Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Bei der FDP ist die Frage völlig klar und entschieden. Sie waren und Sie sind Befürworter von Studiengebühren. Das wird auch durch den entsprechenden Entschließungsantrag deutlich. Das ist klar. Das ist kein Geheimnis. Das ist aus meiner Sicht ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Haus. Herzlichen Glückwunsch!

Bei der CDU ist die Lage völlig anders. Am 5. Dezember gibt der Spitzenkandidat, der Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende Armin Laschet, der „Rheinischen Post“ ein Interview. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin.

Auf die Frage „Würden Sie Studiengebühren wieder einführen?“ antwortet Laschet:

„In der alten Form sind Studiengebühren kein Thema. Aber ich halte es für ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, mindestens über Modelle nachzudenken. Dass Pfleger für ihre Ausbildung zahlen und Ärzte nicht, ist schräg.“

Es gehe darum,

„diejenigen finanziell an der akademischen Ausbildung zu beteiligen, die später nachweislich mehr verdienen.“

So Armin Laschet. – Nicht nur, dass er die Wiedereinführung von Studiengebühren politisch völlig überhöht und als ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit bezeichnet – wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten glauben nicht, dass es sozial gerecht ist, wenn es allen schlecht geht, meine sehr verehrten Damen und Herren –,

(Zuruf von Rainer Deppe [CDU])

sondern er legt sich hiermit eindeutig als Spitzenkandidat fest. Dann kommt dieser sagenhafte Leitantrag des Landesvorstands für den 39. Landesparteitag unter dem Oberbegriff „Zuhören – Entscheiden – Handeln“.

(Zuruf von Ralf Nettelstroth [CDU])

Da steht dann drin – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Für die Studierenden wollen wir einen kostenfreien Zugang zur Hochschulbildung sicherstellen.“

Ein kostenfreier Zugang zur Hochschulbildung bedeutet: keine Aufnahmegebühr, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist, ehrlich gesagt, der reine Etikettenschwindel, der hier unterminieren, der hier darstellen soll, dass man möglicherweise doch nicht für Studiengebühren ist, es aber komplett offen lässt.

Dann kommt heute der Entschließungsantrag der Union, in dem es heißt:

„Nochmal: Die CDU lehnt die Einführung von Studiengebühren ab!“

Sie verweisen auf den Entwurf Ihres Regierungsprogramms – dazu habe ich etwas gesagt – und auf den entsprechenden Antrag „Neujustierung der Hochschulpolitik in Nordrhein-Westfalen“ Drucksache 16/14404, zu dem Sie sagen, da hätten Sie doch klar erklärt, Sie seien gegen Studiengebühren.

Mein lieber Herr Dr. Berger, Sie haben diesen Antrag doch gerade zurückgezogen.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Sie haben ihn zurückgezogen. Sie haben nicht gesagt: Wir geben die Reden zu Protokoll.

(Ralf Nettelstroth [CDU]: Wir haben einen Ent- schließungsantrag. Da steht das alles drin!)

Den habe ich noch nicht. – Dieser Antrag ist zurückgezogen. Was Sie hier machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das völlige Chaos in einem zentralen Politikfeld. Geben Sie den Familien, den Studierenden endlich eine klare Antwort, ob Sie für Studiengebühren sind, ja oder nein!

Ich kann nur sagen: Das, was Ihr Spitzenkandidat abzieht, erinnert doch sehr stark an Norbert Röttgen 2012, der auch kurz vor der Wahl schlichtweg den Turnaround bei der Frage der Studiengebühren durchgeführt hat. Ich habe nicht den Eindruck, dass das eine wirklich inhaltlich getragene Position ist. Es ist der reine Opportunismus nach Umfragen.

Im Dezember haben Sie noch geglaubt, Sie könnten mit der FDP eine Mehrheit bilden, und haben deswe

gen im Interview gesagt, Sie seien für Studiengebühren als Aspekt der sozialen Gerechtigkeit. Nachdem das nicht mehr abbildbar ist, probieren Sie, unter eine andere Bettdecke zu schlüpfen. Das ist reiner Opportunismus. Werden Sie endlich ehrlich gegenüber den Menschen in diesem Land! Klarheit in dieser Frage! Sie bekommen gleich die Möglichkeit, in einer namentlichen Abstimmung hier darzulegen, …

Die Redezeit.

