Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

Allein das eine Element der DWNRW-Hubs hat zu einem enormen Schub beigetragen. Ob in Aachen, in Bonn, in Düsseldorf, in Köln, in Münster oder im Ruhrgebiet: Wir haben diese Hubs auf den Weg gebracht. Es ist interessant, zu beobachten, wie im Lande damit umgegangen wird und wie hier im Landtag diskutiert wird.

In Aachen ist eine regelrechte Graswurzelbewegung entstanden aus ganz vielen Unternehmen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern der Region, die gesagt haben: Da wollen wir dabei sein. – Sie stellen sehr viel mehr Geld, als für die Kofinanzierung eigentlich notwendig gewesen wäre, zur Verfügung, um hier einen ganz besonderen Schwerpunkt in der Region zu setzen.

Im Münsterland habe ich gestern mit dem Oberbürgermeister und den Landräten aus der Region gesprochen. Da geht es ja nicht nur darum, dass man in Münster einen solchen Hub einrichtet, sondern im Grunde um Hubs für das gesamte Münsterland. Man fühlt sich dort mit unseren Aktivitäten genau an der richtigen Stelle unterstützt.

Man könnte die anderen Beispiele weiter durchgehen. Vor Ort loben auch die Verantwortlichen der CDU dieses Programm und sind sehr engagiert bei der Sache. Hier im Landtag sagt die CDU: Alles falsch; wir hätten lieber einen Hub gehabt und nicht alles so dezentral, sondern einen für das ganze Land. – Das wäre genau die falsche Strategie gewesen. Ihre Leute vor Ort wissen es besser.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir über Digitalisierung reden, müssen wir auch die Top-Beispiele für Innovationen in den Mittelpunkt unserer weiteren Entwicklung stellen. Jeder redet über den StreetScooter aus Aachen. Aber es geht auch um die 3D-Sensorenbrille aus Siegen oder die personalisierte Krebstherapie aus Köln, das Solarflugzeug als Meilenstein der Elektromobilität aus Aachen, den Superklebstoff aus Neuss, das nicht hackbare Kanzlerinnenhandy aus Düsseldorf, das

längste supraleitende Kabel der Welt in Essen, die IT-Sicherheitslösungen aus Bochum, das Netzhautimplantat EpiRet III aus Aachen, das Exoskelett, ein Roboteranzug für Bewegungstraining, aus Bochum, oder die Identifizierung des EHEC-Typs als Grundlage für den Kampf gegen Infektionen, erforscht in Münster. Das alles sind Ausweise innovativer Spitzenleistungen aus unserem Land. Diese Spitzenleistungen brauchen auch die klare politische Unterstützung, die wir hier gewährleisten, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es kommt ein weiterer Punkt dazu. Wir haben an anderer Stelle noch sehr viel vertiefter über das Thema Digitalisierung sprechen können. Aber einen Punkt will ich noch einmal deutlich hervorheben:

Es geht nicht allein um technologische Innovationen, sondern auch um die Veränderungen der Arbeitswelt. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir nicht nur in einem Ressort, sondern in gleicher Weise beispielsweise in dem Ressort des Kollegen Schmeltzer und in dem Ressort der Kollegin Schulze an der Frage arbeiten: Wie geht es weiter mit Wirtschaft und Arbeit 4.0?

Mit Wissenschaftlern, Arbeitgebervertretern und Arbeitnehmervertretern haben wir als erstes Bundesland die Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0 gegründet, um uns diesen Fragestellungen zu widmen. Auch da zeigt sich:

Wir reden nicht nur über moderne Technologie, sondern haben auch die Interessen der Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick. Wir kümmern uns um die anstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt. Und welche Landesregierung sollte das tun, wenn nicht diese? Deswegen sind wir auch dort auf dem richtigen Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben in der Analyse festgestellt, dass es um das Thema „Industrie“ gehen muss.

Deswegen war es richtig, dass ich im Frühjahr dieses Jahres industriepolitische Leitlinien vorgestellt habe, die wir in den letzten Wochen und Monaten intensiv im ganzen Land mit Gewerkschaften, mit Arbeitgebern, mit unternehmer nrw, mit den Industrie- und Handelskammern, mit der gesamten Wirtschaft, mit dem Mittelstand diskutieren und diskutiert haben. Wir werden am 5. Dezember 2016 in einer großen Abschlussveranstaltung die aufgrund des engen Dialogs auch veränderten industriepolitischen Leitlinien vorstellen.

