plätze: Dumpinglöhne im ÖPNV verhindern, Entscheidungshoheit der Aufgabenträger erhalten und Bestand der kommunalen Verkehrsunternehmen sichern – Neues Personenbeförderungsgesetz braucht zeitnahe Zustimmung des Bundestages
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Becker das Wort. – Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 14. Dezember 2016 haben wir hier in diesem Plenarsaal das ÖPNV-Gesetz beschlossen. Das ist ein gutes Gesetz, mit dem wir Leistungen ausgeweitet haben, den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur besser gefördert haben, neue Fördertatbestände wie Barrierefreiheit oder E-Mobilität definiert und finanziell vernünftig hinterlegt haben und insgesamt den Zweckverbänden Planungssicherheit gegeben haben. Ein gutes Gesetz!
Das war möglich, weil die Landesregierung bei den Regionalisierungsmitteln gut verhandelt und zusätzliches Geld für unser Land und für den ÖPNV generiert hat.
Schon damals haben wir festgehalten: Wenn wir die soziale und finanzielle Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten wollen, wenn wir die Entscheidungshoheit der Aufgabenträger erhalten wollen und wenn wir die Chancengleichheit der kommunalen Verkehrsunternehmen sichern wollen, dann brauchen wir über dieses gute ÖPNV-Gesetz hinaus eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Wir haben ja auch parallel zum ÖPNV-Gesetz die Landesregierung beauftragt, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu ergreifen.
Der Bundesrat hat nun am 10. Februar in unserem Sinne beschlossen, und jetzt droht das Gesetz im Bundestag an der CDU-Fraktion zu scheitern. Das kann ja wohl nicht wahr sein!
Sie, die CDU-Landtagsfraktion, haben sich damals im Plenum bei der Abstimmung über den Antrag der Stimme enthalten, und Sie haben das damit begründet, dass die Bundesratsinitiative ja längst auf dem Weg sei. Inhaltlich waren Sie doch auf unserer Seite. Die CDU-Verkehrspolitiker aus Nordrhein-Westfalen in Berlin haben keine Möglichkeit ausgelassen, sich für die entsprechende Gesetzesänderung auszusprechen.
Der frühere NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke meldete sich von seinem Urlaubsort in Südfrankreich – Zitat –:
Das Thema haben wir auch in der CDU-Bundestagsfraktion auf dem Schirm. Dass private Busunternehmen über den Vorrang für den eigenwirtschaftlichen Linienbetrieb im Personenbeförderungsgesetz kommunale Busunternehmen vom Markt verdrängen möchten, das ist ein Missstand, der abgestellt gehört.
Ich – also Wittke – hoffe, dass wir noch in dieser Legislaturperiode eine Veränderung des Personenbeförderungsgesetzes hinbekommen.
Auf der Belegschaftsversammlung der Vestischen Straßenbahnen GmbH in Herten am ersten Advent – von der CDU war keiner da, aber wir waren da – hat Herr Wittke eine Solidaritätsadresse verlesen lassen, nach der er sich auch für die entsprechende Gesetzesänderung einsetzt.
Sorgen Sie dafür, dass Herr Wittke und alle anderen, die sich in diesem Zusammenhang geäußert haben, Wort halten! Helfen Sie, dass die erfolgreiche Bundesratsinitiative zeitnah in den Bundestag eingebracht, beraten und beschlossen wird! Sonst verlieren Sie hier Ihren letzten Rest an verkehrspolitischer Glaubwürdigkeit. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die zweite antragstellende Fraktion, die der Grünen, spricht Herr Kollege Klocke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte direkt an den Kollegen Becker anschließen, würde aber gerne zu Anfang meiner Rede herzliche Genesungswünsche an den Kollegen Rolf Beu – sicherlich in Ihrer aller Namen – schicken, der jetzt möglicherweise zu Hause vor dem Stream sitzt. Der Stream wird sonst immer von den Piraten erwähnt; ich habe es nach fünf Jahren gelernt. Rolf Beu hatte leider einen schweren Unfall, einen Gartenunfall, und ist auf dem Weg der Genesung. Ich vertrete ihn heute. Denn normalerweise spricht Kollege Rolf Beu zu bahn- und ÖPNVpolitischen Themen.
Wir wollen mit diesem Antrag heute noch mal Schwung in Richtung Berlin geben, damit der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Viele Beschäftigte im Bereich der Verkehrsunternehmen bei den eigenwirtschaftlichen Betrieben sind betroffen; das hat Herr Kollege Becker eben deutlich gemacht. Damit unser im Dezember verabschiedetes ÖPNV-Gesetz hier im Land zur Wirkung kommen kann und die Punkte umgesetzt werden können, wäre es wichtig, dass Berlin, der Bundestag, dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet.
Wir wollen Wettbewerbsverzerrung und Lohndumping im ÖPNV verhindern. Es geht darum, soziale und finanzielle Sicherheit der Beschäftigten im ÖPNV zu gewährleisten. Wir haben die Debatte in den letzten Wochen intensiv erlebt – jedenfalls vor Ort. Es gab zahlreiche Briefe an uns als Abgeordnete und eine intensive Presseberichterstattung.
