Protokoll der Sitzung vom 07.10.2016

Am 8. Juni 2016 – damit will ich enden – beantworten Sie eine Frage von uns mit den Worten:

„Die Landesregierung hat eine neue Förderrichtlinie für die Förderung des Ausbaus von NGANetzen im ländlichen Raum im Rahmen des NRW-Programms Ländlicher Raum 2014-2020 erarbeitet. Die Ressortabstimmung dieser neuen Förderrichtlinie ist abgeschlossen, ebenso wie der im Rahmen des NRW-Programms Ländlicher Raum … notwendige Beteiligungs- und Abstimmungsprozess. Die Förderrichtlinie wird in Kürze veröffentlicht.“

Also, dieser digitale Wandel hier braucht keine Zeit, sondern der braucht Tempo. Daran fehlt es ebenso wie an den Mitteln und an der Strategie. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Wüst, möglicherweise habe ich Ihren letzten Punkt nicht ganz verstanden. Aber die Förderrichtlinie zum Breitbandausbau im ländlichen Raum ist längst veröffentlicht. Möglicherweise ging es Ihnen da so ähnlich wie dem Kollege Hafke, der sich gerade hier hingestellt und illustriert hat, dass er „megatief“ geschlafen hat; denn, lieber Kollege Hafke, das angekündigte Leitbild „Lernen im

digitalen Wandel“ gibt es. Das ist am 28.09. veröffentlicht worden. Ich finde es sehr interessant, was die Ministerin da hineingeschrieben hat. Ich bin ihr sehr dankbar dafür, weil das natürlich ein ganz wichtiges Zukunftsfeld und ein ganz wichtiges Feld für die digitale Bildungspolitik ist.

Wir sind das erste Land, das ein solches Leitbild „Lernen im digitalen Wandel“ erstellt hat. Dass Sie das jetzt einfach nicht wahrgenommen haben, wundert mich ein bisschen. Aber gut, wenn Sie sich so wenig mit der Sache beschäftigen wollen, dann ist das Ihre Sache.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich ein bisschen an eine Situation von vor drei Jahren erinnert gefühlt, als ich einmal eine Große Anfrage gestellt habe. Damals ging es um Verbraucherschutz im Netz. Da wurde mir dann von der FDP vorgeworfen, ich hätte diese Große Anfrage nur gestellt, damit Johannes Remmel seine – ich sage gerne, es waren zahlreiche – Erfolge für Verbraucherschutz im Netz hier darstellen konnte.

Jetzt habe ich mir die Antwort auf Ihre Große Anfrage durchgelesen und habe gedacht: Heute kann man nicht einmal mehr als Abgeordneter einer regierungstragenden Fraktion so etwas machen; denn die Opposition stellt ja schon Große Anfragen, bei denen 54 Fragen so formuliert werden, dass die Landesregierung ihre Erfolge darstellen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Marcel Hafke [FDP])

Herr Hafke, Sie dürfen alles, was in diesem Haus parlamentarisch möglich ist, tun, auch Kleine Anfragen, Große Anfragen, wenn Sie mögen, sogar Entschließungsanträge stellen. Das haben Sie ja heute alles gemacht. Ich will Ihnen nicht in Ihre Arbeit als Oppositionsfraktion hineinreden. Sie werden ja bald noch fünf Jahre mehr haben, in denen Sie als Oppositionsfraktion weiterarbeiten können und sich die Bilanz der Landesregierung anschauen können.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben tatsächlich eine sehr gute Bilanz, die die Landesregierung in den Antworten auf Ihre Fragen herausgearbeitet hat.

Wir sind Spitze bei den Gründungen. Wir haben eine große Zahl an Konzepten zur Förderung der digitalen Wirtschaft. Wir haben die DWNRW-Strategie. Wir haben uns beim letzten Plenum darauf verständigt, dass wir unser Flaggschiff „it’s OWL“ weiter fördern wollen. Wir fördern innovative Geschäftsmodelle, Stichwort: digitaler Einzelhandel. Dafür habe ich aus der Opposition nur Verachtung gehört. Alles das sind Punkte, bei denen wir uns gut aufstellen für die Digitalisierung, bei denen wir uns gut aufstellen für die Innovationen, die der digitale Wandel mit sich bringt.

Wir leisten massive Investitionen in Breitbandnetze. Wir haben eine NGA-Strategie bis 2025.

