Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Guten Morgen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle zu unserer heutigen, 139. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Ich grüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 14 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wie Sie gerade schon an den Glückwünschen, die persönlich ausgesprochen werden, und an den Präsenten, die überreicht werden, bemerken, haben wir heute ein Geburtstags-“Kind“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion feiert heute einen besonderen Geburtstag. Lieber Kollege Römer, lieber Norbert, ganz herzlichen Glückwunsch im Namen des Hohen Hauses, auch wenn dessen Mitglieder noch nicht ganz so zahlreich vertreten sind!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Wir wünschen Glück und Gesundheit. Wir wissen: Wir haben gemeinsam wieder einen langen Plenartag vor uns und daher viel Zeit, die Glückwünsche auch noch mal persönlich auszusprechen.

Mit diesen fröhlichen Vorbemerkungen treten wir in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Maßnahmen der Landesregierung im Fall

Wendt

Unterrichtung durch die Landesregierung

In Verbindung mit:

Lehren aus der Causa Wendt ziehen – ungerechtfertigte Freistellungspraxis zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für Gewerkschafter beenden

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14387

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14509

Der Entschließungsantrag der Piraten Drucksache 16/14509 wurde gerade eingereicht. Er wird im Moment gedruckt und im Anschluss verteilt werden, sodass wir am Ende der Unterrichtung einen Antrag

und einen Entschließungsantrag zu bescheiden haben.

Zur Unterrichtung hat jetzt Herr Minister Jäger für die Landesregierung das Wort. Bitte schön.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dieser Unterrichtung werden wir als Landesregierung darstellen, welche Maßnahmen wir im Fall Wendt ergriffen haben. Unser Ziel ist dabei klar formuliert: Wir wollen den Fall so zügig und so gründlich wie möglich aufklären.

Fest steht schon jetzt, meine Damen und Herren: Einen solchen Fall hätte es in dieser Form niemals geben dürfen, und so einen Fall darf es auch in Zukunft nie mehr geben. Da hat sich etwas verselbständigt; da wurden im Laufe der Zeit immer stärker Freiräume ausgenutzt. Das werde ich gleich noch ausführlich darstellen, meine Damen und Herren.

Zuvor möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, etwas Grundsätzliches hervorzuheben, und zwar die Bedeutung, die diese Landesregierung der Mitbestimmung ihrer Beschäftigten beimisst. Diese Bedeutung ist für uns unverändert hoch. Wir legen auch weiterhin großen Wert darauf, dass die Interessen unserer Beschäftigten bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Für uns ist die Mitbestimmung vor Ort durch die Personalvertretung in den Behörden selbst der erste und unmittelbarste Weg, um gute Entscheidungen zu treffen – Entscheidungen, die im Sinne der Beschäftigten sind und von ihnen mitgetragen werden.

Bei unserer Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes im Jahre 2011 sind diese Überzeugungen wie folgt umgesetzt worden:

Wir haben uns von der Idee leiten lassen, dass es sinnvoll und richtig ist, die Herausforderungen auf dem Weg hin zu einem modernen, zukunftsfähigen öffentlichen Dienst nicht auf dem Rücken der Beschäftigten, sondern im Dialog mit den Beschäftigten zu meistern. Das war ein anderer Weg, als ihn uns CDU und FDP 2007 aufgezeigt haben. Ich bin davon überzeugt, dass unser Weg immer noch der richtige ist.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die zweite Säule, die das Land Nordrhein-Westfalen zum Mitbestimmungsland Nummer eins macht, ist neben der Personalratsarbeit die starke Rolle unserer Gewerkschaften. Das hat bei uns in Nordrhein-Westfalen eine lange Tradition, die bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreicht, als das Montan-Mitbestimmungsgesetz vor allem auf Druck der Gewerkschaften ver

abschiedet wurde. Seitdem haben nahezu alle Landesregierungen hier in Nordrhein-Westfalen erkannt, dass starke Gewerkschaften auch Ausdruck der Stärke unseres Landes sind.

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Wir legen großen Wert darauf, dass diese starke Rolle erhalten bleibt. Daran haben wir als Landesregierung weiterhin ein großes Interesse.

