger im verarbeitenden Gewerbe investiert als in NRW. In Bayern ist die Investitionsquote um 25 %, in Baden-Württemberg sogar um 45 % höher. Dadurch ist der Anteil der industriellen Wertschöpfung an der Gesamtwertschöpfung in Nordrhein-Westfalen auf nur noch 19,5 % abgerutscht – das sind 12 % weniger als im Bundesdurchschnitt.
In Baden-Württemberg liegt der Anteil dagegen um 45 % über dem Bundesdurchschnitt, in Bayern um 20 %.
Seit Antritt der Regierung Kraft hat Nordrhein-Westfalen fast 3.500 ha Industrie- und Gewerbefläche ersatzlos verloren. Und während das verarbeitende Gewerbe 2015 bundesweit um 1,7 % wachsen konnte, schrumpfte es in Nordrhein-Westfalen um 2,1 %. Die Folgen sind bekannt: letzter Platz beim
Wirtschaftswachstum, fehlende Arbeitsplätze, jährliche Steuerausfälle in Höhe von 3 Milliarden €.
Deshalb ist es höchste Zeit für einen Politikwechsel. Ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns heute gemeinsam ein Signal Richtung Landesregierung setzen: Wir brauchen mehr Investitionen, weniger Hemmnisse. Darum bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank, Herr Minister, auch für die Geschichtsstunde. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, welchen Beitrag zur Stärkung des Standortes Nordrhein-Westfalen Ihre Anträge im Umweltausschuss des Bundesrates geleistet haben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 23. Juni dieses Jahres entscheidet Großbritannien in einer Volksabstimmung über seinen Verbleib in der Europäischen Union. Die Umfragen deuten auf ein knappes Ergebnis hin. In dieser Lage sagen wir als Nordrhein-Westfalen und als überzeugte Europäer: Wir wünschen uns, dass Großbritannien Teil der EU bleibt.
Darum geht es in unserem gemeinsamen Antrag. Natürlich ist uns klar – bei aller Bedeutung dieses Parlaments und dieses Antrags –: Er wird wohl keinen entscheidenden Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben. Dennoch halte ich es für richtig, diesen Antrag hier zu beraten, weil Nordrhein-Westfalen und Großbritannien eng verbunden sind – historisch, politisch, kulturell und wirtschaftlich.
Die Briten sind nicht nur Geburtshelfer unseres Landes, sie sind auch wichtige Partner und Freunde in der Europäischen Union.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Großbritannien spielt in der nun bald 70-jährigen Geschichte unseres Landes eine wichtige Rolle. Die Entscheidung, die alte preußische Provinz Westfalen mit dem nördlichen Rheinland zusammenzulegen, geht auf eine Entscheidung der britischen Besatzungsmacht zurück. 1947 kam das Land Lippe hinzu. Seit dieser Zeit sind Nordrhein-Westfalen und Großbritannien freundschaftlich verbunden. Deshalb feiern wir in diesem Sommer den 70. Landesgeburtstag.
Zahlreiche Schul- und Städtepartnerschaften sind in den vergangenen 70 Jahren begründet worden. Noch immer zählt für viele Schülerinnen und Schüler ein Aufenthalt in Großbritannien zur ersten eigenen Auslandserfahrung. Auch für Studenten ist der Aufenthalt auf der Insel oft Teil ihres Studiums. Durch die Präsenz britischer Militärangehöriger in NordrheinWestfalen sind zahlreiche Kontakte und Freundschaften entstanden.
Auch wirtschaftlich gibt es enge Verflechtungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der drittgrößten Volkswirtschaft Europas. 2.500 deutsche Unternehmen in Großbritannien beschäftigen 370.000 Menschen. Viele britische Firmen hängen am unbeschränkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt.
Deshalb befürchten viele zu Recht, dass sich ein Austritt negativ auf die Investitionsbereitschaft auswirken würde. Genau zu beziffern, welche wirtschaftlichen Folgen und Wechselwirkungen auf beiden Seiten entstehen würden, ist schwierig. Aber niemand geht davon aus, dass es positive Effekte sein würden. Deshalb warnen Wirtschaftsexperten auf beiden Seiten des Ärmelkanals vor einem Brexit.
