Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Die Baustelle dauert von jetzt bis 2023. Von Tag zu Tag nehmen die Staus zu. Dass wir einfach damit leben müssen, kann doch nicht unsere Auffassung sein. Ich glaube auch nicht, dass das die Auffassung des Ministers ist. Es muss doch konzeptionelle Ansätze geben, um diesen Staus zu begegnen, zum Beispiel mit einem Anti-Stau-Programm Leverkusener Brücke. Das müsste man angehen, um den Pendlern und den Arbeitgebern zu helfen, damit man morgens wieder halbwegs verlässlich bei der Arbeit erscheinen kann, so wie ich heute gerne pünktlich hier erschienen wäre. – Herzlichen Dank und bis gleich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Groschek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Natürlich sind die Zustände rund um die Leverkusener Brücke für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, für die Berufspendler und für die Wirtschaft unzumutbar. Deshalb müssen

wir so schnell wie möglich zumutbare Verkehrsverhältnisse herstellen.

Zu den Planungsabläufen: Wir haben am 5. Dezember 2012 den offiziellen Planungsauftrag des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur bekommen. Das ist unser Auftraggeber. Es handelt sich um eine Bundesbrücke, die im Bundesauftrag vom Land erhalten und auch neu gebaut werden wird.

Von der Beauftragung bis zum Planfeststellungsbeschluss vergehen vier Jahre. Das hört sich für Laien unendlich lang an. Für Fachleute ist klar: Das ist rekordverdächtig, gemessen an den Planungshürden im deutschen Planungsrecht. Deshalb ist dieser Planungsprozess für uns maßstäblich.

Diese kurze Planungszeit konnte nur erreicht werden, weil ich ein hohes politisches Risiko eingegangen bin und bewusst einen Konflikt mit der EUKommission in Kauf genommen habe. Ansonsten wären wir noch lange in einem Planungsprozess und könnten die Ihnen wiederholt mitgeteilten Daten nicht halten. Wir gehen felsenfest davon aus, dass der Bau der neuen Brücke im Jahr 2017 begonnen wird und dass das erste Brückenbauwerk 2020 steht – mit einer Kapazität, dass 2020 alle Verkehre auf dieser Brücke werden fahren können, inklusiv der Lkw-Verkehre.

Wir werden dann in den folgenden Jahren das zweite Brückenbauwerk danebensetzen, sodass eine wesentlich größer dimensionierte Brücke ab 2023 komplett vorhanden sein wird.

Zweite Bemerkung: Gab es realistische Alternativen zur Sperranlage? Die einzig realistische Alternative war die Vollsperrung dieser Brücke – und die wäre unverantwortlich. Warum? 100.000 Rheinquerungen durch Pkw sind der Durchschnitt. Wenn Sie 100.000 mal 365 mal 4 Jahre bis zur Fertigstellung des ersten Teils der Brücke rechnen, kommen Sie auf 146 Millionen Rheinquerungen durch Pkw, die alle an anderer Stelle stattfinden würden und die vorhandene Restinfrastruktur so belasten würden, dass möglicherweise neue Problemzonen mit Sperreffekten auftreten.

Deshalb gibt es keine realistische Alternative. Wir müssen die Lkws von dieser Brücke fernhalten, sonst wird die Brücke nicht mehr lange halten. So einfach ist die Formel.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was die Lkw-Verkehre angeht, will ich mich noch einmal bei den Polizeibeamten bedanken, die in Kontischichten rund um die Uhr den größten Einsatz zeigen mussten, um die Sperrmaßnahmen, die ursprünglich notwendig waren, durchzusetzen. Das ist ein Personalvolumen von täglich bis zu 90 Polizeibeamten, und das am Standort Köln. Ich denke, wir können niemandem vermitteln, dass 90 bis 100 Poli

zisten dauerhaft auf einer Brücke herumstehen müssen, um mehrere hundert Deppen hinter dem LkwSteuer davon abzuhalten,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

über die Brücke zu fahren. Das wäre eine Verschwendung von Ressourcen von Polizeibeamten, die gerade in Köln dringend woanders gebraucht werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Jo- chen Ott [SPD]: Sehr richtig!)

