Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

(Michael Hübner [SPD]: Wir legen Glasfaser!)

Nun beruhigen Sie sich doch mal. Fakt ist derzeit: Das, was Sie unter Breitbandausbau verstehen, ist in vielen Bereichen eben nur Vectoring, ist nur die Nutzung der veralteten Kupferkabeltechnologie.

(Michael Hübner [SPD]: Nein! Wenn Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen würden, wüssten Sie es besser!)

Wir müssen dafür sorgen, dass flächendeckend im Land, um hinterher erfolgreich zu sein, Glasfaser verlegt wird. Denn wenn wir das nicht tun, dann würde der Versuch genauso enden, als ob Sie mit einem Rennwagen auf einer Schotterpiste fahren. Das Auto hat das Potenzial, aber die Rahmenbedingungen werden von Ihnen eben nicht geschaffen, dieses abzurufen.

Auch auf der Nutzerseite muss mehr passieren. Die Freien Demokraten sagen: Es ist selbstverständlich, dass sich auch die öffentliche Verwaltung an einem solchen 5G-Testfeld aktiv beteiligt. Das Internet der Dinge ist nicht nur ein Mobilitätsthema. Hier geht es auch um schnelle Dienstleistungen. Hier geht es auch um einfache Verfahren. Hier geht es, kurz gesagt, um den Abbau von Bürokratie.

Vor diesem Hintergrund ist es doch mehr als bedenklich, dass sich die Landesregierung

(Michael Hübner [SPD]: Sagen Sie mal ein Beispiel!)

die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen erst für das Jahr 2031 – das sind fast 15 Jahre von heute an – vorgenommen hat. Das ist mal wieder unambitioniert, und es wird von der Wirklichkeit überholt werden. Wir sagen: Dieser Landesregierung fehlt es nach wie vor an einer ambitionierten und ideenreichen digitalen Strategie.

Wir fordern eine auf Glasfaserausbau ausgerichtete Förderstrategie,

(Michael Hübner [SPD]: Eine gute Forderung!)

einen Förderfonds, so wie wir ihn hier im letzten Jahr beantragt haben, eine digitale Offensive.

Diese grundlegenden Aspekte fehlen in Ihrem Antrag. Deswegen können wir ihm bei aller grundsätzlichen Begrüßung auch nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten, weil wir nicht signalisieren wollen, dass wir gegen dieses Testfeld sind. Aber das, was Sie hier vorlegen, ist uns Freien Demokraten zu wenig. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Marc Herter [SPD]: Für eine Enthaltung war das aber eine spritzige Rede!)

Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Jetzt spricht für die Piratenfraktion Herr Dr. Paul.

Vielen lieben Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Ein 5G-Testfeld für NordrheinWestfalen, das hört sich doch mal an wie eine vernünftige Sache. Schauen wir uns den Antrag genauer an, dann lesen wir, die Aufgabe der Politik sei es, den digitalen Wandel zu begleiten. Dann geht es um den Mobilfunkstandard der nächsten Generation: 5G. Sie schreiben weiterhin, was man für 5G wohl so alles braucht: flächendeckende schnelle Breitbandversorgung zum Beispiel mit Lichtwellenleitern.

Wenn man sich also den Antrag genauer anschaut, werden mehrere Dinge klar, beispielsweise dass Sie anscheinend aus unseren Anträgen gelernt haben. Aber ein Betrachter mit klarem Kopf fragt sich erstens auch: Geht es eigentlich noch trivialer? Sie spielen hier Bullshit-Bingo mit Selbstverständlichkeiten.

(Beifall von der FDP)

Denn sollte es für eine Regierung nicht selbstverständlich sein, mit den Forschenden, ob aus dem wissenschaftlichen Umfeld oder der Wirtschaft, und auch mit Nichtregierungsorganisationen und den Menschen Gespräche über neue Technologien zu führen, die in den nächsten Jahren in die Lebenswelt aller einziehen werden, diese vielleicht sogar umkrempeln und auf links ziehen werden? Sollte es nicht selbstverständlich sein, vor Markteinführungen Entwicklungen und Testbetriebe auch in das eigene Bundesland zu holen?

