Die Landesregierung hat sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Ziel gesetzt, spürbare Erleichterungen und Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen zu erreichen und neue relevante Themen aufzunehmen. Um mein Fazit vorwegzunehmen: Das ist mit dieser neuen Landesbauordnung ausdrücklich gelungen.
Bevor ich inhaltlich konkreter auf ausgewählte Teilaspekte eingehen möchte, will ich zunächst noch einige Worte zum Verfahren verlieren, das diese neue Landesbauordnung durchlaufen hat. Seit Bekanntwerden des ersten Referentenentwurfs hat sich einiges getan. Das können wir heute sehen.
Die erste Verbändeanhörung, die ressortübergreifende Einbindung, die Konsultation der Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung und vieler weiterer Betroffener und Experten aus verschiedenen Bereichen – all das zeigt:
Dieser Vorlauf und vor allen Dingen die Anhörung, die im Oktober dieses Jahres im Landtag stattgefunden hat, haben dazu geführt, dass die breite Beteiligung an diesem Entwurf nicht nur reiner Selbstzweck gewesen ist, sondern dass noch viele Anliegen und konstruktive Hinweise berücksichtigt werden konnten. Dafür möchte ich mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken.
Es liegt in der Natur der Sache, dass es unter den angehörten Expertinnen und Experten widerstreitende Interessen gibt; das ist ganz normal. Aber grundsätzlich ist zu sagen, dass die Landesbauordnung Verbesserungen bringt, die eng mit der Praxis abgestimmt worden sind.
Welche Verbesserungen sind das im Einzelnen? Einen wichtigen Bereich können wir unter der Überschrift „Barrierefreiheit“ zusammenfassen.
Da gibt es zunächst die Anforderungen an öffentlich zugängliche bauliche Anlagen, von der Arztpraxis
über Schulen bis hin zu Universitäten oder zu Supermärkten. Um endlich den Anforderungen gerecht zu werden, die die UN-Behindertenrechtskonvention an eine inklusive Gesellschaft stellt, soll bei künftigen Bauprojekten darauf geachtet werden, dass die entstehenden Anlagen für alle Menschen nutzbar sind.
Der zweite wichtige Bereich ist das barrierefreie Wohnen. Hierbei besteht – das wissen wir – dringende Notwendigkeit, die Zahl der barrierefreien Wohnungen deutlich zu steigern, nicht zuletzt um dem demografischen Wandel begegnen zu können. Wir müssen dafür sorgen, dass wir für ältere und eingeschränkte Menschen künftig genügend adäquaten Wohnraum zur Verfügung stellen können.
Hier setzt die Landesregierung wichtige Akzente. Die Pflicht zur Errichtung vollständig barrierefreier Wohnungen und auch die Einführung einer Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen gehören dazu. Die R-Quote gilt nun bei Bauprojekten ab der neunten Wohnung. Das ist eine Veränderung zum Entwurf, so wie wir ihn heute vorliegen haben. Damit tragen wir den berechtigten Befürchtungen vor zu großen Kostensteigerungen in diesem Bereich Rechnung.
Wir haben immer gesagt: Wohnraum muss nicht nur bedarfsgerecht sein, sondern er muss am Ende auch bezahlbar bleiben. – Das war unser großes Ziel. Dieser Ausgleich ist in der vorliegenden Landesbauordnung gelungen.
Positiv herauszuheben ist außerdem, dass künftig der Überblick über Angebot und Bedarf bei barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnungen auf eine valide Datengrundlage gestellt werden soll.
Ausdrücklich ist zu begrüßen, dass die Landesregierung dafür unter anderem eine Arbeitsgruppe zur Förderung von Barrierefreiheit im Bauministerium eingesetzt hat. Diese Arbeitsgruppe existiert nicht nur auf dem Papier, sondern sie hat bereits Anfang dieser Woche getagt. Damit hat sich insofern eine gute Sache durchgesetzt.
Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den sich Rot und Grün verständigt haben, ist die perspektivische Weiterentwicklung des Wohnraumförderprogramms unseres Landes dahin gehend, dass rollstuhlgerechte Wohnungen in Zukunft besonders über dieses Programm gefördert werden können. Das zeigt: Wir behalten den Wohnungsmarkt auch in diesem Bereich genau im Blick und werden, wenn nötig, auch noch nachsteuern können.
Der nächste Teilaspekt, den ich herausgreifen möchte, ist das Thema „Bauen mit Holz“. Durch die Anpassung der Landesbauordnung an das Brandschutzsystem der Musterbauordnung wird das Bauen mit Holz jetzt erheblich erleichtert. Aktuell liegt Nordrhein-Westfalen bundesweit hinter Baden-Würt
temberg und Bayern auf Platz drei bei den Genehmigungen von Bauten mit Holz. Das ist aus unserer Sicht noch ausbaufähig.