Es geht um Digitalisierung. Das ist erwähnt worden. Es geht nicht zuletzt auch um die Energiepolitik. Hier sitzen wir nicht alleine am Hebel. Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass die Weichen auch in Berlin und in Brüssel richtig gestellt werden.

Ich möchte das nur einmal an einem Beispiel deutlich machen. Wir alle wissen – wir haben das auch in relativ großer Einmütigkeit in der letzten Plenarrunde besprochen –, in welcher Situation zum Beispiel die Stahlindustrie ist – nicht nur mit Blick auf die Produktionsbedingungen hier vor Ort, sondern auch mit Blick auf den Export.

Deswegen steht diese Landesregierung dafür, dass wir zum Beispiel bei der Reform des europäischen Emissionshandels, aber auch in Fragen der Außenhandelspolitik, wenn es um den Marktwirtschaftsstatus Chinas geht, die Interessen der deutschen und damit der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie nicht vergessen, sondern ganz oben auf der Tagesordnung stehen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Wir werden das auch in den jetzt anstehenden energiepolitischen Diskussionen, wenn es zum Beispiel um den Klimaschutzplan der Bundesregierung geht, immer wieder zum Ausdruck bringen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Wir werden dafür Sorge tragen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien, von dem im Übrigen auch viele Zulieferer in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen gut profitieren, weiter vorangehen kann.

Wir werden aber in gleichem Maße in dem energiepolitischen Dreieck von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gleichzeitig dafür sorgen, dass, wenn Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen, a) in die Forschung für neue Speichertechnologien investiert wird und b) diejenigen, die für die konventionelle Erzeugung mit Gas- und Kohlekraftwerken stehen, ebenfalls eine Perspektive haben – nicht nur im Sinne der Industrie unseres Landes, sondern auch im Sinne der Beschäftigten, die dort ihre Arbeit haben.

(Beifall von der SPD)

Es geht außerdem um Investitionen in Infrastruktur. Ich bin dem Kollegen Groschek sehr dankbar, dass es ihm gelungen ist, gemeinsam mit vielen Akteuren dafür zu sorgen, dass Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren eine nie da gewesene Welle der Investitionen in den Erhalt und den Ausbau unserer Infrastruktur erleben wird.

Es geht darum, bei Innovationen zum Beispiel durch die Unterstützung der Initiativen für die steuerliche Forschungsförderung gerade auch für den Mittelstand noch attraktiver zu sein, um in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Es geht darum, unsere gute Rolle im internationalen Wettbewerb weiter zu stärken. Deswegen hat zum Beispiel vor wenigen Tagen ein Investorenseminar in London stattgefunden, damit nach dem Brexit mög

lichst viele der Unternehmen, die nach einem Standort auf dem europäischen Kontinent suchen, hier in Nordrhein-Westfalen ihre Heimat finden und nicht irgendwo anders in Europa.

Es geht nicht zuletzt darum, dass wir sehr deutlich machen: Industrie braucht in unserem Land auch Akzeptanz – Akzeptanz vor Ort, aber auch grundsätzliche Akzeptanz in der Gesellschaft.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Industrie hat sich verändert. Sie riecht nicht mehr so; sie stinkt nicht mehr so; sie ist nicht mehr so laut. Aber deswegen darf sie nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden.

Deswegen steht diese Landesregierung dafür, auf der Grundlage dieser industriepolitischen Leitlinien für die Akzeptanz der Industrie zu kämpfen, sie auch zu ermöglichen und sie in unserem Land zu stärken. Sie ist die Baustelle, an der wir arbeiten müssen – gemeinsam mit den Fragen der Außenwirtschaft.

