Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 109. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Auch heute dürfen wir zum Geburtstag gratulieren – gleich vier Kolleginnen und Kollegen. Ich werde ihre Namen hintereinander vorlesen und, sofern sie im Raum sind, ihnen fröhlich zunicken und persönlich gratulieren – auch im Namen des Hohen Hauses. Vielleicht können wir den Beifall für alle gemeinsam durchführen.
Geburtstag feiern heute gemeinsam mit uns im Landtag Nordrhein-Westfalen: unsere Kollegin Frau Elisabeth Koschorreck von der Fraktion der SPD
An alle zusammen geht der gute Wunsch, dass dieser Plenartag nicht so lange dauert und sie alle noch etwas von ihren Geburtstagen haben.
Die Fraktion der Piraten hat mit Schreiben vom 14. März dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der Piraten Herr Kollege Herrmann das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Wir wollen heute den Einsatz von Bodycams gegen die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen thematisieren und dabei eine Farce aufdecken. Und am Ende erwarten wir von der Landesregierung und den regierungstragenden Fraktionen eine klare Aussage gegen den Einsatz von Bodycams in NordrheinWestfalen, auch wenn die Spatzen im Moment etwas ganz anderes von den Dächern pfeifen.
Schon gestern war der Zustand der inneren Sicherheit hier großes Thema. Von „Die Polizei hat nichts im Griff“ bis „Wir sind eines der sichersten Länder weltweit“ war alles dabei. Mehr Videoüberwachung und Bodycams hatte aber jeder auf seiner Liste. Jetzt, da extremistische Parteien sehr deutlich am Horizont auftauchen, überbieten Sie sich hier mit Ihren Forderungen zur Stärkung der inneren Sicherheit.
Der Nutzen ist Ihnen dabei nebensächlich bzw. erschöpft sich oft in der reinen Demonstration von Tatkraft, aber ohne Inhalt.
Die „Rheinische Post“ hatte dazu in einem Artikel von vorgestern schon den Wettbewerb zwischen SPD und CDU erwähnt, wer denn nun zuerst mehr Videoüberwachung und Bodycams für die Polizei gefordert hat. Rot-Grün will hier offensichtlich gewinnen – alles für die Stärkung der inneren Sicherheit.
Der Artikel trug übrigens die Überschrift „Kommt die AfD 2017 in den NRW-Landtag?“ Meine Damen und Herren, mit Forderungen nach Videoüberwachung, Bodycams und anderem „Sicherheitsvoodoo“ halten Sie die AfD nicht aus dem Landtag heraus. Dazu braucht es vielmehr Bildung, Bildung und nochmals Bildung, auch mehr Ehrlichkeit in der Politik und, nicht zu vergessen, auch eine aufrechte Haltung.
Zur Ehrlichkeit gehört dann auch die Erklärung, dass Videoüberwachung eben keine Verbrechen verhindert. Taten werden nur dokumentiert – eventuell, und nur dann, wenn die Kamera gerade passend steht. Aber Tausende unschuldige Menschen werden von Kameras täglich erfasst, und niemand weiß, ob, wie, wo was mit den Bildern geschieht.
Köln und Düsseldorf einen Feldversuch mit Bodycams angekündigt hat. Ein Jahr lang sollte der Einsatz dort erprobt werden. Auch die Akzeptanz der Technik bei den Beamtinnen und Beamten sollte erst einmal getestet werden. Und jetzt? Jetzt soll die Bundespolizei komplett mit Bodycams ausgestattet werden. Ohne Evaluation, ohne wissenschaftliche Untersuchung über Sinn oder Unsinn des Einsatzes sollen Millionen von Steuereuros versenkt werden.
Und weiter – Ehrlichkeit –: Liebe Landesregierung, Sie wollten abwarten, was solche Tests ergeben. Das hat sich anscheinend auch erledigt. Denn nach den Pressemeldungen von heute wollen Sie hier das Gleiche; Sie wollen Bodycams einsetzen. Abwarten, Sinnhaftigkeit – offensichtlich alles egal. Populismus siegt.
Das ist übrigens auch ein Erfolg für den Ausrüster. Denn seine Lobbyarbeit und das Sponsoring nahezu jedes Polizeikongresses der letzten Jahre haben sich offensichtlich ausgezahlt. Die Farce dabei: Der Ausrüster ist sogar als Sachverständiger aufgetreten, als wir im letzten Jahr im Innenausschuss eine Anhörung zum Thema „Bodycam“ gemacht haben. Dies ist, glaube ich, ein exemplarischer Fall für das Lobbyregister, zu dem wir hier gestern einen Antrag eingebracht haben. Und dieser Fall müffelt nicht nur, er stinkt sogar – und zwar gewaltig.
Meine Damen und Herren, es sollte uns immer interessieren, wenn Geld sinnlos verbrannt wird. Der Einsatz von Bodycams betrifft alle Menschen in Nordrhein-Westfalen. Denn ihre Persönlichkeitsrechte werden mit Füßen getreten, wenn sie ständig eine Linse vor der Nase haben.
Ich spreche hier dauernd von Bodycams und gehe davon aus, dass Sie alle wissen, was gemeint ist. Ich meine die kleinen Kameras, die der Polizist bzw. Beamte hier auf der Schulter oder hier vor hat
und die die Szenerie aufnehmen, die der Polizist vor seinen Augen sieht. Ob die Kamera aufzeichnet, kann ich nicht erkennen, wenn ich auf den Polizisten zugehe –
Der Präsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin, Wolfgang Wurm, verspricht sich von den Videokameras eine „präventiv abschreckende Wirkung“. Was heißt das konkret? Das heißt nichts anderes, als dass er erwartet, dass sich die Menschen, wenn sie in die Linse der Kamera schauen, angepasst verhalten: duckmäuserisch, ruhig, nur nicht auffallen. Damit ist eine völlig neue Form der Videoüberwachung und damit der Abschreckungs- und Einschüchterungspolitik hier in Nordrhein-Westfalen dabei, einzuziehen, und das ist inakzeptabel.
Der ehemalige Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Herr Ulrich Lepper, gab in der Anhörung zum Thema „Bodycam“ im letzten Jahr zu bedenken – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –,
„dass Maßnahmen, soweit sie in präventiver Beziehung auf Abschreckung setzen, in der öffentlichen Wahrnehmung ein anderes Bild von Polizei erzeugen als das Bild, das wir in Nordrhein-Westfalen kennen und zu Recht auch schätzen. Bereits die technische Möglichkeit und das Damitrechnen-Müssen, im öffentlichen Raum jederzeit erfasst werden zu können, haben wegen des damit verbundenen Konformitätsdrucks eine das Persönlichkeitsrecht betreffende Dimension und erhöhen im Übrigen die Distanz zur Polizei.“
Herr Lepper benennt hier also klar den Paradigmenwechsel, der hier vorgenommen wird, wenn Bodycams und Videoüberwachung klar und bewusst als Bedrohung und zur Abschreckung eingesetzt werden. Das sind Mittel, denen sich die Polizei nicht bedienen sollte. Für solche Einsätze gibt es in Nordrhein-Westfalen bisher keine Rechtsgrundlage; der Einsatz wäre illegal. Und wenn hier eine Gesetzesänderung angestrebt wird, bin ich auf Ihre Begründung sehr gespannt.
Offensichtlich haben sich die Fraktionen von RotGrün hier aber auf einen schäbigen Deal eingelassen: Kennzeichnungspflicht gegen Bodycam.
Ich bin überzeugt, dass sich die Polizei am Ende keinen Gefallen damit tut, sich künftig mit Bodycams vor vermeintlichen Angreifern zu schützen.