Gute Gründe sprechen dafür, Holz als Baustoff auch weiterhin zu fördern. Holzbau schützt das Klima und hat eine sehr gute Ökobilanz, wenn er nachhaltig betrieben wird. Holzbaulösungen sind heutzutage technisch und ökonomisch absolut konkurrenzfähig.
Deswegen wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Nordrhein-Westfalen als Holzbauland auch weiterhin fördern und unterstützen.
Zuletzt möchte ich noch auf die Stellplatzvorschriften als weiteren wichtigen Einzelpunkt eingehen. Auch hier sieht die neue Landesbauordnung eine wichtige Änderung vor. Mit der Novelle entscheiden nun allein die Kommunen, ob und in welchem Maße die Errichtung von Pkw- und Fahrradabstellplätzen zu regeln ist. Seitens des Landes werden diesbezüglich in Zukunft keine Vorgaben mehr gemacht.
Das macht aus unserer Sicht Sinn, weil wir damit der Tatsache Rechnung tragen, dass die Frage, wie viele Stellplätze für ein Gebäude notwendig sind, maßgeblich von der städtebaulichen Konzeption und der örtlichen Verkehrsplanung beeinflusst werden.
All das sind Entscheidungen, die aus unserer Sicht in den Räten der Städte und in den Gemeinden fallen sollten. Deswegen sollen künftig die Experten vor Ort über die Anzahl der nötigen Stellplätze entscheiden können. Somit gewinnen die Kommunen eine wertvolle Handlungsmöglichkeit, um ihre städtebauliche Konzeption noch enger mit der Verkehrs- und Infrastrukturplanung in Einklang zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Die Landesregierung hat eine ausgewogene Novellierung der Landesbauordnung vorgelegt. Den demografischen Zwängen im Wohnungsbau wird Rechnung getragen, ohne dabei die Bezahlbarkeit aus dem Auge zu verlieren. Darüber hinaus werden öffentlich zugängliche bauliche Anlagen in Zukunft barrierefreier gestaltet. Über die Errichtung von Stellplätzen bestimmen künftig nicht mehr die Bauaufsichtsbehörden, sondern die Expertinnen und Experten vor Ort in den Räten; dort, wo die Entscheidung zu treffen ist.
Deswegen lässt sich zusammenfassend sagen, dass es der rot-grünen Landesregierung mit der vorliegenden Novelle gelungen ist, die Landesbauordnung fit für die Herausforderungen der kommenden Jahre zu machen. Wichtige Hinweise und Impulse aus der Praxis wurden bedacht und gezielt in diese Novelle aufgenommen. Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf natürlich gerne zustimmen. Ich kann nur dafür werben, dass Sie alle es uns gleichtun. – Ganz herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hausmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach vielen Jahren des Wartens liegt nun also die neue Landesbauordnung vor. Die Frage ist immer: Entspricht das, was erwartet wurde, in etwa dem, was vorgelegt wurde? Passt es zusammen, oder hat man das Ziel verfehlt?
Wir benötigen eine Landesbauordnung, die in diese Zeit passt und sich mit den vordringlichsten Themen wie dem Wohnungsbau intensiv auseinandersetzt. Wir brauchen eine Landesbauordnung, die das Thema „Baukostensteigerung“ im Blick hat, und die die Themen „Bürokratieabbau“ und „Bürokratiedschungel lichten“ gezielt angeht. Außerdem benötigen wir eine Landesbauordnung, die für Rechtssicherheit sorgt.
Eine Landesbauordnung, die unklare Definitionen hinterlässt, ist keine gute Landesbauordnung. Hier fallen uns schon die ersten Knackpunkte auf; denn bei wesentlichen Punkten drückt sich die Landesregierung darum herum, klare Vorgaben und Definitionen zu machen.
Ich nenne da mal das Thema „Barrierefreiheit“. Hier macht es sich die Landesregierung zu einfach. Benötigt wird eine klare Definition. Man muss erklären, worin die Unterschiede bei Begriffen wie „barrierefrei“, „barrierearm“, „rollstuhlgerecht,“ „behindertengerecht“ und „seniorengerecht“ liegen. Eine Antwort darauf sucht man in der Landesbauordnung jedoch vergeblich.
Wenn man einen unbestimmten Rechtsbegriff in ein Gesetz hineinschreibt, öffnet dies Tür und Tor für Rechtsstreitverfahren. Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Verwaltungsgerichte und zugleich ein Hindernis auf dem Baumarkt. Wir teilen die Forderung der Akteure am Wohnungsmarkt nach einem Erklärungsteil, den diese Landesbauordnung aber leider nicht aufweist.