Wir haben eben nicht den Fehler gemacht, den Herr Rösler gemacht hat, als er noch Wirtschaftsminister war. Die FDP vergisst gerne mal, dass sie auch mal irgendwo in Verantwortung war. Wir haben nicht den Fehler gemacht, den Sie damals gemacht haben. Wir sagen nicht, wir warten einmal, bis der Markt das irgendwie alles regelt, sondern wir helfen sehr konkret vor Ort.

Wir unterstützen die Kommunen dabei, Fördermittel abzurufen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, die Verwaltung digital aufzustellen, und wir sorgen Stück für Stück für mehr Transparenz im Rahmen unserer Open-NRW-Strategie. Gerade heute kam die Pressemitteilung: Die Geobasisdaten in Nordrhein-Westfalen gibt es jetzt offen zugänglich für alle als Open Data. Das sind doch Erfolge, die wir in den letzten Jahren erzielt haben. Das sind Erfolge, die gut sind für die Digitalisierung in unserem Land.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich muss ganz offen zugeben, ich habe an einigen Stellen über den Entschließungsantrag der FDP nicht schlecht gestaunt. Er war ja zum einen nichts anderes als das Positionspapier, das Sie vor ein paar Wochen vorgelegt haben. Aber gut, wenn Sie sich die Arbeit nicht machen wollen, etwas anderes als copy and paste vorzulegen, dann ist das in Ordnung.

Aber ich habe auch inhaltlich nicht schlecht gestaunt. Dass die FDP sich jetzt als die große Truppe der Freifunkapologeten aufstellt, passt nicht ganz zu dem, wie Sie sich in den letzten Jahren bei diesem Thema positioniert haben.

Wir haben im letzten Jahr genau das beschlossen, was Sie heute in Ihren Entschließungsantrag hineinschreiben. Das hat Herr Nückel in Bausch und Bogen verdammt, als es einen gemeinsamen Antrag der regierungstragenden Fraktionen und der Piratenfraktion zur Freifunkförderung gab. Auch gestern hat Herr Nückel sich hier doch ziemlich interessant positioniert, indem er gesagt hat, man sollte die Störerhaftung nicht einfach so abschaffen. Das war auch nicht wirklich freifunkfreundlich.

Sie müssen sich jetzt einmal entscheiden, ob Sie eher die Nückel’sche Mottenkiste haben wollen oder lieber der Position von Herrn Hafke folgen wollen, der dann doch irgendwie Freifunk ganz gut findet. Das sind Punkte, an denen sich die Unterschiede sehr deutlich zeigen.

Die Unterschiede zeigen sich auch im Bereich Schulen, im Bereich Bildung. Es ist jetzt knapp drei Stunden her, da stand Herr Lindner an diesem Pult und hat gegen das Programm „Gute Schule 2020“ derart polemisiert, als wollten wir eine Giftmüllfabrik in seinem Vorgarten bauen.

Das ist der Unterschied. Wir legen ein Programm auf, um die Kommunen mit 2 Milliarden € zu unterstützen – gerade auch, damit sie ihre digitale Infrastruktur aufbauen, damit diese digitale Infrastruktur auf Vordermann gebracht wird. Wir fördern die richtigen Konzepte. Da sehen wir: Diese Regierung arbeitet gut bei der Gestaltung des digitalen Wandels, und wir werden sie in den nächsten Jahren sehr gern dabei unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Dr. Paul.

Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist inzwischen mehr als eineinhalb Jahre her, dass sich Ministerpräsidentin Kraft dazu entschlossen hat, die Digitalisierung zum Thema ihrer „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“- supergeilen Regierungserklärung zu machen.

Daher war es natürlich auch ein legitimes Anliegen der Kollegen von der FDP-Fraktion, einmal nachzufragen, was aus den Absichtserklärungen der Landesregierung denn nun geworden ist.

Aus der Großen Anfrage der FDP-Fraktion lernen wir gleich im ersten Satz, dass es denkende Maschinen gibt, und weiter hinten steht, dass Talente digital sein können. Zumindest in Sachen sprachlicher Präzision ist die FDP-Fraktion mit ihrem Buzzword-Populismus krachend durch den Beta-Test gefallen.

Aber ähnlich lieblos wie die Landesregierung nach der Regierungserklärung von Frau Kraft im Januar 2015 agierte – von einem Erfolg kann man bei aller Sympathie kaum sprechen –, ist nun auch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage heruntergeschrieben worden. Entlarvend ist dabei aber der Zugang zum Thema Digitalisierung durch die beteiligten Akteure, durch die Fragenden und durch die Antwortenden.