Zweitens fragt man sich weiter: Was offenbaren Sie hier eigentlich für ein Bild von Ihrer Landesregierung, liebe rot-grüne Fraktion? Es ist doch die Landesregierung, die am Anfang der Legislaturperiode durch Ihre Stimmen zustande gekommen ist. Klar ist es die Aufgabe des Parlaments, die Regierung aufzufordern, allerlei Richtiges, Gutes und vor allem Innovatives zu tun. Man stößt durch Ihren Antrag aber auf

die Frage: Arbeitet die Regierung, arbeiten die Ministerien nur noch auf Parlamentsantrag?

Dieser Antrag zeigt: Sie verstehen sich eben nicht nur auf Nebelkerzen, Sie versuchen es zum Ende der Legislaturperiode auch mal mit einer Blendgranate. Die landet gerade mal schön auf der Seite der eigenen Regierungsbank und leuchtet dort die Zustände aus.

In anderer Länder Städte laufen 5G-Tests längst, zum Beispiel in München seit 2014. Auch der Bund testet mit, an Autobahnen seit 2015. Selbst das rückständige Berlin ist seit letztem Jahr dabei. Im Ausland gibt es bereits Projekte mit zahlenden Testkunden. NRW startet hier, wie so oft, mit Verspätung – wenn überhaupt. Nicht NRW 4.0, eher verpasste Chancen hoch vier!

Fordern Sie die Regierung doch endlich auf, sich frühzeitig zuerst um die wichtigen Dinge zu kümmern, so wie wir Piraten es zuletzt im Dezember getan haben. Und wir Piraten haben sogar schon 2013 damit angefangen.

Kümmern Sie sich endlich um den flächendeckenden Breitbandausbau bis in die Wohnungen der Menschen. Kümmern Sie sich endlich auch um die Glasfasernetze – mit konkreten Entscheidungen und nicht mit Aktionsbündnissen, wie dem von Minister Duin Anfang dieser Woche vorgestellten „Aktionsbündnis Gigabit“.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Herr Duin wird in der Presse zitiert: „Deshalb wird das Land alles tun, damit sich der Glasfaserausbau für die Unternehmen rechnet.“ So ein Zitat würde man in der heutigen Zeit nicht mal einem FDP-Minister zutrauen.

(Angela Freimuth [FDP]: Unverschämtheit!)

Das ist genau die falsche Herangehensweise. Tun Sie endlich alles dafür, dass die Glasfasernetze schnell bei den Menschen in den Wohnungen und an den Arbeitsplätzen ankommen! Fördern Sie Open Access, Glasfaserinfrastruktur, Bürgerinitiativen und Netze in Bürgerhand! Verhindern Sie eine Remonopolisierung der Netze durch die Big Player! Erklären Sie Gigabit-Breitbandversorgung zur öffentlichen Daseinsvorsorge!

Die Existenz dieses Antrags ist für die Themenverantwortlichen der antragstellenden Fraktionen und der Regierung eine digitale Bankrotterklärung zum Ende der Legislaturperiode.

Zu dem Antrag wie auch zum Entschließungsantrag der Union – der sagt ja dasselbe in Grün … nein, in Schwarz; Entschuldigung – werden wir uns enthalten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. Herr Kollege Dr. Paul, Sie haben eben ein bestimmtes Wort benutzt und ein Spiel benannt. Ich kenne es nicht, aber wenn ich es übersetzen würde, wäre der Ausdruck unparlamentarisch; so viel Englisch kann ich. Ich bitte Sie um Verständnis für den Hinweis.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Herr Präsident, ich entschuldige mich in aller Form für das un- parlamentarische Wort!)

Das höre ich mit Freuden, und damit ist das Thema auch schon abgearbeitet. Vielen Dank.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ich schlage vor, es durch Excrementum-Bovis-Bingo zu ersetzen!)

Wir arbeiten daran. Diesen Zwischenruf habe ich jetzt leider nicht mehr verstanden.

Als Nächster hat der dafür zuständige Minister das Wort, Herr Duin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Paul, so kommt man wenigstens am Ende seiner parlamentarischen Laufbahn noch einmal sehr ausführlich zu Wort – auch im Protokoll.

