Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Sie loben sich selber dafür, dass Sie in dem Antrag die Instrumente und das Wie offenlassen. Aber, liebe Piraten, wenn Sie keine Instrumente nennen, ist das zum jetzigen Zeitpunkt der Legislaturperiode kein Qualitätsmerkmal, sondern ein Offenbarungseid.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Hätten Sie denn jetzt einem Gesetz zugestimmt?)

Wer sollte jetzt ernsthaft dazu noch etwas beschließen?

Wir finden das Thema spannend. Alle im nächsten Landtag vertretenen Fraktionen können das gerne noch einmal aufrufen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Wedel jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In ihrem Antrag bemängeln die Piraten zu Recht die fehlende Aussagekraft der derzeitigen Statistiken zur Kriminalitätsentwicklung. Der Antrag stellt die Grundproblematik zutreffend dar. Eine Messung des tatsächlichen Erfolgs einer polizeilichen bzw. kriminalpolitischen Maßnahme findet nicht statt, und zwar schon deshalb nicht, weil eine Verknüpfung mit anderen Statistiken, wie beispielsweise der Strafverfolgungsstatistik, nicht möglich ist.

Da sich alle Statistiken nur auf Straftaten beziehen, die bei den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden, können sie zudem nur Auskunft über das Hellfeld der Kriminalität geben, das in der kriminologischen Wissenschaft nur als Bruchteil der gesamten tatsächlich geschehenen Kriminalität betrachtet wird.

Nach der instruktiven Anhörung im Rechtsausschuss lässt sich unseres Erachtens im Kern Folgendes festhalten: Die vorhandenen Statistiken – namentlich die Polizeiliche Kriminalstatistik, die Staatsanwalt

schaftsstatistik, die Geschäftsstatistik der Strafgerichte, die Strafverfolgungsstatistik, die Strafvollzugsstatistik und die Bewährungshilfestatistik – dienen jeweils eigenen Zielen. Aus ihnen lässt sich aber kein Gesamtüberblick gewinnen.

Zusätzlich zu den bestehenden Statistiken bedarf es daher einer auf Einzeldatensätzen basierenden Verlaufsstatistik, die den Verlauf von Fällen und Personen über die Instanzen der strafrechtlichen Kontrolle hinweg abbildet. Eine solche steht natürlich zeitlich nur stark versetzt zur Verfügung, da letztlich der Abschluss des letzten Verfahrensschrittes abgewartet werden muss. Eine solche Verlaufsstatistik ermöglichte dann aber insbesondere auch eine Evaluation polizeilicher und kriminalpolitischer Maßnahmen sowie eine Rückfallstatistik. Diese Erkenntnisse sind bisher nur punktuell durch aufwendige Analysen von Fallakten im Rahmen von Forschungsprojekten zu erzielen.

Um die Kriminalitätsentwicklung abzubilden, bedarf es daneben statistikergänzender Dunkelfeldstudien. Im Optimum würden diese gesammelten Erkenntnisse dann in einem periodischen Sicherheitsbericht gebündelt.

Neu sind diese Zusammenhänge und die darauf basierenden Folgerungen allerdings nicht. Bisherige Bemühungen beispielsweise der Arbeitsgruppe zur Optimierung der bestehenden kriminalstatistischen Systeme, bestehend aus Vertretern der Wissenschaft, Mitarbeitern des BKA, des Statistischen Bundesamts, der statistischen Landesämter, des niedersächsischen Justizministeriums, des BMI sowie des

BMJ, wurden nicht aufgegriffen und sind an den Kosten und der Vielzahl der zu koordinierenden Akteure gescheitert.

Vor der Schaffung einer bundesgesetzlichen Grundlage müssten zunächst IT-technische Fragen, Zuständigkeits- und Rechtsfragen geklärt werden. Dazu bedürfte es als erstem Schritt einer Machbarkeitsstudie. Eine solche setzt aber wiederum den politischen Willen sowohl des Bundes als auch der Länder voraus, sich des Themas ernsthaft anzunehmen. Die neue Landesregierung, in welcher Konstellation auch immer, sollte daher das Thema sowohl auf der Innenministerkonferenz als auch auf der Justizministerkonferenz aufrufen und einen neuen Anlauf starten.

