Noch eines: Wir reden über ein reines Bundesthema; auch das wurde gerade schon gesagt. Es ist übrigens völlig utopisch, dass dieses Thema im Bundestag derzeit eine Mehrheit findet; denn Gott sei Dank sitzt dort noch die SPD. Gott sei Dank wird das so nicht umgesetzt!
Das war ein bisschen Fishing for Compliments, ist aber nur auf der einen Seite der SPD angekommen – schade.
Ist das Ganze denn wirklich so wichtig, dass wir hier im Landtag Nordrhein-Westfalen darüber reden müssen? Ich zitiere aus § 95 der Geschäftsordnung, das habe ich vorhin schon gemacht, aber hier ist es noch einmal wichtig. Die Geschäftsordnung sagt, dass zu einer bestimmten bezeichneten Frage der Landespolitik eine Aktuelle Stunde beantragt werden kann. Wir haben eine solche Aktuelle Stunde zur ITSicherheit im Land eingebracht. Das war bis gestern auch das wichtigste Thema. Heute – Sie haben es gerade schon gehört – gibt es Wichtigeres. Denn was gibt es Wichtigeres als das Chaos in der Landesregierung?
Dass dann aber in vier Redebeiträgen nicht ein Wort zur Landespolitik verloren wurde, sondern es immer nur um Bundespolitik ging und dass der Geisterfahrer dieser Landesregierung hier rückwärts durch die
Blitze fahren darf und das Parlament seiner Aufgabe nicht nachkommt, ihn zu kontrollieren – das finde ich schäbig. Eigentlich ist das ein Skandal.
Wissen Sie was? Ich habe keine Lust, hier über die Bundesparteitagsbeschlüsse der CDU zu reden. Was davon am Ende wirklich von den Fraktionen umgesetzt wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich glaube, jetzt ist dazu genug gesagt; wir können an dieser Stelle abbrechen. Jetzt können wir alle gehen und bei TOP 2 weitermachen; denn das, was hier passiert, ist Karnevalstheater. Das ist typisch für dieses Parlament. Ich finde es extrem schade, dass das hier so durchgezogen wird.
Ich sage jetzt nicht vielen Dank, Herr Kollege Marsching, aber ich frage, ob Sie damit die Kollegin Brand als zweite Rednerin auch offiziell zurückgezogen haben.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir vor zwei Jahren zu diesem Thema eine Debatte hier im Landtag geführt haben. Ich weiß noch, dass es eine sehr hitzige Debatte war und dass die Präsidentin mehrfach um Ruhe hat bitten müssen.
Im Raum stand damals ein Antrag der regierungstragenden Fraktionen, der das Ziel verfolgte, die Optionspflicht komplett abzuschaffen, also Mehrstaatlichkeit zuzulassen. Damals hat Frau Güler – ich kann mich sehr gut erinnern – eine flammende Rede für die CDU-Fraktion hier im Haus gehalten. Frau Güler hat damals deutlich gemacht, wie vertragstreu die CDU sei, dass sich ihre Fraktion an den Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU gebunden fühle. Da hat sie auch recht gehabt. Ich zitiere mal aus diesem Koalitionsvertrag:
„Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen.“
Der CDU-Bundesparteitag hat nun mehrheitlich etwas anderes beschlossen. In dieser Debatte geht es nun darum, sich zu dieser Frage klar zu äußern und sich zu positionieren: Was gilt denn jetzt eigentlich? Gilt jetzt die Verabredung aus dem Koalitionsvertrag 2012 oder der Bundesparteitagsbeschluss?
Wir reden hier mit einer großen CDU-Landtagsfraktion. Wir reden mit einer CDU, die den mitgliederstärksten Landesverband innerhalb der BundesCDU stellt. Eine klare Aussage wird nicht ersetzt durch Aussagen hinter vorgehaltener Hand, beispielsweise von Herrn Kuper oder von Frau Korte, wie man den Medien entnehmen durfte. Vielmehr hätte es eines klaren Bekenntnisses bedurft, das lauten müsste: Ja, wir stehen auch weiterhin zum Wegfall der Optionspflicht. – Das ist aber nicht erfolgt.