Daher gehört es zur Verantwortung dieses Parlaments, im Interesse derjenigen, deren Arbeitsplätze bei uns vom freien Handel auch mit Großbritannien abhängen, für den Verbleib Großbritanniens in der EU und im europäischen Binnenmarkt zu werben, weil es uns im Interesse der Menschen und des Landes eben nicht egal sein kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch aus handfesten politischen Gründen sind wir der Überzeugung, dass es besser ist, wenn Großbritannien Teil der EU bleibt. Es ist besser für Großbritannien, es ist besser für Deutschland, und es ist besser für Europa.
Alle Herausforderungen, vor denen Europa steht, alle Probleme, die wir auf der Welt sehen, sind einfacher anzugehen mit Großbritannien als Mitglied in der Europäischen Union. Als weltpolitischer Akteur mit einer Jahrhunderte alten Tradition und globalem Einfluss ist das Vereinigte Königreich auch ein Stück
weit Türöffner. Das ist für die Europäische Union wichtig.
Großbritannien ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Europäischen Union. Ein Ausscheiden wäre ein Rückschlag für Großbritannien, für Europa und für Deutschland. Ohne die mitunter auch kritische Haltung der Briten würde ein Antrieb für Reformen fehlen.
Jörg Asmussen, ehemaliges Mitglied im Direktorium der EZB, bezeichnet es so:
„Das übrige Europa braucht die britische Liberalität, sein Freihandelsdenken, die Disziplin in Haushaltsberatungen und seine Schlagkraft in der Außenpolitik.“
Das stimmt. Gerade Deutschland braucht Partner wie Großbritannien in Europa, die sich pragmatisch für Lösungen einsetzen, die weniger staatsgläubig sind als viele andere und denen bewusst ist, dass auch in Europa Erwirtschaften vor Verteilen kommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass sich SPD, Grüne und FDP unserer Intention angeschlossen haben, aus Nordrhein-Westfalen heraus für einen Verbleib Großbritanniens in der EU zu werben. So ist es ein weitgehend geschlossenes Signal, das dieses Parlament heute sendet.
Es ist auch keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Volksabstimmungen leben davon, dass sich Personen und Institutionen positionieren und ihre Argumente vortragen.
Genau das macht der Landtag mit diesem Antrag. Wir äußern heute aus nordrhein-westfälischer Perspektive den berechtigten Wunsch, dass das Vereinigte Königreich auch künftig Teil der Europäischen Union bleibt – Teil einer Europäischen Union, von der Tony Blair am 23. Juni 2005, also exakt elf Jahre vor dem Datum der Volksabstimmung, sagte:
„This is a union of values, of solidarity between nations and people, of not just a common market in which we trade but a common political space in which we live as citizens. It always will be.“
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum vorliegenden Antrag. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem, was hier zu diesem Thema schon ausgeführt wurde, kann man nur sagen, dass niemand Sanktionen fürchten muss, wenn er sich an die geltenden Regeln hält.
Da ist mein Mitleid mit denen, die das nicht tun, durchaus begrenzt.
Meine Damen und Herren, mit großem Einsatz sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern dabei, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Für diese Aufgabe stehen ihnen zahlreiche und vielfältige Förderinstrumente zur Verfügung, die mit Blick auf die individuelle Lage einsetzbar sind.
Das ist auch richtig so, weil es eben den Arbeitslosen nicht gibt. Jeder Mensch ist anders, und jeder Fall ist anders gelagert. Deshalb brauchen die Jobcenter die Möglichkeit, auf unterschiedliche Situationen unterschiedlich reagieren zu können. Kommt es bei einem eher darauf an, in einer schwierigen Lebenssituation zu stabilisieren und Hilfestellung zu geben, gibt es andere, die hochmotiviert auf die Förderinstrumente zurückgreifen, um möglichst schnell und eigeninitiativ die Lage zu verbessern. Und es gibt wieder andere, die auch Druck brauchen, um sich zu bewegen.
All diese und noch viel mehr konkrete Fälle gibt es in der Wirklichkeit dort draußen, jenseits dieses Plenarsaals. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter könnten ganze Bücher über das schreiben, was sie tagtäglich erleben.
Richtigerweise gehört zu den Werkzeugen, die die Jobcenter haben, auch die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen, wenn Leistungsempfänger Verpflichtungen nicht einhalten.
