Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn es das wäre, würden Sie es ja ins nächste Jahr ziehen und nicht versuchen, es in diesem Jahr von der Platte zu putzen.

Die Industrie, die Wirtschaft in diesem Land hat, seitdem Sie regieren, 3.800 ha an Fläche verloren. Weil die meisten Leute mit diesen Zahlen nicht umgehen können – ich mit meinem Einfamilienhaus mit Garten auch nicht –, will ich einmal beschreiben, was 3.800 ha sind: Das ist die Gesamtfläche in Summe folgender Unternehmen: Chemiepark Leverkusen, Chemiepark Dormagen, Chemiepark Krefeld, Stahlwerk ThyssenKrupp in Duisburg, Evonik Chemiepark Marl, Shell-Raffinerie in Wesseling-Godorf, Hüttenwerk Krupp Mannesmann in Duisburg, Chemiepark Hürth-Knapsack und Ford-Werke Köln. All diese Unternehmen stehen auf einer Fläche, die genauso groß ist wie die, die Sie der Wirtschaft in den letzten Jahren entzogen haben.

Auf den genannten Flächen arbeiten 90.000 Menschen. Sie aber machen eine Flächenpolitik, die uns nicht helfen wird, neues Wachstum, neue Arbeit und Beschäftigung in diesem Land hinzukriegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich komme dann noch zu einem letzten Punkt, Herr Duin, zu den DWNRW-Hubs.

(Zuruf von der SPD: Hub!)

Jetzt heißt das „Hub“, Entschuldigung. Es hieß einmal Cluster bzw. Leitmärkte. – Wunderbar. Sie geben 500.000 € in die Region, und dazu sagen Sie: Die Unternehmen haben teilweise ein bisschen Ladehemmung gehabt. Wir geben jetzt noch 500.000 € jeweils in eine Region, und dann gucken wir einmal, was da passiert.

Das alles ist doll. Es könnte noch doller laufen, wenn sie nicht einer Region wie Köln untersagen würden, sich beispielsweise bei Games zu engagieren. Ist es richtig, dass in dem Zuwendungsbescheid steht: „Ihr dürft alles machen, außer Games“? – Also, Stärken stärken sieht anders aus.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe nicht viel Ahnung von Games. „Pokémon Go“ und solche Geschichten, das ist eher etwas für die Generation nach mir. Dass Köln aber in Sachen Games eine Kompetenz hat, das habe ich verstanden. Warum man diese Kompetenz nicht noch stärken und mehr herausholen soll, habe ich nicht verstanden. Vielleicht können Sie es mir erklären. In der Region hat man es auch nicht verstanden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Beteiligten dort sagen gerade: Das läuft so gut beim Geldeinwerben, vielleicht geben wir dem Duin seine 500.000 € zurück und machen, was wir wollen.

Den Regionen ein bisschen mehr Freiheit zu geben, wäre noch erfolgreicher als das, wofür Sie sich hier gerade rühmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich komme zum allerletzten Punkt. Im Vorwort steht: „Wir schützen die Vergangenheit nicht vor der Zukunft.“ Norbert Lammert hätte gestern in seiner unnachahmlichen Weise wahrscheinlich gesagt: „Ein Satz von zeitloser, schnörkelloser Schönheit.“ Damit hätte er recht. Ich bin etwas einfacher gestrickt und sage: Der Satz passt nicht zu dem, was Sie hier machen. Da brüllt doch die ganze Zeit über schon wieder die „Wandel-braucht-Zeit“-Fraktion. Immer, wenn es bei Ihnen eng wird, dann gehen Sie lieber zum Motto „Wandel braucht Zeit“ über. Der digitale Wandel braucht nicht Zeit, er braucht Tempo!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Wirtschaftspolitik dieses Landes kommt nicht aus den Puschen, weil sie von einer grünen Hand festgehalten wird, die störrisch auf einem Koalitionsvertrag beharrt, von dem Sie sich längst verabschiedet haben, und weil es eine verzagt-resignative SPD gibt, die dann lieber wieder – wie Johannes Rau – sagt: „Wandel braucht Zeit“. Ich empfehle Ihnen einen abgewandelten Satz von Willy Brandt: Mehr Aufbruch wagen für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Sundermann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wüst, vielen Dank für Ihren Vortrag gerade hier. Was mir und auch sicherlich vielen hier im Haus aufgefallen ist, ist die Säuernis, die Sie vor sich hertragen, und zwar die Säuernis, dass es vor einigen Wochen diese Zahl gab. Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen wächst wieder, und Ihnen ist das Räppelchen des Nullwachstums genommen worden. Diese Säuernis haben Sie die ganze Zeit vor sich hergetragen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Wüst, an dieser Stelle möchte ich Sie aber auch einmal loben, und zwar loben für den Fleiß, den Sie hier an den Tag gelegt haben, indem Sie sich die Zahlen im Wirtschaftsbericht angeschaut und diese auch – zumindest weitestgehend – fehlerfrei vorgetragen haben.