Da ich gerade beim Thema „R-Quote“ bin, darf ich Ihnen sagen: Auch wir sind für rollstuhlgerechte Wohnungen. Wir sind aber für rollstuhlgerechte Wohnungen in richtiger Anzahl und an den Stellen, wo sie tatsächlich benötigt werden. Wir sind nicht dafür, rollstuhlgerechte Wohnungen per Quote festzulegen, egal, wo im Lande wir uns befinden. Wir müssen vielmehr prüfen, wo sie benötigt werden; denn das ist eine besonders teure Investition, die auch Auswirkungen auf alle umliegenden Wohnungen hat, weil sich tragende Wände und Grundrisse ganz entscheidend verschieben.
Die Fragen des Brandschutzes haben wir mehrfach angesprochen, zum Beispiel: Wie werden Rollstuhlfahrer im Brandfall gerettet? Das Treppenhaus steht
nicht zur Verfügung, auch der Aufzug steht nicht zur Verfügung. – Diese Antworten sind Sie uns schuldig geblieben; die Fragen müssen aber zuerst beantwortet werden, bevor Sie solche Dinge verpflichtend hier hineinschreiben.
Wir gehen davon aus, dass die R-Quote im Einzelfall zwischen 12 % und 22 % – da gehen die Schätzungen erfahrungsgemäß auseinander – an Mehrkosten für das einzelne Objekt ausmacht. Sie verlagern diese Problematik in der Diskussion auf die Kommune, die erklären muss, wie der Bauherr eventuell über andere Brandschutzmaßnahmen die Rettungswege darstellt und somit die erforderlichen Brandschutzaufgaben einhält. Solche Antworten bleiben Sie in der Landesbauordnung schuldig und verlagern das Ganze einfach auf die untere Ebene.
Wir haben noch eine Besonderheit – an diesem Punkt kann man sehr deutlich machen, wie unausgegoren Ihr Vorschlag ist –: Sie setzen jetzt die R-Quote für ein Haus mit mehr als acht Wohnungen fest; vorher waren es sechs Wohnungen. Man sieht an dem langsamen Zurückweichen der Quote, wie unsicher Sie selbst mit Ihren Festlegungen sind.
Herr Kollege Ott, nehmen wir doch mal einen Landstrich am Niederrhein mit Ortsteilen und vielen kleine Städten – da gibt es gar keine Acht- oder Zehnfamilienhäuser. Dort ist man dann nach Ihrer Definition in Zukunft rollstuhlwohnungsfrei. Daran haben Sie wahrscheinlich gar nicht gedacht. Daran sieht man, welchen Unfug Sie hier machen. De facto ist eine R-Quote im ländlichen Raum, wo es maximal Vier-, Fünf- oder Sechsfamilienhäuser gibt, absolut wirkungslos. Das zeigt, dass Ihre Sache von vorne bis hinten nicht zu Ende gedacht ist.
Kommen wir jetzt zu dem interessanten Teil der Genehmigungsverfahren. Ein Grund für die Wohnungsknappheit liegt darin, dass viel zu langsam viel zu wenige Wohnungen gebaut werden. Wir haben uns bei der Suche nach Hindernissen durchaus nicht nur an den Grundstücken und an den Fördermöglichkeiten festgehalten, sondern wir haben auch geschaut, wo es Hindernisse im Genehmigungsverfahren gibt.
Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt; denn wir haben gesehen, dass landesweit die Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau bis zu neun Monate oder sogar noch länger dauern. Damit können wir in dieser Zeit nicht leben. Wir wissen auch, dass nicht neun Monate lang an einem Bauantrag gearbeitet wird, sondern der Bauantrag liegt in den neun Monaten irgendwo herum. Die Ämter arbeiten sehr unab
gestimmt, und da gibt es eine Menge Leerlauf. Dieser Leerlauf kostet Geld und Zeit; die Wohnungen kommen nicht an den Markt.
Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt, worin wir gesagt haben: Wir müssen an das Thema herangehen und mit den Kommunen darüber sprechen, wie wir das Verfahren auch im Sinne der Digitalisierung beschleunigen und voranbringen können. Das haben Sie hier in diesem Hause abgelehnt. Dieser Diskussion sind Sie aus dem Weg gegangen.
Ihr schlechtes Gewissen ruht jedoch offenbar nicht; denn in einem Ihrer noch einmal nachgebesserten Ad-hoc-Änderungsanträge des heutigen Tages ist das Thema auf einmal doch wieder aufgetaucht.
(Jochen Ott [SPD]: Wer hat seinen Antrag denn erst vor dem Plenum eingereicht? Ihr hättet doch euren Antrag mal vorher in die Dis- kussion bringen können!)
Sie wissen ganz genau, dass Sie die Realität verpasst haben und deutlich nachbessern müssen, damit Sie sich nicht komplett blamieren.
Meine Damen und Herren, der Minister spricht sehr gerne vom vertikalen Wohnen, vom vertikalen Dorf. Das ist ein Lieblingsthema von ihm.