(Beifall von der SPD)

Seit 2010 haben wir den engen Dialog mit den Gewerkschaften gesucht. Wir waren nicht immer derselben Meinung, aber wir haben konstruktiv miteinander gesprochen und verhandelt. In vielen Bereichen, in denen die Aufgabenstellung lautet, Nordrhein-Westfalen neu auszurichten, haben wir Gewerkschaften an den Tisch geholt. Wir haben das getan, weil für uns feststeht: Die Meinungen derjenigen, die die Interessen von Beschäftigten vertreten, sind Meinungen, die sich auch in Gesetzen, Initiativen und Reformen wiederfinden müssen.

Insofern sind die Erfolge dieser Landesregierung auch Erfolge, die auf der Beteiligung der Gewerkschaften in diesem Prozess beruhen. Dafür ist die Landesregierung den Gewerkschaften außerordentlich dankbar, meine Damen und Herren.

Nicht nur wir als Landesregierung sind auf die Expertise unserer Gewerkschaften angewiesen. In unzähligen Ausschussberatungen des Landtages werden Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften von Fraktionen als Experten eingeladen. Auch in öffentlichen Diskussionen hat die Stimme der Gewerkschaften Gewicht.

Zu erwarten, dass Gewerkschaften das alles in ihrer Freizeit – nach ihrem Feierabend, also zusätzlich zu einer bestehenden Vollbeschäftigung – leisten, ist lebensfern, meine Damen und Herren. Deshalb steht für diese Landesregierung fest: Wir unternehmen alles, damit der Fall Wendt kein schlechtes Licht auf die gute und wichtige Arbeit wirft, die zahlreiche Gewerkschafter leisten. Wir stellen diese Arbeit jetzt und in Zukunft nicht infrage, sondern setzen uns dafür ein, den Gewerkschaften auch in Zukunft die Möglichkeiten zu geben, ihre Arbeit im Sinne der von ihnen vertretenen Berufsgruppen auszuüben.

Meine Damen und Herren, im Bereich der Polizei haben wir in Nordrhein-Westfalen eine besondere Situation. Neben einem sehr großen Berufsverband, der Gewerkschaft der Polizei, existieren noch zwei weitere, kleinere Verbände, die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Auch ihr Beitrag ist für uns wichtig; denn wir wollen bei unserer Meinungsbildung die Position und die Haltung einer möglichst breiten Mitarbeiterschaft in der Polizei erfahren.

Im Innenministerium existiert dazu seit den 90er-Jahren eine Verwaltungspraxis, die regelt, wie mit

Dienstbefreiung der ehrenamtlichen Landesvorsitzenden umzugehen ist. Ihnen soll erlaubt werden, ihren ehrenamtlichen gewerkschaftlichen Verpflichtungen im Rahmen des dienstlich Vertretbaren nachzukommen. Bei dieser Praxis hat man sich von der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Grundgesetz und von der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 Beamtenstatusgesetz leiten lassen.

Die Praxis soll hier einen Ausgleich zwischen beiden Interessen – nämlich den dienstlichen Erfordernissen auf der einen Seite und dem Interesse von Öffentlichkeit, Parlament und Landesregierung an funktionierenden Berufsverbänden auf der anderen Seite – schaffen, soweit dem Rechnung getragen werden kann.

Es handelt sich hierbei ausdrücklich nicht um eine vollständige Befreiung vom Dienst. Vielmehr erfolgt die Entlastung anlassbezogen.

Aus aktuellem Anlass haben wir mit beiden Landesvorsitzenden, Herrn Rettinghaus von der DPolG und Herrn Fiedler vom BDK, das Gespräch gesucht. Wir haben sichergestellt, dass beiden auch zukünftig die ehrenamtliche Gewerkschaftsarbeit im Rahmen des dienstlich Vertretbaren ermöglicht bleibt. Dies gilt für die Tätigkeiten, die im öffentlichen Interesse stehen, wie zum Beispiel die Beratung der Landesregierung und des Landtags sowie die Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren. Darüber hinaus gilt für beide die Freistellungs- und Urlaubsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen wie für alle anderen Beamtinnen und Beamten des Landes auch.