Der vorliegende Antrag der Piraten bildet die notwendigen Maßnahmen in seinem Beschlussteil somit aber nur zu einem kleinen Teil ab. Leider kam der Antrag so spät, dass eine fraktionsübergreifende Erarbeitung eines fundierten Beschlusses nicht mehr möglich war. Die FDP-Fraktion wird sich zu dem Antrag daher enthalten. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schatz.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der Zeit würde ich meine fünf Minuten gerne bis zum Ende ausreizen, und ich hoffe auf viele Zwischenfragen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Da wird der Fan- club nicht größer!)

Tja!

Alle Jahre wieder folgt auf die Vorstellung der PKS eine ganze Reihe von Anträgen der jeweiligen Oppositionsparteien, die sich auf diese Daten stützen und der jeweiligen Landesregierung Versagen vorwerfen. Das passiert nicht nur hier in NRW, sondern bundesweit – so weit, so normal.

Jetzt haben die Anhörung, über die wir reden, und der Antrag allerdings ein ganz deutliches und vor allem ein sehr verstörendes Bild gezeichnet. Ausnahmslos alle Sachverständigen waren der Ansicht, dass die bisherigen Statistiken nicht einmal ansatzweise dazu geeignet sind, um damit integre Kriminalpolitik zu betreiben. Und das betrifft eben nicht nur die PKS – Frau Hanses, hören Sie genau zu –, sondern auch andere Statistiken, zum Beispiel die Justizstatistik, die Strafverfolgungsstatistik, die Strafvollzugsstatistik etc. Deswegen gehört das Thema nicht zwangsläufig in den Innenausschuss, sondern der Rechtsausschuss ist dazu genauso geeignet. Hätten Sie den Antrag gelesen, wüssten Sie das.

(Zuruf von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Der Sachverständige Kawelovski hat festgestellt, dass all diese Statistiken, die sich aus verschiedenen Quellen speisen, ein Eigenleben führen, ohne sich gegenseitig auszutauschen, und später nicht einmal miteinander vergleichbar sind. Sie geben nur das Hellfeld der Straftaten wieder und sind zudem überaus anfällig für Manipulationen und Fehlinterpretationen und letztlich zumeist nichts weiter als ein Arbeitsnachweis der jeweiligen Institutionen ohne wirklichen kriminalpolitischen Mehrwert.

Ich will es einmal anders ausdrücken: Sämtliche Gesetze und Maßnahmen, die Sie immer so schön fordern und in den vergangenen 50 Jahren aufgrund irgendwelcher polizeilichen Kriminalstatistiken gefordert haben, können Sie im Prinzip in die Tonne treten, weil Sie von Voraussetzungen ausgehen, die wissenschaftlich bzw. statistisch in keiner Weise – nicht einmal ansatzweise – valide unterlegt sind. Das Schlimmste ist, dass das nicht neu, sondern bereits seit Jahrzehnten bekannt ist.

Umso befremdlicher ist für mich, dass es für den einen oder anderen hier anscheinend doch noch neu war, was aber das eine oder andere unsinnige Handeln hier im Hause durchaus erklären würde. Genau bei diesem Problem setzt unser Antrag an. Eine Verlaufsstatistik, wie wir sie fordern, würde auf einen Schlag viele – nicht alle, aber viele – der eben genannten Probleme beseitigen.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Nein, das würde sie nicht!)

Das Beste: Die Ergebnisse kriminalpolitischer Maßnahmen wären statistisch überprüfbar. Wir könnten den Verlauf einer Straftat von der Anzeigenerstattung bis zum Abschluss des Strafverfahrens und sogar darüber hinaus in jedem Einzelfall verfolgen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Sehr vernünftig wäre das!)