Ich bin sicher, dass die Maßnahmen, die wir hier vorgelegt haben – jetzt nicht spontan, sondern in einer großen Kontinuität der letzten viereinhalb Jahre –, dafür sorgen werden, dass Nordrhein-Westfalen wieder dahin kommt, wohin es gehört, nämlich in die Spitzengruppe der Bundesländer: international wettbewerbsfähig, ein guter Ort für gute Arbeit und ein guter Ort für Dienstleistung und Industrie mit starkem Wachstum. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank für diese Unterrichtung, Herr Minister Duin. – Herr Minister Duin hat seine Redezeit für die Unterrichtung um 1:40 Minuten überzogen. Diese Zeit werden wir bei der anschließenden Debatte natürlich allen Fraktionen zusätzlich geben; bei der Landesregierung wird das hoffentlich nicht notwendig sein.

Die Debatte eröffnet der Kollege Wüst für die CDUFraktion.

Verehrte Frau Präsidentin! Die Einführungsworte mit dem Bekenntnis des Ministers zu Nordrhein-Westfalen zeigen, dass Sie dieses Thema zumindest an einigen Stellen persönlich genommen haben. Die Not war groß, als im März dieses Jahres für das letzte Jahr bilanziert wurde: 0 % Wachstum.

Es war der regierungsamtliche Beweis für die Richtigkeit aller Kritik an einer Wirtschaftspolitik, von der sich der Herr Wirtschaftsminister zwischenzeitlich schon selbst distanziert hatte.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es war die Vorlage dafür – ich kann es Ihnen nicht ersparen –, dass der WDR wenige Wochen später auswies, dass aus 2 % Vorsprung in der Wirtschaftskompetenz 14 % Rückstand wurden.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Herr Minister Duin wird sich darüber geärgert haben. Er wird es auch – zu Recht – als unfair empfunden haben, dass seine Arbeit hier in dieser Weise gleich zweimal schlecht bilanziert wurde.

Denn eines muss man ehrlich sagen – so fair sollte man sein –: Nach dem Vorgänger, den hier kaum noch jemand kennt, haben Sie wenigstens, was die Reputation der Regierung in der Wirtschaft angeht, einiges an Boden gutgemacht. Umso ärgerlicher sind dann diese 0 % und der deutliche Verlust der Wirtschaftskompetenz in den Umfragen, und umso verständlicher ist Ihre erste Reaktion.

Sie haben dann versucht, uns zu erklären, dass die 0 %, die im März auf dem Tisch lagen, so etwas wie eine Prognose seien. Herr Hübner hat hier immer vorgetragen, das sei ja nur eine Art Fingerzeig und eine Prognose. Ob es nun 0 % und Platz 16 sind oder 0,3 % und Platz 14, ist, ehrlich gesagt, auch ziemlich gleichgültig.

Abgesehen davon ist der Versuch, das kleinzureden, in den Medien ziemlich gescheitert. Sie mussten irgendetwas anderes tun. Kleinreden ging nicht. Also musste aufgedröselt werden und eine ordentliche Analyse her.

Ich will ausdrücklich Danke sagen und den Fleiß und das Engagement des Hauses anerkennen. Das sind 200 Seiten, auf denen wenig Falsches, aber an vielen Stellen eben auch nichts Neues steht.

Eine Analyse musste her, weil eine ordentliche Analyse, garniert mit etwas Selbstkritik, immer den Eindruck vermittelt: Wer so ehrlich analysiert, der weiß auch, was jetzt zu tun ist, und dann passiert auch etwas.

Offensichtlich hat es aber gerade da Schwierigkeiten gegeben. Mehrfach wurde die Kabinettsbefassung verschoben. Man hörte von einem munteren Hin und Her zwischen den üblichen Beteiligten in der Landesregierung. Offensichtlich hat man sich weder auf eine Ableitung noch auf eine neue Philosophie in der Wirtschaftspolitik noch auf ein konkretes Umsteuern einigen können. Es war mal wieder zäh untereinander. So musste etwas Neues her, und ein Tag, bevor im Kabinett über den Landeswirtschaftsbericht gesprochen wurde, boten sich die Wachstumszahlen im zweiten Quartal an.

Eben haben Sie gesagt – ein kritischer Blick auf die Medien –, Sie hätten gar nicht gejubelt, wie es da behauptet worden sei. Mir ist nicht erinnerlich – ich bin jetzt seit fast zwölf Jahren hier –, dass sich ein Wirtschaftsminister, ein Arbeitsminister oder sonst ein

Minister mal hingesetzt und persönlich Quartalszahlen zum Wirtschaftswachstum vorgetragen hätte. Die Not muss groß gewesen sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)