Meine Damen und Herren, Ihr Antrag geht auf die unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten für über und unter 25-Jährige ein. Diese unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten abzuschaffen, ist Teil eines Gesamtpaketes gewesen, über das eine Bund-LänderArbeitsgruppe verhandelt hat …,
… eine Maßnahme von vielen, und diese Maßnahme wird von Bayern nicht mitgetragen. Ich gehe davon aus, dass auch diese Debatte daran nichts ändert. Deshalb sehen wir auch keinen Grund, Ihrem Antrag zuzustimmen.
Gerne.
Herr Kollege, es gibt eine Studie des IAB. Selbst die Sanktionierten stimmen in einer Befragung durch das IAB der Aussage zu, dass Sanktionen nötig seien, weil sich viele sonst überhaupt nicht bewegt hätten. Das sagen selbst die Sanktionierten.
Zur Sache selbst: Es gibt ca. 66.000 Arbeitslose unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen. Erfreulicherweise sinkt diese Zahl seit 2013.
Bei zweieinhalb Prozent dieser Personengruppe der unter 25-jährigen Arbeitslosen mussten Sanktionen verhängt werden. Auch in Ihrem Antrag geht es um Zahlen, die deutlich unter 5 % liegen. Das Thema „Sanktionen“ ist in der Gesamtbetrachtung ein Randthema und in seiner Dimension völlig überschätzt. Ich meine, wir sind gut beraten, das Thema „Sanktionen“ nicht zu überhöhen, aber eben auch nicht zu unterschätzen. Ich habe gerade auf die Studie hingewiesen. Zudem wissen wir nicht, wie die Lage ohne Sanktionsmöglichkeiten aussehen würde.
Auch das lasse ich gerne zu.
Ich wiederhole gerne, was ich eben gesagt habe, nämlich dass mein Mitleid begrenzt ist, wenn der Betrag bei jemandem, der sich nicht an die Regeln hält, entsprechend gekürzt wird. Jeder hat die Möglichkeit, diese Sanktionen zu vermeiden, wenn er sich an das hält, was verabredet ist. Ganz einfach!
Sie beschreiben in Ihrem Antrag, was alles mit Personen passieren kann, die sanktioniert werden: Verschuldung, Mangelernährung, Obdachlosigkeit. Solche Fälle mag es geben.
Ich habe aber die Erwartung, dass sich alle SGB-IIBezieher, egal ob über oder unter 25, an die getroffenen Vereinbarungen halten, nicht mehr und nicht weniger. Diese Erwartung haben wahrscheinlich auch diejenigen, die mit ihren Steuern und Beiträgen diese Leistungen finanzieren, und im Übrigen wahrscheinlich auch die Arbeitslosen, die selber jeden Tag alles dafür tun, um wieder in Beschäftigung zu kommen. Rechte und Pflichten gehören zusammen.
Meine Damen und Herren, ich würde mich noch viel mehr freuen, wenn Sie die Energie, die Sie hier aufwenden, wenn es darum geht, Sanktionen für diejenigen zu senken, die sich nicht an die Regeln halten, bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen aufbringen würden. Dann wären wir ein ganzes Stück weiter. Unser Bundesland ist Schlusslicht: mehr Arbeitslose, weniger wirtschaftliche Dynamik, weniger Wachstum als im Bundesdurchschnitt. Wenn das alles besser wäre, dann hätten auch die, die Sie hier vor Sanktionen in Schutz nehmen, bessere Chancen im Alltag und auf dem Arbeitsmarkt.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich wollte erst bis zum Ende zuhören. Sie haben im Gegensatz zu dem Kollegen Garbrecht sehr sachlich vorgetragen und haben sich solche Unverschämtheiten, wie wir sie eben erlebt haben, verkniffen. Dennoch möchte ich Sie fragen: Sehen Sie denn nach dem Urteil keinen Korrekturbedarf in der Gesetzgebung und Gesetzanwendung? Schließlich sind die Probleme, die auf die Städte und Gemeinden zukommen, von ihnen auch entsprechend beschrieben worden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema „Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherungen“ ist im Koalitionsvertrag der Großen Koalition im Bund Folgendes festgehalten – ich zitiere –:
„Der allgemeine paritätisch finanzierte Beitragssatz wird bei 14,6 Prozent festgesetzt, der Arbeitgeberanteil damit bei 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben.“
Ich sage Ihnen: Das, was dort vereinbart wurde, gilt. Es gilt für diese Wahlperiode in Berlin. Deshalb geht auch der Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, an dieser Stelle vertragstreu zu sein.
