Das Engagement war wirklich erkennbar. Wenn ich dann sehe, dass man die Beispiele in anderen Bundesländern anführt und sagt: „In vier anderen Ländern gibt es schon das Wahlalter von 16 Jahren; lassen Sie uns schnell dazukommen“, entgegne ich: Bei der Individualverfassungsbeschwerde haben wir schon elf Länder. Lassen Sie uns da einmal dazukommen; dann sind wir das zwölfte Land. – Da sagen Sie aber: Das wollen wir nicht.
Machen wir uns noch nichts vor: Alle diese Fragen sind politisch determiniert. Wenn Sie sagen, die Individualverfassungsbeschwerde sei nicht zwingend, dann müssen andere auch sagen können, das Wahlalter mit 16 sei nicht zwingend. Natürlich ist es das nicht.
Denn es ist anders, als Sie das glauben machen wollen, Herr Körfges, nicht so, als ob es Umfragen gäbe, die eindeutig belegen würden, dass alle das wollten. Im Gegenteil! Ein Großteil der Bevölkerung hat in den Umfragen gesagt, dass er das nicht will.
Zur Faktenlage gehört auch dazu, dass die Mär von den immer jugendlichen Studenten natürlich einmal widerlegt werden muss. Ich stelle jedes Jahr zusammen mit meinen beiden Kolleginnen aus dem Schul- und Hochschulbereich eine entsprechende Anfrage. Die 17-Jährigen an den Hochschulen machen weniger als 1 % aus. Das ist keine Massenbewegung. Das muss man einfach einmal festhalten.
Letztendlich gilt: Man kann das tun; man muss es aber nicht tun. Es ist nach wie vor mein Angebot, dass wir an dieser Stelle zusammenkommen. Bitte glauben Sie doch nicht, dass wir vor 300.000 Wählern Angst haben. Das ist einfach eine lächerliche Bemerkung.
Da geht es ausschließlich darum, dass man unterschiedlicher Meinung darüber sein kann, ob bei Jugendlichen unter 18 die Reife tatsächlich da ist oder nicht. Darüber kann man streiten. Darüber muss man auch streiten. Sagen Sie doch bitte nicht, das sei irgendwie gottgegeben. Sie könnten ja auch sagen, dass 14-Jährige oder 15-Jährige wählen sollten. Und warum nicht nur 17-Jährige?
Das ist natürlich eine gegriffene Zahl. Über diese Zahl kann man politisch debattieren. Da sollte man sich aber nicht gegenseitig etwas vorwerfen, sondern man sollte, weil es eine politische Korblösung ist, letztendlich auf diesen Korb zusteuern, damit am Ende möglicherweise doch noch eine Einigung zu erzielen ist. Ich persönlich würde das sehr begrüßen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Nun spricht für die Landesregierung in Vertretung des Innenministers Jäger Herr Minister Kutschaty.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass sich die Verfassungskommission in ihrem Abschlussbericht bezüglich der Absenkung des Wahlalters für Landtagswahlen nicht hat verständigen können. Das ist aus Sicht der Landesregierung sehr bedauerlich, weil die Landesregierung die Einführung des Wahlalters ab 16 Jahre durchaus sehr begrüßt.
Wir haben heute zwei verschiedene Wege und Möglichkeiten vorgelegt bekommen, wie man dahin kommen kann. Die Piraten haben ihren Vortrag gestern zurückgezogen. Insofern steht mit dem Weg über eine Streichung des Wahlalters aus der Verfassung
und eine einfachgesetzliche Regelung nunmehr ein Vorschlag hier im Raum. Wir halten diesen Vorschlag auch für sehr sachdienlich und vernünftig, um hier zu einer angemessen Regelung zu kommen.
Warum unterstützt die Landesregierung dieses Begehren? Auch wir sind uns einig, dass sich die Lebenssituation der jungen Menschen in unserem Lande in den letzten Jahren spürbar verändert hat. Sowohl körperlich als auch psychisch, intellektuell und sozial sind die Jugendlichen heute deutlich weiter, als das früher der Fall gewesen ist.
Gestatten Sie mir ausnahmsweise – ich mache das nicht sehr oft – hier einmal einen Blick in meine eigene Familie. Unser mittlerer Sohn ist 16 Jahre alt. Er wird im nächsten Frühjahr 17 Jahre alt und wird ziemlich zeitgleich mit dem Datum der nächsten Landtagswahl im Mai seine Abiturprüfungen machen. Er besitzt dann mit 17 Jahren die allgemeine Hochschulreife.
Wir trauen es ihm zu, in einer fremden Stadt eine Universität zu besuchen. Aber wir erlauben es ihm nicht, bei der nächsten Landtagswahl im Mai teilzunehmen. Lieber Herr Kamieth, vielleicht können Sie ihm das erklären. Ich konnte ihm das zu Hause nicht erklären.
Viele Jugendliche übernehmen heute bereits Verantwortung für ihre Schullaufbahn und für ihre berufliche Bildung. Das ist auch gut so. Das können die jungen Menschen heute. Deswegen können sie auch wählen.
Bitte erklären Sie auch noch einmal: Warum kann denn heute in Nordrhein-Westfalen eine 16-, eine 17Jährige eine Oberbürgermeisterin wählen, aber keine Landtagsabgeordnete?
