Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Ich will drei, vier Punkte für Sie in Erinnerung rufen: Einmal haben wir das Teilhabe- und Integrationsgesetz verabschiedet. Ich sage Ihnen, dass es viele Bundesländer gibt, die mittlerweile dieses Teilhabe- und Integrationsgesetz abkupfern. Das war für uns schon – und da haben wir auch sehr heftig miteinander diskutiert – eine Geschichte, die gezeigt hat, dass wir Nordrhein-Westfalen in der Integrationspolitik Vorreiter sind. Denken Sie an die kommunalen Integrationszentren – der Minister hat das

gerade ausgeführt –: eine Struktur, die einmalig ist. Denken Sie an unsere Integrationsagenturen – und wir haben davon 163 –, auch eine einmalige Geschichte. Es gibt sie auch in anderen Bundesländer, aber nicht in dieser Dichte, wie wir sie haben.

Ich finde, an der Stelle sollten Sie einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen und nicht versuchen, diese zu negieren, weil das unser Land schlechtmacht und weil Sie damit genau das erreichen, was Sie vermeiden wollen, nämlich den Rechtspopulisten Auftrieb zu geben. Das das haben Sie gerade getan.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ich will zu den persönlichen Angriffen gegen den Minister nichts sagen, Frau Güler. Das ist Ihr Politikstil, das haben Sie bei Herrn Schneider schon gemacht, und das führen Sie hier fort. Ich finde das nicht in Ordnung; es hilft auch wiederum denjenigen, die immer davon reden, wir seien alle demokratieverdrossen. Wie wir miteinander umgehen, müssen Sie entscheiden.

Fest steht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in Nordrhein-Westfalen vor sehr großen Herausforderungen stehen. Ja, wir hatten im Jahr 2015 eine Zuwanderung von 330.000 Flüchtlingen und haben ungefähr 230.000, die bei uns bleiben werden. Das ist eine riesige Herausforderung. Ich will an der Stelle deswegen ganz besonders denjenigen danken, die dabei geholfen haben. Das sind nicht nur die Behördenmitarbeiter, sondern insbesondere auch viele Tausend Ehrenamtler, die sich da eingesetzt haben.

Ich finde, die Landesregierung hat diese Herausforderung angenommen. Ich bin mir sicher: Wir sind auf einem hervorragenden Weg mit den Strukturen, die wir hier im Land Nordrhein-Westfalen haben. Frau Velte und der Integrationsminister haben gerade noch einmal verdeutlicht, was wir hier für Strukturen haben, die wir insbesondere über die letzten Jahre geschaffen haben. Das zeigt noch einmal ganz deutlich, dass die Kritik von der CDU an dieser Stelle völlig fehl am Platz ist.

Wir haben mit dem Programm „KommAn-NRW“ – und das hat der Integrationsminister gerade noch einmal verdeutlicht – insbesondere auch die Ehrenamtler im Blick. Denn das sind die Starken in dieser Gesellschaft, diejenigen, die sich für andere einsetzen, die sich ihre Freizeit abknapsen, die zum Teil sogar auf Familie verzichten, nur um anderen Menschen zu helfen. Das finde ich auch so hervorragend an dem Programm „KommAn-NRW“: Wir helfen denjenigen, die anderen helfen.

Liebe Kollegen von der CDU, aber auch von der FDP, in Nordrhein-Westfalen haben wir die allerbesten Grundlagen, das zu schaffen, was die Bundeskanzlerin mit „Wir schaffen das“ gemeint hat. Ich bin

davon überzeugt: NRW schafft das. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Dr. Stamp.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen: Wir lehnen den Integrationshaushalt ab. Bei Integration geht es um einen relativ kleinen Teil des MAIS-Haushalts, der natürlich auch in vielen anderen Bereichen eine Rolle spielt, beispielsweise im Innern, in der Schule.

Herr Kollege Yetim, es ist doch völlig unpolitisch, wenn man sich alleine mit diesen kleinen Posten hier auseinandersetzt. Wenn es im Haushalt um die Integration geht, dann muss man doch den Horizont ein bisschen öffnen. Die Frage ist, ob der Ihnen in der integrationspolitischen Debatte an der einen oder anderen Stelle möglicherweise fehlt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zu dem Einzelplan selber könnte man jetzt noch einiges sagen, was die kommunalen Integrationszentren angeht. Wir haben immer kritisiert, dass sie den Kommunen zu starr aufgepfropft worden sind, dass man die Vernetzung mit den Integrationsagenturen anders angehen könnte.

