Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Zurzeit erleben wir die größte europäische Krise seit den Römischen Verträgen. Wir meinen, NordrheinWestfalen müsste mit seinen fast 18 Millionen Bürgerinnen und Bürgern – wenn wir ein eigenständiges Land wären, stünden wir an fünfter Stelle innerhalb Europas – noch mehr tun, Herr Minister.

(Beifall von der CDU)

Gerade die junge Generation hat mit Themen wie „Binnenmarkt“ und „Friedenssicherung“ nicht viel zu tun. Die jungen Menschen interessieren sich für andere Themen. Schließlich sind zurzeit 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Wir erleben es: Viele Menschen strömen zu uns. Wir müssen uns der Armutsbekämpfung widmen, und wir müssen etwas an unseren Grenzen tun.

Angesichts dieser Herausforderungen sind die Nachhaltigkeitsziele aus unserer Sicht nicht so definiert, wie man sie eigentlich für die Zukunft gestalten müsste.

Auch die Ministerpräsidentin hat am 30. Juli 2016 im „SPIEGEL“ ihre Bereitschaft zur Korrektur signalisiert.

(Unruhe)

Könnten Sie einmal ein bisschen ruhiger sein? Das wäre angenehm.

(Beifall von der CDU)

Die Ministerpräsidentin hat gesagt:

„Entscheidend ist, dass wir jetzt darangehen, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Und wir täten gut daran, Entwicklungspolitik einen anderen Stellenwert beizumessen.“

(Stefan Zimkeit [SPD]: Warum haben Sie dann gegen unsere Haushaltskonsolidierung gestimmt?)

Sie, Herr Minister Lersch-Mense, haben am 30. September 2016 im Ausschuss aufgegriffen, dass die Landesregierung die Bedeutung der Entwicklungspolitik in den letzten Jahren unterschätzt hat. Das gilt auch für die dauerhafte Begrenzung von Migrationsbewegungen und die selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern des globalen Südens. Sie haben zugesagt, dass Sie nun mehr tun wollen.

Das ist auch unser Wunsch, den wir heute an Sie herantragen möchten.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Dann stimmen Sie doch unseren Anträgen zu!)

Lassen Sie uns in Zukunft mehr tun und uns in der Entwicklungspolitik, in der Eine-Welt-Politik und auch in Europa noch stärker engagieren. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion noch einmal Herr Kollege Vogt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt auf Ihre Einlassungen eingehen, die nichts mit dem Thema zu tun hatten, Herr Nückel. Ich könnte Ihnen ja die Frage stellen, wie Sie auf Themen wie „Reizwäsche“ kommen, wenn Sie eine Rede vorbereiten.

(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

Aber das lassen wir einmal dahingestellt sein.

(Beifall von der SPD)

Sie hatten aber zwischendurch durchaus auch einen Anflug, inhaltlich zu werden. So haben Sie das Thema „Lokalfunk“ angesprochen. Da habe ich mich besonders geärgert. Deswegen habe ich mich auch noch einmal gemeldet. Herr Nückel, wir haben 45 Lokalsender in Nordrhein-Westfalen. Diese Medienvielfalt zu erhalten, ist ein ganz zentraler Bestandteil, den wir in den letzten fünf Jahren hier verfolgt haben, Herr Nückel.

(Thomas Nückel [FDP]: Dann tun Sie etwas!)

Dieses Thema haben wir bearbeitet wie fast kein anderes. Wir haben mit langen Diskussionen dafür gesorgt, dass bei der Frequenzvergabe der Lokalfunk dem WDR vorgezogen wird. Wir haben dafür gesorgt, dass die Werbereduzierung stattfinden konnte und der Lokalfunk gestärkt werden konnte.

(Beifall von der SPD)

Und Sie stellen sich hierhin und erzählen uns, wir hätten nichts für den Lokalfunk gemacht. Hätten Sie damals den Gesetzentwürfen zugestimmt, die wir eingebracht haben, dann hätten Sie etwas dazu sagen können. Sie haben sich aber verweigert.

(Zuruf von Thomas Nückel [FDP])

Jetzt stellen Sie sich hierhin und erzählen, wir würden nichts für die Lokalradios tun. Das ist eine Unverschämtheit, Herr Nückel.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Thomas Nückel [FDP])

Ich möchte noch einen zweiten Aspekt ansprechen. Wir vergeben im Rahmen eines Änderungsantrags 700.000 € extra für Webvideo-Konzeptionen und Games. Herr Lamla, dass Sie sich hierhin stellen, das kritisieren und dem noch nicht einmal im Ausschuss zustimmen konnten, sagt einiges aus. Vielleicht ist das ein Zeichen Ihrer Frustration darüber, hier den letzten Haushalt mitberaten zu haben. Trotzdem bitte ich Sie: Stimmen Sie zumindest diesem Punkt zu. Schließlich geht das Geld an eine Klientel, die Sie sonst immer zu vertreten meinen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich die Debatte zu Tagesordnungspunkt 1, Einzelplan 02, Ministerpräsidentin und Staatskanzlei, schließen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 02. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13502, den Einzelplan 02 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wer möchte sich diesem Votum anschließen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, Piraten und die fraktionslosen Abgeordneten Schwerd und Schulz. Wer möchte sich enthalten? – Niemand. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Einzelplan 02 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses Drucksache 16/13502 damit in zweiter Lesung angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 09 Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/13509

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hausmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen in NordrheinWestfalen vor einer großen Herausforderung im Wohnungsbau. Diese große Herausforderung ist hier im Haus auch schon umfangreich beschrieben worden. Das muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen.

