Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Danke schön, Herr Minister. – Nun hat sich der Kollege Kamieth gemeldet. Bitte schön.

Vielen Dank. – Herr Minister, Sie hatten eben zugesagt, Antworten schriftlich nachzureichen. Wird das noch vor der Wahl geschehen?

Wir müssen die Abfrage machen, aber das Ziel hätte ich schon, ja. Ich würde Ihnen gerne auch Zusagen für weit danach machen, aber ich will jetzt keine Vorhersagen treffen.

Weitere Fragen haben wir zu dem Punkt nicht? – Gut.

Dann rufe ich auf:

Mündliche Anfrage 91

des Herrn Abgeordneten Witzel von der Fraktion der FDP:

Aufklärungsarbeit des Finanzministers zur Beteiligung der WestLB an hoch manipulativen Cum-Ex-Steuerrückerstattungen – Welche

Auswirkungen haben die aktuellen Befunde auf die weitere Abwicklung bei der Portigon AG?

Cum Ex-Deals von Banken werden zu Recht als eine besonders üble Form der Steuerhinterziehung eingeordnet, da diese Geschäfte nicht allein den Versuch der Minderung der eigenen Steuerschuld bedeuten, sondern sich die Beteiligten noch dreister Steuern zu Lasten der Allgemeinheit erstatten lassen, die in Wahrheit nie-mals gezahlt worden sind, also sogar einen Abfluss öffentlicher Mittel an nicht berechtigte Begünstigte darstellen.

Seit nunmehr vier Jahren weisen sachkundige Marktkreise darauf hin, dass auch die landeseigene Skandalbank WestLB in dem dringenden Verdacht steht, sich dieser manipulativen Praktiken aktiv bedient zu haben. Dem Finanzminister sind diese Vorwürfe durch regelmäßige parlamentarische Nachfragen unterschiedlicher Ab-geordneter der FDP-Landtagsfraktion ebenfalls seit diesem Zeitpunkt bekannt.

Bereits mehrfach hat die FDP-Landtagsfraktion den Verdacht des Steuerbetrugs durch die WestLB mit Cum Ex-Aktiendeals parlamentarisch thematisiert. Bislang hat der Finanzminister daraufhin mitgeteilt, ihm lägen dazu keine bestätigenden Erkenntnisse vor. Im Gegenteil würden interne Untersuchungen des Rechtsnachfolgers Portigon AG für eine Entlastung bei diesen Vorwürfen sorgen (bspw. Verweis auf den Analyse- bericht von Ernst & Young). Bei letzterem handelt es sich aber nur um eine stichprobenartige Untersuchung, die ferner entgegen parlamentarischer Aufforderung bis heute leider nicht veröffentlicht worden ist.

Nur auf Nachfrage der FDP-Landtagsfraktion hat der Finanzminister unlängst den Landtag in-formieren und zugleich einräumen müssen, dass bereits eine zweite gutachterliche Expertise beauftragt worden ist – diesmal bei Clifford Chance. Das Gutachten ist dem Landtag seitens des Finanzministers bis heute bedauerlicherweise nicht zur Verfügung gestellt worden.

Auch nach Vorliegen dieser zweiten Begutachtung hat der Finanzminister noch vor weniger als

einem Monat im März 2017 dem Landtag wiederum auf Anforderung der FDP-Landtagsfraktion wörtlich mitgeteilt (siehe Vorlage 16/4819):

„Die Beteiligungsverwaltung besitzt keine neuen Erkenntnisse aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. (…) Der Portigon AG liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass es in der ehemaligen WestLB zu verbotenen Cum-Ex-Geschäften gekommen ist. (…) Vor dem Hintergrund, dass der Portigon AG keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass die WestLB AG verbotene Cum-Ex-Geschäfte betrieben hat, wurde diesbezüglich keine Risikovorsorge getroffen.“

Bereits Ende März 2017 stellt sich der Sachverhalt für den Finanzminister grundlegend anders dar. Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ wird der Haushalts- und Finanzausschuss auf Nachfrage kurz informiert, dass der aktuelle Jahresabschluss der Portigon AG aufgrund der Befunde zu Cum-Ex-Sachverhalten nicht fristgerecht fertiggestellt werden kann.

