Der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/13693 wurde gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung mit der Maßgabe überwiesen, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses liegen jetzt auch vor.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Als die SPD, die CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Juli 2011 einen Schulkonsens für NRW herstellten, geschah das mit der Überzeugung, etwas wirklich Gutes und Tragfähiges zu tun. Das oberste Gebot dabei war, die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen. Gemeinsames Ziel der beteiligten Fraktionen war es auch, ein Schulsystem zu gewährleisten, das umfassend in den Bildungsgängen und regional ausgewogen hinsichtlich der Erreichbarkeit für die Schülerinnen und Schüler ist.
Die Sekundarschule als neue Regelschulform wurde im Schulgesetz verankert und gleichzeitig die Hauptschule als Schulform aus der Verfassung gestrichen.
Seit der Herstellung des Schulkonsenses hat es eine ungeheure Nachfrage nach Schulen gegeben, die das längere gemeinsame Lernen anbieten. Im Einzelnen bedeutet dies etwa die Gründung 117 neuer Sekundarschulen und 104 neuer Gesamtschulen sowie die Gründung von fünf PRIMUS-Schulen und acht Gemeinschaftsschulen. Die Anzahl der Kinder, die an diesen Schulen angemeldet werden, übersteigt die Anmeldungen an Haupt- und Realschulen bei Weitem. Die Tendenz ist auch weiter steigend.
Die Anzahl der Schulen für längeres gemeinsames Lernen hat sich damit mehr als verdoppelt. Das ist auch der Punkt. Schulentwicklung folgt damit punktgenau dem Bedarf und dem Wunsch der Eltern.
Vielleicht erklärt das ein wenig, warum Sie bestimmte positive Dinge, die seitdem geschehen sind, wie die gerade erwähnten Schulneugründungen, nicht wahrnehmen. Wir haben damit im Übrigen auch den Schulträgern die Möglichkeit gegeben, ihre Schulentwicklungspläne flexibler und damit letztlich sicherer
und valider zu gestalten. Die Sicherung eines wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Schulangebots gelingt aber nicht nur durch Schulneugründungen, sondern auch durch eine Intensivierung von Teilstandorten.
Die mögliche Gefährdung aufgrund Nichterreichens der Fortführungsgrößen, die Sie ansprechen, beträgt beispielsweise für die Sekundarschulen über alle Bezirksregierungen hinweg etwa 10 %. Vielleicht hatten Sie das beim Verfassen Ihres Antrags im Auge. Natürlich – da will ich Ihnen Recht geben – muss unser aller Ziel sein, diese Quote nahe null zu bringen.
Jetzt kommt aber der springende Punkt: Sie wählen in Ihrem Antrag einen falschen Lösungsweg. Eine von Ihnen geforderte Bandbreiten- und Mindestgrößenanpassung würde sich auf alle Schulformen auswirken. In der Konsequenz bedeutet das, für jede Schule die Ressourcenfrage bezogen auf Personal und Raumangebot neu zu stellen. Sie selbst haben diese Konsequenz im Übrigen in Ihrem Antrag eingeräumt, indem Sie geschrieben haben, dass es auch um qualitative Aspekte und Ressourceneffizienz gehe. Genau das ist der Fall. Und genau das setzen wir im Schulkonsens um.
Viele Argumente Ihres Antrags werden von Ihnen selbst im Grunde schon relativiert – etwa rückläufige Schülerzahlen. Es gibt große regionale Unterschiede, vor allem zwischen Städten und dem ländlichen Raum und natürlich auch zwischen den einzelnen Schulformen. Das einfache Absenken der Fortführungsgrößen, wie von Ihnen vorgeschlagen, hilft da überhaupt nicht weiter. Auch Vergleiche mit anderen Bundesländern sind da nicht allzu hilfreich. Das ergibt sich oftmals durch andere Bevölkerungsgrößen und durch die entsprechend geringere Zahl weiterführender Schulen.
Liebe FDP, nicht die Absenkung der Fortführungsgrößen an weiterführenden Schulen ist das Allheilmittel für den Erhalt von Schulen und ihrer Qualität. Wenn wir dem so folgen würden, würde uns das eher weit hinter das zurückwerfen und das konterkarieren, was bisher mit dem Schulkonsens erreicht wurde. Den von Ihnen vorgeschlagenen Weg, für alle weiterführenden Schulen gleichberechtigt die Bandbreite und damit die Fortführungsgröße pro Zug abzusenken, werden wir deshalb nicht mitgehen.
Wir sind eher der Meinung, dass beispielsweise die Schaffung eines Sozialindexes für Schulen im ländlichen Raum zielführender ist. Dieser Weg ist für uns auf jeden Fall der bessere, weil er verlässlicher und zukunftsorientierter ist. Diesen Weg wollen wir beschreiten. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP greift hier ein wichtiges Thema der aktuellen Schulpolitik auf. Denn dieser Antrag nimmt die Folgen der demografischen Entwicklung in den Fokus. Es geht um die Sicherstellung des wohnortnahen Schulangebots. Kollege Weiß hat es angesprochen: Mit dem Schulkonsens sind da Schritte unternommen worden. – Ich weise nur darauf hin, dass die von ihm stets gepriesene Schulform des längeren gemeinsamen Lernens nicht im Schulkonsens steht. Insoweit gibt es später immer entsprechende Interpretationen.
Ich denke, es ist wichtig, zu fragen: Was war das Ziel? – Das Ziel war, dafür zu sorgen, dass wohnortnahe Schulen auch im ländlichen Bereich auf Dauer angeboten werden können. Durch die Neugründung von Sekundarschulen, die in großer Zahl sehr positiv aufgenommen werden, gibt es hier eine erfreuliche Entwicklung.