Meine Damen und Herren, ich will nun auf den Fall Wendt eingehen. Die bislang vorliegenden Erkenntnisse beruhen im Wesentlichen auf der uns vorliegenden Personalakte. Bevor ich kurz seinen dienstlichen Werdegang skizziere, vorweg noch einmal – ich habe dies schon im Innenausschuss gesagt – in aller Klarheit: Ich selbst habe keine Entscheidung zur Besoldung oder Freistellung von Herrn Wendt getroffen. Auch habe ich zu keinem Zeitpunkt mit ihm darüber geredet. Erstmals bin ich am 24. Februar 2017 darüber informiert worden, dass Herr Wendt eine Teilzeitbeschäftigung beim Land hat, ohne tatsächlich Dienst zu verrichten.

Jetzt zum Werdegang von Herrn Wendt: 1997 wurde Herr Wendt Landesvorsitzender der DPolG. Damals war er beim Polizeipräsidium Duisburg als Wachdienstführer tätig. Zum 1. Januar 2001 erfolgte die Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 28,5 Stunden. Von Freistellung ist weder im Antrag noch in der Genehmigung die Rede – im Gegenteil. Herr Wendt begründet die Reduzierung seiner Dienstzeit explizit damit, außerhalb des Dienstes ehrenamtlich mehr Zeit für seine Gewerkschaftsarbeit haben zu wollen. Er nennt dabei selbst den Begriff „Teilzeit“.

Es handelt sich dabei also nicht um eine vollständige Freistellung von Herrn Wendt, wie er behauptet, dass er sie seit 2000 innehabe.

Seine Besoldung ist zum Zeitpunkt seiner Stundenreduzierung ebenfalls entsprechend reduziert worden. Daran hätte auch seine damalige Tätigkeit im Personalrat nichts geändert.

2006 erfolgte der Wechsel zum PP Mönchengladbach. Während seiner Zeit dort ist Herr Wendt im Jahre 2007 Bundesvorsitzender der DPolG geworden.

Im Jahre 2010 erfolgte schließlich die Versetzung zum LZPD. Einen Monat später wurde er dort zum Polizeihauptkommissar befördert.

Nach Aktenlage war Herr Wendt in allen diesen Verwendungen teilzeitbeschäftigt mit 28,5 Wochenstunden.

Der Akte lässt sich nicht entnehmen, ab wann und auf welcher Grundlage Herr Wendt nicht mehr seinem Dienst nachgegangen ist. Offensichtlich hat seine gewerkschaftliche Arbeit im Laufe der Jahre immer mehr Zeit in Anspruch genommen.

Wenn jemand über Jahre hinweg überhaupt keine Arbeitsleistung mehr erbringt, dann ist das ein Problem, meine Damen und Herren. Damit konterkartiert er den Sinn und Zweck der jahrzehntealten Verwaltungspraxis.

In seiner Personalakte befindet sich kein Hinweis auf eine dauerhafte und vollständige Befreiung vom Dienst.

Es gibt immer noch viele Widersprüche zwischen den öffentlichen Aussagen von Herrn Wendt, den bisher geführten ersten Gesprächen und der Aktenlage. Die Widersprüche werfen zusätzliche Fragen auf. Sie fordern insbesondere eine Aufklärung über seine Zeit im Polizeipräsidium Mönchengladbach ab dem Jahre 2006 sowie die Umstände seiner Versetzung zum LZPD im Januar 2010 und seiner Beförderung dort nur einen Monat später.

Die Widersprüche aufzuklären, ist Aufgabe des Verwaltungsermittlungsverfahrens. Wir wollen wissen, wann Herr Wendt seine Arbeit für die Polizei in Nordrhein-Westfalen vollständig eingestellt hat. Wir wollen wissen, welche Nebeneinkünfte Herr Wendt aus Tätigkeiten in verschiedenen Aufsichtsräten erzielt hat – Nebeneinkünfte, die das Gehalt eines Polizeihauptkommissars mit 28,5 Wochenstunden deutlich übersteigen. Diese Nebeneinkünfte hat Herr Wendt nicht angezeigt. In der Personalakte finden sich zwar vereinzelte Hinweise auf Nebentätigkeiten von Herrn Wendt, die angezeigt und auch genehmigt wurden. Diese bewegen sich allerdings in einer deutlich niedrigeren finanziellen Größenordnung.

Außerdem wurde die letzte in der Personalakte enthaltene Genehmigung nur bis zum Jahre 2008 erteilt.

Für den Zeitraum danach liegen weder Anzeigen noch Genehmigungen vor. Auch eine Aufstellung erzielter Nebeneinkünfte existiert nicht.