Zu der Sperranlage: Der Aufsteller hat in RheinlandPfalz, in Hessen und im Saarland Erfahrungen gesammelt. Aber die Situation an dieser Stelle ist komplexer als an den meisten anderen Baustellenabschnitten in der ganzen Republik.

(Zuruf von der CDU: Das ist aber nicht überra- schend!)

Eine solche Dichte an Auf- und Abfahrten gibt es nirgendwo sonst. Das ist die besondere Herausforderung. Deshalb ist hier ein weiterer Optimierungsprozess erforderlich.

Wir haben beispielsweise gestern als Ministerium entschieden, probeweise eine zweite Spur im Einfädelungsbereich Richtung Dortmund freizugeben. Das war eine Forderung der Akteure vor Ort. Wir werden das jetzt probeweise umsetzen lassen – in der Hoffnung, dass sich keine gehäufte Unfallsituation durch Einfädelungsverkehre, die durch Rücksichtslosigkeit geprägt sind, ergibt.

Es wird also vor Ort entschieden, was wir zusätzlich machen können. Wir werden am Niehler Ei Verbesserungen vornehmen. Wir haben im Gespräch mit den Betriebsräten und Projektverantwortlichen von Ford Köln Vor-Ort-Termine verabredet, um zu prüfen, ob wir Behelfsauffahrten zusätzlich an die Autobahn bringen können. Wir werden alles Erdenkliche tun, um auch verbesserte ÖPNV-Verbindungen für das Ford-Werk zusammen mit der Stadt Köln zu erörtern. Dazu gehören mehrere Akteure. Gemeinsam haben wir verworfen, über E-Bike-Verleih oder aber Personenfähren massenweise Entlastung zu bringen. Damit wäre von der Quantität her keine wirkliche Qualität darstellbar.

Die Altdeponie war seit vielen Jahrzehnten bekannt. Das ist ein sehr komplexer, von vielen Sicherheitsaspekten begleiteter Planungs- und Bauprozess. Aber Sie selbst konnten sich überzeugen und haben sich ja überzeugen lassen, auch als Oppositionsfraktionen, dass die Experten des Landesbetriebs nicht nur nach bestem Wissen und Gewissen, sondern auch höchst kompetent mit dieser Herausforderung umgehen und Sicherheitsaspekte dabei im Vordergrund stehen.

Die Öffentlichkeitsarbeit werden wir verbessern. Heute sitzen Stadtverantwortliche und Landesbetriebsverantwortliche zusammen. Da muss und wird mehr investiert werden.

Jetzt der eigentliche Punkt: Das ist im Grunde nur Kratzen an Symptomen. Auch der Neubau dieser Brücke wird das grundsätzliche Problem nicht lösen. Grundsätzlich müssen wir endlich die größte Lebenslüge der deutschen Verkehrspolitik beerdigen: dass wir so tun, als hätten wir uns je bemüht, Güter von der Straße auf die Schiene zu holen. Das haben wir nicht getan, egal welches Parteibuch die Regierungen hatten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb haben wir eine Verdichtung von Lkw-Verkehren, die nicht prognostizierbar war, weil der Fall der Mauer und der Wegfall des Eisernen Vorhangs so nicht prognostizierbar waren. Deshalb haben wir eine viel zu knapp bemessenen Infrastruktur auf Straße, Schiene und Wasserstraße.