In der Ausschusssitzung in der vergangenen Woche hat Minister Schmeltzer bei einem anderen Thema ausdrücklich Wert darauf gelegt, vertragstreu zu sein. Das gilt auch hier. Deshalb gibt es überhaupt keinen Bedarf, an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt darüber zu diskutieren. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Schmeltzer, zu Ihren Einstiegsbemerkungen kann man nur sagen: Nicht jeder, der aus dem Rahmen fällt, war vorher unbedingt im Bilde.
Das zeigt Ihre Aufregung an der Stelle. Natürlich hat es diesen Gipfel oder, wie Sie sagen, diese Konferenz gegeben. Aber dass diese nicht bei jedem angekommen ist, ist auch dadurch erklärbar, dass kaum darüber berichtet wurde und dass die Ergebnisse entsprechend dürftig sind.
Ich kann Ihnen auch sagen, warum Sie am Montag, kurz vor Weihnachten diese Konferenz abgehalten haben. Damit Ihnen niemand sagen kann, dass überhaupt nichts passiert, haben Sie sich kurzer
hand entschlossen, sich zu dieser Konferenz zu verabreden, und sind, weil sie auch nicht ordentlich vorbereitet worden war, mit entsprechend dürftigen Ergebnissen herausgekommen. Das ist doch die Wahrheit.
Ansonsten kann ich nur wiederholen, was Herr Kollege Wüst eben schon gesagt hat: Die Ministerpräsidentin muss die Integration von Flüchtlingen zur Chefsache erklären. Sie muss persönlich Unternehmen, Gewerkschaften und die Agentur für Arbeit an einen Tisch bringen. Sie muss mit den genannten Beteiligten zu verbindlichen Vereinbarungen darüber kommen, wie wir die Integration bewerkstelligen wollen. Das erwarten die Unternehmer, das erwarten die Bürger, und das erwarten im Übrigen auch die Schutzsuchenden, die zu uns kommen, meine Damen und Herren.
Schwerpunkt einer solchen Vereinbarung muss die berufliche Bildung sein. Es kommen viele junge Menschen zu uns. Es kommen viele junge Männer zu uns. Und junge Männer ohne Aufgaben kommen auf dumme Gedanken. Das war immer schon so, völlig unabhängig von ihrer Herkunft.
Integration in die Gesellschaft setzt Integration in den Arbeitsmarkt voraus. Und Integration in den Arbeitsmarkt setzt Qualifikation voraus. Hier ist genau der Punkt, bei dem wir ansetzen müssen.
Unternehmer und Handwerker haben es Ihnen am Montag gesagt: Ohne besondere Kraftanstrengung im Bereich der beruflichen Bildung werden wir bei der Integration kläglich scheitern. Es gab natürlich Forderungen und die Erwartung, auch Veränderungen im Bereich Vorrangprüfung, im Bereich Mindestlohn vorzunehmen.
Das sage ich noch einmal klar für unsere Fraktion: Wir wollen keine Diskussion über die Höhe des Mindestlohns. Was wir wollen, ist, dass die abweichenden Regelungen, die wir für Langzeitarbeitslose haben, eben auch für Flüchtlinge, die fern des Arbeitsmarktes sind, anwendbar sind. Denn es macht überhaupt keinen Sinn,
erst jemanden in die Langzeitarbeitslosigkeit zu schicken, indem man lange Zeit nichts tut, um dann entsprechend mit dem Status eines Langzeitarbeitslosen die Abweichung vorzunehmen. Das macht doch keinen Sinn.
Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass 80 % der Ankommenden über keine für den deutschen Arbeitsmarkt notwendige Qualifikation verfügen. Wir müssen daher Ausbildungsmöglichkeiten für diese Menschen schaffen. Die Handwerker und Unternehmer sind bereit, sich hier besonders zu engagie
ren. Aber dann müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen – Stichwort: Sprachkenntnisse. Die meisten Ankommenden verfügen über keine oder nur geringe, in jedem Fall für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht ausreichende Deutschkenntnisse.
Die Vermittlung von Deutschkenntnissen kann aber nicht Aufgabe der Betriebe und Unternehmen vor Ort sein. Sie kann auch nicht allein in der Verantwortung von Ehrenamtlern, wie wir es zurzeit zum Glück an vielen Stellen erleben, liegen. Und die Unternehmen erwarten deshalb verbindliche Zusagen, wie sie gewährleisten sollen, dass Schutzsuchende schnellstmöglich Deutsch in Wort und Schrift lernen.