Was ist das für ein Signal an diejenigen, die nach dem Wegfall der Optionspflicht gejubelt haben, die unglaublich erleichtert waren, deren Herz höher schlug, weil sie endlich nicht mehr diese Gewissensentscheidung treffen mussten?
Was ist wichtiger – das deutsche oder das türkische Herz? Denn darüber reden wir hier doch eigentlich. Wir reden hier nicht über Bulgaren, Franzosen oder Engländer, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, sondern wir reden über diejenigen, die türkische Wurzeln haben. Dabei geht es noch nicht mal um diejenigen, die erst kürzlich zugewandert sind, sondern um diejenigen, die hier aufgewachsen sind, die hier geboren sind und die hier sozialisiert sind. All denen unterstellen Sie mit Ihrem Beschluss auf dem CDU-Bundesparteitag, dass sie dem deutschen Staat insgesamt die Loyalität absprechen, wenn sie sich nicht entsprechend entscheiden.
Das ist nicht das Signal: Ihr gehört zu uns. – Das ist das Signal: Ihr gehört eben nicht zu uns. Wir misstrauen euch. Diese Form von Ausgrenzung ist der Nährboden für Radikalisierung. Das wissen wir aus vielen Diskussionen um Integration. Dieser Beschluss des Bundesparteitages ist das Konjunkturprogramm für Extremisten!
(Christian Möbius [CDU]: So ein Blödsinn! – Zuruf von Holger Müller [CDU] – Weitere Zu- rufe von der CDU)
Meine Damen und Herren von der CDU, Ihr Parteifreund Jens Spahn – immerhin Mitglied im CDUPräsidium – stellt sich hin und sagt: Das wird man ja wohl von den jungen Leuten verlangen können. – Ich finde, das ist eine extrem arrogante Haltung.
Die eigene Identität ist nämlich nichts, was man sich einfach aussucht, wofür man sich einfach entscheidet. Übrigens hat Jens Spahn noch einige weitere interessante Zitate gebracht, die ich gerne ansprechen will. Er hat im Rahmen dieser Debatte sinngemäß
gesagt: Dazu gehört auch, dass sich hier geborene und aufgewachsene Türken entscheiden müssen, ob sie für oder gegen Erdoğan sind. Das ist der eigentliche Hintergrund in dieser Debatte!
Die Absicht dieses Bundesparteitagsbeschlusses ist nicht Integration, sondern Assimilation – die eigene Identität, die eigene Kultur, die eigene Herkunft soll geleugnet werden. Das ist das Gegenteil von Integration in diesem Land. Wir haben da ein anderes Verständnis.
Wir bestehen darauf, dass die Menschen sich zu unseren Werten, zu unserer Verfassung bekennen, aber wir stellen nicht deren Kultur, deren Herkunft oder deren Religionszugehörigkeit infrage. Das ist der fundamentale Unterschied zwischen dieser Landesregierung und dem Beschluss des CDU-Bundesparteitags.
Ich habe mit Frau Düker – ich teile übrigens ihre Auffassung in der Frage der nordrhein-westfälischen Flüchtlingspolitik – immer gut und, wie ich glaube, auch freundschaftlich zusammengearbeitet.
Herr Stamp, was ist der Unterschied zwischen Frau Düker und dieser CDU-Landtagsfraktion? Frau Düker hat Haltung und sagt klar und deutlich, was sie denkt.
Als wir vor zwei Jahren die besagte Debatte im Landtag geführt haben, habe ich gesagt: Liebe CDU, um Sie wird es einsam, weil SPD, Grüne und FDP im Zusammenhang mit Mehrstaatlichkeit und Wegfall der Optionspflicht eine klare Haltung haben.
Heute musste ich feststellen, Herr Kuper – ich schätze Sie genauso sehr wie Herrn Mostofizadeh –: In dieser Frage ist es nicht mehr einsam um Sie. Sie sollten sich aber wirklich überlegen, von welcher Seite Sie jetzt Jubel bekommen und ob das die richtige politische Haltung ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.