In einer Medieninformation vom 29. März 2017 hat der Finanzminister zum aktuellen Status er-klärt:

„Nachdem der Bank vor kurzem die Einsichtnahme in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft gewährt wurde, arbeitet die Bank nunmehr die hierbei gefundenen Hinweise weiter auf. (…) Ich unterstütze eine konsequente und schonungslose Aufklärung über alle Hinweise auf Cum-ExGeschäfte.“

Die zurückhaltende Informationspolitik der Landesregierung ist bedauerlich, die zumeist nur erfolgt, wenn gezielte Fragen der Opposition ein-gehen, neue Erkenntnisse aus der Recherche von Medien bereits öffentlich geworden sind o-der zwingend auffallende Sachverhalte vorliegen (wie die erkennbar nicht fristgerechte gesetzliche Vor- lage des Jahresabschlusses einer AG).

Der Landtag hat daher ein Anrecht darauf, vom Finanzminister auch kalendarisch zu erfahren, zu welchem Datum er erstmals und ab dann jeweils nachfolgend im Rahmen all seiner Möglichkeiten auch als Eigentümer der Portigon AG die not-wendigen Recherchen beauftragt und sich ergebende Nachfragen an das Management gerichtet hat. Aufgrund seiner ansonsten von ihm öffentlich gern breit kommunizierten Bemühungen um eine möglichst harte Vorgehensweise gegen Steuertrickser und konsequente Aufklärung zu beanstandender Steuersachverhalte dürfte der Finanzminister ein hohes Eigeninteresse daran haben, dass Parlament und Öffentlichkeit all seine Aktivitäten zum Cum-Ex-Vorwurf mit seinen jeweiligen Handlungszeitpunkten im Detail nachvollziehen können.

Ebenso interessant sind die weiteren Konsequenzen der aktuellen Befunde für das Land und die Steuerzahler. Die Vertagung des Jahresabschlusses bei der Portigon AG dürfte nur plausibel sein, wenn es nun also doch gravierende Evidenz für Steuerverstöße und daraus resultierende Steuernachzahlungen bzw. Strafzahlungen gibt, die bilanziell abgebildet werden müssen. Angesichts anderer Strafzahlungen von Banken, die zumeist einen respektablen dreistelligen Millionenbetrag ausmachen, stellt sich daher gerade auch zum Ende der Legislaturperiode und des Abschlusses der Arbeiten des PUA WestLB die Frage, ob die bisherige Vorsorge für die WestLB-Abwicklung tatsächlich auskömmlich ist.

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Befunde auf das weitere Vorgehen bei der Abwicklung der Portigon AG?

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Dr. Walter-Borjans antworten wird.

Das ist jetzt ein Thema, das wir sowohl unter der Präsidentschaft von Herrn Keymis als auch anderer schon sehr häufig durch Fragen von Herrn Witzel kennengelernt haben. An der Stelle muss ich nun wirklich deutlich sagen: Herr Witzel, das können wir so oft wiederholen, wie Sie möchten. Die Aufklärungsarbeit haben nicht Sie betrieben, sondern die hat die Landesregierung und die habe ich betrieben.

Also: Der immer wieder dargestellten Legende, ohne die kritischen Nachfragen aus der FDP-Fraktion wäre da nichts weitergegangen, kann man erstens, glaube ich, sehr deutlich widersprechen. Zweitens kann ich Ihnen gerne noch einmal aufzählen, wie oft wir das alles schon beantwortet haben.