Für die Landesregierung antwortet das Wirtschaftsministerium. Die FDP-Fraktion stellt in ihrem Entschließungsantrag hauptsächlich die wirtschaftlichen Faktoren in den Vordergrund. Das Potenzial der digitalen Revolution steht aber auf sehr viel breiterem Fundament, als es hier verkürzt behandelt wird. Deswegen sehen wir diese Große Anfrage als vertane Chance.

Mir kommt in dieser Debatte viel zu kurz, welche Möglichkeiten in dem Verfügbarmachen von öffentlichen Daten liegen – also Open Data –, welche befreiende Wirkung der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur entfalten kann – also Open Access –, wie sich Verwaltungshandeln in transparenter Weise öffnet und effektiver gestaltet wird – E-Government –

und welche Chancen in den onlinebasierten Partizipationsmöglichkeiten von Menschen liegen, die sich bis jetzt viel zu wenig in die politische Willensbildung eingebracht haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Mir kommt weiterhin das Recht auf informelle Selbstbestimmung zu kurz, das Recht auf Verschlüsselung. Denn nicht nur die Gier der privaten Datensammler, auch die geheimdienstliche Überwachung der Gesellschaft ist nach wie vor da und ungelöst.

Mir kommt zu kurz, wie die Landesregierung ITSicherheit für Privatpersonen, aber auch für Unternehmen und Behörden herstellen und sicherstellen will.

Was ist mit der digitalen Daseinsvorsorge für die Menschen in unserem Land? Was passiert mit der zu erwartenden Automatisierungsrendite? Wie viel davon wird dem Gemeinwohl und den Menschen in Nordrhein-Westfalen zugutekommen?

Zu all diesen spannenden Themen haben wir Piraten in den letzten vier Jahren Anträge vorgelegt. Dabei ging es uns nie um einen digitalen Hype. Nein, wir haben uns immer auch kritisch mit den Auswirkungen der Digitalisierung auseinandergesetzt und diese offen angesprochen.

Denn die digitale Revolution – gleichermaßen Chance und Gefahr – ist eine technologische historische Kraft, die eine positive befreiende Wirkung auf den einzelnen Menschen, auf die Gesellschaft als Ganzes ausüben kann, wenn wir sie richtig gestalten.

(Beifall von den PIRATEN)

Das heißt vor allem: Bewusst gestalten, mit klarem Kopf und nicht bewusstlos hineinstolpern in das Informationszeitalter so, wie wir damals in die Industrialisierung gestolpert sind. Wir wissen doch – neben den ohne Zweifel positiven Elementen –, welche gewaltigen sozialen Verwerfungen das damals ausgelöst hat.

Fakt ist, dass für das bewusste Gestalten Grundlagen gelegt werden müssen. Wir Piraten haben uns von Anfang an im Landtag im politischen Diskurs für ein flächendeckendes Glasfasernetz eingesetzt, damit alle davon profitieren können. Diese Notwendigkeit ist erfreulicherweise inzwischen in den Forderungen der FDP-Fraktion wie auch zumindest in den Absichtserklärungen der Regierung aufgenommen worden.

Ebenso fordern wir mehr Kraft für digitale Themen in den politischen Prozessen – Stichwort Digitalministerium und Ausschuss für Digitales.

Daher will ich gar nicht in Abrede stellen, dass einige der vorgelegten Punkte im Entschließungsantrag der

FDP-Fraktion in die richtige Richtung gehen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Landesregierung hier nicht nur redet, sondern auch handelt.

Meine Damen und Herren, wenn man bei der Antwort der Landesregierung die eine oder andere Floskel weglässt, bleibt eigentlich nur noch Klein-Klein übrig. Es ist schon eine gummiartig zähe Angelegenheit, wie die Landesregierung mit der Gestaltung der digitalen Revolution ringt. Die FDP-Rhetorik der Großen Anfrage ist auch nicht besser. Das stimmt mich wirklich traurig.

Dennoch: Der Entschließungsantrag der FDPFraktion enthält einiges Richtige, das wir hier auch gefordert haben. Er ist ja ein Teilstück von unseren Forderungen; Sie haben da abgeschrieben. Wir werden Ihrem Entschließungsantrag souverän zustimmen, weil wir es können. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Nächster Redner ist der fraktionslose Kollege Schwerd.