Viele der Schutzsuchenden, die wir in den Ausbildungsmarkt integrieren müssen, sind älter als die deutschen Auszubildenden. Die Unternehmen haben es Ihnen am Montag auch gesagt: Wir brauchen für diese Gruppe den Zugang zur Berufsschule – unabhängig davon, wie alt sie sind.
Und das ist alles nicht zum Nulltarif zu haben; das ist richtig. Das kostet Geld. Da sind wir an dem Punkt, der auch gestern Teil der Haushaltsdebatte war. Präventive Finanzpolitik in einem vernünftigen Verständnis hieße, in den guten Jahren so zu wirtschaften, dass man auch in unvorhergesehenen Situationen in der Lage ist, ohne neue Schulden handlungsfähig zu sein. Und das ist das, was wir bei Ihnen vermissen.
Andere Bundesländer nehmen in dieser besonderen Situation mehr Geld in die Hand, um Integration zu beschleunigen. Sie setzen jetzt Prioritäten in ihren Haushalten. Wir haben gestern in der Haushaltsdebatte angemahnt, dass es in Ihrem Haushalt an der notwendigen Prioritätensetzung fehlt. Statt Genderforschung in angewandter Physik zu fördern, sollten Sie jetzt in die Integration von Flüchtlingen investieren.
Nur nach dem Bund zu rufen, wie das auch an vielen Stellen dieses Papieres zu lesen ist, reicht nicht aus und macht im Übrigen Landesparlament und Landesregierung auch überflüssig. Dieses Land ist selber in der Verantwortung, hier Dinge zu regeln.
Diejenigen, die am Montag an der Konferenz beteiligt waren, erwarten jetzt ein klares Signal der Ministerpräsidentin. Sie muss Unternehmen, Gewerkschaften und Agentur für Arbeit an einen Tisch bringen und mit ihnen zu verbindlichen Vereinbarungen kommen. Grundlage für eine solche Vereinbarung könnte das am Montag vorgelegte Papier aus dem Handwerk sein, das sehr konkret die notwendigen Dinge beschreibt. An dieser Stelle sollten Sie wei
terarbeiten im Interesse von uns allen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer erwartet hatte, dass mit einem neuen Minister auch neuer Schwung, neue Ideen oder neue Impulse einziehen würden, hat sich getäuscht. Es ist kein neuer Aufbruch erkennbar. Dabei wäre der dringend erforderlich, wenn man sich die Lage Nordrhein-Westfalens bei der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik anschaut. Es plätschert alles so dahin – nach dem Motto: Die letzten anderthalb Jahre bekommen wir auch noch irgendwie rum.
Das ist zu wenig. Dieses Land braucht mehr Einsatz.
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt kann uns nicht zufriedenstellen. Die Arbeitslosigkeit ist mit über 714.000 zu hoch. Während sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland seit 2005 halbiert hat, ist sie im gleichen Zeitraum in Nordrhein-Westfalen nur um ein Drittel gesunken. Sie liegt rund 40 % über dem westdeutschen Schnitt, und mit dem Freistaat Thüringen ist in diesem Jahr erstmals ein ostdeutsches Bundesland an Nordrhein-Westfalen vorbeigezogen. Aufgrund der Flüchtlingssituation rechnet die Agentur für Arbeit mit einem Anstieg um gut 35.000 Personen im kommenden Jahr.
Dies ist eine Lage, die entschlossenes Handeln erfordert, und zwar gleichermaßen für Langzeitarbeitslose wie für neu hinzugekommene Menschen.
Herr Minister, Sie wissen, dass wir hinter vieles von dem, was Sie in Ihrem Haushalt an Maßnahmen veranschlagen, ein großes Fragezeichen machen, dass wir Ihre Schwerpunkte nicht teilen, andere Vorstellungen haben. Das Programmdickicht und die Wirkung dieser Maßnahmen erscheinen uns wenig zielführend. Aber das will ich heute gar nicht schwerpunktmäßig betrachten.
Die Lage am nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt ist der Spiegel der zu geringen wirtschaftlichen Dynamik dieses Landes und damit falscher Politik.
Nordrhein-Westfalen hinkt beim Wachstum hinterher. Sie wissen das. Die Zahlen präsentieren wir Ihnen immer wieder. Und ständig weisen wir darauf hin, dass es bei einer Dynamik wie im bundesdeutschen Durchschnitt mehr Steuereinnahmen und mehr Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen geben würde.