Wir haben dieses Thema unter anderem mit HFAVorlagen vom 25. November 2015, vom 10. Dezember 2015, vom 30. Mai 2016, vom 7. Juni 2016, vom 27. Juni 2016, vom 9./10. November 2016, vom 16. Januar 2017, vom 4. März 2017 in den HFA-Sitzungen vom 26. November 2015, vom 10. Dezember 2015, vom 2. Juni 2016, vom 24. November 2016, vom 9. März 2017 und in der Plenarsitzung vom 9. November 2016 immer wieder erschöpfend behandelt.

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Doch. Ja, gut. Vielleicht erschöpft es Sie nicht, das mag ja sein. Ob das jetzt dafür spricht, dass Sie dieser Frage so dezidiert nachgehen, weiß ich nicht.

Ich will Ihnen an dieser Stelle noch einmal sagen, worum es hier geht. Es geht darum, dass die Landesregierung – ganz unabhängig davon, um welche Bank es sich handelt – das Thema „Cum-Ex“ erst durch den Erwerb eines Datenträgers und im Zusammen

hang mit Ermittlungen auch anderer auf die Tagesordnung gebracht hat, denen wir deutlich machen konnten: Dahinter ist ein System. Dieses System hat dazu geführt, dass in erheblichem Umfang Schaden für die Allgemeinheit, für die ehrlichen Steuerzahler entstanden ist.

Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir uns natürlich dafür interessieren, ob sich auch Banken, für die wir als Eigentümer Verantwortung tragen, daran beteiligt haben oder nicht. Ich gebe gern zu, dass Sie das auch immer wieder gefragt haben. Aber das war nicht der Auslöser, und es geht auch nicht nur um die WestLB.

In diesem Zusammenhang hat die Landesregierung – egal, um welchen Eigentümer es sich handelt – einen Hebel, der für alle gilt, auch für die, die außerhalb von Nordrhein-Westfalen sitzen. Das ist die Steuerfahndung. Wenn wir feststellen, dass über diese Datenträger nicht bloß unmittelbare Steuerhinterzieher identifiziert werden, sondern auch Geschäftsmodelle, dann wird die Steuerfahndung gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern, aber vor allen Dingen mit der Staatsanwaltschaft tätig.

Jetzt haben wir im Bereich der Bank, die dem Land gehört, eine weitere Möglichkeit, die bei anderen nicht gegeben ist. Wir sind auch im Aufsichtsrat tätig. Dazu möchte ich zunächst sagen, dass wir bei dem, was die Staatsanwaltschaft und die Steuerfahndung jetzt zutage gebracht haben, über das Jahr 2007 reden und zusätzlich offenbar in einem deutlich größeren Umfang über das Jahr 2006.

Wenn das aus dem Aufsichtsrat heraus zu sehen war, stelle ich die Frage, warum dann mein Vorgänger im Aufsichtsrat nicht darauf gekommen ist. Warum hat er keinerlei Fragen dieser Art gestellt? Ich kann es Ihnen sagen – und dabei will ich ihn gar nicht an die Wand nageln –: Im Aufsichtsrat haben Sie nur beschränkte Möglichkeiten. Es kommt erstens darauf an, was die Unternehmensführung berichtet. Zweitens hat sowohl der Aufsichtsrat als auch die Unternehmensführung eine gewisse Schutzfunktion für das Unternehmen inne. Das heißt, als Eigentümer können Sie Fragen stellen, auch im Aufsichtsrat – seien Sie gewiss, dass ich das nicht nur jetzt tue, sondern seit Langem –, aber dann endet das auch an einer gewissen Stelle.

Wir haben, wie Sie wissen, die Bankleitung dazu gebracht, eine Reihe von Gutachten in Auftrag zu geben. Dass die Bankleitung das nach ihren Möglichkeiten in dem gesetzlichen Rahmen macht, ist erst einmal ihr Recht.

Ich habe immer gesagt: Das ist die eine Seite der Zange. Die andere Seite ist die, dass für diese Bank genauso wie für die Commerzbank, die Deutsche Bank und andere die Staatsanwaltschaft und die

Steuerfahndung da sind. Und siehe da, die Seite hat am Ende etwas zutage gebracht.