Es ist aber wichtig, klarzumachen – da liegt die FDP aus meiner Sicht richtig –, dass wir keine einfache Patentlösung formulieren können, sondern wir müssen ein Konzept erarbeiten. Nach sechs Jahren Schulkonsens macht es Sinn, genauer hinzugucken. Ich denke, Rot-Grün hätte die Chance gehabt, diesen Antrag zum Anlass für die Aussage zu nehmen: Wir schauen noch mal genau hin und müssen vielleicht hier und da noch feinjustieren.
Das Thema betrifft nicht nur die Fortführungsgrößen. Vielmehr müssen wir uns auch mit den Themen „Mindestgrößen“ und „Mindestzügigkeiten“ befassen. Der Schulkonsens hat durch die Dreierlösungen im Bereich der Sekundarschulen und die Dependance-Lösungen in Zweizügigkeiten entsprechende Vorschläge gemacht. Der VBE hat inzwischen eine Untersuchung von Dr. Rösner vorgelegt, in der gefordert wird: Wir brauchen auch selbstständige zweizügige Sekundarschulen.
Das muss man sich genau ansehen. Es hätte die Chance bestanden, den Antrag genauer zu betrachten und zu sagen: Wir arbeiten an einem Konzept. Es hätte die Chance bestanden, Feinjustierungen vorzunehmen, die auf Dauer das schulortnahe Angebot sicherstellen, weil die demografische Entwicklung in einzelnen Teilen des Landes anders und schneller voranschreitet, als wir das zu der Zeit berechnen konnten.
Für mich stellt sich auch qualitativ die Frage: Ist die Dependance-Lösung immer richtig? Ist es nicht auch sinnvoll, inhaltlich zu fragen: Wie effektiv sind kleinere Systeme? Insbesondere in Schulformen, die mit
benachteiligten Schülergruppen umgehen, hat die Personalarbeit, die geleistet wird, die Arbeit am Menschen in kleinen, übersichtlichen Systemen zu durchaus großen Effekten geführt. Da hätte die Chance bestanden, an einem Konzept zu arbeiten und das auch entsprechend umzusetzen.
Dass das natürlich – ehe Frau Löhrmann gleich die wirtschaftlichen Überlegungen vorbringt – vor wirtschaftlichen Hintergründen wie Lehrerversorgung und vor allem Verfügbarkeit von Lehrerinnen und Lehrern geschehen muss, ist sicherlich völlig unstrittig.
Trotzdem können sich kleine Schulen und Bildungsqualität sehr wohl ergänzen. Der Aufstieg durch Bildung ist gerade in kleinen Systemen genauer in den Fokus zu nehmen. Die Chance dazu wäre da gewesen.
Gleich wird wie üblich vorgegangen: Ein Antrag, der nicht schlecht, sondern im Gegenteil gut ist, wird abgelehnt, weil er vom Falschen gestellt worden ist. Hier wird, wie ich das Abstimmungsverhältnis aus dem Fachausschuss kenne, die Chance des Nachjustierens vertan, um auf Dauer etwas Gutes zu erreichen und die Mindestgrößenanpassung für unsere Schulen voranzutreiben.
Daher stimmen wir diesem Antrag zu und stellen den Schulkonsens gar nicht infrage. Die hier vorgebrachte Legitimation war eine einseitige Interpretation, der man so nicht unbedingt folgen muss. – Schönen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Präsident und Herr Kollege. – Lieber Klaus Kaiser, Sie sprechen davon, dass nachgesteuert werden soll. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass wir vorgesteuert haben, indem wir Budgets für Teilstandorte ausgebracht haben, um den Schulen kleinere Systeme vor Ort in einem Schulverbund zu ermöglichen, was auch sehr gut angenommen wird. Wir haben das in der Eifel sogar an drei Standorten. Wir haben das sowohl bei den Gesamtschulen als auch bei den Sekundarschulen, und es funktioniert. Das heißt, das,
was jetzt gefordert wird – man hätte mal steuern können –, haben wir schon längst gemacht. Haben Sie das wahrgenommen?
Liebe Kollegin Beer, auf diese Reflexe habe ich gewartet. Denn im Moment ist der Modus der rot-grünen Landesregierung, dass reflexhaft auf jede Anregung, die kommt, so reagiert wird: Wir machen das schon lange – bis wir dann zufällig erfahren, dass 4.300 Lehrerstellen nicht besetzt sind –, wir tun genug, lobt uns nur. – Das Problem ist nur …
Liebe Kollegin Sigrid Beer, es ist überhaupt kein Problem, darüber noch länger miteinander zu diskutieren, auch sehr kontrovers und sehr freudvoll. Trotzdem reagiert die Koalition im Moment bei jedem Vorschlag, der gemacht wird, bei jeder Anregung, die vorgebracht wird, reflexhaft, und es heißt: Das machen wir schon lange, macht euch keine Sorgen. – Das Problem ist nur, wenn wir irgendwo hinkommen, kriegen wir an jeder Schule gesagt: Die rot-grüne Bildungspolitik ist eine Katastrophe.
Das reflektieren wir hier auch allgemein. Vielleicht nehmt ihr eines aus der Diskussion mit: Zuhören ist im Moment in der Bildungspolitik ein Erkenntnisfortschritt, den ihr euch nicht nehmen lassen solltet. – So viel vielleicht zur Reflexion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man merkt – auch wenn wir wenige sind –, in welcher Zeit wir uns befinden. Es ist Mitte Februar, also sind es noch zwei Monate bis zum Mai. Das machen manche Aussagen hier sehr deutlich.