… wie Sie wirklich zu dieser Frage stehen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Seidl.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die anstehende Wahl in Nordrhein-Westfalen entscheidet auch darüber, ob mehr als 770.000 junge Menschen bzw. deren Eltern für eine akademische Ausbildung tief in die Tasche greifen müssen. Herr Berger, sie entscheidet darüber, ob wir ein Land bleiben, das Bildungsgerechtigkeit großschreibt, oder ob Bildung wieder vom Geldbeutel der Eltern abhängen wird.

Wir haben 2011 die Studiengebühren abgeschafft. Da fragt man sich nun, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, nachdem alle Bundesländer unserem Beispiel gefolgt sind: Was haben Sie eigentlich für eine Motivation, sich im größten Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, wieder an die Spitze der Befürworter für ein Bezahlstudium zu stellen? Und mit Blick auf die CDU, Herr Berger: Was soll man Ihnen denn jetzt glauben oder nicht?

Im Programm der FDP zur NRW-Landtagswahl 2017 heißt es – das muss man sich auch wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen –:

„Wir wollen dafür sorgen, dass die Hochschulen wieder die Möglichkeit erhalten, Studienbeiträge einzuführen. Die Hochschulen sollen daher eigenständig darüber entscheiden können, ob sie mit Studierenden sogenannte Studienverträge abschließen. In den Studienverträgen sichern die Hochschulen den Studierenden exzellente Studienbedingungen und verbindliche Förderangebote zu.“

(Zuruf von der FDP: Richtig!)

Das heißt also: Sie wollen mit jedem einzelnen Studierenden Verträge abschließen. Wie bürokratisch ist

das denn? Ich sage nur: Bürokratiemonster, Studiengebühren, FDP. – Es kommt noch besser. Ich zitiere weiter aus Ihrem Programm:

„Nach dem erfolgreichen Studium entrichten die Absolventinnen und Absolventen eine zu vereinbarende Erfolgsprämie an die Hochschule. … Dabei darf die Erfolgsprämie einen Beitrag von 500 € je abgeschlossenem Studiensemester nicht überschreiten.“

Okay, eine Erfolgsprämie – eine Erfolgsprämie, die ein Studierender nach erfolgreichem Abschluss an die Hochschule entrichtet, also: Leistung gegen Kohle.

(Zuruf von der FDP: Ja!)

Und was ist, wenn ich ohne Abschluss das Studium beende? Zahle ich dann nichts? Das wäre ja ein interessanter Ansatz.

Mit den Erfolgsprämien wollen Sie dann ja offensichtlich die Qualitätsverbesserungsmittel abschaffen, wie Sie es bereits seit Jahren fordern. Herauskommen würde aber dann ein Nullsummenspiel, wenn nicht gar ein Verlustgeschäft. Am Ende würden die Hochschulen unter der FDP schlechter dastehen als zuvor – und erst recht die Studierenden, die außerdem noch dafür bezahlen müssen.

(Zuruf von der FDP: Quatsch! Besser stehen die da!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann auch das Gefasel in Ihrem Entschließungsantrag, wir seien am Ende der Qualität wegen der hohen Betreuungsrelation, eigentlich nicht mehr ertragen. Als ob das der einzige Parameter für eine gute Lehre ist!

Rot-Grün investiert 2017 über 1,6 Milliarden € Landesmittel und eine Milliarde € Bundesmittel mehr in den Wissenschaftsetat als Schwarz-Gelb 2010.

(Zuruf von der FDP: Wahnsinn!)

Das ist ein Anstieg um 44 %.

(Zuruf von der FDP: Wahnsinn!)

Alleine auf die Hochschulen bezogen sind es gar 66 %. Ja, ich gebe Ihnen recht. Das ist echt Wahnsinn.

Die Hochschulpaktmittel werden im Gegensatz zu schwarz-gelben Zeiten von uns übrigens voll ausgeschöpft. Wir verstetigen bis 2020 Teile der Landesmittel für den Hochschulpakt. Es wäre nur fair, wenn der Bund hier nachziehen würde. Die anderen Bundesländer stehen auch hinter dieser Meinung.

Im Übrigen: Gucken Sie sich die Statistiken an! Die Statistiken über Abschlüsse und Forschungsergebnisse machen doch sehr deutlich, dass wir exzellente

Lehre und Forschung an unseren Hochschulen haben. Das lassen wir uns von Ihnen und hier an dieser Stelle nicht schlechtreden.

(Beifall von den GRÜNEN)