Nehmen Sie das 5-ha-Ziel: Ja, das wurde abgeschwächt. Durch die Berechnungsmethode nach Vallée kommt es durch die Hintertür aber wieder hinein.
Der nächste Akt in diesem Theater ist das Tariftreue- und Vergabegesetz. Sie sagen, dass es nach dem Standardkostenmodell 28 Millionen € an Entlastung gibt. Wenn diese Kleinigkeiten, die heute hier in Rede stehen, 28 Millionen € an Entlastung bringen: Was machen dann die Belastungen allein durch dieses Gesetz in Summe aus? 80 Millionen €? 100 Millionen €?
Vor dem Hintergrund, dass diese Belastungen in Summe wahrscheinlich unstreitig sind, bitte ich darum, mir ein Beispiel zu nennen, wo dieses Tariftreue- und Vergabegesetz international gesehen die Arbeitsbedingungen verbessert hat. Sie haben ja immer gesagt: Wir wollen vorangehen, damit nordrheinwestfälische Aufträge nirgendwo auf der Welt unter schlechten Arbeitsbedingungen abgewickelt werden.
Nennen Sie mir ein Beispiel dafür. Nennen Sie mir ein Beispiel dafür, dass Frauenbeschäftigung durch dieses Gesetz gestiegen ist. Nennen Sie mir ein Beispiel dafür, dass Umweltbelastungen durch dieses Gesetz zurückgegangen sind. – Ich glaube, dass Sie solche Beispiele nicht nennen können.
Was bleibt, sind unnötig hohe Kosten. Sie selbst haben auf der Grundlage des Standardkostenmodells Ziffern in die Welt gesetzt. Es gibt unnötig hohe Bürokratiekosten für Handwerker und Mittelständler sowie für Kommunen. Das Gesetz ist überflüssig und bleibt überflüssig.
Am besten sieht man das beim Mindestlohn. Der Mindestlohn beträgt deutschlandweit 8,84 €. In NRW sind es 8,85 €. Bei einer 40-Stunden-Woche macht das 1,30 € im Monat aus. Okay; für dieses Geld gab es früher einmal ein ordentliches Pils. Aber glauben Sie ernsthaft, dass dieser eine Cent pro Stunde noch eine gute Rechtfertigung ist? Das ist die einzige praktische Auswirkung, die man messen kann und die Sie vortragen können – ein Cent pro Stunde.
„Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es unbedingt notwendig, kein Gesetz zu erlassen.“
Ich glaube, dass es auf der langen Reise dieses Gesetzes – von einer unglücklichen Entstehung über kleine Änderungen, die jetzt hier aufgeblasen werden – nicht mehr lange dauern wird, bis dieses Gesetz da ankommt, wo es hingehört, nämlich bei der Endverwendung und einer Abschaffung. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Beisheim.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Wüst, Sie blenden in Ihren Debattenbeiträgen immer die Tatsache aus, dass es in Nordrhein-Westfalen durchaus einen Bedarf an nachhaltigen Geschäftsmodellen gibt. Mittlerweile geht man davon aus, dass dieses Segment des Sozialunternehmertums oder auch der gemeinwohlorientierten Ökonomie durchaus eine nennenswerte Größenordnung erreicht hat. Manche sprechen auch davon, dass wir bereits dabei sind, über 25 % des Marktes zu reden.
Wir in Nordrhein-Westfalen nehmen unsere globale Verantwortung, die wir haben, wahr. Die öffentlichen Vergaben in Höhe von 50 Milliarden € sind dabei ein starker Hebel, Herr Wüst. Viele Kommunen haben sich bereits auf den Weg gemacht und vorbildliche Regelungen getroffen. Dortmund und Bonn sind an dieser Stelle beispielhaft zu nennen. Ziel ist und war es, die Vorgaben verbindlicher und transparenter zu machen. Es darf und durfte kein Wettbewerbsnachteil entstehen. Es müssen gleiche verbindliche Regelungen für alle gelten.
Während aber mindestens zwei von fünf Fraktionen im Landtag über ihre Sonntagsreden hinaus nicht sagen, wie man solche Grundsätze hinsichtlich ökologischer, ökonomischer und sozialer Kriterien in praktische Politik umsetzen kann, haben wir diese Ziele umgesetzt und im Tariftreue- und Vergabegesetz konkretisiert. Das Tariftreue- und Vergabegesetz ist also genau der richtige Schritt gewesen, diese Ziele zu etablieren. Das wird auch durch das Ergebnis der Evaluierung belegt, auf die sich der vorliegende Gesetzesentwurf bezieht.