Aber ich möchte gerne noch einmal darüber sprechen, dass Ihr integrationspolitischer Ansatz insgesamt in die falsche Richtung geht. – Wir haben das sehr deutlich gemerkt, Frau Beer. Sie haben sich eben wieder mit Zwischenrufen hervorgetan.

Wir haben mit Ihnen verhandelt und dann erlebt, dass es bei Ihnen einfach immer sehr viel Geschwurbel gibt. Da ist immer von „ermöglichen“ die Rede, von „niemand zurücklassen“ und diesem Gruselkabinett an Allgemeinplätzen. Aber wenn es wirklich konkret wird, wenn von den Flüchtlingen eine entsprechende Integrationsleistung erwartet wird, wenn es vor allem um Geld im Haushalt geht, dann kneifen Sie. Dann stehen Sie doch gar nicht mehr zur Verfügung.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist ja lächerlich!)

Deswegen war es richtig, dass wir uns nicht zur Kulisse für eine völlig falsche Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen gemacht und die Gespräche beendet haben.

(Beifall von der FDP)

Ich will Ihnen das an drei Punkten konkret deutlich machen.

Der erste Punkt: Es gibt keinen Rechtsanspruch auf verpflichtende Integrationskurse für die Flüchtlinge, die in der Kommune angelandet sind – das halten wir für ein enormes Defizit –, damit gewährleistet ist, dass tatsächlich jeder in einem solchen Integrationskurs ankommt. Das ist nicht nur für das Erlernen der deutschen Sprache, sondern auch für die Wertevermittlung ein absoluter Grundstein.

Der zweite Punkt – die Kollegin Güler hat eben schon darüber gesprochen – ist das Fehlen einer temporären Verlängerung der Schulpflicht für Flüchtlinge. Wir haben wirklich mit Engelszungen auf Sie eingeredet. Hier konnten wir nicht mit Ihnen verhandeln, das haben Sie uns ganz deutlich erklärt.

Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Dabei ist uns die Schizophrenie von Rot-Grün beim Thema Integrationspolitik deutlich geworden. Erst heißt es auf einem Sommerfest vonseiten der Sozialdemokraten: „Wir sehen das genauso wie Sie, aber die Grünen machen es die ganze Zeit kaputt“, dann gibt es zwei Tage Brainwashing, und in der nächsten Runde wird das komplette Gegenteil erzählt. Wir haben eben eine ganze Reihe prominenter Beispiele gehört, die uns bestätigen, dass wir die erweiterte Schulpflicht brauchen.

Sie machen den elementaren Fehler, den wir in Deutschland in den 50er-, 60er- und auch 70er-Jahren auch begangen haben, indem wir die Migranten nicht ganz anders an die Hand genommen haben. Trotz der mangelnden Integrationspolitik konnten wir in vielen Teilen hervorragende Biografien erleben, aber es gibt eben auch – das wissen wir doch alle – massive Integrationsdefizite. Daraus haben Sie nichts gelernt. Es gibt keine Verbindlichkeit in dem Integrationsplan.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn Sie solch einen Fehler, gerade wenn er in der Historie schon einmal passiert ist, wiederholen, machen Sie sich gegenüber jedem einzelnen Flüchtlingskind schuldig.

Der Flüchtlingsrat hat jetzt mitgeteilt, dass die Mittel noch nicht einmal für die Beschulung der Flüchtlingskinder insgesamt reichen. Darüber werden wir morgen noch in aller Ruhe miteinander sprechen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Müssen Sie mal nach Köln fahren!)

Wer dann sagt: „Kein Kind zurücklassen!“, der macht sich irgendwann lächerlich.

Dritter Punkt: Es fehlt auch – das hätte ich gerade von Rot-Grün erwartet – ein umfassendes Programm, um weibliche Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Speziell deren Berufstätigkeit müssen wir fördern, damit sich gerade aus patriarchalen Strukturen kommende Frauen hier weiterentwickeln können, damit tradierte Rollenbilder nicht fortgesetzt werden,

damit Menschen selbstbestimmt in dieser Gesellschaft leben können. Hier fordern wir eine verbindliche Unterstützung. Sie gendern, wir wollen konkret unterstützen. Das ist der Unterschied in der Praxis.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu dem Änderungsantrag sagen, den Sie bezüglich der Landesarbeitsgemeinschaft gestellt haben. Ich bin nicht bereit, die Mittel für die LAGA zu erhöhen, damit es dann wieder eine völlig nutzlose Kampagne für das kommunale Wahlrecht auf Landesebene gibt. Wir alle wissen, dass das verfassungsrechtlich nicht geht.