Anders ausgedrückt, das, was Sie mit einigen Programmen zu reparieren versuchen, würde erst gar nicht entstehen, wenn diese Landesregierung eine bessere Politik machen würde.
Als Arbeits- und Sozialminister müssten Sie vor allem Standortminister sein, der für die Entstehung und für die Erhaltung von Arbeitsplätzen eintritt. Das findet nicht statt, und das ist schlecht für dieses Land. Betriebe können ihren Standort verlegen und an anderen Orten Investitionsentscheidungen treffen. Die Beschäftigten haben diese Möglichkeit nicht.
Gerade deshalb ist es Ihre Aufgabe, laut und vernehmlich Ihre Stimme zu erheben. Doch das, was wir hören, ist Schweigen. Sie schweigen, wenn Ihre Parteifreunde und die Umweltministerin in Berlin davon reden, schneller aus der Kohleverstromung auszusteigen, da Ihr Koalitionspartner hier, die Grünen, das unterstützt.
Ist Ihnen klar, was das für die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen bedeutet, und zwar weit über die Mitarbeiter in der Stromerzeugung hinaus?
Gleiches gilt für die von der Regierung geplanten Veränderungen im Naturschutzrecht; wir haben bei dem Debattenpunkt vorhin darüber gesprochen. Waldbauern, Sägewerke und die Holzwirtschaft beschreiben, welche negativen Auswirkungen dieses Gesetz für ihre Betriebe haben würde. Es gibt sogar einen Zusammenschluss – die „Initiative Holz und Arbeit NRW“ –, der sich für Arbeitsplätze in diesem Bereich einsetzt.
Ich frage mich: Wo ist der zuständige Minister Schmeltzer, der seinen Kollegen Remmel an dieser Stelle stoppt und im Interesse der Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen etwas dazu sagt?
Ich sage auch: Kein arbeitsmarktpolitisches Programm kann später das aufholen, was hier mit falscher Politik kaputt gemacht wird. Wir fordern Sie auf, sich überall dort einzusetzen, wo Arbeitsplätze gefährdet sind oder neue nicht entstehen können.
Ich will auf zwei große Herausforderungen für unser Land in der Arbeitsmarktpolitik eingehen. Das eine
ist die Integration von Flüchtlingen in den Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt. Auch hier gilt, dass die Integration umso leichter wird, je dynamischer der Arbeitsmarkt ist. Wir erwarten, dass Sie mit den Akteuren am Arbeitsmarkt Perspektiven für diejenigen mit Bleibeperspektive entwickeln und dass Sie Ihren Instrumentenkasten dahin gehend überprüfen, ob er auch für diesen Personenkreis geeignet ist oder ob Anpassungen erfolgen müssen.
Ebenso fordere ich Sie auf, in Berlin auf Frau Nahles einzuwirken, damit in dieser Zeit alles unterbleibt, was den deutschen Arbeitsmarkt weniger flexibel macht. Mehr Regulierung bei Zeitarbeit und Werkverträgen ist genau das falsche Signal. Dieser Vorschlag darf so nicht stehen bleiben, gerade im Interesse von Nordrhein-Westfalen und all derjenigen, die in Arbeit kommen wollen.
Die zweite Herausforderung ist die Digitalisierung, also all das, was wir unter „Arbeit 4.0“ verstehen. Dieser Wandel wird Auswirkungen auf die Berufsbilder, die Ausbildung und auch auf Arbeitsplätze haben. Arbeit verändert sich, sie geht aber nicht aus. Der Prozess ist hoch dynamisch. Wir brauchen keine vorauseilende Regulierung, sondern es geht darum, diesen Wandlungsprozess gemeinsam mit den Sozialpartnern zu begleiten.
Meine Damen und Herren, der alte Minister hat bei der Einbringung des Haushalts im Ausschuss gesagt – ich zitiere ihn –: Das ist ein Haushalt, mit dem man Handlungsfähigkeit demonstrieren
kann. – Ihnen als neuem Minister sage ich: Sie brauchen nichts zu demonstrieren, uns reicht es völlig aus, wenn Sie handeln. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Krisen dieser Welt in Syrien, im Irak, in Teilen Afrikas sind die Ursache für die Flüchtlingsströme, die Europa, die Deutschland, die Nordrhein-Westfalen und unsere Städte und Gemeinden erreichen. Die Problemregionen dieser Welt liegen vor Europas Haustür, und die Bewältigung dieser Aufgabe ist wahrscheinlich die große Herausforderung dieser Zeit, eine Aufgabe, die uns alle fordert, für die wir Verantwortung auf den unterschiedlichsten Ebenen tragen.