Ich möchte an dieser Stelle mit Erlaubnis der Präsidentin ein etwas längeres Zitat aus dem Gutachten vorlesen, das Ihnen, liebe CDU, an dieser Stelle vielleicht nicht so ganz geschmeckt hat:
„Angesichts der bisher erreichten Zielbeiträge wird mit Blick auf die durch das Gesetz ausgelösten Erfüllungsaufwände ein angemessenes und positives, wenn auch schwach positives Aufwand-Nutzen-Verhältnis festgestellt. Es ist zu erwarten, dass sich im Zeitverlauf ein verbessertes Aufwand-Nutzen-Verhältnis herstellen kann,
wenn … das TVgG-NRW weiterhin hinreichend Anwendung findet, umfangreichere Kontrollen stattfinden und sich zugleich Erfüllungsaufwände durch einen höheren Erfahrungs-/Elaborationsgrad in den Unternehmen und Vergabestellen reduzieren.“
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Der Nutzen des Gesetzes übersteigt bereits heute den damit verbundenen Aufwand. Es wird noch besser wirken, wenn es länger und konsequenter angewendet wird.
Wir sind uns sicher, mit der Novelle beiden Seiten gerecht geworden zu sein, nämlich der Wirtschaft und den öffentlichen Vergabestellen, die sich eine deutlich bessere Anwendbarkeit des Gesetzes gewünscht haben.
Auch wenn wir im Vergleich zu anderen Bundesländern umfassende und verbindliche Regelungen haben, bleibt unsere Forderung als grüne Fraktion bestehen, die in der Rechtsverordnung konkret geregelten Ausführungsbestimmungen hinsichtlich Nachweis, Kontrolle und Transparenz zu verbessern.
Bitte lassen Sie Ihren Sonntagsreden Taten folgen, und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu. Im Anschluss haben Sie jetzt die Gelegenheit und in Zukunft noch einmal. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Ich würde sofort meinen Worten Taten folgen lassen und dieses Tariftreue- und Vergabegesetz ersatzlos abschaffen.
Denn dieses Tariftreue- und Vergabegesetz ist ein Dokument des Scheiterns. Sie haben als rot-grüne Regierungskoalition unserem Land, seinen Bürgern, seinem Mittelstand, seinen Handwerksbetrieben und seinen Verwaltungen ein Gesetz zugemutet, das bürokratisch ist, das kostenträchtig ist, das zu massiver Verunsicherung beiträgt und das dabei noch nicht einmal – das ist eigentlich das Entscheidendste – den Ansatz einer positiven Wirkung entfaltet.
An dieser Stelle verweise ich, Frau Kollegin Beisheim, im Anschluss an Ihr Zitat ebenfalls auf ein Zitat
„Gleichzeitig sollte von der aktuellen Zielerreichung insoweit abstrahiert und reflektiert werden, als dass das TVgG-NRW im erheblichen Maße gemeinwohlorientiert ist.“
(Andrea Asch [GRÜNE]: Was heißt das? – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Das möchte ich jetzt auch wissen, was das heißt!)
Das heißt mit anderen Worten nichts anderes, als dass das Gesetz vielleicht nicht so fürchterlich eng auf seinen Nutzen hin überprüft werden sollte, weil es doch eigentlich gut gemeint ist.
Das, meine Damen und Herren, rechtfertigt auf gar keinen Fall dieses Gesetz, das mit solchen Belastungen verbunden ist.
Dieses Gesetz belastet die Vergabestellen in Nordrhein-Westfalen. Bei 92 % der Vergabestellen hat es laut ihrer eigenen Analyse zu Mehrbelastungen geführt.
Bei 71 % der Auftragnehmer, also überwiegend bei mittelständischen Betrieben, hat es zu Mehrbelastungen geführt.
Dann von einem positiven Aufwand-Nutzen-Verhältnis zu reden, ist wirklich an den Haaren herbeigezogen, meine Damen und Herren.
(Beifall von der FDP – Nadja Lüders [SPD]: Darauf muss man erst einmal kommen! – Mi- chael Hübner [SPD]: Die Zielrichtung haben Sie aber grundsätzlich schon verstanden?)
Die mittelständischen Betriebe und die Handwerksbetriebe in unserem Land haben wirklich Besseres zu tun, als sich weiterhin mit diesem bürokratischen Monster auseinanderzusetzen.
Die Novellierung des Gesetzes durch die Landesregierung zeigt zumindest, dass Sie wenigstens zugeben, dass es hier eine Mehrbelastung bei Betrieben und bei Verwaltungen gegeben hat. Sie sagen: Wir haben einen Bedarf, hier nachzusteuern, damit diese Mehrbelastungen vielleicht nicht mehr ganz so stark wahrgenommen werden.
Allerdings – der Kollege Wüst hat darauf hingewiesen – reden wir in erster Linie über kosmetische Maßnahmen, die Sie jetzt vorgenommen haben. Bis auf ganz wenige Punkte …
Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, Herr Kollege Bombis. Herr Kollege Hübner würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.