Nur muss ich sagen: Sie sind in der Analyse stehen geblieben, meine Damen und Herren. Der Wirtschaftsbericht geht nämlich genau an dieser Stelle weiter. Er hat eine Analyse; er zeigt aber auch, welche Werkzeuge wir schon haben und mit welchen Maßnahmen wir weiter erfolgreich sein wollen, meine Damen und Herren.

Ich möchte mit einer Frage anfangen. Was ist eigentlich Wirtschaftspolitik, und was macht sie aus? Wirtschaftspolitik ist zu 50 % Psychologie, im Positiven wie im Negativen. Welchen Ansatz hatte die Opposition in den letzten Jahren? Man redet die Wirtschaftspolitik des eigenen Landes und damit auch das ganze eigene Land schlecht und hofft so vielleicht auf eine selbsterfüllende negative Prophezeiung.

(Zuruf von der CDU)

Dann kommt im März die Prognose: Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen ist nicht gewachsen. Das Nullwachstum war für Sie der Beleg für die Richtigkeit Ihrer Grobanalyse der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, die Sie gemacht haben.

Meine Damen und Herren, woraus besteht diese Grobanalyse? Sie spricht davon, dass allein die Einflüsse des Tariftreue- und Vergabegesetzes, des Landeswassergesetzes, des Landesnaturschutzgesetzes und auch des angesprochenen LEPs das Wirtschaftswachstum zum Erliegen gebracht haben. Das haben Sie uns hier monatelang, jahrelang so erzählt.

Stellen wir uns nun vor, Ihre Grobanalyse sei richtig. Dann müssten Sie jetzt folgendermaßen argumentieren: Die vorgenannten Gesetze und Maßnahmen sind alle innerhalb der letzten sechs Monate 2016 konkretisiert bzw. verabschiedet worden. Sie entfalten also schon ihre Wirkung. Sie wären dann Ihrer Logik folgend Ursachen für das aktuell prognostizierte Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr 2016. Sie werden sicherlich verstehen, dass ich dieser auf Ihrer Argumentation fußenden Logik trotz einer gewissen Verlockung nicht erliegen möchte.

Ich möchte lieber zur Anfangsfrage zurückkommen. Was macht gute Wirtschaftspolitik? Sie macht eben nicht wie Sie Grobanalysen, sondern sie schaut detailliert, differenziert und strukturiert auf die Situation im Land. Genau das macht der vorliegende Wirtschaftsbericht.

Schauen wir einmal gemeinsam hinein in Analyse, Ergebnisse und Maßnahmen. Der Wirtschaftsbericht

zeigt – das hat auch der Minister schon ausgeführt – die vielfältigen Stärken des Landes. Wir haben einen innovativen, bodenständigen Mittelstand, wir haben eine sich der Digitalisierung öffnende Wirtschaft und Industrie, und wir haben eine der dichtesten Wissenschafts- und Forschungslandschaften in Europa.

Er zeigt aber auch – das hat der Minister ausgeführt – Schwächen auf, und das Aufzeigen der Schwächen ist aus unserer Sicht eben auch eine Stärke dieses Wirtschaftsberichts. Er zeigt vor allen Dingen – das wurde hier auch schon ausgeführt – die Schwäche im industriellen Sektor auf. Die Ursache ist hier sicher die aktuelle Struktur unserer Industrie, geprägt von der Grundstoffindustrie, die aktuell schwach aufgestellt ist.

Eine weitere Ursache – das ist uns auch eine langfristige Ursache – ist sicherlich die Akzeptanz für Industrie in diesem Land. Früher war es doch so, dass man, wenn man einen rauchenden Schornstein sah, sagte: Da passiert etwas, da gibt es Arbeit. – Heute würde man eher sagen: Was machen die denn da schon wieder? – Der gesellschaftliche Blick auf Industriepolitik muss sich ändern. Auch deshalb und neben all den anderen Facetten ist es wichtig und richtig, dass der Prozess zu den industriepolitischen Leitlinien vom Minister auf den Weg gebracht wurde.

Aus unserer Sicht ist es auch wichtig, dass nicht nur dieser Prozess auf den Weg gebracht wurde, sondern dass das, was dort festgehalten wird, in Zukunft auch Leitlinie der Politik der Landesregierung ist und umgesetzt wird. Wir brauchen am Ende dieses Prozesses eine Willkommenskultur für Industrie in unserem Bundesland.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, von diesem Platz – auch Herr Wüst hat es eben wieder gemacht – wird häufig von Gesprächen mit Unternehmen berichtet. Oft wird auch von Gesprächen mit Verbänden und Kammervertretern berichtet.