Es gibt umfangreiche Mittel des Bundes, die Sie, Herr Minister, weiterreichen, nachdem Sie in den Förderrichtlinien entscheidende Änderungen vorgenommen haben. Die Bundesmittel kommen also im Wohnungsmarkt an. Das müssen wir auch anerkennen. Denn das ist nicht selbstverständlich, wenn man sich den Umgang mit diesen Mitteln in anderen Bundesländern anschaut.

Aber die Frage, die wir uns hier stellen müssen, ist die: Reicht das aus? Kann man sich jetzt zurücklehnen? – Ich denke, nein. Denn es gibt weitaus mehr Instrumente, die zur Verfügung stehen, um einen bezahlbaren Wohnungsbau hier in NordrheinWestfalen zu ermöglichen.

Denn fest steht nämlich, dass trotz der immensen Fördergelder weniger Sozialwohnungen gebaut werden, als gleichzeitig aus der Bindung herausfallen.

Fest steht auch, dass durch andere Maßnahmen, an denen Sie hier tatkräftig mitgearbeitet haben, die Wohnungsbaukosten in den letzten zehn Jahren um über 30 % gestiegen sind. Das heißt schlicht und einfach, dass ich für das gleiche Geld rund ein Drittel weniger Wohnungen bekomme.

Weiterhin lassen Sie das ganze Spektrum der Eigentumsförderung außen vor bzw. wollen aus ideologischen Gründen nicht erkennen, dass hier mit den gleichzeitig herrschenden niedrigen Zinsen ein enormes Potenzial für den Wohnungsbau liegt und zugleich auch viele Menschen in diesem Land Vermögensbildung betreiben könnten, während sich ihr Sparguthaben ansonsten immer weiter entwertet.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Wir können uns das also nur so erklären, dass Sie sich in Ihrem selbst gestrickten Feindbild vom Wohneigentum mit dem frei stehenden Einfamilienhaus auf der grünen Wiese verstrickt haben. Das wäre, wenn Sie das Bild haben und immer vor sich hertragen, natürlich ein unglaublicher Erfolg für die Werbefachleute der Bausparkassen, aber es ist nicht die Realität. Denn Wohneigentum bildet darüber hinaus in Form von Bauherrengemeinschaft, Genossenschaften, Eigentumswohnungen usw. einen wichtigen Baustein, und das auch in der hier ja immer gerne und sonst viel zitierten Quartiersentwicklung. Das entgeht Ihnen dabei.

Meine Damen und Herren, die CDU hält daher daran fest, dass wir zusammen mit einem Großteil der Menschen das Wohneigentum für einen sinnvollen Faktor in der derzeitigen Wohnungsmarktsituation halten.

Wenn man nun die anfangs erwähnte Weiterleitung der Wohnungsbaumittel unter den günstigen Konditionen sicherlich begrüßen kann, dann muss man sich aber auch fragen: Was haben Sie denn sonst getan, um das Bauen und Wohnen günstiger und schneller zu machen? Oder glauben Sie etwa, dass das Nichthandeln in wichtigen Bereichen durch die publikumswirksame Vergabe von Wohnungsbaumitteln verborgen bleiben kann?

Da sieht Ihre Bilanz nicht gut aus. Zu den negativen Vorschriften, mit denen Sie den Wohnungsmarkt bremsen, gehören die Kündigungssperrfristverordnung, die Sie 2011 wieder eingeführt haben, die fehlerhafte Kappungsgrenzenverordnung von 2014 und die Einführung der Verordnung zur Erschwerung der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen von 2014. Das alles hat zwei Fakten. Erstens schreckt das die Investoren ab. Zweitens verhindert das auch die Aufwertung und Durchmischung von Bestandsquartieren gerade in den Großstädten, die ja die prekäre Lage am Wohnungsmarkt am deutlichsten spüren.

Aber das ist noch nicht alles. Gleichzeitig gibt es auch noch eine Liste von Punkten, die Sie angekündigt haben und deren Lösung jetzt zum Ende Ihrer Regierungszeit nicht einmal in Sicht ist. Sie, Herr Minister, haben gesagt – ich darf Sie hier zitieren –: Bürokratische Stolperdrähte müssen gekappt werden. – Sie haben auch gesagt: Der Bürokratiedschungel muss gelichtet werden. – Getan haben Sie das aber bis heute noch nicht.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] und Bernhard Schemmer [CDU])

Keine einzige sinnlose Vorschrift wurde seither abgeschafft. Meines Wissens gibt es dafür in Ihrem Ministerium nicht einmal Pläne.