Wir sind der Auffassung, das ist ein Erfolg. Der ist ganz eindeutig nicht auf meine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied zurückzuführen, sondern auf

meine Tätigkeit als Finanzminister und damit auch als Chef der Steuerfahndung. Die Möglichkeit hätte auch schon zwischen 2005 und 2010 bestanden. Wir haben es gemacht. Dadurch ist jetzt mehr an den Tag gekommen.

Jetzt kommt der Punkt, dass die Staatsanwaltschaft – das muss man dazusagen – natürlich mehr Möglichkeiten hatte als die Bank selbst, weil sie sich sehr intensiv mit sehr detaillierten, auch nicht strukturierten Aufzeichnungen beschäftigt hat, sprich: wirklich Texte Zeile für Zeile gelesen hat, Telefonaufzeichnungen nachgehört hat usw. Damit hat sie tiefere Einblicke gewonnen, als das vorher von Bankseite der Fall war, wie bei anderen Banken auch.

Die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaft haben auch schlicht und ergreifend mehr Möglichkeiten, dann auf externe Quellen zurückzugreifen, auf die die Unternehmensführung der Portigon gar nicht hätte zurückgreifen können.

Das hat dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft tätig geworden ist. Auf dieser Grundlage ist zunächst einmal alles andere als ein Schuldbeweis erbracht worden, sondern es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass in den Jahren 2006 und 2007 im Wesentlichen auch von Portigon bzw. damals der WestLB Cum-ExGeschäfte ausgegangen sind. Das muss jetzt zu vertiefenden Ermittlungen führen mit der Folge, dass die Unternehmensleitung vor diesem Hintergrund auch gesagt hat, dass sie den schon fertigen Geschäftsbericht noch einmal verschieben möchte. Dem hat der Aufsichtsrat, wie ja in der Öffentlichkeit auch dargestellt worden ist, zugestimmt.

Insofern fühle ich persönlich mich in diesem ganzen Feld sehr bestätigt, das Thema „Cum-Ex“ in dieser Breite, weit über die WestLB hinaus, in der gesamten Bankenlandschaft auch international angestoßen zu haben, die Möglichkeiten von Fahndung und Staatsanwaltschaft auch in Bezug auf die uns gehörende Bank uneingeschränkt, vielleicht sogar noch ein Stück intensiver vorangebracht zu haben. Das hat ja zu den Ergebnissen geführt, vor denen wir im Moment stehen, die alles andere als ein Abschluss sind und die auch nicht zulassen, dass ich jetzt eine Vorverurteilung vornehme oder irgendetwas quantifiziere, was erst im Zuge der weiteren Ermittlungen quantifiziert werden kann.

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt einige Nachfragen. Als Erster hat sich Herr Kollege Wedel gemeldet. Bitte schön, Herr Wedel.

Vielen Dank. Herr Minister, am 3. Juli 2013 haben Sie erstmals die Verdachtsmomente gegen die WestLB mit Landtagsdrucksache 16/3480 auch parlamentarisch zugeleitet bekommen.

An welchem Datum bzw. zu welchen weiteren Zeitpunkten haben Sie die Hinweise als Anlass für Aktivitäten beim Rechtsnachfolger Portigon AG genommen?

In der Folge gab es eine ganze Reihe von weiteren Fragen und Hinweisen; die kennen wir. Ich habe sie sogar irgendwo in einer Chronologie hier, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen will. Ich kann es trotzdem einmal probieren und sagen, was es schon alles gegeben hat:

Eine steuerliche Betriebsprüfung hat es schon 2008 gegeben. Die ist von den Finanzbehörden Mitte 2014 abgeschlossen worden.

Es gab Prüfungen aus Anlass Kleiner Anfragen der FDP vom 28. Juni 2013 und vom 3. November 2014.

Es gab das Vorgehen meinerseits im Aufsichtsrat. Das war bereits 2014 und dann noch einmal im Juli 2015 und im November 2015.