Meine Damen und Herren, deswegen appelliere auch noch einmal an Sie: Versuchen Sie, dort eine Lösung zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass die Beratung in den Ausschüssen die beste Voraussetzung dafür ist, hier noch einmal eine sachliche, kritische und kompetente Befassung des Parlaments zu ermöglichen. – Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/13313 – Neudruck – an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Inzwischen haben sich alle im Landtag vertretenen Fraktionen darauf verständigt, zu empfehlen, den Gesetzentwurf auch an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend zu überweisen. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht zu erwarten gewesen. Damit ist einstimmig so überwiesen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen dient der einfachgesetzlichen Umsetzung der im Oktober-Plenum beschlossenen Verfassungsänderungen.
Ich glaube nach wie vor, dass wir uns mit dem, was wir da beschlossen haben, durchaus auch als Ergebnis der Verfassungskommission, in vielen Punkten sehen lassen können. Es ist jetzt nur konsequent, dass wir das auch einfachgesetzlich nachvollziehen.
Art. 2 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung sah ja teilweise das Inkrafttreten bestimmter neuer Verfassungsnormen erst zum 1. Juli 2017 vor, weil es noch der vorherigen einfachgesetzlichen Umsetzung bedurfte.
Die Koalitionsfraktionen haben ihre Hausaufgaben gemacht und legen jetzt einen Gesetzentwurf vor. Einen Monat nach Verabschiedung der Verfassungsänderungen wollen wir hier den weiteren Schritt gehen. Damit ist auch noch genügend Zeit, um diesen Gesetzentwurf in dieser Wahlperiode zu beraten und ihn zu verabschieden.
Jetzt komme ich zu den Einzelheiten. Das betrifft insbesondere das neu eingeführte Wahlverfahren der Verfassungsrichter durch den Landtag, das neue Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof über Beschwerden von Vereinigungen gegen die Nichtanerkennung als Partei für die Landtagswahlen, die Abschaffung der Ministeranklage und die Streichung
der Möglichkeit, dass die Landesregierung ein von ihr eingebrachtes Gesetz im Falle der Ablehnung durch den Landtag zum Volksentscheid stellen kann.
Ach ja, Volksentscheid: Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann natürlich nicht alles machen. Aber wenn man schon dabei ist, die Ergebnisse der Verfassungskommission im Einzelnen zu betrachten: Das ist natürlich auch ein Feld, das offen geblieben ist. Ich lade herzlich dazu ein, dass andere Fraktionen unter Umständen an dieser Stelle auch noch einmal initiativ werden. – Aber das nur am Rande! Wir wollen auf die Detailpunkte hier in erster Lesung nur in wesentlichen Fragen eingehen.
Das ist zum einen das Wahlverfahren für die Richter am Verfassungsgerichtshof. Es war gut und richtig, dass der Landtag im Rahmen des verfassungsändernden Gesetzes Klarheit zu den Übergangsregelungen für die Richter geschaffen hat und die ursprünglich für den Art. 2 vorgesehene Regelung direkt in die Landesverfassung übernommen hat. Damit verbleiben die Präsidenten und die Vizepräsidenten ebenso wie die Wahlmitglieder bis zum regulären Ausscheiden in ihren Ämtern. Hieran knüpft jetzt der neue § 55 des Verfassungsgerichtshofgesetzes an.
Diskussionen wird es in den Ausschüssen – das kann ich mir gut vorstellen – vielleicht um die im Gesetzentwurf vorgesehene Anhebung der Altersgrenze für die Richter am Verfassungsgerichtshof geben. Ja, wir haben uns zunächst unter den Obleuten in der Verfassungskommission darauf verständigt, die Altersgrenze insgesamt aufzuheben. Aber in der abschließenden Beratung hat die Verfassungskommission für den Abschlussbericht dann tatsächlich etwas anderes vorgelegt und beschlossen.
Wir haben unserem Auftrag Folge geleistet, kritisch zu überprüfen, und sind dazu gekommen, die Altersgrenze anzuheben, aber nicht gänzlich aufzuheben. Das war nach unserer Ansicht der richtige Kompromiss und lehnt sich auch an andere Dinge an. Man muss sicherlich auch den Zusammenhang zwischen dem Lebensalter von Menschen, die über die Verfassung dann Recht sprechen, und denjenigen, die sich davon betroffen fühlen, sehen. Da halte ich die Altersgrenze von 70 für eine vernünftige Grenze.
„Etwaigen Problemen, die sich infolge der verlängerten Amtsdauer bei der Rekrutierung der Mitglieder bzw. ihrer Vertreter ergeben, müssen ggf. durch eine Anpassung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land NordrheinWestfalen … gelöst werden.“
Wortgleich steht das im Übrigen im gemeinsam eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Ergebnisse der Verfassungskommission in der Begründung zu Art. 76.
Von einer Aufhebung der Altersgrenze ist dort eben nicht mehr die Rede. Stattdessen finden sich Begriffe wie „etwaig“ und „gegebenenfalls“ in dem Ergebnisbericht der Verfassungskommission. Wir waren eben der Meinung, dass wir an dieser Stelle einen vernünftigen Vorschlag unterbreiten.
Ich darf darum bitten, dass wir kritisch und intensiv über diese Punkte in den Ausschüssen beraten. Ich glaube, dass wir allen Grund dazu haben, jetzt auch die notwendigen einfachgesetzlichen Regelungen zügig umzusetzen, und freue mich auf die Beratungen in den Fachausschüssen. – Vielen Dank.