In Köln wird offenbar, dass die Verkehrsbedürfnisse längst das Korsett der vorhandenen Infrastrukturmöglichkeiten sprengen. Deshalb müssen wir die Schiene massiv ausbauen. Deshalb müssen wir die Bahnhofskapazitäten erhöhen; denn ein Teil des Problems ist, dass die Züge vor den Bahnhöfen im Stau stehen, weil die Bahnhofskapazität nicht hinreichend ist. Deshalb müssen wir Schienenverkehre verdichten über mehr Regionalisierungsmittel, die wir erkämpft haben. Deshalb müssen wir die Wasserstraße ausbauen – auf Deutsch gesagt: den Rhein vertiefen –, damit endlich mehr Container von der Straße auf die Wasserstraße kommen.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP – Christian Möbius [CDU]: Sagen Sie das ein- mal den Grünen!)

Deshalb müssen wir für Container und für Berufspendler freie Fahrt auf der Schiene organisieren.

Dazu müssen und werden wir Engpassstellen auf der Straße beseitigen, weil wir nicht nur die alten Rheinbrücken neu bauen, sondern auch eine neue Rheinbrücke bauen, die schon lange hätte gebaut werden können und müssen.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Es nützt aber nichts, den Schwarzen Peter ständig wiederzubeleben. Er hilft uns nicht weiter, und er nervt die Leute, die als Betroffene im Stau stehen.

(Beifall von der SPD)

Sie wollen Lösungen haben, die überzeugen. Das kann nur über vernetzte Mobilitätsangebote passieren. Wir sollten nicht so tun, als sei die Spartenverkehrspolitik der Vergangenheit eine wirkliche Problemlösung. Sie hat mehr Probleme geschaffen als

gelöst. Deshalb brauchen wir eine moderne vernetzte Mobilität, die die Chancen der Digitalisierung nutzt, um vorhandene Infrastruktur durch Blockverdichtung auf Straße und Schiene optimal zu nutzen und mehr umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen.

In diesem Zusammenhang sind im Ballungsraum – nicht überall, aber im Ballungsraum – auch Radschnellwege eine ergänzende berufspendlerverkehrsentlastende wichtige neue Trassierung.

Ich darf Sie einladen: Lassen Sie uns gemeinsam an der neuen Mobilität von Nordrhein-Westfalen arbeiten. Da gibt es genug Streitpunkte. Lassen Sie uns das Kriegsbeil der Vergangenheit begraben. Es ist nämlich so, dass wir alle genügend Skalps der anderen Seite am Gürtel hängen haben.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Der Minister hat, wie Sie bemerkt haben, die Redezeit überzogen. Das hatten die vorhergehenden Rednerinnen und Redner auch getan. Nichtsdestotrotz bekommen jetzt alle in der zweiten Runde zwei Minuten zusätzliche Redezeit, wenn sie es wünschen. – Bitte schön, Herr Kollege Moritz für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Minister hat nicht nur überzogen, sondern die Lehrerin hätte vermutlich bei seinem Auftritt teilweise danebengeschrieben: Thema verfehlt!

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Das kann ich auch verstehen.

Dann darf ich doch direkt mit einem Zitat von Ihnen beginnen, Herr Minister. Ich habe es in unserer gestrigen Sitzung so wahrgenommen, dass Sie gesagt haben:

„Es macht keinen Sinn – auch nicht mit Blick auf den 14. Mai 2017 –, zurückblickend den Tanz der Schwarzen Peter wieder aufzuführen. Das interessiert die Leute nicht.“

(Zurufe von der SPD – Norwich Rüße [GRÜNE]: Ja, das ist richtig!)

Erstens sollten wir die Leute selber entscheiden lassen, was sie interessiert.

Zweitens muss sich eine Landesregierung Fehler vorhalten lassen; denn sie ist für die vergangene Politik rechenschaftspflichtig. Diese Pflicht kann sie nicht einfach zur Seite schieben, nur weil es ihr gerade ungelegen kommt.

(Beifall von der CDU)

Wenn es ungelegen kommt, kann ich insofern nur hoffen, dass Sie im Mai nächsten Jahres Ihre Wahlniederlage anerkennen und nicht dann noch das Brimborium anfangen.

(Minister Johannes Remmel: Darum geht es also! Das ist das Thema!)