(Michael Hübner [SPD]: Stimmt doch über- haupt nicht!)

Ich persönlich bin von der Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft – ich werde das auch morgen im persönlichen Gespräch vortragen – im Zuge der Flüchtlingssituation in den letzten anderthalb Jahren enttäuscht. Anstatt einen Akzent zu setzen, was die Integration der Flüchtlinge angeht, hat man eine völlig abstruse Kampagne zugunsten von Rot-Grün im Zusammenhang mit der Verfassungskommission gemacht. Das ist in die Hose gegangen. Deswegen belohne ich das jetzt nicht noch mit zusätzlichen Mitteln.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir brauchen ein Umsteuern in der Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen. Wir brauchen eine verbindliche Integrationspolitik und nicht eine Anhäufung von Floskeln. Deswegen lehnen wir diesen Haushalt und Ihre Integrationspolitik ab und bitten Sie, in der Weihnachtspause noch einmal intensiv darüber nachzudenken, ob man das alles zukünftig nicht ein bisschen besser machen kann. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Grochowiak-Schmieding.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Präventive und unterstützende Maßnahmen sind wichtige Säulen guter Integrations- und auch Sozialpolitik. Dass das die Damen und Herren von der Opposition aus CDU und FDP, insbesondere die Kollegen und die Kolleginnen, die bislang gesprochen haben, nicht verstanden haben, haben sie in der bisherigen Debatte eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Belegen Sie das mal!)

Sei’s drum. Meine Damen und Herren, Transferleistungen und Fördergelder der öffentlichen Hand werden in nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft vergeben. Wirtschaft, Kultur, Wohnungsbau, Verkehrswesen – sie alle leben mit der Förderung durch die öffentliche Hand.

Darüber hinaus gewähren Bund, Land und Kommunen Transferleistungen an Menschen, die alleine nicht existieren können. Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht vom derzeitigen Wirtschaftsboom profitieren, erhalten Unterstützung aus dem Steueraufkommen der Solidargemeinschaft.

Existenzsichernder Unterhalt alleine reicht aber oftmals nicht aus. Erst Beratung und eine begleitende Unterstützung befähigen viele, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und selbstbestimmt zu führen. Für uns Grüne ist dies ein wichtiges Anliegen.

Daher begrüßen wir auch zum Beispiel den Ausbau nicht nur der kommunalen Integrationszentren, sondern auch der Beratungsstrukturen für Menschen mit Behinderung; denn damit hat die Landesregierung den Beschluss des Parlaments nunmehr umgesetzt. Wir haben mittlerweile sechs Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben, die offiziell eingeweiht worden sind. Damit haben Hilfesuchende eine Anlaufstelle, wo sie einerseits erfahren, wie sie zu ihrem Recht kommen, andererseits, welche Möglichkeiten der individuellen Lebensgestaltung sie haben. Diese Maßnahmen führen oft genug dazu, dass die Menschen mehr Selbstständigkeit erlangen, weniger Fachleistung in Anspruch nehmen müssen und damit einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität erhalten.

Das zeigt sich auch bei weiteren Maßnahmen, die Rot-Grün auf den Weg gebracht hat. Investitionen in Beratung und begleitende Unterstützung markieren daher auch den Haushalt 2017. So werden wir in einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt investieren mit dem Ziel, gemeinsam mit Langzeitarbeitslosen eine positive Perspektive für sie zu erarbeiten. Das hat auch etwas mit Wertschätzung für diese Menschen zu tun, die wieder am sozialen Leben teilnehmen können sollen.

Die Initiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“, „KAoA“, ist schon mehrfach genannt worden. Sie wird in diesem Jahr nahezu alle Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse an öffentlichen Schulen erreichen. Damit werden junge Menschen wissen, welche Stärken und Schwächen sie haben. Mancherorts werden sie vielleicht auch viel besser wissen, was sie denn eigentlich wollen.

Mit der kontinuierlichen Förderung von Integrationsunternehmen haben wir in den letzten Jahren die Angebote zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung deutlich erweitert. Wir werden jetzt weitere 2,6 Millionen € im Haushalt bereitstellen und damit 230 bis 300 weitere zusätzliche Arbeitsplätze in

diesem Bereich schaffen können. Wir sorgen dafür, dass die soziale Arbeit an Schulen auch über das Jahr 2017 hinaus weitergeführt wird. Das ist einerseits ein wichtiges Signal für die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Andererseits – es ist wichtig, auch darauf immer wieder hinzuweisen – übernehmen wir als Land damit dort Verantwortung, wo sich der Bund verweigert.