Die Bilder, die uns fast täglich aus dem Mittelmeer erreichen, wenn ein Boot, voll mit Flüchtlingen, untergegangen ist oder gerade noch gerettet werden konnte, lassen uns nicht los. Sie berühren uns, und sie zeigen, was Menschen bereit sind, auf sich zu nehmen, um dem Elend ihrer Heimatländer zu entfliehen.
Wir sind aufgerufen zu helfen, zu retten, die schlimmste Not zu lindern und auf europäischer Ebene dazu beizutragen, dass alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihren Beitrag leisten und eine faire Verteilung der Flüchtlinge stattfindet.
Und es ist, so meine ich, auch Aufgabe, das Geschäft der Schlepperbanden zu zerstören, die mit der Not dieser Menschen Geschäfte machen.
Meine Damen und Herren, wenn die Flüchtlinge deutschen Boden erreichen, wenn sie in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes ankommen oder spätestens, wenn sie in den Kommunen sind, stellt sich ja die Frage, was dann passiert. Sie sind in Sicherheit, versorgt, haben ein Dach über dem Kopf. Das ist ja schon einmal nicht wenig. Aber so ein Tag ist lang, wenn man keine Aufgabe hat, wenn man nichts zu tun hat. Auch wenn man es ein paar Tage gut aushalten kann – nach Wochen wird das unerträglich.
Deshalb stellt sich in der Tat die Frage, was diese Menschen tun können. Arbeit ist mehr als Geld verdienen. Arbeiten bedeutet teilzuhaben, seinem Tag eine Struktur zu geben. Arbeiten bedeutet, etwas Sinnhaftes zu tun. Deshalb ist Arbeit ein Stück Würde. Ich finde, es ist auch Teil unseres Auftrages,
diesen Menschen nicht nur Lebensmittel und Unterkunft zu geben, sondern auch Würde.
Meine Damen und Herren, Aufgabe von verantwortungsvoller Politik ist es, einen Rahmen zu definieren, Gesetze zu machen, die dem Allgemeinwohl dienen, die Interessen abzuwägen und zu Ergebnissen zu kommen, die tragfähig sind.
Diese Sorgfalt ist besonders dann gefragt, wenn sich, wie im Falle des Arbeitsmarktzugangs für Flüchtlinge, Dinge vermischen. Wir haben auf der einen Seite die Zuwanderung, die sich nach unseren Interessen richtet und unserer Gesellschaft helfen soll, Fachkräfte zu finden. Auf der anderen Seite gibt es das Asylrecht und die Regelungen für Flüchtlinge, bei denen es eben nicht um unsere Interessen geht, sondern das Schutzbedürfnis dieser Menschen im Vordergrund steht.
Deshalb folgt der Zugang zu unserem Arbeitsmarkt und unserem Ausbildungsmarkt Regeln. Und diese Regeln – das ist eben schon einige Male angeklungen – sind im Fluss. Erst im letzten November hat unsere Bundesregierung den Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge erleichtert.
Das ist, so meine ich, im Interesse der Flüchtlinge, aber auch im Interesse unseres Landes. Unser Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig für qualifizierte Menschen. Viele von denen, die kommen, sind qualifiziert. Unsere Wirtschaft, aber auch andere Bereiche sehen einem Mangel an Fachkräften entgegen. Deshalb bietet die Integration von Flüchtlingen, die eine Bleibeperspektive haben – das betone ich ausdrücklich –, in unseren Arbeitsmarkt Chancen für alle Beteiligten: Für die Flüchtlinge besteht die Chance, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, sich einzubringen, Arbeitgeber profitieren durch ein größeres Angebot an Personal, und der Staat muss weniger für die Flüchtlinge ausgeben, weil sie zumindest einen Teil selbst zu ihrem Lebensunterhalt beitragen.
Ich will dieser zwar nicht falschen, aber, so meine ich, nicht ganz vollständigen Betrachtung ein paar Fragen hinterherschieben, denn ganz so einfach, wie sich das auch in dem Antrag darstellt, ist es nicht. Deshalb muss der Gesetzgeber, müssen also wir im Landtag – wir diskutieren darüber ja im Ausschuss –, aber auch diejenigen, die im Deutschen Bundestag darüber zu beschließen haben, das Ganze in den Blick nehmen. Von daher möchte ich einige Fragen nennen, die meiner Meinung nach dazugehören.