Das wäre eine Revolution in der Kriminalpolitik. Aber wie ich vernehmen durfte, wollen Sie das nicht. Wo kämen wir denn hin, wenn der Wähler plötzlich merken würde, was Sie ihm jahrzehntelang für einen Quatsch aufgetischt haben?

Ja, es gab auch kritische Stimmen. Das will ich nicht verhehlen, das ist in der Tat so. Die einzige war die von Prof. Heinz, die allerdings darauf abzielte, dass unser Antrag nicht weit genug geht. Das stimmt. Wir hätten nichts dagegen, wenn die Forderungen noch weiter gehen würden, als in unserem Antrag beschrieben. Auch wir sehen das nur als ersten Schritt. Das war ja quasi der kleinste gemeinsame Nenner, von dem wir glaubten, dass sich alle Fraktionen darauf einigen könnten.

Nichtsdestotrotz ist unser Antrag nichts weiter als eine Teilmenge der anderen geforderten Maßnahmen, die in der Anhörung zu Sprache kamen, sodass er auch für sich genommen nicht falsch ist oder fehl

am Platz wäre. Weitergehende Maßnahmen können sich ohne Probleme anschließen, ohne dass man auf diesen ersten Schritt verzichten müsste.

Letztlich waren sich nämlich alle, und zwar wirklich ausnahmslos alle Sachverständigen einig, dass sie das grundsätzliche Anliegen unseres Antrags befürworten. Ich habe jeden einzelnen Sachverständigen explizit danach gefragt, ob er diese Maßnahme für sinnvoll hält. Bis auf den Herrn vom Statistischen Bundesamt, der sich für diese Frage für fachlich nicht zuständig erklärt hat, haben alle mit einem ganz eindeutigen Ja geantwortet. Dabei waren Antworten wie: „ja, auf jeden Fall“, „aus fachlicher Sicht selbstverständlich“ etc. Sie können in das Protokoll hineinschauen, das ist bekannt.

Wieder einmal ist das passiert, was immer passiert: Die rot-grüne Mehrheit lehnt Anträge ab, bei denen die Anhörung zu einem eindeutig positiven Ergebnis kam.

(Walter Kern [CDU]: Ja, so ist das!)

Ich hatte Ihnen allen – allen Fraktionen – mehrfach angeboten, dass wir uns gemeinsam daransetzen, bis heute einen Änderungsantrag zu erarbeiten, der auch Ihren Bedürfnissen gerecht wird. Natürlich hatten Sie nicht das geringste Interesse daran – und das, obwohl dieser Antrag ganz bewusst so formuliert ist, dass er eben keine konkreten Maßnahmen fordert, sondern die Landesregierung dazu auffordert, ein Konzept zur Umsetzung vorzulegen. Wie dieses Konzept dann letztlich aussieht, steht in den Sternen.

Herr Nettekoven, das kann letztlich auch bedeuten, dass beispielsweise Machbarkeitsstudien vorausgesetzt werden. Das wäre eine Möglichkeit, die in diesem Konzept vorkommen könnte. Aber Sie sind offenkundig nicht an einer vernünftigen, auf validen Daten aufbauenden Kriminalpolitik interessiert. Das ist sehr schade und öffnet dem Populismus Tür und Tor. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schatz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Schatz, die Innenministerkonferenz hat bereits eine länderoffene Arbeitsgruppe eingerichtet,

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Ja, seit wann läuft die denn? Seit 300 Jahren, oder was?)

die sich mit der Frage der Erfassung von Taten bei der Polizei über staatsanwaltschaftliche Maßnahmen, über gerichtliche Entscheidungen und über die Vollstreckung der Strafe unter Beteiligung des BMI

sowie des Bundesjustizministers beschäftigt. Damit sind große Teile Ihres Antrags bereits in Arbeit. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 15.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/14631, den Antrag Drucksache 16/13524 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer also dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die CDU. Wer enthält sich? – Die FDPFraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Dann ist der Antrag der Piraten mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

16 Gesetz zur Stärkung der Versorgung bei

Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/13702