Wir haben diesen Ball aufgegriffen und wollen als Regierungsfraktionen noch mal unsere Absicht signalisieren, die Beschäftigten bei ihren berechtigten Interessen zu unterstützen und in Berlin die Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen, SchleswigHolstein, Brandenburg und NRW zum Erfolg zu führen. Dazu wäre es wichtig und gut, dieses Signal heute noch mal vonseiten des Landtags NRW nach Berlin zu schicken. Wir laden natürlich alle herzlich ein, da mitzustimmen.
Zum Hintergrund: Der Gesetzentwurf ist deswegen notwendig, weil die Sicherung sozialer und qualitativer Standards infrage steht. Es muss frühestens 27 Monate vor Beginn der Genehmigungslaufzeit vorab bekannt gemacht werden. Diese 27 Monate werden
auch benötigt, damit das Vergabe- und anschließende Genehmigungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden können. Das führt zu diesem Zeitdruck. Deshalb muss der Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Wir bitten die regierungstragenden Fraktionen im Bundestag von NRW aus, aktiv zu werden.
Zum Abschluss meiner Rede will ich noch in Richtung unseres Koalitionspartners sagen: Solche Anträge können Sie auch in Zukunft immer mit den Grünen machen. Ob man solche Anträge mit der FDP in Regierungsverantwortung machen könnte, da habe ich so meine Zweifel.
damit auch in der nächsten Legislaturperiode die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen berechtigten Schutz bekommen. Dafür sind wir als Antragsteller immer zu haben. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Rehbaum das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig, der Sachverhalt der eigenwirtschaftlichen Anträge bereitet uns, bereitet den Mitgliedern sämtlicher Fraktionen Sorgen. Ich möchte das Problem in relativ einfacher Sprache darstellen. Unternehmen, die heute am Markt etabliert sind, sind in aller Regel tarifgebunden. Das sind sowohl die Kommunalen als auch die Mittelständler, die in unserem Bundesland im Einsatz sind.
Steht eine Liniengenehmigung zur Debatte, kann ein Marktneuling legal einen Antrag stellen, der auf einer Mindestlohnkalkulation beruht. Diese Marktneulinge sind in aller Regel Unternehmen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland – nicht selten sind das Staatsunternehmen, die mit Staatsgeldern unterwegs sind –, und diese Wettbewerbsverzerrung ist nicht gut für den Markt.
Leidtragende sind die Beschäftigten, die beim Obsiegen eines eigenwirtschaftlichen Antrags mit Mindestlohnkalkulation gezwungen sind, dort einen Arbeitsvertrag zu Mindestlohnkonditionen zu unterschreiben. Leidtragende sind auch die Unternehmen, die dann ihre Konzession verloren haben sowie auf Be
triebsmittel, Versorgungs-Verpflichtungen und Fahrzeugen sitzenbleiben. Denn dort gilt bekanntlich nicht § 613a HGB.
Es gibt hier also ungleiche Voraussetzungen. Wir brauchen aber Waffengleichheit im eigenwirtschaftlichen Wettbewerb.
Die CDU hat im ÖPNVG-Beratungsprozess einen Antrag eingebracht, der da lautete, dass repräsentative Tarife im Nahverkehr in den Nahverkehrsplänen vorgegeben werden sollen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt gewesen. Diese Forderung findet sich im neuen ÖPNV-Gesetz auch wieder.
Das Problem an dieser Stelle aber ist: Wir haben die eigenwirtschaftlichen Anträge dort vielleicht abgehandelt, es gibt aber immer noch den großen Bereich der Fernlinienbusse, der Reisebusse und des freigestellten Schülerverkehrs. Dort finden sich teilweise nach wie vor menschenunwürdige Zustände mit Löhnen ganz nah am Mindestlohn und Unternehmen, die immer wieder an der Existenzgrenze kratzen.
Wir haben vonseiten der rot-grünen Landesregierung für diesen gesamten Bereich bisher keine Antwort bekommen. Das ist traurig.
Auch dieser Antrag für die PBefG-Änderung, der jetzt hier vorliegt, geht an den Problemen der privaten Busbranche – das betrifft Fernlinienverkehr, Reiseverkehr und freigestellter Schülerverkehr – vorbei. Das ist schade. Er berührt wirklich nur den gesamten Bereich Eigenwirtschaftlichkeit. Es gab auf Bundesebene einen Vorschlag des VDV, ein Kompromisspapier. Den hat die SPD in den Verhandlungen abgelehnt. Das ist schade. Man hätte dort zu einer Lösung kommen können.
Keine Lösungen haben wir also für Zigtausende Beschäftigte und mittelständische Unternehmen im Fernbus-, Reisebus- und Schulbusverkehr. Hier hilft kein rot-grünes Tariftreuegesetz, keine ÖPNVGNovelle und keine Personenbeförderungsgesetzänderung. – Unter Rot-Grün gab es verlorene Jahre für die Beschäftigten in den privaten Busbetrieben. Und das ist schade.