Wie sieht die Aufnahmefähigkeit unseres Arbeitsmarktes und Ausbildungsmarktes aus? In welchen Regionen, in welchen Branchen werden welche Fachkräfte benötigt? Die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist in Deutschland, aber auch in Nordrhein-Westfalen – darüber haben wir bereits an anderer Stelle diskutiert – sehr unterschiedlich. Wir haben Regionen und Branchen mit einem ho
hen Bedarf an Fachkräften. In manchen Teilen unseres Landes finden Betriebe keine Auszubildenden und in anderen Schulabsolventen keine Ausbildungsplätze. Wir müssen auch diese regional- und branchenspezifischen Unterschiede mit berücksichtigen, wenn wir über Zugänge zum Arbeitsmarkt und in die Ausbildung nachdenken.
Wer darf wie lange bleiben? Die Flüchtlinge oder Asylsuchenden kommen ja aus sehr unterschiedlichen Ländern und haben verschiedene Fluchtgründe. Die mögen aus der persönlichen Sicht der Betroffenen alle nachvollziehbar sein, aber klar ist doch auch, dass nicht jeder, der den Wunsch hat, in unserem Land zu leben, dies im Ergebnis auch tun kann. Und wenn Fluchtgründe entfallen, besteht die Verpflichtung, das Land wieder zu verlassen. Wie gehen wir in diesem Fall damit um?
Wie wirken die Erleichterungen bei der Arbeitsaufnahme in Deutschland in den Herkunftsländern? Entsteht eine zusätzliche Sogwirkung nach Europa? Über den Anstieg der Flüchtlingszahlen ist bereits gesprochen worden. Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie Veränderungen hier im Land auf potenzielle Flüchtlinge wirken. Wir haben unter anderem aufgrund von falschen Meldungen im Kosovo zu Jahresanfang eine Einwanderungswelle gehabt, weil dort falsche Informationen über Sozialleistungen in Deutschland verbreitet wurden. Deshalb gilt auch hier, dass wir nicht mit gut gemeinten Absichten Wirkungen erreichen sollten, die niemand wollen kann.
Eine weitere Frage ist: Wie ist es eigentlich um die Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft bestellt? Es kommen keine Arbeitskräfte, es kommen Menschen anderer Nationalität, anderer Kultur, anderer Religion. Wir haben in den 50er- und 60er-Jahren den Fehler gemacht, zu glauben, es ginge alles von alleine. Das tut es eben nicht. Neben der Arbeit muss es auch um Integration gehen, zumindest bei denen, die perspektivisch in Deutschland bleiben. Auch diesen Aspekt muss man, wenn man dem Thema in seiner ganzen Breite gerecht werden will, mit diskutieren.
Eine letzte Frage: Welche globale Verantwortung sehen wir mit Blick auf die Herkunftsländer? Dieser Landtag beschließt Gesetze, nach denen die Herkunft von Grabsteinen nachverfolgt werden muss, um globaler Verantwortung im Hinblick auf Kinderarbeit gerecht zu werden. Das ist ein hehres Ziel.
Was ist eigentlich unsere Verantwortung gegenüber Ländern, deren Leistungsträger, deren junge Menschen hier bei uns Arbeit finden? Bedienen wir uns hier nicht auch ein Stück weit auf Kosten anderer? Ich will das hier nicht überdehnen, aber gerade fehlen in Nepal die jungen Menschen zum Wiederaufbau nach dem Erdbeben, die in Katar zum Beispiel die Stadien für die Fußballweltmeisterschaft bauen. Lassen wir sinnvollerweise einen Auszubildenden hier seine Ausbildung beenden? Was ist danach?
Was sagen wir dem Betrieb, der ausgebildet hat? Sehen wir das als Beitrag zur Entwicklungshilfe im Herkunftsland, oder lassen wir diesen gut ausgebildeten jungen Menschen vor Ort seine Arbeit tun?
Meine Damen und Herren, wir haben in dieser Debatte für die weiteren Beratungen im Ausschuss einige Punkte aufgeworfen. Manches wird sicherlich noch folgen. Insofern freue ich mich auf die weitere Beratung. – Vielen Dank.