Ich möchte mich ein wenig auf die Gespräche, die ich mit den Unternehmen führe, konzentrieren. Die Hauptprobleme, das Hauptthema, was ich diesen Gesprächen entnehme, ist nicht das Tariftreue- und Vergabegesetz, das Landeswassergesetz oder ähnliche Themen. Ein wichtiges Thema sind neben der schon beschriebenen Akzeptanz die Mitarbeiter. Die Frage, wie ich heute und morgen gut ausgebildete Mitarbeiter bekomme, ist eines der zentralen Probleme, die wir in der Wirtschaft haben.

Hier möchte ich auf zwei Maßnahmen kommen, weil immer kritisiert wird, auch von Herrn Wüst gerade wieder, wir würden nur analysieren und würden keine Maßnahmen ergreifen. Ich nenne zwei Punkte, die gut beschreiben, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen gut aufgestellt sind und die richtigen, zukunftsweisenden Maßnahmen schon getroffen haben.

Erstens. Die Zahl der MINT-Studierenden ist seit 2010 über 30 % gestiegen. Wir sorgen also für Ingenieure von morgen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Mit dem Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ organisieren und strukturieren wir den Übergang zwischen Schule und Ausbildung. Wir sorgen also hier für die Facharbeiter von morgen.

Meine Damen und Herren, eine wichtige Rolle im Beitrag des Ministers und auch bei Herrn Wüst spielte das Thema für Wirtschaftspolitik in den nächsten Jahren schlechthin, die Digitalisierung, die digitale Transformation der Wirtschaft der Industrie in Nordrhein-Westfalen. Wichtig war hier sicherlich die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin Anfang letzten Jahres. Sie hat durch ihre Regierungserklärung dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung der aktuellen Politik gesetzt, sie hat es in den Fokus der Politik gestellt. Das ist vorausschauende Politik, das ist gute Wirtschaftspolitik.

Wenn digitaler Strukturwandel gelingen soll, dann reicht es nicht, wenn wir hier in unserem kleinen Kreis oder in ganz vielen Diskussionen immer nur über Industrie 4.0, über das Internet der Dinge reden.

Wichtig ist, dass die Digitalisierung auch in die Köpfe der Unternehmen und der Mitarbeiter gelangt, dass wir auch die Menschen mitnehmen. Der Minister hat es eben schon ausgeführt. Für den Bereich der Mitarbeiter haben wir die Allianz „Wirtschaft und Arbeit 4.0“ aufgesetzt, ein wichtiger Baustein, um am Ende auch den Mitarbeitern die Ängste vor diesem Prozess zu nehmen. Bezüglich der Unternehmen ist es natürlich auch wichtig, dass wir die Unternehmen mitnehmen auf den Weg hin zu Industrie 4.0. Ein Baustein ist hier die Integration von Industrie 4.0 in die Leitmarktwettbewerbe.

Meine Damen und Herren, welche weiteren Maßnahmen zum Gelingen des digitalen Strukturwandels haben wir ergriffen?

Als Erstes wurde die Ernennung eines Beauftragten für die digitale Wirtschaft vorgenommen. Darauf haben wir die Strategie „Digitale Wirtschaft NRW“ aufgesetzt. Dann – auch das wurde schon erwähnt – ist die Einrichtung dezentraler Hubs digitaler Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen wichtig.

Meine Damen und Herren, dezentral ist aus unserer Sicht richtig, weil hier die Struktur des Landes berücksichtigt und aufgenommen wird. An vielen Stellen war immer wieder die Rede davon, wie unterschiedlich und heterogen Nordrhein-Westfalen ist. Es gibt die verschiedenen Regionen und verschiedene Cluster in diesem Land.

Diese Dezentralisierung bei den digitalen Hubs ist aus unserer Sicht ein gutes Beispiel dafür, dass

Nordrhein-Westfalen spezifische Antworten braucht. Wir müssen das Original sein. Wir sollten nicht kopieren. Hier wird oft gesagt, wir müssten uns ein Beispiel an Baden-Württemberg und Bayern nehmen. Natürlich wollen wir – das hat Herr Minister gesagt; das ist auch unser Ziel – wieder Spitze in Deutschland werden. Aber das Werkzeug, um dorthin zu kommen, ist sicherlich nicht das Kopieren, sondern unser Anspruch ist es, unseren eigenen, unseren NRW-Weg zu finden – in der Digitalisierung, aber auch in der gesamten Wirtschaftspolitik.

Wir müssen der Heterogenität unseres Bundeslandes, was Regionen, Wirtschaftszweige, Mentalitäten und Strukturen angeht, gerecht werden. Hierfür ist der vorliegende Bericht in seiner Struktur, seinen Analysen und seinen Maßnahmen ein hervorragendes Beispiel. Er ist ein weiterer Beleg für vorausschauende, verlässliche, erfolgreiche und damit gute Wirtschaftspolitik – für die Unternehmerinnen und Unternehmer, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Menschen in unserem Land. In diesem Sinne: Glück auf. – Vielen Dank.