(Heiterkeit und Beifall von SPD und CDU)

Würde man sich dem Thema vom 14. Mai einmal ganz ungetrübt nähern, könnte man das, glaube ich, mit ein bisschen mehr Entspanntheit tun. Es geht um eine Technologie, die – das ist offensichtlich geworden – von allen begrüßt wird. Alle, die sich fachlich damit ein bisschen befasst haben, wissen auch, dass es das eine oder andere Testfeld gibt, die Technologie aber noch nicht zur Verfügung steht. Die Unternehmen, die sich damit befassen, nennen als Termin 2019, wenn es richtig gut läuft, wahrscheinlich eher 2020. Das sagen sie uns im Übrigen seit drei, vier Jahren unverändert, seitdem dieses Thema auf der Tagesordnung steht.

Was passiert in Nordrhein-Westfalen? In ganz Europa – da können Sie hinschauen, wo Sie wollen; Sie können auf die Mobile World nach Barcelona fahren und sich dort umtun – sind es entweder originär nordrhein-westfälische Unternehmen oder es sind deutsche Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen, englische Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen, spanische Unternehmen mit Sitz in NordrheinWestfalen oder chinesische Unternehmen mit Sitz ihres Headquarters in Nordrhein-Westfalen, die sich den Fragen der Nutzung der Technologie 5G zuwenden. Deswegen ist eines klar vorweg festzustellen, auch wenn wir diese Technologie noch gar nicht konkret anwenden: Das Know-how, die Innovation hat

einen Ort, an dem das Ganze in Deutschland zu Hause ist, und das ist Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Unternehmen, das Netzwerk und das ganze Cluster sind hier bei uns angesiedelt.

Insofern bin ich den regierungstragenden Fraktionen sehr dankbar, dass sie ein eher technologisch orientiertes Thema, zu dem es gar nicht so viel politischen Streit geben kann, auf die Tagesordnung setzen, um deutlich zu machen, dass wir in Nordrhein-Westfalen dabei führend sind und dass wir eben auch führen, wenn es darum geht, ein Testfeld zu definieren – am besten eine Teststadt, in der alle Anwendungen des täglichen Lebens ausprobiert werden können.

Sehr geehrter Herr Stein, Sie sagen, Sie hätten heute mit einem Telekommunikationsunternehmen, das seinen Sitz am Rhein hat – da kommen mehrere infrage –, gesprochen, und die Begeisterung wäre nicht allzu groß gewesen. Ich habe heute auch mit einem Telekommunikationsunternehmen, das seinen Sitz am Rhein hat, gesprochen. Die kannten Ihren Antrag gar nicht. Es ging in dem Gespräch nicht darum, ob Begeisterung vorherrscht, sondern darum, dass wir natürlich auch im Rahmen der Bundesstrategie …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ich kenne nicht einmal Ihren Ansatz von Wirtschaftspolitik!)

Herr Hovenjürgen, zur Erinnerung: Wer stellt die Bundesregierung? Wer arbeitet dort zusammen? Wer hat das gemeinsam zwischen dem Infrastrukturministerium auf der einen Seite und dem Wirtschaftsministerium auf der anderen Seite auf den Weg gebracht? Sich gegenseitig solche Vorhaltungen zu machen, ist ein bisschen albern. Natürlich unterstützen wir die Strategie der Bundesregierung, dafür brauchen wir aber keine Extraanträge.

Die Aussage Ihres Antrags, dass wir unsere GigabitStrategie zu verändern hätten, ist falsch. Am vergangenen Montag haben alle Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, die an diesem Thema arbeiten, im „Aktionsbündnis Gigabit“ zusammengesessen. Wir haben ganz genau definiert, welche Fragestellungen über das Ziel 2018 hinaus zu beantworten sind. Denn eins ist klar: 5G funktioniert nur mit einer entsprechenden leistungsgebundenen Netzinfrastruktur, damit die Datenmengen transportiert werden können, damit Echtzeitreaktionen ermöglicht werden, damit wir geringe Latenzen aufweisen. Das alles muss sicher und fehlerfrei funktionieren.

Das Ziel dieser Gigabit-Strategie ist es, als erstes Bundesland beim Netzausbau auf Glasfaser zu setzen. Ich frage Sie ganz ernsthaft, Herr Dr. Paul, und auch alle anderen, die sich dazu gemeldet haben: Kennen Sie irgendjemanden außer in Wolkenkuckucksheim, der sagt, dass das für die Bundesrepublik Deutschland und für Nordrhein-Westfalen vor

Mitte des kommenden Jahrzehnts in irgendeiner Weise realistisch ist? – Nein. Der Zielkorridor muss darauf hinauslaufen, dass wir 2025/2026 flächendeckend Glasfaser haben.